Es stellt sich damit die Frage, inwieweit Deutschland in absehbarer Zukunft noch Land und Heimat der Deutschen sein kann und wird, und wie es um die Stabilität, Prosperität und Krisenfestigkeit eines zunehmend von Einwanderern geprägten Staates der »neuen Deutschen« bestellt ist.
Einwanderung auf der einen, nationale Homogenität und Identität auf der anderen Seite sind a priori kein Widerspruch. Ein dynamisches Volk, zumal eines von der Kopfzahl und geopolitischen Lage der Deutschen, wird immer wieder an den Rändern Teile seiner ethnischen Substanz abgeben, die als Auswanderer oder als Bewohner verlorener Gebiete in anderen Völkern aufgehen, und es wird umgekehrt auch stets kleinere Völkerschaften auf seinem Territorium aufsaugen oder Einwanderer, auch solche aus anderen Kulturkreisen, aufnehmen und assimilieren können, ohne sich in seinem ethnischen Kernbestand und Zusammengehörigkeitsgefühl wesentlich zu verändern. Die deutsche Geschichte kennt in fast allen Epochen Beispiele für beide Entwicklungsrichtungen. Auch in unseren Tagen gibt es nicht nur eine wieder zunehmende Zahl von Auswanderern auf Dauer, sondern ebenso zahlreiche Fälle gelungener Einschmelzung von Einwanderern in die deutsche Nation.
Die vor einem halben Jahrhundert voll einsetzende Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte hat gleichwohl eine beispiellos neue Lage entstehen lassen. Die »größte Einwanderungsbewegung von Ausländern in der Geschichte Deutschlands« (Stefan Luft) hat erstmals in größerer Zahl Menschen nach Deutschland gebracht, die ihre ethnischen, kulturellen und religiösen Bindungen nicht hinter sich ließen, sondern in das Aufnahmeland mitbrachten und in ethnischen Kolonien verfestigten und noch verstärkten. Das Ergebnis war die – zunächst fahrlässig herbeigeführte und im nachhinein zum Programm erklärte – Transformation eines demokratischen Nationalstaats in eine multikulturelle Gesellschaft.
Ein solcher Prozeß, der mit dem unter NS-Tabu gestellten Terminus »Umvolkung« durchaus treffend beschrieben werden kann, unterhöhlt die staatsrechtlichen Grundlagen des betroffenen Gemeinwesens. Robert Hepp hat das schon vor Jahrzehnten schlüssig dargelegt, indem er die Vielvölkerrepublik des Multikulturalismus als Gegenentwurf zum demokratischen Nationalstaat bezeichnete. Der Nationalstaat ist die Existenz- und Selbstbehauptungsform des politisch verfaßten Volkes, also der Nation; die angestrebte Beseitigung der ethnischen Homogenität führt zwingend zum Austausch des Souveräns, des Staatsvolks. Die beiden Begriffe vom »Deutschen« (im Sinne von Staatsbürgerschaft und im Sinne von Volkszugehörigkeit) sind nicht mehr kongruent – eine Folge der im großen Stil erfolgten Einbürgerung von Einwanderern im Zuge der Einführung der Anspruchseinbürgerung in den neunziger Jahren durch den damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der Lockerung des Staatsbürgerschaftsrechts durch die rot-grüne Regierung im Jahre 2000.
Aufgrund ihrer entgegen allen Prognosen anhaltend hohen Geburtenrate, die durch die gegebenen sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Strukturen noch gefördert wird, steigt insbesondere der Anteil von Staatsbürgern und Einwohnern türkisch-orientalischer Abstammung gegenüber der vergreisenden und schrumpfenden ethnisch deutschen Bevölkerung. Einwanderer aus diesem Kulturkreis stehen einer Assimilation und Identifikation mit der aufnehmenden Nation besonders ablehnend gegenüber. Hinzu kommt, daß gerade die deutsche Nation weder über ein intaktes und positives Selbstbild verfügt, das zur Eingliederung einlädt, noch über Institutionen und politische Repräsentanten, die willens und fähig wären, eine über bloß oberflächliche Akkulturation hinausgehende Assimilation an den ethnischen Kern der Nation einzufordern und durchzusetzen.
Die Anerkennung der geltenden Rechts- und Gesetzesordnung und der Landessprache als Verständigungsmittel – was gemeinhin unter »Integration« verstanden wird – reicht für die Einschmelzung in die deutsche Nation nicht aus. Eine solche rein formale Nationszugehörigkeit ist nicht krisenfest, wenn im Bewährungsfall »Blut dicker als Wasser« ist und die mitgebrachte ethnische Loyalität jene zur neuerworbenen Staatsbürgerschaft überwiegt. Ein »Wir«-Gefühl, das ein Gemeinwesen auch in schweren Zeiten vor dem Auseinanderfallen bewahrt, weil es nicht nur Ansprüche an den Staat kennt, sondern auch ein nicht unmittelbar aus Paragraphen abzuleitendes Bewußtsein gegenseitiger Verpflichtung und Opferbereitschaft, ist dann nicht mehr gegeben. Der Einwanderer setzt vielmehr dem »Wir« der Autochthonen ein konkurrierendes »Wir« seiner ethnischen Gruppe entgegen.
