Der ehemalige taz-Redakteur und heutige freie Autor Jörg Magenau (Jahrgang 1961) hat über die Gebrüder Jünger eine Art Doppelbiographie verfaßt, mit der nicht recht etwas anzufangen ist. Die Lektüre entließ den Rezensenten müde, er verspürte keinen Drang, sich gegen die sanfte Okkupation der Jüngers durch Magenau zur Wehr zu setzen. Ein angenehmes Buch – es atmet so recht den Geist jener Normalisierungsmaschine namens Jünger-Gesellschaft, die seit Jahren bei Wilflingen gutbürgerliche Tagungen abhält und dabei von vornherein alles Explosive am Werk der Brüder ablöscht.
Aber dies wird den beiden publizistischen Radikal-Denkern nicht gerecht: Die Jüngers standen nicht abseits, als es um die Revision der Niederlage von 1918 ging, sondern verfaßten Texte und Abhandlungen, die auf Mobilmachung, Systemüberwindung und nationale Erneuerung zielten. Als Ernst Jünger seine frühen Veröffentlichungen nach 1945 entschärfte, sprang sein Sekretär Armin Mohler dazwischen und äußerte offen Kritik an dieser Praxis: Jünger habe kein Recht, seine Texte umzuschreiben, da Hunderte junger Männer unter dem Eindruck der Lektüre ihr Leben geändert und – vom Ich absehend – Dienst an der »Arbeiter«-Gestalt geleistet hätten, und zwar bis hin zum namenlosen Tod im Krieg.
Die Jünger-Gesellschaft möchte diese Jüngers, diesen Geist vergessen machen, und Jörg Magenau macht dasselbe, wenn er die beiden Brüder aus der konkreten, harten Wirklichkeit in eine seltsam extraterrestrischen Sphäre entrückt: Man ist nicht so recht auf dem Planeten zu Hause, in dessen Knochenmühle mal der Fuß, mal die Schulter, mal die halbe Existenz geraten. Ernst und Friedrich Georg – ein Sternenzelt ist über diese staunenden Sucher aufgespannt, und Peterchens Mondfahrt beginnt: Da wird nach Käfern geklopft, ein Vertiko in den Ofen geschoben, in der Sonne gelegen und morgens – man liest es zum hundertstenmal – eine kalte Badewanne bestiegen. Die Alemannische Fastnacht spielt ein große Rolle, der Hausherr hilft bei Wohnortwechseln keinen Strich, Friedrich Georg hat Schreibhemmungen, Ernst depressive Tage, und katholisch ist er auch noch geworden, wobei er ein eigenes Glaubensbekenntnis entworfen hat, das auch in Magenaus Buch noch einmal in voller Länge abgedruckt ist und in dem Zwerge vorkommen.
Magenaus Buch ist vor allem ein Exzerpt aus dem noch unveröffentlichten Briefwechsel der Brüder, dieser Menschen wie ich und du. Für die Kalbslederausgabenleser, die sich nach Harmlosem sehnen, ist das genau die richtige Lektüre. Für jeden, der weiß, was Magenau nicht erzählt, ist das Buch ein Ärgernis: Es ermüdet und es ist eine Vereinnahmung.
Jörg Magenau: Brüder unterm Sternenzelt. Friedrich Georg und Ernst Jünger, Stuttgart: Klett-Cotta 2012. 320 S., 22.95 €