Wut- und Mutbürger

von Heino Bosselmann

Mag sein, daß sich mit dem breiten und bunten Spektrum der neuen Konservativen und Rechten,...

der Liber­tä­ren, Iden­ti­tä­ren, der wahl­al­ter­na­ti­ven und offen­si­ven Wut- und Pro-Bür­ger eine ech­te neue Bür­ger­be­we­gung eta­bliert – wäh­rend die ande­ren nach wie vor mei­nen, Bür­ger­be­we­gung, das könn­ten nur sie.

Frei­lich, es gibt ande­re Bür­ger, die sich für bewegt hal­ten. Aber all die inter­es­san­ten Sub­kul­tu­ren blo­ßen Lebens­stils, denen für Inspi­ra­ti­on etwas Musik – neu­er­dings etwa der Har­lem-Shake – oder ein paar Kla­mot­ten­la­bels aus­rei­chen, erschei­nen weit­ge­hend apo­li­tisch, wäh­rend durch­aus poli­tisch inspi­rier­te Akti­vis­ten, vor­zugs­wei­se all die Kämp­fer „gegen Rechts“, wohl aus einem Bür­ger­be­wußt­sein her­aus han­deln, aber damit eher Kon­for­mi­tät und den Gemein­schafts­sinn der eige­nen Homo­ge­ni­tät ausdrücken.

Etwa so, wie Leh­rer selbst bei ihren aktu­el­len Streiks um noch mehr Gehalt gar nicht non­kon­for­mis­tisch oder gar wider­stän­dig wie ihre frü­he­ren Hel­den auf­tre­ten kön­nen, son­dern nur unfrei­wil­lig ulkig. Mutig? Das schon gar nicht. Wenigs­tens Deutsch­leh­rer müß­ten doch spre­chen kön­nen, anstatt zu tril­lern und zu ras­seln. – Die genia­len Sua­den Tho­mas Bern­hards trä­fen heu­te wohl eher den Sta­gna­ti­ons­raum der eta­blier­ten Lin­ken. Der jun­ge Autor Flo­ri­an Kess­ler beschreibt in einem harm­lo­sen Bänd­chen gera­de das ver­meint­lich rich­ti­ge, also das kon­struk­ti­ve, poli­tisch stim­mi­ge Demons­trie­ren der Gene­ra­ti­on “Tu-nichts-Böses!”

Wer in die­ser Wei­se noch “alter­na­tiv” zu sein glaubt, den dürf­te es zuwei­len selbst über­ra­schen, daß sei­ne “Initia­ti­ve” ideell wie finan­zi­ell meist gleich staat­lich getra­gen ist – durch eines der viel­fäl­ti­gen Pro­gram­me zur Ret­tung einer Demo­kra­tie, die sich eher durch eige­ne Leben­dig­keit, also den Mei­nungs­streit und die offe­ne Debat­te, revi­ta­li­sier­te als durch ritu­el­les Bekennt­nis, Betrof­fen­heits­dra­ma­tur­gie, Ker­zen­hal­ter und Mahnwächter.

Fata­ler­wei­se kön­nen jene, die sich frü­her „links“ ver­or­te­ten, kaum mehr sub­ver­siv sein, denn poli­tisch befin­den sie sich  mitt­ler­wei­le in der Mit­te bzw. die Mit­te unter ihnen. Den­noch sehen sich dort die “Mut­bür­ger” ver­sam­melt. Pro­vo­kan­te, also pro­duk­ti­ve Impul­se gehen – ins­be­son­de­re wegen “Euro­pa” – der­zeit vor allem von rechts aus. Des­halb kom­men ja alle Wohl­mei­nen­den so durch­ein­an­der, und die Zahl der Rene­ga­ten aus der Mit­te steigt eben­so wie die Auf­la­ge der JF.

