Bitte in Kalbsleder binden! – Jörg Magenau und die Gebrüder Jünger

(Rezension aus Sezession 51 / Dezember 2012)

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Der ehe­ma­li­ge taz-Redak­teur und heu­ti­ge freie Autor Jörg Mage­nau (Jahr­gang 1961) hat über die Gebrü­der Jün­ger eine Art Dop­pel­bio­gra­phie ver­faßt, mit der nicht recht etwas anzu­fan­gen ist. Die Lek­tü­re ent­ließ den Rezen­sen­ten müde, er ver­spür­te kei­nen Drang, sich gegen die sanf­te Okku­pa­ti­on der Jün­gers durch Mage­nau zur Wehr zu set­zen. Ein ange­neh­mes Buch – es atmet so recht den Geist jener Nor­ma­li­sie­rungs­ma­schi­ne namens Jün­ger-Gesell­schaft, die seit Jah­ren bei Wilf­lin­gen gut­bür­ger­li­che Tagun­gen abhält und dabei von vorn­her­ein alles Explo­si­ve am Werk der Brü­der ablöscht.

Aber dies wird den bei­den publi­zis­ti­schen Radi­kal-Den­kern nicht gerecht: Die Jün­gers stan­den nicht abseits, als es um die Revi­si­on der Nie­der­la­ge von 1918 ging, son­dern ver­faß­ten Tex­te und Abhand­lun­gen, die auf Mobil­ma­chung, Sys­tem­über­win­dung und natio­na­le Erneue­rung ziel­ten. Als Ernst Jün­ger sei­ne frü­hen Ver­öf­fent­li­chun­gen nach 1945 ent­schärf­te, sprang sein Sekre­tär Armin Moh­ler dazwi­schen und äußer­te offen Kri­tik an die­ser Pra­xis: Jün­ger habe kein Recht, sei­ne Tex­te umzu­schrei­ben, da Hun­der­te jun­ger Män­ner unter dem Ein­druck der Lek­tü­re ihr Leben geän­dert und – vom Ich abse­hend – Dienst an der »Arbeiter«-Gestalt geleis­tet hät­ten, und zwar bis hin zum namen­lo­sen Tod im Krieg.

Die Jün­ger-Gesell­schaft möch­te die­se Jün­gers, die­sen Geist ver­ges­sen machen, und Jörg Mage­nau macht das­sel­be, wenn er die bei­den Brü­der aus der kon­kre­ten, har­ten Wirk­lich­keit in eine selt­sam extra­ter­res­tri­schen Sphä­re ent­rückt: Man ist nicht so recht auf dem Pla­ne­ten zu Hau­se, in des­sen Kno­chen­müh­le mal der Fuß, mal die Schul­ter, mal die hal­be Exis­tenz gera­ten. Ernst und Fried­rich Georg – ein Ster­nen­zelt ist über die­se stau­nen­den Sucher auf­ge­spannt, und Peter­chens Mond­fahrt beginnt: Da wird nach Käfern geklopft, ein Ver­ti­ko in den Ofen gescho­ben, in der Son­ne gele­gen und mor­gens – man liest es zum hun­derts­ten­mal – eine kal­te Bade­wan­ne bestie­gen. Die Ale­man­ni­sche Fast­nacht spielt ein gro­ße Rol­le, der Haus­herr hilft bei Wohn­ort­wech­seln kei­nen Strich, Fried­rich Georg hat Schreib­hem­mun­gen, Ernst depres­si­ve Tage, und katho­lisch ist er auch noch gewor­den, wobei er ein eige­nes Glau­bens­be­kennt­nis ent­wor­fen hat, das auch in Magen­aus Buch noch ein­mal in vol­ler Län­ge abge­druckt ist und in dem Zwer­ge vorkommen.

Magen­aus Buch ist vor allem ein Exzerpt aus dem noch unver­öf­fent­lich­ten Brief­wech­sel der Brü­der, die­ser Men­schen wie ich und du. Für die Kalbs­le­der­aus­ga­ben­le­ser, die sich nach Harm­lo­sem seh­nen, ist das genau die rich­ti­ge Lek­tü­re. Für jeden, der weiß, was Mage­nau nicht erzählt, ist das Buch ein Ärger­nis: Es ermü­det und es ist eine Vereinnahmung.

 

Jörg Mage­nau: Brü­der unterm Ster­nen­zelt. Fried­rich Georg und Ernst Jün­ger, Stutt­gart: Klett-Cot­ta 2012. 320 S., 22.95 €

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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