Beides sind Triebe, die im Archaischen wurzeln und heute nach rationalen Begründungen heischen. Klar, wir konsumieren Fleisch – so oder so – wie seit Urzeiten und darüber hinaus. Doch sowohl Magen als auch Unterleib finden häufig Sättigung an Surrogaten, an entfremdetem Gut: Die Masse konsumiert Mastvieh und Pornos.
Daneben: der Trend zum Vegetariertum und zum enthaarten Körper, zur Abwendung von allem »Tierischen«. Verdient es die Fleischeslust nicht, (re)kultiviert zu werden, befreit von Verbrämungen und unschönen Einzwängungen, vom Dasein als Konsumgut? Für Asche lag es nah. Dann besuchte er diese Jagdmesse. Neben ihm ein jägergrünes Pärchen in geschlechtsneutralem Einheitsaussehen. Deutet er auf den Stand mit dem Wildschinken: »Hascht Luscht?« Nein, den Themenkomplex Jagd/Erotik mußte man wohl nicht verdichten, so Asche verdrossen.
Und doch überwog der Reiz, die aseptische Mauer zwischen Wildtiermanagement und dem anderen Vergnügen einzureißen. Rund 350000 Jäger zahlen in Deutschland jährlich 500 Millionen Euro Jagdpacht. Und wozu? Um den Wegfall des Großraubwildes zu ersetzen? Um Seuchen vorzubeugen und Wildschäden in Schach zu halten? Zur Biotoppflege? Ja, dies alles. Die Jägerei als »menschliche Geisteskrankheit« (Theodor Heuss) steht hierzulande unter enormem Rechtfertigungsdruck. Spießiger Traditionsmuff umgibt sie. Tierrechtlern gilt die Jagd als »Blutsport«, als unvereinbar mit den Notwendigkeiten moderner Gesellschaften. Darum steht bei den Grünröcken die Schublade der rationalen, politisch korrekten Begründungen weit offen: Das Argumentationsmuster ist so nachvollziehbar wie defensiv. Sexy sind solche Rechtfertigungsversuche selten. Asche wagt die Offensive. Sein Essay zur Verteidigung des »Archaischen« ist ein geglückter, flott lesbarer Versuch.
Wir jagen nicht, um das ökologische Gleichgewicht zu erhalten, wir vögeln nicht, um der demographischen Misere ein Ende zu machen. Asche greift kulturgeschichtlich aus und richtet seinen Blick auf neuzeitliche Phänomene, um seiner Sache auf den Grund zu gehen. Er findet erstaunliche Parallelen. Analog zu Bordellen und Hardcore-Pornos kennt er das käufliche Jagdglück und den »Bleiporno«, bei dem auf angreifendes Großwild geschossen wird. Auch der Markt der Sexspielzeuge spiegelt sich im Waidmännischen; mancher Grünrock schleppt kiloweise Spezialutensilien mit sich, Lasermeßgeräte, Photofallen. Der Bereich der Archaik, den Asche verteidigt, ist hier verlassen.
Ist die Jagd eigentlich ein exklusives Männerding? Asche legt sich nicht wirklich fest. Die Jägerin, den vielsagenden Roman (1940) des NS-Schriftstellers Hans Friedrich Blunck, erwähnt er nicht. Als Abspann liefert er eine Bildergalerie Prominenter, in denen sich Jagdlust und Sex-Appeal bündeln sollen. Darunter finden sich neben Wladimir Putin und Sascha Hehn auch Prinzessin Caroline (»Schönheit, Stil und Erotik«) und die finnische Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi (»feminines Gespür für Teamarbeit«). Als Unisex-Thema geht Asche seine gelegentlich ungezügelt galoppierenden Betrachtungen dennoch nicht an. Immerhin ist sein Essay gespickt mit Phantasien und Beobachtungen, bei denen ein »wippender Busen«, »C‑Körbchen«, »Knackpos« und Brüste, die »im Takt des Hochsitzsägens« wogen, tragende Rollen spielen. Also doch, ein Männerbuch, definitiv. Weshalb ihnen die Freude nehmen?
Florian Asche: Jagen, Sex & Tiere essen. Die Lust am Archaischen, Melsungen: Neumann-Neudamm 2012. 191 S., 16.95 €