Inner­halb der Bil­dungs­po­li­tik regiert Links mitt­ler­wei­le voll durch. Aber jeder, der sich bei den Rech­ten, Liber­tä­ren, Iden­ti­tä­ren usw. ver­or­tet, steht im Risi­ko und wird mora­lisch wie per­sön­lich skan­da­li­siert und dif­fa­miert, so gut es sei­ne Wort­mel­dun­gen, sei­ne Bio­gra­phie und sei­ne Spu­ren im Netz zulas­sen. Je öffent­li­cher er auf­tritt, je kla­rer er sei­nen Namen nennt, um so mehr schie­ßen sich die Kor­rek­ten auf ihn ein.

Das pas­siert einem Lin­ken längst nicht mehr! Er könn­te bei­spiels­wei­se völ­lig gefahr­los nicht nur ein Abitur für alle auf Gesetz, son­dern gleich noch die Ver­ge­sell­schaf­tung der Ban­ken dazu for­dern und dürf­te selbst­ver­ständ­lich weder um sei­ne Anstel­lung noch um sei­ne Repu­ta­ti­on zu fürch­ten haben. Schon allein, weil nie­mand mit der Ver­ge­sell­schaf­tung der Ban­ken rech­net (mit dem Abitur für alle schon.

Von rechts rech­net man mit aller­lei, wäh­rend noch die radi­kals­te For­de­rung von links das the­ra­peu­ti­sche Kopf­ni­cken der Mit­te erwar­ten darf. Solan­ge der Lin­ke nicht schwer pro­mil­lelas­tig zum revo­lu­tio­nä­ren ers­ten Mai antritt und ver­mummt revo­luzzt, gilt er als eta­bliert und akzep­tiert. Des­halb blei­ben ja nur Ran­da­le und Cyber-Schnüf­fe­lei im Akti­ons­spek­trum übrig. Bei allem andern sind Thier­se, Trit­tin und Genos­sen näm­lich längst als Wür­den­trä­ger dabei.

Ande­rer­seits aber reicht es schon aus, nur mit der Rede von kul­tu­rel­ler oder gar natio­na­ler Iden­ti­tät in den Fokus der Demo­kra­ten­wäch­ter und Wäch­ter­de­mo­kra­ten zu gera­ten. Man soll­te nicht das poin­tier­te Wort von der „Frei­heit der Anders­den­ken­den“ bemü­hen, aber eine Gesell­schaft erhält gera­de von jenen Anre­gung, die, sys­tem­theo­re­tisch betrach­tet, nicht selbst­re­fe­ren­ti­ell aus der Mit­te des Sys­tems spre­chen, sich also nicht bün­dig mit offi­ziö­sen Sprach­re­ge­lun­gen iden­ti­fi­ziert zeigen.

An- und auf­re­gend wirkt, wer die kri­ti­sche Urteils­kraft auf­bringt, sich von den ande­ren zu unter­schei­den, und wer poli­ti­sche Spra­che und poli­ti­sche Sach­ver­hal­te noch für ver­schie­de­ne Ebe­nen hält. Um in Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu gera­ten, braucht man kei­ne zwei­fel­haf­ten Paro­len rufen. Es reicht dazu völ­lig aus, wenn man ganz im Sin­ne der Auf­klä­rung nicht wil­lig Phra­sen folgt, die, intern mit­tig ver­ein­bart, gleich als gesell­schaft­li­che Wirk­lich­keit oder Wahr­heit gel­ten. Dar­in liegt der Akt der wirk­sa­men Unter­schei­dung, dar­in das, was – im Wort­sinn des latei­ni­schen dis­cri­mi­na­re (für unter­schei­den) – gleich als “dis­kri­mi­nie­rend” ver­un­glimpft wird.

Begrif­fe wie Ganz­tags­schu­le, Inklu­si­on, Gen­der Main­strea­ming, Anti­dis­kri­mi­nie­rung u.v.a.m. nur auf ihre Seman­tik und poli­ti­sche Kon­no­ta­ti­on hin anzu­se­hen langt schon, um als poten­ti­el­ler Staats­feind, Anti­de­mo­krat und böser Rech­ter zu gelten.

