auf einem von der “Österreichischen HochschülerInnenschaft” gesponserten “antifaschistischen” Vortrag über die “Identitäre Bewegung” tauchten einige Anschauungsobjekte auf, um live on stage vorzuführen, wie eine “identitäre” Aktion aussehen kann.
Kurz nach Beginn des Vortrags kam wie bestellt ein Aktivist nach vorne, zog die Faschingsperücke vom Kopf und streckte der Vortragenden Natascha Strobl mit komödiantisch-galanter Geste eine gelbe Plastikrose entgegen. “Wenn Sie auch einmal mit uns und nicht nur über uns reden wollen, so laden wir Sie herzlich zu unserem Stammtisch ein.”
Die Doppelmagistra war zwar, wie sie eingangs mitteilte, auf Störungen vorbereitet, man konnte ihr aber ansehen, daß auch sie sich ein Schmunzeln nicht verbeißen konnte. Die Rose wurde (erwartungsgemäß) verschmäht, der Überbringer hinausgeschmissen, aber im Lauf der nächsten halben Stunde folgten ihm tröpfchenweise acht weitere Quälgeister mit Blumen und Einladungen, die tapfer demselben initiatischen Schicksal entgegenschritten.
Humor ist überhaupt eine wirksame Waffe: auf ein Antifa-“Outing” (Plakate mit Namen und Portraitfotos der Aktivisten im Umkreis der Wiener Universität) reagierten die Identitären mit einem Gegen-Eigen-Outing in Form eines parodistischen RAF-Fahndungsposters. Da mußte selbst Strobl erkennen, daß die Sache nicht mit den “gleichen Methoden bekämpfbar” sei, wie sonst üblich (in diesem Fall also Einschüchterung durch sozialen Druck).
Als der Co-Referent, der durchgehend eine eher sauertöpfische Miene behielt, später nach dem Verhältnis der Identitären zur Gewalt befragt wurde, meinte er, man könne auch eine Vorstellung wie die eben aufgeführte nicht gerade als “gewaltfrei” bezeichnen, denn immerhin werde damit ja auch “Raum ergriffen” und so weiter. Wenn man einen solchen (und nicht nur einen solchen) Maßstab ansetzt, dann wäre Gewalttätigkeit freilich geradezu ein Markenzeichen der Antifa, die für weitaus gröbere und skrupellosere Störaktionen und Übergriffe bekannt ist. Und “eine Form von Gewalt” ist es dann erst recht, fremde Menschen gegen ihren Willen in der Öffentlichkeit mit Namen und Gesicht auszustellen und zu diffamieren.
Im Gegensatz dazu habe ich noch nie davon gehört, daß Antifas sich in eine Löwenhöhle gewagt hätten, um dort als einzelne ” Gesicht zu zeigen”, wie es die Identitären an diesem Abend taten – wozu, in einem vollen Saal wachsend feindselig eingestellter Besucher, doch einiger Mumm gehört. Deren Stil ist es eher, sich in einer anonymen krakeelenden Gruppe zu verstecken, die in der Regel ihre Zielscheiben zahlenmäßig um ein Vielfaches übertrifft.
Der Vortrag selbst war eine (von ein paar Schenkelklopfern abgesehen) faktisch dreiviertelkorrekte Genrenummer auf der Grundlage handelsüblicher linker Theoreme: die“Neue” Rechte sei nur alter Wein in neuen Schläuchen und im Grunde nur ein rein strategischer Begriff, sie erfülle die berüchtigte “Scharnierfunktion” zwischen bürgerlichen Konservativen und Rechtsextremisten, die im Grunde all unter einer Decke stecken, wobei natürlich “rechtsextrem” explizit als praktikabler Kampfbegriff und nicht im Sinne der “Extremismus”-Theorie verstanden wurde.
Das Modell sieht dann eher so aus: Gesamtlinke gut, “Mitte” tendenziell böse, weil tendenziell rechts, Rechte gesamtböse, Linke im heldenhaften Dauerwiderstand. Daraus resultieren die üblichen Widersprüche: einerseits sei diese “Mitte” aus Kronenzeitungslesern nun potenziell quasi-faschistoid, andererseits seien die ebenfalls faschistoiden Identitären isoliert und unbedeutend. Zumindest sind sie offenbar bedeutend genug, daß in Wien am laufenden Band Vorträge über sie gehalten werden; das ist ein Happen, der gierig von allen verschlungen wird, die eine Berufsantifanten-Karriere ins Auge gefaßt haben.
