Verfassungsputsch – Umsetzung und Finte

48pdf der Druckfassung aus Sezession 48 / Juni 2012

Friedrich Romig, ein Urgestein der austriakischen Konservativen, warnt in der Online-Zeitschrift Echo (1/2012) vor einem »großen Verfassungsputsch im Mai«. Als einen solchen betrachtet er die bevorstehende Ratifizierung des Vertrags zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) durch die österreichische Regierung: »Zum 700-Milliarden-Euro-plus-Monster namens ›Europäischer Stabilitäts-Mechanismus‹ soll das Parlament ja und amen sagen und dann auf ewig seinen Mund halten. … Der ESM ist eine Mega-Bad-Bank, die uneinbringliche Schulden zahlungsunfähiger Staaten (PIIGS) aufnimmt, um sie von den reichen Staaten (Deutschland, Niederlande, Finnland, Österreich) und ihren Bürgern ›bedienen‹ zu lassen.«

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Der vom öster­rei­chi­schen Bun­des­kanz­ler Fay­mann »am 2. Febru­ar 2012 unter­zeich­ne­te und im Mai zur Rati­fi­zie­rung anste­hen­de Kne­bel­ver­trag ist ein tota­li­tä­rer Anschlag auf das Ver­fas­sungs­recht, auf den Pri­mat des Natio­nal­rats und die Sou­ve­rä­ni­tät unse­res Staa­tes in Finanz- und Bud­get­fra­gen.« Die­ser füh­re in nichts weni­ger als den »kol­lek­ti­ven Selbst­mord«. Mit dem ESM-Ver­trag wer­de »einer klei­nen Grup­pe von Per­so­nen, dem aus den Finanz­mi­nis­tern der Euro-Mit­glieds­staa­ten bestehen­den ›Gou­ver­neurs­rat‹ (Art. 5), eine prak­tisch unkon­trol­lier­ba­re, poli­ti­sche und finan­zi­el­le Macht über­tra­gen. … Der ein­zi­ge Zweck des Put­sches ist die Ent­schul­dung schwa­cher Euro-Staa­ten zu Las­ten der star­ken und ihrer Bür­ger. Es soll also genau das gesche­hen, was bei Ein­füh­rung des Euro aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen wur­de«, und zwar durch die »No-Bailout«-Klausel (heu­te Art. 125 AEUV – Ver­trag über die Arbeits­wei­se der EU): »Kein Staat haf­tet oder zahlt für einen ande­ren Staat.« Um die­se aus­zu­he­beln, ist eine auf den ers­ten Blick »unschein­ba­re Ver­fas­sungs­än­de­rung« not­wen­dig: »Dies geschieht durch einen Zusatz zu Art. 136 AEUV, der das Bai­lout-Ver­bot auf­hebt.« Romigs Resü­mee: »Durch die Auf­he­bung die­ses Kern­stücks der nach deut­schem Vor­bild einst kon­zi­pier­ten ›Sta­bi­li­täts­uni­on‹ wird die Euro­päi­sche Wäh­rungs­uni­on zu einer Schulden‑, Haf­tungs- und Trans­fer­uni­on.« Damit gin­ge der »Staat Öster­reich« de fac­to unter, ver­gleich­bar dem »Anschluß« von 1938.

All dies sind Din­ge, die nicht nur für Otto Nor­mal­ver­brau­cher schwie­rig zu ver­ste­hen sind. Die Kom­ple­xi­tät der Ver­ord­nun­gen und Maß­nah­men bringt für die Nutz­nie­ßer den Vor­teil mit sich, daß sie man­gels Über­sicht­lich­keit auch kei­nen all­zu gro­ßen Wider­stand auf den Plan rufen. Was hier geschieht, ist längst nicht nur der demo­kra­ti­schen und par­la­men­ta­ri­schen Kon­trol­le ent­zo­gen, son­dern auch der all­ge­mei­nen Ver­mit­tel­bar­keit. Um so zweck­mä­ßi­ger ist es, das von der gro­ßen Finanz­po­li­tik ver­un­si­cher­te Volk mit weni­ger tro­cke­nen The­men zu ver­sor­gen, die die Welt wie­der über­sicht­lich in Gut und Böse tei­len. Bank­ge­schäf­te und Ver­fas­sungs­klau­seln sind lang­wei­lig: Nazis machen Spaß.