Ein bana­les Bei­spiel des Gesell­schaft­li­chen: Der per­sön­lich offen­bar sehr inte­gre, aller­dings im Milieu von „End­sta­ti­on rechts“ und „Storch Heinar“ pro­fi­lier­te Mathi­as Brod­korb konn­te selbst­ver­ständ­lich schnell zum enga­gier­ten Kul­tus­mi­nis­ter auf­stei­gen, was man ihm neid­frei gestat­ten soll­te, wäh­rend die auf ihre poli­ti­sche Wei­se eben­so inte­gren wie enga­gier­ten Her­ren Stein, Weiß­mann, Hinz selbst­ver­ständ­lich nicht mal zu Inter­views gela­den wer­den dürf­ten, weil ein „gesell­schaft­li­cher Kon­sens“ dar­in besteht, sol­chen ver­meint­lich gefähr­li­chen und ver­schwo­ren han­deln­den Dem­ago­gen kein Podi­um bie­ten zu dürfen.

Das macht den Unter­schied. Nur bedingt das eben­so, daß der auf­merk­sa­me Zeit­ge­nos­se nicht nur den offi­zi­el­len Ver­laut­ba­run­gen zuhö­ren wird, son­dern sich mehr denn je eine qua­li­fi­zier­te zwei­te Les­art sucht.

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Kommentare (17)

Gottfried

11. März 2013 16:35

"Darin liegt der Akt der wirksamen Unterscheidung, darin das, was – im Wortsinn des lateinischen discriminare (für unterscheiden) – gleich als „diskriminierend“ verunglimpft wird."

Solange Sie dabei ein Anhänger der Allzeit"kritischen" sind - und wenn es sein muß sogar ein kritischer Anhänger -, genießen Sie auch die Freiheit des Anderdenkenden (will heißen: andersdenkenden Jenossen).
Nehmen Sie im innerparteilichen Dialog der Gesamtheit der anständigen Demokraten Unterscheidungen vor, dann differenzieren sie.
Differenzierung ist etwas ganz anderes, als die Unterscheidungen, die außerhalb der Vereinigung aller anständiger Humanisten, also bei den Natziehs, vorgenommen werden.
Wenn letztere unterscheiden, fallen diese Unterscheidungen möntschenverachtend aus. Und weil die Unterscheidungen der Rechten sich gegen die Möntschheit richten, werden sie eben als Diskriminierung (engl. "hate speech") gebrandmarkt.

Die Lehren der anständigen Demokraten und Demokratinnen sind unanfechtbar, weil sie bescheuert sind. Niemand gibt sich mit jemandem ab, der sich für Napoleon hält. Genauso wenig ist jemand so schwindelfrei, daß er in den geistigen Abgrund eines Zeitgenossen blicken mag, der ernsthaft behauptet nach der Lehre der "gender"-Hauptverströmung, es gebe keinen Unterschied zwischen Männlein und Weiblein.
Und was sollte man jemandem entgegnen, der den Einschluß (lat. "includere") für beglückend und zukunftsweisend hält? Reisende soll man nicht aufhalten, man läßt sie durchmarschieren bis zu den verfassungsbestimmenden Einrichtungen der VN oder den ausschlaggebenden Gremien der EU.

Möglichkeit a) Man läßt sich von der Arbeit der anständigen Demokraten und Demokratinnen überzeugen.
b) Man läßt sich auf die Vorlagen der anständigen Demokraten und Demokratinnen ein, läßt sich dadurch von den Humanisten und Humanistinnen eine ganze Menge Zeit stehlen. Sobald man auf ein Wahnsystem reagiert (auch negativ "Sie sind gar nicht Napoleon!"), bestärkt man den Wahnbefallenen damit.
c) Man bringt noch nicht einmal die Energie auf, die anständigen Demokraten und Demokratinnen überhaupt zu ignorieren. Dann überläßt man den "gender-"Hauptverströmern und "gender"-Hauptverströmerinnen, den Einschließern und Einschließerinnen (Inkludierern) ganz alleine das Feld der Gestaltung unseres Landes.

Man sieht es ja beim "Blaumilchkanal" von Ephraim Kishon: Das Projekt wurde bis zu seiner Vollendung gnadenlos durchgezogen.

