Man legt beim Gewerbeamt seinen Personalausweis vor und füllt ein harmloses Formular aus. In einem solchen Moment wird spürbar, welche Möglichkeiten die Publikationsfreiheit und der freie Markt offerieren. Keine Viertelstunde vergeht, und man ist „Verleger“.
Damit steht man in keinem eigentlichen Beruf, dafür aber mitten im Risiko. Keinerlei Zwängen unterworfen, außer den ökonomischen in der klaren Sprache betriebswirtschaftlicher Mathematik.
Wer zu allen anderen literarischen Verlagen noch einen weiteren gründet, wettet darauf, Stoffe bieten zu können, die andere nicht längst auf Lager haben, und daß dafür echte, bislang nicht bediente Bedürfnisse existieren. Solche Annahme klingt verwegen. Die Vielzahl der deutschen Verlage sollte an Themen und den daran Interessierten irgend etwas nicht abdecken können? Bei solchem Spektrum doch unmöglich! Die Gefahr, daß zu allen anderen bereits überflüssigen Verlagen gerade der nächste überflüssige entstanden ist, erscheint viel größer als das Risiko der Kosten für eine passable Netzseite, die Gestaltungsmittel und den Druck des Erstlings.
Nachdem man sich aus dem Gewerbeamt verabschiedet hat, wünscht man sich einen schwachen Moment lang wenigstens ein Manuskript mit perversen Serienkillern, Vampiren oder Feuchtgebieten als Versicherung! Am besten alles in einem: Perverse Serienkiller in Feuchtgebieten, umschwirrt von Vampiren. Bis zur Morgenstunde! – Und das alles in Prosa, Prosa, Prosa! Bloß nichts anderes als Prosa! Nur nicht Lyrik oder gar anstrengende Essays!
Was habe ich also zu bieten? Non multa! Dank der politisch motivierten Verhinderung meiner Manuskripte, auch dank der Zähigkeit meiner Korrespondenz mit jenen couragierten Verlagen, die – freilich unterm nächsten Pseudonym – sogar einen so kontaminierten Autor wie mich interessant fänden, sind meine Schubladen voll. Mit Prosa, ja. Auch mit Essayistik. Aber einen Verlag zu gründen, um darin sich selbst anzubieten, ist wie der Kauf eines Oberklassewagens, mit dem man bei heruntergelassener Scheibe als Sonnenbrillenmacho durchs Viertel kutscht, um den Freunden zuzuwinken, bevor man die Protzkarre wieder in der Garage fährt. Nein, man muß das Medium als Maschine benutzen, also eher wie einen Traktor.
Ich bin mit Lyrik gestartet. Mit eigener, aus den letzten beiden Jahren nur, ausnahmsweise. Lyrik ist gut zu handhaben. Obwohl sie keiner mehr will. Heißt es. Keine Zeiten für Lyrik. Weiß man doch! – Aber genau deswegen ist es der Versuch wert!
Lyrik ist die älteste, ursprünglichste literarische Gattung – vom Rhythmus herkommend, vom Lied, von Trommeln in der Nacht, vom Dionysischen. Ein richtig gutes Gedicht reicht fürs Leben. Immer wenn sich die Zeiten bewegten, entstanden Gedichte, weil sie Gedanken und Sprache verdichten können, weil sie Bilder und Symbole für schwer Faßbares finden, weil sie solcherart auf den Punkt kommen und also operativ sind: Flugblätter, schnell verteilt, aber eindringlich in der Botschaft.
Ich kann mich irren. Aber ich müßte mich sehr irren, wenn die Zeiten nicht gerade in Gärung sind, wenn nicht Literatur wieder zum politischen Ausdruck drängte, wenn es nicht Zeit sein sollte für Provokation, für Ausdruckskraft im Sinne von Expressivität und gewissermaßen für Edvard Munchs Schrei. Hinter uns liegen ein paar laue impressionistische Jahrzehnte, in denen all die Befindlichkeiten von New Economy, Agenda 2010, komplexer Krise und vor allem Media-Markt in so narzißtischer Eindringlichkeit gespiegelt wurden, wie es Teenager in Badezimmern tun, wenn sie mit dem iPhone das nächste „Profilbild“ von sich aufnehmen. Profil? So schick wie fade. Und dank Microsoft Word produziert jeder sofort „Print“, der nur eine Tastatur zu bedienen versteht. Alle Welt blogt und kommentiert, twittert und chattet, „teilt“ ihre Nichtigkeiten und schreibt daraus ganze Bücher zusammen. Überhaupt ist jeder plötzlich so „authentisch“.
Nur die Politik wollte es nicht mehr sein. Unverwechselbar? Ging gar nicht. Alle Politik bot mehr oder weniger dasselbe. Nur keine Grenzen oder Unterscheidungen! Die Grenzen waren doch gefallen und Unterscheidung bedeutet wörtlich Diskriminierung, ja Selektion! Statt dessen Inklusion, Integration, Toleranz, Gemeinsamkeit – innerhalb des großen und kunterbunten Festes der Demokratie, das sich den Anschein gibt, selbst den bösen, bösen Kapitalismus besiegt zu haben wie Rotkäppchen den Wolf. Wer da nicht mitmachte, galt als schlimmer Outlaw! Eine Stimmung im Land, als haben sich der wieder mal neue Mensch sein mephistophelisches Erbteil weglasern lassen und wäre endlich ein ausschließlich Wohlmeinender. Das legt nicht nur die Debatte, sondern überhaupt alle Kreativität brach.
Und doch: Es bewegt sich was. Vielleicht gar auf riskante, zu riskante Weise. Dergleichen will Ausdruck – aus jeder politischen Richtung, mit gesteigerter Aussagekraft und frischer Ästhetik. Wir befänden uns ansonsten in der ersten literaturgeschichtlichen Epoche, in der ein Wandel keine Worte findet. Insofern hoffe ich auf markante Stimmen.
Das Moränenland paßt zur Sezession. Es entsteht am Rande. Weil aus der Mitte selten Neues kam. Zwischen all dem Gepinge, Geklicke und Getippsel im virtuellen Raum etwas Gedrucktes aufzulegen ist ein verbindlicher Akt. Er wird fortgesetzt. Mit anderen Angeboten, zwischen denen meine Worte nicht die wichtigsten sind.
Landser
Zum Einstand viel Glück,
zum Einstand alles Gute!
Das wünschen der Karl und Sebastian,
und auch Mandy und Ute!
Ein Gedicht, ein Gedicht,
so schallt es im Wald
und auch in der Stadt,
denn wir haben diese Zeiten so unendlich
SATT!!!
Rechts ab vom Wege,
ob das wohl gut geht?
Dort, wo allein
der wahre Geist steht!?
Einer neuen Zeit entgegen,
die in der Ferne schimmert noch matt,
denn wir haben DIESE Zeiten so unendlich
satt!!!
Das soll nun genügen,
ich fasse mich kurz.
Ob's gefällt oder nicht,
das ist mir ganz schnurz.
Wenn auch alle, so doch ich nicht,
ich sag's Euch glatt,
denn ICH habe diese Zeiten so unendlich
satt!!!
Und aus!