ein neues Kapitel der deutschen Geschichte einläuteten, keine Aufmerksamkeit schenkt (weder als Gedenkstunde, ‑münze, ‑briefmarke oder sonstwas), der sollte sich die wenigen Verlaubarungen der Presse aus diesem Anlaß anschauen.
Christian Thomas, Ressortleiter Feuilleton bei der Frankfurter Rundschau (die es ungerechterweise immer noch gibt), hat unter der Überschrift “Tödliches Sendungsbewußtsein” (erschien auch in der Berliner Zeitung) nicht nur seine Sicht der Dinge zusammengefaßt, sondern damit vermutlich die gängigste Auffassung wiedergegeben. Der Tenor lautet: Der deutsche Sonderweg hat im quasi-reaktionären Krieg gegen Napoleon seine letzte Ursache. Mit anderen Worten: Der Welt wäre viel erspart geblieben, wenn wir uns seither als französisches Protektorat verstanden hätten. Stattdessen ging das “deutsche Sendungsbewußtsein aufs Ganze, mit Dolch und Schwert, Büchse und Schild”.
Die Erhebung gegen Napoleon wurde aufgeheizt von einem Weltbeglückungspathos. Maßlosigkeit überschlug sich, Maßlosigkeit erging sich in chauvinistischen Fantastereien. […] Die Maßlosigkeit des Monarchen, seine auch rücksichtslose Brutalität hat das deutsche Nationalbewußtsein mobilisiert, mit ihm so typische Sekundärtugenden wie den unbedingten Gehorsam gegenüber dem Chauvinismus und seinem tödlichen Programm.
So war das also und fortan belästigte Deutschland die Welt “mit furchterregender Nachhaltigkeit”.
Etwas faktenlastiger und ausgewogener geht es in der Zeitschrift GEO (03/2013) zu, in der Fred Langer über die Ereignisse berichtet (illustriert mit Bildern von Historienvereinen, die das damalige Geschehen nachspielen). Aber hier muß es sich Friedrich Ludwig Jahn gefallen lassen, als “deutscher Taliban” bezeichnet zu werden und die Deutschen werden der Undankbarkeit gegenüber Napoleon geziehen. Und überhaupt hätte man sich das ganze damals sparen sollen: “Wenn man zurückschaut auf die Kosten, wäre die andere Trikolore, die blau-weiß-rote, vielleicht gar keine so schlechte Wahl gewesen.”
Anhand dieser Beispiele wird recht gut deutlich, daß es offenbar gelungen ist, eines der erhebendsten Ereignisse der deutschen Geschichte zu einer nationalen Ursünde umzudeuten. Daß es auch anders geht, werden wir auf dem 22. Berliner Kolleg zeigen, das sich unter der Überschrift “1813–1913-2013: Mut zur Geschichte” dieser deutschen Selbstverleugnung entgegenstellt. Nähere Informationen gibt es hier, hier Anmeldebogen und Tagungsfolge. Noch gibt es freie Plätze!