Ernst Wald

11. März 2013 18:06

Entschuldigung, Korrigierte Version:

Ad Heino Bosselmann

Vielen Dank für eine erneute Lageanalyse! Es ist Ihnen gelungen, eine Erkenntnis, zu der schon Armin Mohler in den 1980er Jahre gelangte, unter Bezugnahme auf gegenwärtige politische Ereignisse zu aktualisieren. Mohler schrieb damals: „Der Rechte ist heute der eigentliche Störenfried der Gesellschaft. Der Linke kann, bei einiger Anstrengung, noch in das liberale Koordinatennetz eingeordnet werden – schließlich glaubt er irgendwie noch an den guten Menschen. Der Rechte ist jedoch der absolute Spielverderber“ (Mohler: Gegen die Liberalen / S.22).

Aber betrachten Sie, Herr Bosselmann, nicht auch selbst die Verhältnisse durch liberale Brille? Denn Ihre Annahme, dass „eine Gesellschaft“ gerade „von jenen Anregung erhält, die, systemtheoretisch betrachtet, nicht selbstreferentiell aus der Mitte des Systems sprechen, sich also nicht bündig mit offiziösen Sprachregelungen identifiziert zeigen“, ist zwar richtig, impliziert jedoch eine idealistische Vorstellung von politischer Diskussion.

Der Rechte kann schlussendlich nicht erwarten – sofern er nicht sein Menschenbild ad acta legt – dass sich die Mammut-Mitte gegenüber seinen Argumenten öffnet. In der politischen Auseinandersetzung geht es nun mal nicht um den „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ (Jürgen Habermas), sondern um harte Interessen. Und die derzeitigen Machthaber sind beispielsweise an der Erhaltung des deutschen Volkes einfach nicht interessiert.

Außerdem steht fest, dass sich ein Gemeinwesen auch dadurch konstituiert, indem es einen Sündenbock bestimmt (René Girard). Und die Rolle Sündenbocks muss bekanntlich schon seit geraumer Zeit der Rechte übernehmen. Schließlich sollten wir jedoch aufpassen, dass wir an der uns zu gewiesenen Rolle keinen Gefallen finden und in eine Opferdramaturgie abdriften!

Couperinist

11. März 2013 18:33

Oh ! Mein ! Gott !

"Mutbürger": Stuttgart-21-Parkschützer, Anti-"Nazi"-Demonstranten, Gorleben-Schotterer... Da gibt sich der Latte-Macchiato-Outlaw bzw. der grünwählende Mittelstands-Spießer den Kick des Rebellischen. Diese Selbstherrlichkeit...

Ich weiß daß Broder hier nicht sehr gemocht wird und auch ich bin kein wirklicher Fan, aber mit einer Sache hat er recht: Je länger das Dritte Reich zurückliegt, desto größer wird der Widerstand gegen die Nazis.

Luise Werner

11. März 2013 19:17

Verehrter Herr Bosselmann, wie so oft entnehme ich Ihren Texten ein Bedauern über die Unmöglichkeit von Verständigung und Debatte mit dem linken politischen Gegner. "Kein Podium bieten" ist das eine Stichwort, die Nazikeule ist das andere. Dabei sind WIR doch die Ersten, die als Demokraten eine strukturell linke Mehrheit in Deutschland anerkennen; unser zunächst einziges Anliegen besteht doch im Zulassen einer rechten Opposition!
Wir sollten uns allerdings klarmachen, das der politische Gegner (oder ist mittlerweile das Wort Feind angemessener?) dies nicht freiwillig erlauben wird. Die Standortbestimmung fällt schmerzhaft aus. Die demokratische Rechte steht weitgehend unorganisiert im Abseits. Die klammheimlich staatlich gepamperten Rechtsextremisten sorgen zusätzlich für Sperrfeuer.
Wenn man dies bedenkt, so bleibt momentan tatsächlich nur subversives Handeln. Nur so halte ich es für möglich, eine schlummernde Menge (vielleicht nicht die Mehrheit aber mindestens eine breite Minderheit) in einer Weise zu wecken, dass ihr öffentliches Gehör geschenkt werden MUSS. So drollig es klingt, aber warm sollte es nicht mit der Renaissance altmodischer Flugblätter beginnen?