Pünkt­lich zum 8. Mai, dem Jah­res­tag der bedin­gungs­lo­sen Kapi­tu­la­ti­on der Wehr­macht, hielt Bun­des­kanz­ler Fay­mann (SPÖ) ein, wie in der Pres­se zu lesen stand, »Euro­pa-Plä­doy­er«. Mit »Euro­pa« war natür­lich die Brüs­se­ler Fis­kal­uni­on gemeint. Wer über unse­re Geschich­te spre­che, kön­ne sich nicht an Schuld und Mit­schuld vor­bei­schwin­deln, so Fay­manns Absa­ge an den Ver­such, den 8. Mai als Anlaß zu neh­men, ein »ver­harm­lo­sen­des Geschichts­bild vom Zwei­ten Welt­krieg zu zeich­nen«. Der Zwei­te Welt­krieg war, so Kanz­ler Fay­mann, ein Aggres­si­ons­krieg, der Mil­lio­nen Opfer gefor­dert hat, dar­un­ter über sechs Mil­lio­nen Opfer der Shoa. Klar sei auch, daß die Alli­ier­ten das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Regime in die Knie gezwun­gen hät­ten. Auch muti­ge Frau­en und Män­ner hät­ten im Wider­stand aktiv an der Befrei­ung Öster­reichs mit­ge­wirkt, so Fay­mann in »tie­fem Respekt«. Euro­pa habe aus der Tra­gö­die des Natio­nal­so­zia­lis­mus und des Zwei­ten Welt­kriegs gelernt: »Wer den Frie­den in Euro­pa wah­ren will, muß wis­sen, daß er die euro­päi­sche Inte­gra­ti­on nicht abschaf­fen kann, ohne die­sen Frie­den zu gefähr­den. Nicht weni­ger Euro­pa heißt die Lösung, son­dern mehr euro­päi­sche Zusam­men­ar­beit im Kampf gegen Arbeits­lo­sig­keit und im Stre­ben nach Wohl­stand und sozia­ler Sicherheit.«

Den kon­kre­ten Schritt zu die­ser »euro­päi­schen Inte­gra­ti­on« hat Fay­mann mit der Unter­zeich­nung des ESM-Ver­trags voll­zo­gen, der weder Auf­lö­sungs- noch Aus­tritts­klau­seln beinhal­tet. Von der immer­wäh­ren­den »Schuld« zum immer­wäh­ren­den Schul­den­trans­fer bedarf es also nur eines rhe­to­ri­schen Kat­zen­sprungs. Was Fay­mann als »euro­päi­sche Zusam­men­ar­beit im Kampf gegen Arbeits­lo­sig­keit und im Stre­ben nach Wohl­stand und sozia­ler Sicher­heit« umschreibt, bedeu­tet kon­kret, daß »alle künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen unse­res Lan­des in alle Ewig­keit die Schul­den ande­rer Län­der über­neh­men und bedie­nen, und das auf Kos­ten des eige­nen Wohl­stands« (Romig). Fay­manns Rhe­to­rik erscheint in die­ser Per­spek­ti­ve als eine orwel­lia­ni­sche Bemän­te­lung der Rea­li­tät, mit der er das sei­ner Regie­rung unter­wor­fe­ne Volk hin­ters Licht führt – etwa auch mit der Aus­sa­ge: Ein »Euro­pa im 21. Jahr­hun­dert, 67 Jah­re nach dem Ende des Zwei­ten Welt­kriegs«, bedeu­te, ein »uner­schüt­ter­li­ches Bekennt­nis zu Demo­kra­tie, Rechts­staat­lich­keit und Frei­heit« abzu­ge­ben. Es sei von zen­tra­ler Bedeu­tung, daß die jun­gen Men­schen Zugang zu den Erin­ne­run­gen an die Jah­re vor 1945 bekä­men. Daher sei der »Gedenk­dienst eine unver­zicht­ba­re Einrichtung«.

