indem sie das damals Modernste gegen alle Widerstände wagte, mitten im urdemokratischen Großbritannien, fast im Stil eines Lord Protector. Ja, man kann darüber sehr geteilter Auffassung sein, so wie man es gegenüber starken Charakteren, an denen sich die Geister scheiden, oft ist, aber in einem dürfte Übereinstimmung bestehen:
Die Art, wie sie durchzog, was ihr geboten schien, unterschied sich in Konsequenz und Rücksichtslosigkeit signifikant von der Sprechblaserei und trägen Lauheit der sozialdemokratisch-keynesianistischen Jahrzehnte der Nachkriegszeit. Deswegen gehört die „iron lady“zu jenen wenigen Figuren, der selbst ihre Gegner Respekt zollen – im Sinne des einfachsten aller Komplimente: Alle Achtung!
Die Stärke des politischen Konservatismus war von jeher das „Nein“, vielleicht mehr als das „Ja“ und ganz anders als das unsägliche „Jein“ im Sinne von „Ja, aber“. Und rechter Konservatismus unterscheidet sich von ultrarechtem Radikalismus wie die kühle unbestechliche Rationalität der Lady vom überhitzt emotionalen Fanatismus der Eiferer, die oft genug nicht bereit sind, selbst den Kopf hinzuhalten. Wir dürften die Stimme der Lady noch im Ohr haben, als sie sich selbst im Unterhaus, dieser bis heute wohl engsten und konfrontativsten Bühne für echte Debatten, die rhetorische Frage vorlegte, ob Großbritannien je von Europa aus regiert werden sollte: No, no, no! Und dazu ein Gestus, der an politischem Ernst ebensowenig zu wünschen übrig ließ wie überhaupt an beeindruckender Humorlosigkeit, die jedoch geschichtlich mitunter geboten ist, auch wenn die Spaß- und Mediengesellschaft einen solchen Typus Mensch, eine solche Frau zumal, kaum verstehen dürfte. – Erinnern wir uns: Politik und Talkshow waren damals noch getrennte Bereiche; mehr als das nur geistreiche Bonmot zeigte die couragierte Aussage Wirkung; geschätzt wurde, wer einen Standpunkt hatte und den verteidigte – auch als Gegner. Und Toleranz galt noch als etwas ganz anderes als Opportunismus.
Viel Feind, viel Ehr’! – Der Falklandkrieg im Sommer 1982, obgleich auf den fernen und kalten Südatlantik beschränkt, war weder für die Briten noch für die Argentinier Theaterdonner, sondern furchtbar wie Kriege sind. Und in der Härte im Vorfeld unterschätzt! In seiner Kürze deckte er das furchtbare Spektrum des Sterbens zu Land, zu Wasser und in der Luft gänzlich ab. Obgleich gerade dieser Vergleich auf beiden Beinen hinkt: Sie stand ihn durch wie ein Churchill. Während die argentinische Junta so erschüttert war, daß das Land 1983 zur Demokratie zurückkehrte.
Nicht alles, im Gegenteil, sehr weniges, erschien ihr verhandelbar. Selbst in bezug auf die deutsche Einheit blieb sie bei ihrer ablehnenden Position. Margret Thatcher war keine Diskursethikerin, sondern eine Dezisionistin und gerade darin – very british! Wenn man dabei in Rechnung stellt, daß die Geschichte Englands viel länger ist als das zwanzigste Jahrhundert. Gemeinsam mit Ronald Reagan schlug sie die letzten Schlachten des Kalten Krieges, indem sie – wie er – aufs Ganze ging und gegenüber der Sowjetunion ein technisches K. o. erzielte.
Die radikale Entfesselung der Marktkräfte, die Deregulierung, insbesondere der Finanzindustrie, die gesamte sogenannte Neoliberalisierung des Kapitalismus, geschult an Friedrich von Hayek und Milton Friedman, hat heutzutage für manchen einen unangenehmen Klang, aber diese Revolution befreite damals offenbar aus einer depressiven Stimmung von Stagnation, erlöste von der Erstarrtheit in ständischem Denken, sorgte für Durchzug in den traurigen Gewerkschaftskneipen und eröffnete dem Chancen, der sich bewegen wollte.
Bei der rigorosen Privatisierungs- und Sanierungspolitik blieben viele und blieb vieles auf der Strecke. Aber hinzunehmen, daß Opfer zu den Risiken, ja zum Schicksal im Zuge des Fortschritts und überhaupt zum Geschick des allgemein Menschlichen gehören, genau das ist konservativ in der Haltung und revolutionär im Mut. Es ist dies die Klarheit, welche auf die Verschwommenheit der auf Kaschierung des naturgemäß Verschiedenen angelegten Antidiskriminierungsgesetze, Inklusionsprogramme und sonstigen Tröstereien ebenso verzichtet wie auf die verlogene Propaganda, das politisch Demokratische könne das ökonomisch Kapitalistische vollkommen kompensieren, so wie die Gesamtschule angeblich von vornherein jede Ungerechtigkeit zwischen Menschen wegerziehe. Nein, alles, was Veränderung erzwingt, hat seinen Preis und kommt nicht ohne Janusköpfigkeit aus.
Dennoch merkte Johan Schloemann gerade zu Recht an, daß es eben fragwürdig sei, ob zwischen Markt und konservativer Moral, wie Mrs. Thatcher annahm, kein Widerspruch bestünde. Wörtlich schließt er mit der Jahrzehnte später bedenkenswerten These: „Der moderne Konservatismus – in seiner scheinbar harmonischen Verbindung von verläßlichen, traditionellen Werten, nationalem Patriotismus, Förderung des privaten Unternehmertums und globalisierungsoffener liberaler Wirtschaftspolitik zerstört genau das anständige Leben, das er zu bewahren behauptet.“
Vulture
Na Herr Bosselmann, Sie wollen es mal wieder herausfordern zum fruehen morgen? Gleich bricht hier der Sturm der Entruestung ueber die Verherrlichung einer solchen Antideutschen los. Wie dem auch sei, ich finde ihren Artikel gut. Bis auf den letzten Abschnitt bezueglich des Zitats dieses Herrn Schloemann: Dieselbe Art der Begriffsvernebelung wie sie ja von hier aus sonst immer gern attackiert wird.
Was fuer ein Markt denn? Der Gemuesemarkt am Donnerstag steht im Widerspruch zur konservativen Moral? Bitte Ross und Reiter benennen. Wie kommt es denn dass die Partikularinteressen bestimmter Akteuere ("Markt"-teilnehmer) sich am Ende, wenn auch getarnt, in politischen Agenden wiederfinden? Wer macht das, der Markt?