Martin Lichtmesz

12. März 2013 00:28

Ich weiß daß Broder hier nicht sehr gemocht wird und auch ich bin kein wirklicher Fan, aber mit einer Sache hat er recht: Je länger das Dritte Reich zurückliegt, desto größer wird der Widerstand gegen die Nazis.

Das hat doch Klonovsky gesagt, und vor ihm noch andere.

Heino Bosselmann

12. März 2013 08:17

Leider nicht genau auf Ihren Impuls hin, aber doch zum Thema gehörig: Zufällig beschäftigte ich mich gerade damit, wie KURT HILLER (1885-1972) – absolut ein Fall für sich – in der WELTBÜHNE des letzten freien Jahrgangs 1932 die damalige politisch-ideelle Krise analysiert (28. Jg., 23.08.32). U. a. so: "Die Idee war ihnen (den Parteien – H.Bo.) zu Phrasen erstarrt, die bei festlichen Anlässen deklamiert wurden; in Wahrheit verfochten sie, kollektiv wie privat, nur noch privatökonomische Ziele. (…) Da im Menschen etwas lebt, was über den Verstand hinausreicht und an das er in seinen erhabenen Augenblicken sich magisch gebunden fühlt, so kann großen und dauernden Erfolg eine politische Bewegung nur dann haben, wenn sie dieses Etwas in ihren Hintergründen aufleuchten läßt; wenn sie eine Perspektive ins Unendliche herstellt. Der Blickpunkt einer solchen Perspektive kann Gott sein; kann die Idee der Nation oder die Idee der Humanität sein; kann der aktivistische Begriff Geist sein …" Und ein Heft weiter: "Geist wurde bagatellisiert zur Ausschwitzung der Produnktionsverhältnisse." – Nun versteht sich Hiller mindestens als Sozialist; aber was er beschreibt – die Erledigung jeder Idee durch rasanten Pragmatismus – ist symptomtisch.

Gottfried

12. März 2013 08:29

@ Martin Lichtsmesz

"Das hat doch Klonovsky gesagt, und vor ihm noch andere."

Z.B. Johannes Gross.

Broder hat das hier gesagt:
"Deutschland schafft sich ab. Na und? Gesellschaften schaffen sich öfter mal ab und nicht zwangsläufig zu ihrem Nachteil.”

Oder das:
“Ich glaube tatsächlich, dass Europa ein übernahmereifer Kontinent ist… Ich finde es grundsätzlich gut, dass das so genannte “weisse, heterosexuelle, blonde, arische” Europa seinem Ende entgegengeht.” (Berner Zeitung, 8.2.2007, sic)

Wer das noch meint kommentieren zu müssen, der ist dann selber schuld.

Christoph Nahr

12. März 2013 09:44

"Nun versteht sich Hiller mindestens als Sozialist; aber was er beschreibt – die Erledigung jeder Idee durch rasanten Pragmatismus – ist symptomatisch."

Wofür denn? Die politische Klasse von 1932 versagte an der pragmatischen Aufgabe, die Weltwirtschaftskrise und die Folgen der deutschen Niederlage zu meistern. Die politische Klasse von 2013 verfolgt Ziele, die gänzlich ideologisch und un-pragmatisch sind, bis hin zur Selbstzerstörung. Daß es ausgerechnet an großen Ideen fehle, scheint mir eine bizarre Kritik am modernen Blockparteiensystem. Es leidet vielmehr am Übermaß von fanatisch verfolgten weltfremden Ideen, bei vollständiger Abwesenheit von Pragmatismus. Das geht doch schon aus Ihrem eigenen Artikel hervor.