Ich selbst saß an diesem Abend als Zuhörer im Publikum (von den Referenten mindestens dreimal als Stargast geoutet), und mir sind aus diesem zufälligen Anlaß wieder ein paar grundsätzliche Dinge deutlich geworden, die freilich für Kenner der Materie nichts Neues sind. Sie seien hier kurz skizziert.
Da wäre zum ersten der krasse Niveauverfall sowohl universitärer Standards wie auch des politischen Denkens. Herausragende Figuren der Linken von 1968, wie Rudi Dutschke, Günter Maschke oder sogar Daniel Cohn-Bendit wären in diesem Milieu undenkbar. Einmal abgesehen davon, daß wir hier nur von Österreich, dem größten Freiluftkabarett der Welt reden, bestätigt sich wieder einmal der berühmte Satz von Karl Marx, daß die Tragödien der Weltgeschichte sich als Farce wiederholen, und mittlerweile sind wir bei der Farce der Farce angelangt.
Die studentische Linke, die an der Wiener Universität ubiquitär ist, erhebliche Privilegien genießt, und die Studentenvertretungen beherrscht, “spielt” in erster Linie “Linkssein” als virtuelle Nummer aus der historischen Mottenkiste, mit Slogans, Bildern, Begriffen und Versatzstücken, die längst nicht mehr auf ihren Bezug zur Realität hin überprüft werden. Das Ganze wird gesalzen mit modernem linkem Klimbim wie der skurrilen, obsessiv betriebenen Femininisierung der Schriftsprache. Das Ergebnis grenzt geradezu an ästhetischen Kretinismus und liest sich wie seine eigene Parodie. Auf der Netzseite der STV Poltikwissenschaft findet man etwa Stilblüten dieser Art:
Der bewaffnete Kampf im Rahmen des Bürger_innenkriegs zwischen Schutzbund und AustrofaschistInnen war der letzte Schritt auf dem langen Weg in die austrofaschistische Diktatur, die am 1. Mai 1934 besiegelt wurde…
In diesen Kreisen begegnet man nicht selten jungen Leutchen mit einem artigen, gutbürgerlichen Habitus, die auf eine komikhafte Weise mit Begriffen wie “bürgerlich” (abwertend gebraucht), “Revolution” und “Widerstand” um sich werfen. Von “Arbeitern” oder “Arbeiterklasse” wagen sie freilich kaum mehr zu sprechen, weil sogar sie bemerkt haben, daß der Arbeiter heute nicht mehr wie zu Marxens Zeiten “in Ketten” liegt, sondern durch und durch “verbürgerlicht” ist (und eher FPÖ als die BoBo-Partei Grüne wählt).
Dafür hat man sich als Proletariatsersatz diverse Minderheitenstämme erwählt, für die man allerdings auch nichts anderes als ein “bürgerliches” Dasein vorgesehen hat: die Einwanderer sollen an Wohlstand, Wahlrecht und Sozialversicherung teilhaben, die Schwulen sollen heiraten und Kinder adoptieren dürfen, die Moslems sollen sich säkularisieren und liberalisieren und so weiter.
Im Grunde hat man selbst auf der sich besonders revoluzzerartig gebenden Linken kaum andere politische Zielvorstellungen, als einen sozialdemokratischen Wohlfahrts- und Verteilungsstaat, der möglichst vielen ein möglichst anstrengungsfreies Leben ermöglicht. Lange, lange ist es her, daß man auf der Linken Askese, Arbeitspathos und Disziplin propagierte und Zeilen wie “die Müßiggänger schiebt beiseite” gesungen hat.
Dieser Wunsch nach einer möglichst mühelosen Allversorgung ist natürlich nicht der einzige infantile Zug der studentischen Linken, und ich räume ein, daß es bei ihren Pendants auf der Rechten im Grunde nicht viel besser aussieht. Sie alle sind Kinder einer zugleich infantilisierten und überalternden Gesellschaft (jede Gleichgewichtsstörung führt zu komplementären Mißverhältnissen), die neben Konsum, Entertainment und Wellness eben auch ein bißchen “Politik” und “Demokratie” oder gar “Revolution” spielen wollen, und dabei allenfalls gegen die aufgestellten Laufgitter krachen. Es fehlen die existenzielle Not und der Ernst der Weimarer Republik, aber auch das Pathos, Teil eines länderübergreifenden Ringens und einer Wendezeit zu sein.
