Unkorrumpierbar: Hans Bergel

Der Schriftsteller Hans Bergel wird in zwei Jahren 90 Jahre alt. Er ist bis heute produktiv geblieben. Begonnen hat diese...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

schrift­li­che Ent­la­dung, als Ber­gel vom sie­ben­bür­gi­schen Her­mann­stadt aus Boten­gän­ge für anti­kom­mu­nis­ti­sche Par­ti­sa­nen und ver­spreng­te Wehr­machts­an­ge­hö­ri­ge in die Süd­kar­pa­ten über­nahm und den Geist des Wider­stands aufsog:

Zet­tel, Zei­tungs­rän­der, Kar­ton­stü­cke boten Raum für Noti­zen; Ber­gels Schwes­ter sam­mel­te die Frag­men­te und schrieb sie ins Rei­ne. Fürst und Lau­ten­schlä­ger heißt die­se ers­te Erzäh­lung, ich konn­te sie in Rumä­ni­en aus der Biblio­thek eines dort ver­blie­be­nen Sie­ben­bür­ger Sach­sen ent­lei­hen und lesen. In Ber­gels jüngs­tem Essay­band ist nun die Ent­ste­hungs­ge­schich­te die­ser groß­ar­ti­gen, anti­qua­risch unauf­find­ba­ren Wider­stands­pa­ra­bel niedergelegt.

Die­ser auto­bio­gra­phi­sche Text allein lohnt die Lek­tü­re, und der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Geor­ge Gutu hat recht, wenn er in sei­nem Vor­wort Das Spiel und das Cha­os als gewich­tigs­te der Essay­samm­lun­gen Ber­gels bezeich­net. Es ver­dich­tet sich dar­in, was Ber­gel – der früh in der von Armin Moh­ler gelei­te­ten Sie­mens-Stif­tung vor­trug – zu einem unkor­rum­pier­ba­ren Kopf gemacht hat: die Erfah­rung des Grau­ens im Lager­sys­tem des kom­mu­nis­ti­schen Rumä­ni­ens; die Erfah­rung der Schwie­rig­keit, in die­sem Sys­tem oder in der BRD »deutsch« zu blei­ben; und die Fähig­keit, sich durch ver­zwei­fel­te äuße­re Umstän­de nicht den Blick auf die Lite­ra­tur, das Schö­ne, das Unver­sehr­te, das »Heben­de« neh­men zu lassen.

Zwei Bei­spie­le aus dem vor­lie­gen­den Band: Ber­gel war einer der weni­gen, die den Sam­mel­band Die selbst­be­wuß­te Nati­on (1994) aus­führ­lich und posi­tiv rezen­sier­ten und die Legi­ti­mi­tät die­ses rech­ten, demo­kra­ti­schen Auf­bruchs her­vor­ho­ben. Die­ser Text ist unter dem dop­pel­sin­ni­gen Titel »Deut­sche Beden­ken« auf­ge­nom­men und zeugt von gro­ßem Unmut über die ver­wei­ger­te Debat­te mit den klu­gen Bei­trä­gern (u. a. Karl­heinz Weiß­mann) die­ses Buchs so kurz nach der Wende.

Zeit­los erscheint dage­gen Ber­gels Beschäf­ti­gung mit Goe­the, Kleist und Schil­ler – aber das täuscht: Die bei­den Ein­gangs­tex­te sind Zeug­nis­se frucht­ba­rer (nicht bil­dungs­bür­ger­li­cher!) Kennt­nis der Klas­si­ker, die tot wären, rüs­te­ten sie ihre Leser nicht. Wo Goe­the an der Ord­nung fest­hielt, war Kleist moder­ner, ohne Illu­si­on – der eine wie der ande­re je eine Linie auf dem »Psy­cho­gramm der Deutschen«.

Ber­gel selbst ist auch eine sol­che Linie, ein Zwei-Kul­tu­ren-Mensch, ein Rumä­ni­en­deut­scher, ein gro­ßer Erzäh­ler. Noch pflügt er.

Hans Ber­gel: Das Spiel und das Cha­os. Essays und Vor­trä­ge, Ber­lin: Edi­ti­on Noack&Block 2013. 195 S., 18 €

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (8)

Andrenio

29. Januar 2014 22:20

Es ist Götz Kubitschek zu verdanken, dass ich auf Hans Bergel stieß. Aber nicht nur auf ihn: Der in der Sezession veröffentlichte Briefwechsel rekurriert auf andere Werke, die -eines nach dem anderen gelesen- ein plastisches Bild vom Denken des Briefschreibers gibt.
Hans Bergel ist wirklich eine Entdeckung! Brillianter Stil und ein Gefühl für unvergeßlich Szenarien. Eine Art von rumäniendeutscher Solschenyzin. Gerade liegt ein eher unbekanntes Buch neben mir auf dem Schreibtisch: ...und Weichnacht ist überall, zwölf ungewöhnliche Weihnachtsgeschichten.
Wolltes eigentlich während der Feiertage lesen, kam aber nicht dazu. Trotzdem freue ich mich auf die ihm eigene Prosa.
Hoffentlich pflügt er weiter, mit ein wenig Glück sind ihm so viele Jahre gegönnt wie Ernst Jünger. Auch er mit dem "Abenteuerlichen Herz" ein großer Gewinn aus der Liste der wichtigsten Bücher von G.K.

