ich davon aus, daß die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) heftfüllend vorgestellt und als patriotische Jugendbewegung unterstützt werden sollte. Mittlerweile bin ich klüger und weiß, daß die IBD keine Rakete, sondern ein Kindergarten ist: sehr virulent, sehr verspielt und kreativ, voller Potential, aber ungeordnet und schwer zu konzentrieren.
Während der Arbeit am Heft kam dann die Partei-Initiative „Alternative für Deutschland“ (AfD) auf: Sie ist zum Hoffnungsträger jener Konservativen, Neuen Rechten, Libertären und Freien Wähler geworden, die sich eine verbesserte CDU, eine verbesserte FDP, eine Ergänzung des Parteiensystems und die Sicherung ihres Privat- sowie des Volksvermögens wünschen. Daß wir neben den Identitären nun auch die AfD würden thematisieren müssen, lag auf der Hand. Und so ist das vorliegende Sonderheft in drei thematische Blöcke unterteilt:
1. Potential: Um den Sog zu erklären, den die beiden nicht-linken Projekte IBD und AfD entwickelt haben, muß man ihre Potentiale klären und die Mechanismen der politischen Verdichtung an sich beschreiben. Letzteres leistet Karlheinz Weißmann mit seinem Beitrag über die „Intensität“: Entscheidend sei „die glaubensartige Überzeugung davon, daß das kollektive wie das individuelle Schicksal in eins fallen“.
Felix Menzel stellt die Ansätze der AfD und der IBD einander gegenüber und stellt die Frage, welcher Weg überhaupt die Bezeichnung „Alternative“ verdiene. Er weitet damit meine eigenen Überlegungen aus, meinen deskriptiven Blick auf die Dinge, die in Bewegung geraten sind. Im Gespräch stützt zudem der Chefredakteur der Jungen Freiheit, Dieter Stein, argumentativ seine skeptische Hoffnung.
2. Identitäre Bewegung: Mir ist seit Monaten nicht klar, ob der IBD klar ist, welches Potential sie hat. Wenn sie es ausschöpfen will, muß sie an ihren Grundlagen arbeiten, an ihren Aktionsformen feilen und in Zeiträumen denken, in denen der Vater dieser Bewegungen, der französische Bloc Identitaire denkt und handelt (wir haben ein Gespräch mit einem der dortigen Protagonisten, Philippe Vardon, geführt).
Grundlagen schaffen Alain de Benoist (mit einem Beitrag über den Begriff der Identität an sich) und Martin Lichtmesz, dessen Buch Die Verteidigung des Eigenen zu den Schlüsselwerken der Identitären Bewegung gehört und der folgerichtig den kämpferischen Aspekt der Identitätsfrage und –krise thematisiert.
Mit Patrick Lenart kommt ein Identitärer aus Österreich zu Wort – dort ist die Bewegung stabiler als in Deutschland. Lenart beschreibt die Aktionsformen, die europaweit für Aufsehen sorgen und in ihrem kreativen Potential noch längst nicht ausgereizt sind.
3. Wahl-Alternative: Bleibt die Alternative für Deutschland. Es ist mehr als verblüffend, daß diese Partei von den Medien durchgewunken wird. Ich habe dafür zwei unterschiedliche Erklärungen:
+ Der bestmögliche Grund wäre, daß diese Ansammlung von Experten und honorigen Bürgern für die Medien so irritierend ist, daß der Knüppel im Sack bleibt.
+ Die schlechte Variante setzt ein Mindestmaß an strategischem Gespür voraus: Sicherlich handelt es sich bei der AfD um eine Ausweitung der Kampfzone und um die Öffnung eines zusätzlichen Resonanzraums. Dies ist jedoch zugleich die Zementierung einer Mauer: Wer jetzt nicht mit dabei ist, sondern von rechts kritisiert, ist gründlicher außen vor als bisher. Denn er ist selbst an diese Bewegung nicht mehr anschlußfähig. Insofern käme der AfD im System des Machterhalts und des Elitenwechsels der Mitte die Rolle des Staubsaugers und zugleich der Kantenschere zu. Unterfüttert wird diese These dadurch, daß sich die AfD in ihrem raschen Aufwuchs auf Leute stützt, die keine Angriffsflächen bieten: lieber einen ehemaligen CDU-Mann an der Spitze eines Bezirks- oder Ortsverbandes als einen frischen Kopf, der zuviel Nonkonformes gelesen hat und (meta)politisch auffällig war.
Nils Wegner jedenfalls skizzierte die AfD für unser Sonderheft, und Manfred Kleine-Hartlage formuliert das Minimalprogramm einer echten Alternative: bezogen auf die Existenzfragen unseres Volkes und nicht nur unseres Volksvermögens. Karl Albrecht Schachtschneider schließlich kreist in seinen Antworten auf Erik Lehnerts Fragen um den für ihn zentralen Begriff der Souveränität, den er – das hat mich gewundert – nicht im Sinne Carl Schmitts, sondern zivilgesellschaftlich definiert.
Das Sezession-Sonderheft “Alternativen für Deutschland” kann hier eingesehen und bestellt werden.
Meyer
1. Für das Aufkommen einerseits wie auch für das Nicht-Zerstören der AfD sollte man die "strategischen" Betrachtungen nicht auf die BRD beschränken, sondern die Vergleichbarkeit bspw. mit der UKIP beachten. Bei letzterer hat man ernstzunehmende Hinweise auf Beziehungen zu bestimmten finanzoligarchischen Kreisen feststellen können.
Bei a) Einzug in den Bundestag bedeutet dies einen mögliche Rot-Schwarze Kanzlermehrheit bzw. b) bei Nichteinzug eine Schwächung der CDU/FDP. Selbst bei c) überragenden Wahlergebnissen im zweistelligen Bereich entstünde hier ein potentieller Koalitionspartner für die Union.
In den Fällen a) und b) bedeutet es, Eurobonds näher zu kommen, im Fall c), dem Austritt der stabilen Staaten aus dem Euro. Beides erklärte entweder-oder-Ziele der Finanzoligarchie.
Anmerkung: "Feindlagebeurteilungen" sind immer nur das Stochern im Nebel der Unkenntnis.
2. Schachtschneider hängt einer anderer rechtsphilosophischen Grundlinie an, einer der schmitt'schen gegenüberliegenden. Als Katholik hat sich Schmitt von der katholischen Naturrechtslehre entfernt und sich dem Dezisionismus als damals modernste Form des Rechtspositivismus zugewandt, als Protestant hat Schachtscheider zu der Naturrechtslehre gefunden. Diese stehen sich unversöhnbar gegenüber.
Schachtschneider formuliert einen naturrechtlichen, allegemeinen Gesetzesvollzugsanspruch, den ein Rechtspositivist, mangels Naturrecht, nirgends normativ "finden" kann.
Deswegen dringt Schachtscheider bei keinem gericht durch. Er vertritt eine kleine Minderheitsposition in der Rechtslehre, die von keinem deutschen Obergericht geteilt wird. Die BRD besitzt ein dezisionistisches Rechtssystem. Den naturrechtlichen Lippenbekenntnisse folgen ggf. kleine Ergebnis-Korrekturen.