Luise Werner

12. März 2013 10:38

Hans Heckel, der in der Preussischen Allgemeinen schreibt, hat zu diesem Thema just heute einen netten kleinen, aber sehr zugespitzten Artikel verfasst. Der Grundtenor ist, dass man es sich gar nicht aussucht, rechts zu sein. Wer wie ich seinen Grundüberzeugungen seit ca. 20 Jahren treu geblieben ist, und damals durchaus eher links und/oder Mehrheitsmeinung vertrat, ist heute ohne Zutun rechts. Beispiele: "Europa der Vaterländer" damals ein geflügeltes Wort, heute rechts.
"Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr" damals Konsens, heute tadeln Grüne und Sozis die Bundesregierung für ihre Enthaltung im Lybienkrieg.
"Deutschland ist kein Einwanderungsland" damals breiter Tenor, oder zumindest verbreitete Sprechblase vieler maßgeblicher Politiker, heute rechts.
"Gegen Globalisierung" - und vor allem gegen die damit einhergehenden kulturellen Verwüstungen. Damals klar linkes Thema, heute nur noch ernsthaft von rechts attackiert.
Man könnte das fortsetzen.
Heckel bringt ähnliche Aspekte:
https://www.preussische-allgemeine.de/nachrichten/artikel/warum-rechts-boese-ist.html

Andreas Walter

12. März 2013 14:52

Rechts mag ja "böse" sein, oder auch nicht, aber ihr müsst mal langsam lernen, euer Hirn anzuschalten, und die richtigen Gegenargumente zu liefern:

a) Wir leben nicht mehr im Zeitalter des Volksempfängers, dem aller ersten Radioempfänger der Welt für die Massen, sondern im Zeitalter des Internets, der Späh-Satelliten und Massenmedien. Heimlich millionenfach Türken vergasen wird daher auch "bösen" Neonazis wohl kaum unbemerkt gelingen.

b) Im Zeitalter der Atombombe ist ein 3. Weltkrieg auch nicht mehr möglich, selbst wenn die "bösen" Neonazis sie bauen würden und zur Verfügung hätten. Denn alle anderen haben sie auch, und dass wäre darum Selbstmord.

Was also bitte ist an "Neonazis" böse, ausser das manche zugegeben einfach nur verblendet oder gestört sind, und höchstens als Einzelperson oder als Gruppe für den sozialen Frieden gefährlich werden könnten, doch solche Spinner gibt es genauso bei den Linken, den Antifas, den Feministen und Feministinnen, bei der Mafia, unter Rockern, aber auch bei Bankern, Politikern, Fussballfans, oder sonst was für Gruppierungen.

Warum zieht ihr euch den Schuh überhaupt an, den man euch da anbietet?
Was habt ihr denn damit zu tun, mit dem zweiten Weltkrieg, und mit der Judenverfolgung? Nichts! Ihr müsst nur den Mut haben es auszusprechen.

Ihr wollt lediglich genauso wie z. B. die USA, Kanada und Australien selbst bestimmen, wen ihr in euer Land hereinlasst, und wen nicht. Mit wem ihr zusammenleben wollt, und mit wem nicht, und wie. Mit wem ihr euer Geld teilen wollt, und mit wem nicht. Was bitte hat das mit "böse sein" zu tun? Laut Gesetz habe ich sogar das Recht, frei zu Wählen, oder etwa nicht?

Couperinist

12. März 2013 14:57

@ Gottfried

Hm, wie geht das denn zusammen ? Fest steht, daß Broder überaus genervt ist von der bräsigen Linken, die hinter jeder Ecke Hitler sieht und sich unglaublich tapfer dabei vorkommt, einer Wachsfigur den Kopf abzureißen.

Was die Zitate betrifft: beim Ersten könnte man noch anmerken, daß Broder ein Zyniker ist und meistens ironisch argumentiert. Er sagte hinterher noch: "..das Deutschland der 50er hat sich abgeschafft.." oder so ähnlich. Und bei anderen Gelegenheiten wendete er sich auch gegen den deutschen Schuldkult und eben diese anormale Hitler-Obsession. Es ist nicht alles von Grund auf verächtlich, was er sagt.

Das zweite Zitat wundert mich jedoch tatsächlich, weil ihn sonst diese Rassenbesessenheit der Linken nervt.

Gottfried

12. März 2013 15:45

@ Couperinist

"Fest steht, daß Broder überaus genervt ist von der bräsigen Linken, die hinter jeder Ecke Hitler sieht und sich unglaublich tapfer dabei vorkommt, einer Wachsfigur den Kopf abzureißen."