Diese Konfrontation läßt sich auch nicht dadurch vermeiden, daß die autochthone Noch-Bevölkerungsmehrheit auf die Formulierung eines eigenen »Wir«-Gefühls verzichtet oder daß deren politische und institutionelle Repräsentanten anbieten, neue, gemeinsame Identitäten gewissermaßen am grünen Tisch auszuhandeln. Alle derartigen Versuche – Beispiel: ein Tagungspapier des Verbands der Geschichtslehrer für die Gestaltung eines »Geschichtsunterrichts in multikulturellen Klassen« unter Einbeziehung muslimischer Identitäten – sind letztlich Schönwetterübungen: Im Kampf der Kulturen ist jedes Kompromißangebot eine Einladung zu weitergehenden Forderungen.
Auch unter den Bedingungen scheinbarer gesellschaftlicher Ruhe vollzieht sich dieser ethnisch unterfütterte Kulturkampf in kleinen, schleichenden Schritten. Mit jeder schweinefleischfreien Kindergartenküche, mit jeder akzeptierten Unterrichtsbefreiung aus religiösen Gründen wird die Ausrichtung der Mehrheitsgesellschaft am Wertesystem einer Minderheit vorangetrieben. Ein weiteres Konfliktsymptom ist der Zerfall staatlicher, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Institutionen: durch bevorzugte Einstellung und Beförderung von Einwanderern oder durch die Schaffung gesonderter Institutionen wie »Integrationsministerien«, spezieller Lehrstühle und Forschungseinrichtungen oder staatlich geförderter Lobbygruppen. So etabliert sich eine Gegenelite, die nicht gesamtstaatliche Interessen vertritt, sondern die ihrer ethnisch-kulturellen Gruppe. Nicht zufällig sind es vor allem Einwanderer aus dem türkisch-orientalischen Kulturkreis, die auf diese Weise gefördert werden, während zahlreiche Immigranten aus dem westlichen Kulturkreis ihre Karriere regulär über Leistung und Qualifikation verfolgen.
Mit dem schrittweisen Zurückweichen vor den Ansprüchen einer durchsetzungsstarken eingewanderten Minderheit, verbunden mit kostspieliger Alimentierung eines Großteils ihrer Angehörigen – vom überproportional häufig vertretenen Empfänger sozialer Hilfsleistungen bis zur staatlich finanzierten Gegenelite –, wird ein sozialer Scheinfriede erkauft, der ersichtlich ebenfalls ein Schönwetterfriede ist. Werden die Mittel zur Umverteilung krisenbedingt knapper, sind sozialer Zerfall und Verteilungskämpfe zu erwarten; Aufstandsszenarien wie die französischen Vorstadtkrawalle oder die Plünderungs- und Gewaltorgien im britischen Tottenham, die bereits alle Anzeichen eines einseitig geführten Bürgerkriegs von Immigrantengruppen gegen autochthone »Weiße« tragen, sind dann auch hierzulande durchaus möglich. In der deutschenfeindlichen Alltagsgewalt in den Städten – das Gegenstück am unteren Ende der Skala zu den abfälligen Auslassungen von Einwanderer-Funktionären über »Biodeutsche« – ist das Potential für solche Ausbrüche bereits angelegt.
Einwanderung in großen Dimensionen geht stets mit Landnahme einher. Die autochthone deutsche Bevölkerung, moralisch durch die eigene politisch-mediale Elite und die immigrantische Gegenelite in die Zange genommen, reagiert auf den Verdrängungsdruck mit Anpassung, Flucht oder einem Sich-unauffällig-Machen. Diese Binnenvertreibung ist seit der Formierung der Ghettos und Parallelgesellschaften in den siebziger Jahren im Gange. Sie könnte unter Ernstfallbedingungen durchaus in dauerhaften territorialen Zerfall münden, indem lokale und regionale Einwanderer-Mehrheiten sich eigene Autoritäten wählen und in ihren Bereichen die geltende Rechts- und Verfassungsordnung in ihrem Sinne umwandeln, während die autochthone Bevölkerung sich in die leeren ländlichen Räume vor allem Mitteldeutschlands zurückzieht. Die Proklamation von »Scharia-Zonen« in französischen oder britischen Großstädten kann auch hier als Menetekel dienen.
Jede Hoffnung, die Einwanderungsströme der letzten Jahrzehnte vollständig oder auch nur größtenteils rückgängig zu machen, kann getrost ins Reich des Irrealen verwiesen werden. Weder die Masse der Deutschen noch ihre politischen Repräsentanten könnten auf absehbare Zeit den Willen und die nötige Härte dazu aufbringen. Auch was die einwanderungsbedingte Transformation von Staat und Staatsvolk angeht, gibt es keine einfache Rückkehr zu einem wie auch immer angesetzten status quo ante. Von der romantischen Vorstellung, die politisch-mediale Klasse habe das unschuldige Volk vergewaltigt, muß man sich ebenfalls verabschieden: Der demographische Vitalitätsverzicht und der individualistische Rückzug auf persönliches Wohlergehen sind im allgemeinen selbstgewählt.
Fatalistische Untergangsvisionen sind dennoch unangebracht. Daß es ein Deutschland ohne Einwanderung und Einwanderer nicht gibt und auch nicht geben wird, schließt nicht aus, daß die Deutschen wieder zu einem »Wir«-Bewußtsein finden und sich eine politische Führung geben, die Bevölkerungspolitik so gestaltet, daß der ethnische Kern der deutschen Nation erhalten bleibt und Einwanderung an den Interessen von Volk und Staat und nicht an Immigrantenbefindlichkeiten ausgerichtet wird. Daß immer mehr Deutsche aufgrund der kollektiven Anfeindung durch deutschenfeindliche Einwanderer entdecken, daß auch sie eine ethnische Identität haben, ist immerhin ein Anfang. Mehr aber auch nicht.