schriftliche Entladung, als Bergel vom siebenbürgischen Hermannstadt aus Botengänge für antikommunistische Partisanen und versprengte Wehrmachtsangehörige in die Südkarpaten übernahm und den Geist des Widerstands aufsog:
Zettel, Zeitungsränder, Kartonstücke boten Raum für Notizen; Bergels Schwester sammelte die Fragmente und schrieb sie ins Reine. Fürst und Lautenschläger heißt diese erste Erzählung, ich konnte sie in Rumänien aus der Bibliothek eines dort verbliebenen Siebenbürger Sachsen entleihen und lesen. In Bergels jüngstem Essayband ist nun die Entstehungsgeschichte dieser großartigen, antiquarisch unauffindbaren Widerstandsparabel niedergelegt.
Dieser autobiographische Text allein lohnt die Lektüre, und der Literaturwissenschaftler George Gutu hat recht, wenn er in seinem Vorwort Das Spiel und das Chaos als gewichtigste der Essaysammlungen Bergels bezeichnet. Es verdichtet sich darin, was Bergel – der früh in der von Armin Mohler geleiteten Siemens-Stiftung vortrug – zu einem unkorrumpierbaren Kopf gemacht hat: die Erfahrung des Grauens im Lagersystem des kommunistischen Rumäniens; die Erfahrung der Schwierigkeit, in diesem System oder in der BRD »deutsch« zu bleiben; und die Fähigkeit, sich durch verzweifelte äußere Umstände nicht den Blick auf die Literatur, das Schöne, das Unversehrte, das »Hebende« nehmen zu lassen.
Zwei Beispiele aus dem vorliegenden Band: Bergel war einer der wenigen, die den Sammelband Die selbstbewußte Nation (1994) ausführlich und positiv rezensierten und die Legitimität dieses rechten, demokratischen Aufbruchs hervorhoben. Dieser Text ist unter dem doppelsinnigen Titel »Deutsche Bedenken« aufgenommen und zeugt von großem Unmut über die verweigerte Debatte mit den klugen Beiträgern (u. a. Karlheinz Weißmann) dieses Buchs so kurz nach der Wende.
Zeitlos erscheint dagegen Bergels Beschäftigung mit Goethe, Kleist und Schiller – aber das täuscht: Die beiden Eingangstexte sind Zeugnisse fruchtbarer (nicht bildungsbürgerlicher!) Kenntnis der Klassiker, die tot wären, rüsteten sie ihre Leser nicht. Wo Goethe an der Ordnung festhielt, war Kleist moderner, ohne Illusion – der eine wie der andere je eine Linie auf dem »Psychogramm der Deutschen«.
Bergel selbst ist auch eine solche Linie, ein Zwei-Kulturen-Mensch, ein Rumäniendeutscher, ein großer Erzähler. Noch pflügt er.
Hans Bergel: Das Spiel und das Chaos. Essays und Vorträge, Berlin: Edition Noack&Block 2013. 195 S., 18 €
Andrenio
Es ist Götz Kubitschek zu verdanken, dass ich auf Hans Bergel stieß. Aber nicht nur auf ihn: Der in der Sezession veröffentlichte Briefwechsel rekurriert auf andere Werke, die -eines nach dem anderen gelesen- ein plastisches Bild vom Denken des Briefschreibers gibt.
Hans Bergel ist wirklich eine Entdeckung! Brillianter Stil und ein Gefühl für unvergeßlich Szenarien. Eine Art von rumäniendeutscher Solschenyzin. Gerade liegt ein eher unbekanntes Buch neben mir auf dem Schreibtisch: ...und Weichnacht ist überall, zwölf ungewöhnliche Weihnachtsgeschichten.
Wolltes eigentlich während der Feiertage lesen, kam aber nicht dazu. Trotzdem freue ich mich auf die ihm eigene Prosa.
Hoffentlich pflügt er weiter, mit ein wenig Glück sind ihm so viele Jahre gegönnt wie Ernst Jünger. Auch er mit dem "Abenteuerlichen Herz" ein großer Gewinn aus der Liste der wichtigsten Bücher von G.K.