Daß die­se »Erin­ne­run­gen« und »Gedenk­diens­te« zuvor gefil­tert, geklit­tert und in Reih und Glied gebracht wer­den müs­sen, ver­steht sich von selbst. Das fällt leicht in einer Zeit, in der das all­ge­mei­ne geschicht­li­che Wis­sen gerin­ger denn je ist. Zu der ideo­lo­gi­schen Fil­te­rung gehört auch, die Deu­tung des 8. Mai 1945 vor die Scheindi­cho­to­mie »Befrei­ung« vs. »Nie­der­la­ge« zu stel­len, um die Böcke von den Läm­mern je nach Bekennt­nis zu dem einen oder dem ande­ren Schlag­wort zu schei­den. Die Sache ist his­to­risch bekannt­lich viel kom­ple­xer. In Wirk­lich­keit bedeu­tet gera­de ein manich­äi­sches Bild des Welt­kriegs eine »Ver­harm­lo­sung« fort­ge­schrit­te­nen Gra­des, wäh­rend das ver­mes­se­ne Sor­tie­ren von min­der- und höher­wer­ti­gen Opfern nach ideo­lo­gi­schen und geschichts­te­leo­lo­gi­schen Vor­ga­ben von nichts ande­rem als einer hyper­mo­ra­lisch kaschier­ten Nie­der­tracht und (hier trifft das abge­lutsch­te Wort ein­mal zu) Men­schen­ver­ach­tung zeugt.

Die auf Schlag­wor­te redu­zier­te Geschich­te wird dazu benutzt, Feind­bil­der zu schaf­fen, denen eine sehr prak­ti­sche ablen­ken­de Funk­ti­on zukommt. So wer­den etwa die natio­nal­kon­ser­va­ti­ven Bur­schen­schaf­ter von den öster­rei­chi­schen Leit­me­di­en als Buh­män­ner der Nati­on auf­ge­baut. Das Wort füh­ren dabei die Grü­nen, die seit 2010 in Koali­ti­on mit der SPÖ die Stadt Wien regie­ren und sich vor­ran­gig auf der Bewäl­ti­gungs- und Kul­tur­kampf­wie­se aus­to­ben. Nach­dem der tra­di­tio­nel­le Kor­po­ra­ti­ons­ball infol­ge einer hef­ti­gen Kam­pa­gne aus den Hal­len der Hof­burg ver­bannt wur­de, steht nun auch das all­jähr­li­che Geden­ken der Bur­schen­schaf­ter für die gefal­le­nen Sol­da­ten der Welt­krie­ge an der Gedächt­nis­kryp­ta auf dem Hel­den­platz unter Beschuß. Die­se Zere­mo­nie wur­de in den Medi­en aus­schließ­lich in Anfüh­rungs­stri­chen (»Toten­ge­den­ken«) titu­liert und als Ehrung der Insti­tu­tio­nen »Wehr­macht und Waf­fen-SS« hin­ge­stellt. Vor allem auf letz­te­rer wird mit Genuß her­um­ge­rit­ten, wohl­wis­send um den Knall­ef­fekt des Gezi­schels »SS« und wohl­ver­ges­send, daß ein Kon­rad Ade­nau­er und ein Kurt Schu­ma­cher Ehren­er­klä­run­gen für die Ange­hö­ri­gen der Waf­fen-SS abge­ge­ben haben.

