Fleischeslust – Florian Asche über die “Lust am Archaischen”

(Rezension aus Sezession 51 / Dezember 2012)

Florian Asche, Anwalt mit Spezialgebiet Jagdrecht, hatte schon länger den Verdacht, daß es eine Verbindung gäbe zwischen Jagd und Sex.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Bei­des sind Trie­be, die im Archai­schen wur­zeln und heu­te nach ratio­na­len Begrün­dun­gen hei­schen. Klar, wir kon­su­mie­ren Fleisch – so oder so – wie seit Urzei­ten und dar­über hin­aus. Doch sowohl Magen als auch Unter­leib fin­den häu­fig Sät­ti­gung an Sur­ro­ga­ten, an ent­frem­de­tem Gut: Die Mas­se kon­su­miert Mast­vieh und Pornos.

Dane­ben: der Trend zum Vege­ta­rier­tum und zum ent­haar­ten Kör­per, zur Abwen­dung von allem »Tie­ri­schen«. Ver­dient es die Flei­sches­lust nicht, (re)kultiviert zu wer­den, befreit von Ver­brä­mun­gen und unschö­nen Ein­zwän­gun­gen, vom Dasein als Kon­sum­gut? Für Asche lag es nah. Dann besuch­te er die­se Jagd­mes­se. Neben ihm ein jäger­grü­nes Pär­chen in geschlechts­neu­tra­lem Ein­heits­aus­se­hen. Deu­tet er auf den Stand mit dem Wildschin­ken: »Hascht Luscht?« Nein, den The­men­kom­plex Jagd/Erotik muß­te man wohl nicht ver­dich­ten, so Asche verdrossen.

Und doch über­wog der Reiz, die asep­ti­sche Mau­er zwi­schen Wild­tier­ma­nage­ment und dem ande­ren Ver­gnü­gen ein­zu­rei­ßen. Rund 350000 Jäger zah­len in Deutsch­land jähr­lich 500 Mil­lio­nen Euro Jagd­pacht. Und wozu? Um den Weg­fall des Groß­raub­wil­des zu erset­zen? Um Seu­chen vor­zu­beu­gen und Wild­schä­den in Schach zu hal­ten? Zur Bio­top­pfle­ge? Ja, dies alles. Die Jäge­rei als »mensch­li­che Geis­tes­krank­heit« (Theo­dor Heuss) steht hier­zu­lan­de unter enor­mem Recht­fer­ti­gungs­druck. Spie­ßi­ger Tra­di­ti­ons­muff umgibt sie. Tier­recht­lern gilt die Jagd als »Blut­sport«, als unver­ein­bar mit den Not­wen­dig­kei­ten moder­ner Gesell­schaf­ten. Dar­um steht bei den Grün­rö­cken die Schub­la­de der ratio­na­len, poli­tisch kor­rek­ten Begrün­dun­gen weit offen: Das Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter ist so nach­voll­zieh­bar wie defen­siv. Sexy sind sol­che Recht­fer­ti­gungs­ver­su­che sel­ten. Asche wagt die Offen­si­ve. Sein Essay zur Ver­tei­di­gung des »Archai­schen« ist ein geglück­ter, flott les­ba­rer Versuch.

Wir jagen nicht, um das öko­lo­gi­sche Gleich­ge­wicht zu erhal­ten, wir vögeln nicht, um der demo­gra­phi­schen Mise­re ein Ende zu machen. Asche greift kul­tur­ge­schicht­lich aus und rich­tet sei­nen Blick auf neu­zeit­li­che Phä­no­me­ne, um sei­ner Sache auf den Grund zu gehen. Er fin­det erstaun­li­che Par­al­le­len. Ana­log zu Bor­del­len und Hard­core-Por­nos kennt er das käuf­li­che Jagd­glück und den »Blei­por­no«, bei dem auf angrei­fen­des Groß­wild geschos­sen wird. Auch der Markt der Sex­spiel­zeu­ge spie­gelt sich im Waid­män­ni­schen; man­cher Grün­rock schleppt kilo­wei­se Spe­zi­al­uten­si­li­en mit sich, Laser­meß­ge­rä­te, Photo­fal­len. Der Bereich der Archa­ik, den Asche ver­tei­digt, ist hier verlassen.

Ist die Jagd eigent­lich ein exklu­si­ves Män­ner­ding? Asche legt sich nicht wirk­lich fest. Die Jäge­rin, den viel­sa­gen­den Roman (1940) des NS-Schrift­stel­lers Hans Fried­rich Blunck, erwähnt er nicht. Als Abspann lie­fert er eine Bil­der­ga­le­rie Pro­mi­nen­ter, in denen sich Jagd­lust und Sex-Appeal bün­deln sol­len. Dar­un­ter fin­den sich neben Wla­di­mir Putin und Sascha Hehn auch Prin­zes­sin Caro­li­ne (»Schön­heit, Stil und Ero­tik«) und die fin­ni­sche Minis­ter­prä­si­den­tin Mari Kivi­nie­mi (»femi­ni­nes Gespür für Team­ar­beit«). Als Uni­sex-The­ma geht Asche sei­ne gele­gent­lich unge­zü­gelt galop­pie­ren­den Betrach­tun­gen den­noch nicht an. Immer­hin ist sein Essay gespickt mit Phan­ta­sien und Beob­ach­tun­gen, bei denen ein »wip­pen­der Busen«, »C‑Körbchen«, »Knack­pos« und Brüs­te, die »im Takt des Hoch­sitz­sä­gens« wogen, tra­gen­de Rol­len spie­len. Also doch, ein Män­ner­buch, defi­ni­tiv. Wes­halb ihnen die Freu­de nehmen?

Flo­ri­an Asche: Jagen, Sex & Tie­re essen. Die Lust am Archai­schen, Melsun­gen: Neu­mann-Neu­damm 2012. 191 S., 16.95 €

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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