Broder ist ein erklärter Feind meines Landes Deutschland. Daß hier das BUNTE Regime herrscht legitimiert sich jeden Tag und jede Stunde über die "Hiter"(TM)-Religion.
Daß ein antiweißer Rassist wie Broder noch nicht außer Landes oder zumindest noch nicht aus allen Hauptstrommedien gewiesen wurde, erklärt sich nur durch die durch das BUNTE Regime verordnete "Hitler"-Religion.
Daß man am besten etwas stabilisieren kann, in dem man etwas vorgeblich kritisiert oder gar bekämpft, ist ein alter rabulistischer Hütchenspielertrick.

Wenn mir jemand so wiederholt und offen seine Feindschaft und seinen unverhohlenen Rassenhaß entgegenbringt, dann interessiert mich nicht mehr, wenn er später (korrekt) sagt, daß drei plus drei sechs sei.

Biobrother

12. März 2013 16:25

Wer die Macht hat, bestimmt eben letztlich auch maßgeblich, was medial in aller Breite thematisiert wird, und derzeit ist es wohl so, dass sich eine mehr oder weniger einheitlich linksliberale Mitte-Demokratie trotz sinkender politischer Beteiligung selbst feiert, in täglichen Talkshows himmelweite Unterschiede zwischen ihren Positionen inszeniert und dabei doch einheitlich im Rahmen von Sachzwang und Alternativlosigkeit die Interessen der eigentlich Einflussreichen des Staates exekutiert und die zunehmenden ausländischen Verpflichtungen bedient (wobei der diesbezügliche Protest der Opposition von den meisten wohl zu Recht als Wahlkampfgeplänkel angesehen wird). Ich hab neben meinen eigentlich recht mittigen Zeitungsabos zwei Publikationen, die man als links (Greenpeace-Magazin, ein Relikt aus Studententagen) und rechts (Sezession) bezeichnen könnte. Informationen und Analysen jenseits oberflächlicher Berichterstattung und aufgeblasener Belanglosigkeiten findet man tatsächlich (fast) nur noch in randständigeren Publikationen (gedruckt oder online); da muss man dann natürlich vorsichtig hingucken und noch einmal nachprüfen und auch andere Quellen anschauen, aber bestimmte Themen kommen dort immerhin noch zur Sprache. Wobei ich aber sagen muss, dass gestern - nach langer Zeit - im „Spiegel“ noch mal ein wirklich recht interessanter Bericht zu finden war, und zwar über einen Reporter, der zwei fundamental-islamische deutsche Konvertiten in Ägypten besucht hat. Wirkte halbwegs glaubwürdig, auch wenn es im Kern wohl weniger um den radikalen Islam als solchen ging als um die verzweifelte Sinnsuche junger Leute, denen die Gesellschaft nur noch ein zwischen Arbeitslosigkeit oder Stressjob, ungewissen Zukunftsaussichten, Sex, Fernsehmüll und "Konsumsand" (frei nach D. Sölle) hin und her pendelndes Leben anbieten kann. Wobei man sich in dem Zusammenhang fragen kann, ob es auch ein gezieltes Medienprodukt ist, dass die großen Menschheitsschlächter der Geschichte so völlig unterschiedlich behandelt werden: Hitler, das personifizierte Grauen, eine Art Anti-Christ mit Popidol-Qualitäten, Stalin als romantisch verklärter starker Vater des Sowjetreichen, König Leopold II. von Belgien und seine „Kongogräuel“, die immerhin auch über 10 Millionen Tote nach sich zogen und die Bevölkerung des Kongos um etwa die Hälfte dezimierten (fast unbekannt; siehe z.B. auch Wikipedia-Artikel „Kongogräuel“).

Biobrother

12. März 2013 16:32

Padon, "des Sowjetreichs" natürlich. Ansonsten noch volle Zustimmung zu Couperinist. Broder mag ja ein Zyniker erster Güte sein, aber er hat manchmal doch ganz interessante Positionen und versteht es natürlich auch, diese zu formulieren. Dass er dabei teilweise sehr einseitig-polemisch ist, bestreitet er m.E. auch gar nicht.