Nun gibt es unter den Bur­schen­schaf­tern gewiß ein­schlä­gi­ge Fans der jün­ge­ren Mili­tär­ge­schich­te – wor­auf es ankommt, ist, daß von der Lin­ken sug­ge­riert wird, es wäre an sich skan­da­lös, der Gefal­le­nen der Wehr­macht und Waf­fen-SS zu geden­ken, weil die­se ja auf der grund­sätz­lich »ver­bre­che­ri­schen« Sei­te gekämpft hät­ten. Die­sen pau­schal jede Mensch­lich­keit und Tra­gik abzu­spre­chen, und damit den Krieg auf die Toten aus­zu­deh­nen, wider­spricht nicht nur zivi­li­sa­to­ri­schen und christ­li­chen Prin­zi­pi­en – es steht auch quer zu den tat­säch­li­chen Erin­ne­run­gen, die die meis­ten von uns an unse­re Väter und Groß­vä­ter und ihre kon­kre­te his­to­ri­sche Situa­ti­on haben.

Es ist schwie­rig, eine abwei­chen­de Bericht­erstat­tung oder gar kri­ti­sche Stel­lung­nah­me zu der all­ge­mei­nen Hatz zu fin­den, an der sich offen­bar uni­so­no jede Zei­tung, Par­tei, Insti­tu­ti­on, Initia­ti­ve und NGO betei­ligt. Selbst die FPÖ hat dem Geden­ken nach mas­si­ver Kri­tik die Unter­stüt­zung ent­zo­gen. Die Ange­grif­fe­nen selbst bekom­men kaum eine Mög­lich­keit der Gegen­dar­stel­lung. Nach eini­gem Suchen fin­det man fol­gen­de »Reso­lu­ti­on der Mit­glie­der der natio­nal-frei­heit­li­chen Stu­den­ten­ver­bin­dun­gen im Wie­ner Kor­po­ra­ti­ons­ring« (www.aldania.at): »Die im öffent­li­chen Leben ste­hen­den Mit­glie­der des Wie­ner Kor­po­ra­ti­ons­rin­ges geden­ken an die­sem Tag der Men­schen, die in den bei­den furcht­ba­ren Welt­krie­gen star­ben. Die­ses Toten­ge­den­ken wur­de seit vie­len Jah­ren von den öster­rei­chi­schen Behör­den geneh­migt und dem Anlaß gemäß stets in Ruhe und Wür­de abge­hal­ten. … Wir machen am 8. Mai kei­ne Demons­tra­ti­on, son­dern wir wol­len zum Geden­ken an alle im Ers­ten und Zwei­ten Welt­krieg gefal­le­nen Sol­da­ten einen Kranz nie­der­le­gen. Die­ser Akt ist ein Teil unse­rer huma­ni­tä­ren Gesin­nung! Denn der Wür­de eines Men­schen gebührt auch nach dem Tode Ach­tung.« Das klingt wesent­lich ver­nünf­ti­ger als die offi­zi­el­le Stel­lung­nah­me der Grü­nen im Bin­nen-I-Deutsch, die »Wider­stands­kämp­fe­rIn­nen, Wehr­dienst­ver­wei­ge­rern und ihren Unter­stüt­ze­rIn­nen, Par­ti­sa­nIn­nen und Deser­teu­ren« sowie »den Sol­da­ten der alli­ier­ten Armeen« hul­digt, »die für die Befrei­ung Öster­reichs vom Natio­nal­so­zia­lis­mus ihr Leben gelas­sen haben. Wir geden­ken nicht der Täte­rIn­nen, auch wenn wir uns mit ihren Taten und ihrer Ideo­lo­gie wei­ter aus­ein­an­der­set­zen, und sie nie­mals ver­ges­sen dürfen!«