Weltversteher

30. Januar 2014 08:13

Auch ich bin sehr dankbar für die Empfehlung Hans Bergels, der mir unbekannt war. Hatte bereits die älteren Siebenbürger verschlungen. Habe mich so nach Jahren wieder an ein Buch "aus der Gegenwart" gewagt und war ergriffen von der edlen Art dieses Schreibers.
Die Siebenbürger Sachsen scheinen mir eine besonderer Stamm gewesen zu sein. Sie haben, bei ähnlich guter Veranlagung wie im Reich, auch die formende Umgebung gehabt, die alles Lockere immer wieder verdichtet hat. Auch scheint die Proletarisierung sie viel weniger erfaßt zu haben.
So kann man an den noch Lebenden oft einen innerlichen Hochstand erleben, der hier längst vorüber ist.

S. Pella

30. Januar 2014 15:56

Auf Empfehlung Götz Kubitscheks legte ich mir den "Tanz in Ketten" zu: Opferbereitschaft und Heldenmut fernab jedweder Idealisierung!
Danke für diese Erweiterung des rechtsintellektuellen Horizontes.

Inselbauer

31. Januar 2014 12:26

Stück für Stück legt Kubitschek gute nationale Prosa vor, das freut mich. Der konservative Zug ist dabei natürlich ehrenwert; toll wäre es, jetzt langsam auch ein wenig wilden Nationalbolschewismus zu bekommen, z.B. eine forsche NSU-Komödie (...) wir brauchen jetzt alle was zu lachen, die Zeiten werden eisig, und die prosaische Geste braucht ein Gegenstück.

Strogoff

31. Januar 2014 14:17

Ich stimme S.Pella uneingeschränkt zu. Der Tanz in Ketten ist ein Roman der mich tief beeindruckt hat. Mein Dank an Kubitschek für den Hinweis. Jetzt erschließe ich mir Stück für Stück das Bergel-Werk, jedenfalls den Teil, dessen man habhaft werden kann.
Bergel erschafft Szenerien, nicht nur im Tanz der Ketten, die man nicht mehr vergisst.
Hoffentlich lebt und schreibt er noch lange.

Herr Kubitschek, ist die Veröffentlichung eines weiteren Teils des Briefwechsels zwischen Ihnen beiden in Planung?

Weltversteher, welche älteren Siebenbürger meinen Sie?

Weltversteher

2. Februar 2014 19:04

Danke der Nachfrage.
Zillich, Meschendörfer und Wittstock fallen mir gerade ein. Von letzterem beachtenswert finde ich besonders "Januar 45 oder die höhere Pflicht", Bukarest 1998. Nicht von ihm druckfertig gemacht, daher etwas unförmig, aber mit umso mehr Ausstrahlung.
Die Siebenbürger beeindrucken allgemein durch ihre im besten Sinne bürgerliche Haltung. Unspektakulär, aber für uns ein Relikt.

t.gygax

9. Februar 2014 12:32

Vielen Dank für den Hinweis auf den mir bis dahin unbekannten Hans Bergel. Gestern las ich in einem Zug "Tanz in Ketten" durch.
Bedrückend, was den Inhalt betrifft, und beeindruckend, was die literarische Verarbeitung dieser schrecklichen Inhalte betrifft.
Das ist ein Schriftsteller von Format. Nachher Suche im Kindler, herausgegeben von Walter Jens: alle möglichen Leute sind da drin, aber Bergel nicht.

Julius

10. Februar 2014 15:31

Auch ich möchte danken.

Soeben habe ich festgestellt, dass der Wikipedia-Eintrag über Hans Bergel mit folgender Feststellung beginnt:

Der Vater Erich Bergel sen. war Grundschullehrer, und während der NS-Zeit „Kreisdienststellenleiter Burzenland“ und „verdientes KdF-Mitglied“.

Wie so oft sagt dieser holprige Satz (genauer gesagt der offensichtlich nachträglich hinzugefügte zweite Satzteil) über den Besprochenen fast nichts, über Autor(en) und Medium aber fast alles aus.

So als ob es auf der Welt um nichts anderes ginge. Noch absurder in derselben Richtung übrigens der Wikipedia-Eintrag über den nicht unbedeutenden Historiker und bis in die 50er Jahre sehr beliebten Schriftsteller Egon Caesar Conte Corti: Ein paar Zeilen, die sich auf seine (sehr oberflächliche) Verwicklung in den NS beschränken, mehr nicht. "Vae victis" kann man nur sagen.

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