Biobrother

12. März 2013 21:34

@ Gottfried

Dass manche Opfergruppen der Geschichte deutlich mehr Beachtung erfahren und einfordern können als andere (die teilweise schlicht vergessen wurden wie die armen Kongolesen), ist altbekannt und sicher zu bedauern. Ebenso richtig ist wohl auch, dass die heutigen „westlich-freiheitlichen“ Staaten Europas und das Fernziel des vereinigten Europas insgesamt als bewusstes Gegenmodell zu vorangegangenen nationalistischen Diktaturen konzipiert wurden und sich dabei an das amerikanische Vorbild eines „offenen Vielvölkerstaates“ anlehnen sollten. Ebenso richtig ist ferner, dass der Bürger auch in diesen Demokratien trotz Wahlen nur einen sehr überschaubaren Einfluss auf das Geschehen nehmen kann, der im Zuge perfektionierter medialer Dauerberieselung, zunehmender „Sachzwänge“ und einer voranschreitenden hyperbürokratischen Zentralisierung Europas noch weiter abnimmt - was ja auch zu Recht massivst kritisiert wird und alternative Modelle wie einen europäischen Staatenbund mit direkten Demokratien etc. als bessere Alternative erscheinen lässt. Das Scheitern damaliger „Volksdemokratien“ (kleiner Euphemismus) oder deren langfristige historische Verbranntheit alleine damit erklären zu wollen, greift aber dann vielleicht doch etwas zu kurz. Und wenn Sie schon derart ausgeprägte Vorbehalte gegenüber bestimmten Völkerschaften haben, wird sie (als Hobby-Genetiker und IQ-Experte) ja vielleicht zumindest deren vorzüglicher Beitrag zur Weiterentwicklung der Wissenschaft begeistern. Pardon (natürlich mit innwendigem „r“), aber das musste jetzt doch noch gesagt werden.

Gottfried

12. März 2013 22:40

@ Biobrother

"Das Scheitern damaliger „Volksdemokratien“ (kleiner Euphemismus) oder deren langfristige historische Verbranntheit alleine damit erklären zu wollen, greift aber dann vielleicht doch etwas zu kurz."

Alle EU-phemismen kann ich hier jetzt aus Zeit- und Platzgründen nicht dekonstruieren. Die uns aus den VSA aufdiktierte Di(e)versity ("Vielfalt") sieht in Neu York so aus, daß in diesem Viertel die Chinesen wohnen, in jenem die Latinos oder Schwarzen. In dieser Straße die Italiener, in jener die Juden usw. In Washington, D.C., ist die Segregation nach Rassen in einzelne Wohnviertel noch stärker.
Studienplätze werden je nach Rassenzugehörigkeit vergeben ("affirmative action").
Die Logik des Humanismus sieht so aus, daß jeder Einzelne auf seine Eigenschaft als sogenannter "Mensch" reduziert wird, was immer da dann auch noch übrig bleiben mag. Die Beseitigung aller Unterschiede (z.B. Rasse, z.B. Geschlecht, z.B. Religion) zwecks Erreichung des "Ewigen Friedens" (Immanuel Kant, sic). Teilen sich nicht mehr sogenannte "Männer" und sogenannte "Frauen" Tisch und Bett, sondern Menschen, dann kann es auch keine fatalen Rosenkriege mehr geben.

Das ist der grundliegende Unterschied zwischen Linken und Rechten: Als Rechter liebe ich den Unterschied, weiß die Distinktion zu schätzen. Vorbehalte z.B. gegen Chinesen in China und gegen Kongolesen im Kongo habe ich in keiner Weise.
Sämtliche Vorbehalte, die ich habe, erschöpfen sich auf Vorbehalte im Rahmen des Lebensraumes, den ich selber einnehme. Ich lasse z.B. auch nicht jeden "Menschen" bedingungslos in mein Haus.

Hölderlin

15. März 2013 14:32

Es wird Zeit, dass von Bosselmann mindestens ein Kaplaken-Bändchen erscheint, damit seine Texte nicht im Internet verloren gehen! Besser wäre natürlich ein umfangreicheres Buch!

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