Wie auch immer: Der von Fay­mann beschwo­re­ne »Rechts­staat« muß­te die Gedenk­ver­an­stal­tung unter erheb­li­chem Poli­zei­ein­satz sichern. Der war näm­lich nötig ange­sichts eines Mobs, der nach Pres­se­an­ga­ben die Anzahl der etwa 200 Bur­schen­schaf­ter um ein Sechs­fa­ches (!) über­schritt. Es ging wohl­ge­merkt nicht dar­um, zwei gewalt­be­rei­te Grup­pen von­ein­an­der getrennt zu hal­ten, son­dern eine fried­li­che Grup­pe vor dem Zorn der ande­ren zu schüt­zen. Ein­ge­lei­tet wur­de der Zir­kus durch eine Ver­an­stal­tung der Grü­nen unter dem oppor­tu­nis­ti­schen Mot­to »Wer heu­te nicht fei­ert, hat ver­lo­ren.« Ein Red­ner warf der Regie­rung vor, sie wür­de »hoch­of­fi­zi­ell stramm­ste­hen« vor »der SS«. Zu die­ser Unter­stel­lung hat­te die­sel­be Regie­rung nichts zu sagen, wohl aber »ver­ur­teil­te« sie das Geden­ken der Bur­schen­schaf­ter – so inter­pre­tier­te zumin­dest der Stan­dard Fay­manns Beschwö­rung der »Schuld und Mit­schuld«. Mit kei­nem Wort »ver­ur­teilt« wur­de dage­gen der Auf­marsch der mili­tan­ten Links­extre­mis­ten, die von den Grü­nen als »Freun­de« begrüßt wur­den und die sich mit nicht unver­däch­ti­ger Lust dem Schwen­ken von Fah­nen hin­ga­ben, dar­un­ter sowje­ti­sche, ame­ri­ka­ni­sche und israe­li­sche(!) – Enkel der Besieg­ten, die mit sieb­zig­jäh­ri­ger Ver­spä­tung zu den sieg­rei­chen Batail­lo­nen auf­schlie­ßen und über die Phan­to­me der »Nazis« tri­um­phie­ren. Hat­te der grü­ne Red­ner eben noch beklagt, daß die Wehr­macht­sol­da­ten doch nicht »für Öster­reich« gefal­len sei­en, füll­te sich nun der Platz mit Hor­den, die patrio­ti­sche Trans­pa­ren­te mit Auf­schrif­ten wie »Öster­reich, du Opfer!« vor sich her­tru­gen. Aber das ver­ur­teil­te die Regie­rung nicht, und auch nicht, daß in der Fol­ge der Hel­den­platz in eine dröh­nen­de Par­ty­mei­le ver­wan­delt wurde.

Mit kei­nem Wort ver­ur­teil­te die Regie­rung aber noch etwas viel Fins­te­re­res, das man wirk­lich ein­mal erlebt haben muß, um kuriert zu sein: Was näm­lich am Anfang noch eine gewis­se schril­le Komik hat­te, wur­de irgend­wann gera­de­zu beklem­mend. Nie­mand hat­te zuvor die Grü­nen gestört, die aus­rei­chend Zeit beka­men, öffent­lich ihre Mei­nung zum Gedenk­tag zu äußern. Kein ein­zi­ger Grü­ner wur­de beschimpft oder nie­der­ge­plärrt. Kein ein­zi­ger Grü­ner muß­te von Poli­zis­ten beschützt wer­den, damit sei­ne kör­per­li­che Unver­sehrt­heit gewährt sei. Ganz anders sah es nun umge­kehrt aus. Das ver­gleichs­wei­se klei­ne Häuf­chen Burschen­schafter, das in wei­ter Distanz von den Gegen­de­mons­tran­ten stand, gesi­chert durch gehar­nisch­te Poli­zei­trup­pen und mul­ti­ple Absper­run­gen, wirk­te wie mensch­li­ches Löwen­fut­ter im anti­ken Kolos­se­um, umzin­gelt von einer etwa vier­mal so gro­ßen Mas­se, die unab­läs­sig brüll­te, pfiff, sang und lärm­te. Was man hier vor sich hat­te, war nichts wei­ter als eine gera­de noch gebän­dig­te Pogromm­eu­te, die ohne die Anwe­sen­heit der Poli­zei mit Sicher­heit hand­greif­lich gewor­den wäre.

