Henryk Broders verfolgende Unschuld? Vergeßt Broder!

(Rezension aus Sezession 53 / April 2013)

Kann es ein – üblich polemisch aufgemachtes – Buch Henryk M. Broders wert sein,...

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

daß man sich in einer eige­nen Gegen­schrift dar­an abar­bei­tet? Gün­ter Scholdt, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Lite­ra­tur­wis­sen­schaft und bis 2011 Lei­ter des Lite­ra­tur­ar­chivs Saar-Lor-Lux-Elsass, ist offen­bar die­ser Mei­nung. Sei­ne Abrech­nung mit Bro­ders nur schein­bar iko­no­klas­ti­schem Werk Ver­geßt Ausch­witz! ist nun bei Edi­ti­on Antai­os in der kapla­ken-Rei­he als Band 36 erschienen.

Bereits die Kapi­tel­über­schrif­ten zei­gen, daß Scholdts Anspruch deut­lich umfas­sen­der ist, als eine rei­ne Anti­the­se abzu­lie­fern. Bro­der dient hier näm­lich nur als Stich­wort­ge­ber (inklu­si­ve sei­ner fre­chen Unter­stel­lung des popu­lä­ren »Anti­se­mi­tis­mus aus schlech­tem Gewis­sen« in der post­mo­der­nen BRD). Scholdts wah­res Anlie­gen ist eine Bestands­auf­nah­me der all­ge­gen­wär­ti­gen Anti­se­mi­tis­mus-Vor­wür­fe in unse­rer Zeit: von der begriff­li­chen Unschär­fe aller Schlag­wor­te mit dem Prä­fix »anti-« über die Hys­te­rie rund um das simp­le Aus­spre­chen apo­kry­pher Wahr­hei­ten und offe­ner Geheim­nis­se bis hin zu den welt­wei­ten, knall­hart-poli­ti­schen Nutz­nie­ßern jener »mora­lisch erzwun­ge­nen Ver­dum­mung« (Egon Flaig).

Dabei voll­bringt es der Autor, den schein­bar ange­sto­ße­nen Dis­kurs sach­lich zu ent­zau­bern. Bedeut­sam ist dabei die Klar­stel­lung der mora­li­schen Selbst­über­hö­hung der weni­gen, die sich, wie Bro­der, auf­grund ihrer Her­kunft im argu­men­ta­to­ri­schen Minen­feld der Holo­caust-Lob­by frei bewe­gen kön­nen. Ihr Dün­kel der »ver­fol­gen­den Unschuld« (Scholdt) nimmt selbst isra­el­kri­ti­sche Juden wie Eve­lyn Hecht-Galin­ski oder Nor­man Fin­kel­stein ins Visier; Bro­der selbst pro­zes­sier­te bereits mehr­fach in die­ser Rich­tung. Scholdt lei­tet dar­aus zutref­fend ab, daß es gera­de den Deut­schen unmög­lich sei, durch noch so tie­fe Kotaus und vie­le schö­ne Wor­te den »struk­tu­rel­len Vor­ur­tei­len« der Gegen­sei­te zu entgehen.

Scholdts Beweis­füh­rung ent­larvt Bro­ders Inten­ti­on, die Fixie­rung auf alles, wofür das Pars pro toto »Ausch­witz« steht, zuguns­ten einer noch bedin­gungs­lo­se­ren Anbin­dung an das heu­ti­ge Isra­el auf­zu­ge­ben. Daß dies in einem feuil­le­to­nis­ti­schen, teils jovia­len Ton­fall geschieht, macht das Büch­lein nur flüs­si­ger zu lesen und ver­mag die schein­bar »häre­ti­schen« Aus­sa­gen für unsi­che­re Leser ver­dau­lich machen – ohne daß dadurch Scholdts Argu­men­ta­ti­on ihren Biß ver­lie­ren wür­de . Für all jene, die sich mit der The­ma­tik bereits selbst aus­ein­an­der­setz­ten, ver­sam­melt das Werk ledig­lich bereits Bekann­tes in geraff­ter und zuge­spitz­ter Form.

Gün­ter Scholdt: Ver­geßt Bro­der! Sind wir immer noch Anti­se­mi­ten? Schnell­ro­da: Antai­os (= kapla­ken, Bd. 36) 2013. 96 S., 8.50 €

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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