Da Götz Kubitschek es neulich ausgesprochen hat, kann ich es nun auch sagen: die “Identitäre Bewegung” in Deutschland, die sich offenbar endgültig wieder zerlegt hat, leidet unter genau derselben “Kindergarten”-Krankheit wie die Antifa. Teilen und herrschen tun inzwischen andere, denen links, rechts, Mitte, oben, unten, herzlich egal ist. Diejenigen, die die Rolle der Linken spielen, haben hier ein bißchen mehr Macht und Spielraum, da sie ihren Job als Ideologieproduzenten und Kettenhunde des Globalkapitalismus prima erfüllen: denn sie teilen mit diesem das Interesse, traditionelle Solidargemeinschaften (wie es Manfred Kleine-Hartlage formuliert) zu zerschlagen.
Die Voraussetzungen für den erwünschten Versorgungsstaat interessiert die Linke meistens nicht die Bohne. Man geht wie selbstverständlich davon aus, daß der Staat ein Nikolo mit immervollem Sack ist, und zur Not werden halt gemäß der populistischen Slogans “Reiche und Milliardäre” deftig besteuert werden müssen (während am Ende ja doch wieder nur der Mittelstand ausgepreßt wird).
Letztere Platte würde übrigens auf der traditionellen Maiparade der Wiener Sozialdemokraten bis zum Erbrechen abgespielt, feste den Sozialneid gegen “die da oben” mobilisierend und dabei lügenhaft vertuschend, daß gerade die SPÖ mit Nachdruck dahinter stand, Österreich an den Zapfhahn des “ESM” und anderer Bailout-Pipelines nach Brüssel zu legen.
Mit rotbeflaggter Aufmarschfolkore und vom Blatt gelesener Märchenstunde lassen sich diese Dinge freilich gut übertünchen. Bei der studentischen Linken kommt dann noch der “Antifaschismus” als besonders effektives Opium hinzu. Einmal inhaliert, braucht man über alles andere nicht mehr nachzudenken – man braucht in der Tat überhaupt nicht mehr nachdenken.
Auffällig ist auch die putzige bis bestürzende Arglosigkeit, die die Wortführer der studentischen Linken zuweilen umgibt. Eine Aura aus Harmlosigkeit, Einfalt und Gesättigtheit. Die meisten studentischen Linken sind “nett”, wenn sie nicht gerade Antifaschläger oder verbissene Pasionarias sind. Nirgendwo scheint es in ihrer Welt ein ernsthaftes Problem oder eine Bedrohung zu geben, außer “Diskriminierung” und dem bösen schwarzen (oder eher weißen?) Mann von Rechts. (Entfernt erinnert mich das an die liberale Fraktion der Islamkritiker, die ja auch glauben, alles wäre in bester Butter, wenn nur die Moslems nicht wären.) Der aber wird ins Unermeßliche aufgeblasen, bis man einen “Extremismus der Mitte” und ähnliche Konstrukte beisammen hat.
Was nicht ins Bild paßt, wird durch das alte “Ich seh etwas, was du nicht siehst”-Spiel ausgeblendet oder verzerrt dargestellt. So stellte der Co-Referent des Abends das Projekt “Deutsche Opfer” mit den Worten vor, hier werde “vermeintliche” Gewalt gegen “deutsche Menschen” angeprangert, als wären die jedermann einsehbaren Fakten mit einem pathetisch-hohlklingenden Ausdruck, den die Betreiber selbst niemals benutzt haben, widerlegt. Die allgemeinmenschliche Neigung, nicht hinzuschauen, wo das eigene Weltbild gefährdet ist, ist bei der heutigen Linken besonders stark ausgeprägt.
(wird fortgesetzt)
Franz Schmidt
Wie immer sehr zutreffend analysiert, Herr Lichtmesz. Die kritische Begleitung der Identitären ist wie ein Spiegel, den Sie denen vorhalten. Sie dürfen das, da sie nicht nur am Computer Sprüche klopfen.
Mich würde mal interessieren, wie Sie das bei Arktos neu aufgelegte Buch "Die Identitäre Generation" von Markus Willinger beurteilen.
ML: In die Tonne treten, bitte.