Nicht weni­ge Demons­tran­ten ver­höhn­ten mit Wol­lust die neu­en Unter­men­schen. Ven­ti­le öff­ne­ten sich. Einer brüll­te: »Zum Mit­schrei­ben für eure Blät­ter: Ihr und eure Freun­de, Fami­li­en, Frau­en und Kin­der seid die Pest­beu­le am Sack von Adolf Hit­ler!« Ande­re skan­dier­ten: »Wir krie­gen euch alle!« und das übli­che »Nazis raus!« Man­che Gesich­ter schwelg­ten im Tri­umph­ge­fühl, Teil einer sieg­rei­chen Volks­ge­mein­schaft zu sein, die alles Recht auf ihrer Sei­te hat. Die Bur­schen­schaf­ter ver­hiel­ten sich dage­gen fried­lich, wür­de­voll und dis­zi­pli­niert. Als sie abrück­ten, ström­te die Mas­se ihnen gie­rig hin­ter­her. Die Mas­se – fol­ge ihr nie­mals, nie­mals! Sie ver­wan­delt dich zum Schaf, zum Schwein und dann zum Wolf.

All dies fir­mier­te in der Pres­se als »Stör­ver­su­che ohne grö­be­re Zwi­schen­fäl­le«. Ver­mut­lich sieht man auch dar­in ein »uner­schüt­ter­li­ches Bekennt­nis zu Demo­kra­tie, Rechts­staat­lich­keit und Frei­heit« und eine »rich­ti­ge« Art des »Geden­kens und Erin­nerns«. Dabei war es nichts ande­res als der staat­lich nicht unter­bun­de­ne, son­dern als Ablen­kungs­ma­nö­ver will­kom­me­ne Kampf der guten Mehr­heit gegen eine unbe­lehr­ba­re, böse Min­der­heit, die es wag­te, von ihrem Recht auf Mei­nungs­frei­heit Gebrauch zu machen. Anläß­lich der Aus­schrei­tun­gen von Sala­fis­ten gegen eine Demons­tra­ti­on der islam­kri­ti­schen Bür­ger­be­we­gung Pro-NRW in Bonn sprach der Publi­zist Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge auf sei­ner Inter­net­sei­te korrektheiten.com von einer geziel­ten Poli­tik der »Ent­de­mo­kra­ti­sie­rung und Ent­li­be­ra­li­sie­rung, von Gän­ge­lung und Mob­ter­ror, von Gesin­nungs­jus­tiz und unver­hoh­le­nem Rechtsbruch.«

Was am Hel­den­platz am 8. Mai 2012 beson­ders auf­fiel, war die pein­li­che Abwe­sen­heit des Staa­tes, dem die Auf­ga­be zufie­le, ein wür­di­ges Geden­ken jen­seits der Bür­ger­kriegs­grä­ben zu garan­tie­ren. Er hat, wie auch auf dem Finanz­sek­tor, frei­wil­lig das Feld geräumt und dem Mob die Drecks­ar­beit über­las­sen, die Wider­sas­sen sei­ner Poli­tik weg­zu­put­zen. Tat­säch­lich zeigt Fay­manns Rede, daß sich das pro­pa­gier­te Geschichts­bild der Regie­rung weit­ge­hend mit dem der Grü­nen und der Anti­fa deckt. Die extre­me Lin­ke zeigt sich ein­mal mehr als nütz­li­cher Idi­ot und blin­der Ket­ten­hund einer Stra­te­gie der Ablen­kung von den wahr­lich demo­kra­tie­ge­fähr­den­den glo­ba­len Finanz­in­ter­es­sen und einem qua­si schon voll­zo­ge­nen Ver­fas­sungs­putsch. Dabei wäre doch der ein­zi­ge Ver­bün­de­te im Kampf gegen die­sen Aus­ver­kauf der star­ke Natio­nal­staat – und mit ihm sein Rück­grat: eine star­ke Rechte.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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