Als wäre das in verifizierbaren Laborwerten auszuweisen. Im Einklang damit wird etwa beargwöhnt, daß ich regelmäßiger Leser der „Süddeutschen Zeitung“ und gegen „links“ offenbar nicht klar abgegrenzt sei.
Und tatsächlich – ich veröffentlichte unter meinem Pseudonym, das so verschlissen ist wie ein alter Mantel, in sich links gebende Blättern zu literarischen Themen – allerdings nur so lange, bis dort alarmiert wurde, ich wäre ein ganz sinistrer Ultrarechter.
Der Stil der Vorwürfe unterscheidet sich. Während die sich als genuine Rechte Fühlenden meist kultiviert nachfragen, wes Geistes Kind ich denn sei, reagieren die Linken giftig und denunzieren auf so anonyme wie unangenehme Weise. Der Verweis auf die von mir geschätzten Medien JUNGE FREIHEIT und SEZESSION reichte aus, um Verlage panisch werden zu lassen oder in Redaktionen Sitzungen darüber einzuberufen, welche Laus man sich mit mir in den Pelz gesetzt habe. Und typisch links: Wer jetzte bitte dafür geradezustehen und Selbstkritik zu üben hätte?
Ich lebe weitgehend ohne Bekenntnisse. Ohne religiöse ohnehin, was unter Konservativen ein bedenkliches Alleinstellungsmerkmal darstellt, aber ebensowenig mit dramatisiert politischen: Erweckte, Beschwörer und Zeugnisableger sind mir mit ihrem fundamentalistischen Hang, ihrer Schutz‑, Trost‑, Gefährten- und vor allem totalitären Wahrheitssuche suspekt – Ergebnis meiner Herkunft aus einem vormundschaftlichen Staat, der täglich in der Manier eines neurotischen Elternteils Bekenntnisse verlangte: Stehst du auch noch unverbrüchlich fest zu uns, Junge? – Haltung zu oder gegen etwas bedarf mehr als eines Bekenntnisses, finde ich. Als wichtiger empfände ich u. a. das Ziehen eigener Konsequenzen.
Jenen, die meine unmaßgeblichen Texte veröffentlichten, ohne von mir eingangs Proben einer Welt-Anschauung zu erwarten, bin ich dankbar. Auch dafür, daß sie zuweilen publizierten, was ihnen selbst fragwürdig erschien. Nirgendwo sehe ich links eine solche Freiheit! Die Kulturedakteurin einer Zeitung teilte mir kürzlich am Telefon mit, es gäbe „ein Verdikt“, daß solche wie ich, also solche von der „Jungen Freiheit“ und “Sezession”, dort gar nicht schreiben dürfen. – Mit Morgensterns Palmström also: … weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf!” Und ich erinnerte mich sogleich der Stimmlage meiner FDJ-Sekretärin, an diesen Gelöbniston, feierlich bis echauffiert. Ein “Verdikt” also. Aha. – Man kann sich über institutionelle Zensur aufregen. Andererseits macht Zensur Publizistik auch spannend.
Zur überflüssigen persönlichen Erklärung ansatzweise ein paar Notizen:
1.) Man müßte entweder stumpfsinnig oder vom System bzw. vom Gehalt völlig korrumpiert sein, würde man in zwanzigjähriger Unterrichtstätigkeit an staatlichen und privaten Schulen, vorzugsweise sogenannten Gymnasien, nicht zu kulturkonservativen Ansichten gelangen.
2.) Daran anschließend: Sucht man beispielsweise zu Bildungsthemen das Gespräch, wird schnell deutlich, daß klare Rede darüber nicht mehr möglich ist – ebenso wie überhaupt die Semantik von Begriffen in der politischen Diskussion der letzten Jahre zunehmend unbeherrschbar wurde. Man prüfe das an sprachlichen Zeichen wie Europa, Nation, Integration, Inklusion, Antidiskriminierung, Populismus und vielen anderen, meinetwegen auch an solchen Klassifizierungsworten wie „rechts“ und „links“.
Genauer: Zeichen – außer apriorische, also etwa mathematische – sind im Gespräch immer unklar; und nach Wittgenstein besteht Philosophie u. a. darin, das Denken aus der Verhexung zu befreien, in die es die Sprache immer wieder führt. Nur muß dieser Vorgang dann politisch zugelassen sein. Er ist es gegenwärtig in allzu vielen wichtigen Bereichen weniger denn je! Und: Eine Klärung des politischen Denkens und Sprechens ist nach meiner Erfahrung derzeit viel eher von rechts möglich als von links, schon gar nicht aber aus der auf sich selbst fixierten Mitte heraus.
Daß die politische Rechte als unzumutbar, als unappetitlich, als pathologisch diffamiert wird, ermöglicht ihr umgekehrt offenbar eine klare kritische Sicht, weil sie außerhalb des etablierten Milieus steht, ausgeschlossen von der Ämterpatronage und den „Stellenjägerparteien“, wie Max Weber sie in „Politik als Beruf“ beschreibt. Verfemungen, Diskriminierungen und Ausgeschlossenheit befreien, wenn man sie möglichst unaufgeregt erträgt. Wer „rechts“ handelt und publiziert, darf zwar weder auf Karriere noch auf dickes Salär hoffen, er kann aber, ja er muß gänzlich aus freien Stücken handeln. Existentialistisch! Gelingt ihm das, ohne daß er sich etwa als Outlaw, als Freiheitsheld und besserer Mensch fühlt oder seine Exklusion gar noch bejammert, steht er in den erfrischendsten Auseinandersetzungen. Wo denn sonst noch?
3.) Nach meinem Eindruck befinden sich Deutschland und Europa unmittelbar am Vorabend einer mindestens kulturellen, damit aber verbundenen politischen Wende. Themen und Probleme herzuzählen ist dies nicht der Ort; sie sind derzeit ohnedies überall so aufdringlich wie offiziell tabuisiert präsent. Ich kann nicht erkennen, wo die Mitte und die Linke dazu Ansätze vermitteln, mit denen mehr zu erreichen wäre als die fragwürdige Improvisation innerhalb eines bedenklichen Status quo, an dem allerdings einiges Wesentliche bewahrenswert sein mag, anderes, ebenfalls sehr Wesentliches, aber radikal verändert werden müßte – prioritär eine ideelle Stagnation, die in erstarrten Phrasen intellektuell, moralisch und lebenspraktisch unerträglich wird. Man kann beispielsweise nicht einerseits Demokratie wollen, andererseits Debatten und Wahlentscheidungen zu virulenten Themen ängstlich vermeiden oder „Wahlalternativen“, die ihren kritischen Urteilen folgen, als demagogisch, dümmlich, ewig gestrig und populistisch verteufeln.
Dies allein in Rechnung stellend, sehe ich Impulse für Bewegung und Veränderung eher von rechts ausgehen, wenngleich mir freilich nicht das gesamte Spektrum an Themen und Personen liegt, was ich nur selbstverständlich finde, möchte ich doch selbst mitnichten aller Welt Freund sein.