… der mittlerweile auch Mädchen-Zukunftstag heißt, hier bei uns den Eltern gar nur als „Zukunftstag” annonciert (ohne weitere Erklärung, es galt nur eine Unterschrift wegen schulischem Fernbleiben zu leisten). Eigentlich sollen sich heute heranwachsende Mädchen in rollen-untypischen Berufen „ausprobieren”. Heißt: Die größte Tochter ist heute Verlagskaufmann, und im Kindergarten hängen wie jedes Jahr an diesem Tag zwei pubertierende Knaben herum. Sie sollen den Rasen mähen. Einerlei. Man kann nicht jedes Jahr spotten. Größerer Wirbel wird heute um den „Welttag des Buches” gemacht:
Entstanden ist der Festtag vor 14 Jahren als eine Art geistig verbrämter Valentinstag. Auf Antrag der Spanier wurde er von der UNESCO etabliert. Die Spanier sind nämlich am 23.4. generell in Schenklaune, weil man da den Namenstag des Volksheiligen St. Georg feiert. Gleichzeitig und passenderweise dürfen wir heute Shakespeares Geburts-und Todestag sowie Cervantes’ Todestag begehen.
Rund 800.000 Viert- und Fünftkläßler erhalten heute einen Gutschein für ein kleines Buch. Gut so, denn die Zahl der jugendlichen Nichtleser wächst. Heranwachsende verbringen heute im Schnitt über drei Stunden täglich vor dem Bildschirm, diese Zeit ist etwa halb/halb auf TV-und Computerkonsum aufgeteilt. Dank Harry Potter und (Fantasy-) Konsorten ist zwar ein Anstieg an verkauften Jugendbüchern zu verzeichnen, dennoch wächst die Zahl der Buchabstinenzler stetig an. Jeder vierte Deutsche liest überhaupt keine Bücher, unter Kindern sind es an die 15%. Alle Studien zu dem Thema bestätigen, daß etwa 20% der Siebzehnjährigen nie oder sehr selten zu Büchern greifen.
Das ist beklagenswert und verbesserungsbedürftig, klar. Nur- wie vorgehen? Im Börsenblatt, dem Fachmagazin für den deutschen Buchhandel, gab es in der vergangenen Woche dazu einen Artikel. Es gibt zahlreiche Verlage, die bei lesemüden Jugendlichen die Lust am Buch wecken wollen. Am besten mit sogenannten „Easy-Reader-Reihen”, die typischerweise entweder Action Zone und Horror Zone (Ueberreuter), Zoom (Arena) oder short & easy (Ravensburger) heißen. Namen, die Bände sprechen. Gemein ist ihnen sämtlich Großschrift (wir sprechen von Kindern jenseits des Grundschulalters!), einfache Sprache und kurze Sätze, eine überschaubare Handlung und ein „cool wirkendes Cover”.
Die Themen sind sehr stark an alltäglichen Problemfeldern orientiert, sie reichen von erster Liebe und Schwangerschaft über Drogenerfahrung bis zu Gewalt und Ausgrenzung.
Das Börsenblatt führt ein paar dieser Bücher auf, die dem “ungeübten Leser möglichst schnell und barrierefrei die Erfahrung ermöglichen wollen, ein ganzes Buch gelesen zu haben.” Eins über “einen Jungen, der lernt, seine Aggressionen in den Griff zu kriegen” und eins über ein “lesbisches Coming-out.” Uff! Lesen, auf Teufel komm raus? Man stößt immer schnell auf grundsätzliche Probleme, wenn die Parole ausgegeben wird, irgendwelche Bedürftige “dort abzuholen, wo sie stehen.” Vermutlich bringt man sie zum Teil erst dorthin, wo sie zum Glück noch nicht waren. Denn was ist gewonnen, wenn Jugendliche solcherart Lektüre “bewältigt” haben? Werden sie forthin erst zu Stephenie Meyer greifen, dann zu Peter Härtling, später zu Bergengruen und Ernst Jünger? Kaum.
Man muß es so sagen: Der Alphabetisierungsgrad in unseren Breiten ist ziemlich umfassend – gut so. Wer mehr will, wird es finden, im Zweifelsfall und günstigerweise mit Hilfe eines Mentoren. Lehrer fallen da heute oft aus, bei unserer Sechstkläßlerin wurde jüngst ein Klassensatz Svenja hat’s erwischt bestellt.
Ich selbst habe als Mädchen viel & orientierungslos gelesen. Im Alter von 12–16 habe ich Buch geführt über jede einzelne Lektüre und alles mit Noten und Kurzkommentaren versehen: Sämtliches von Miriam Pressler, Judith Kerr, Dagmar Chidolue und Klaus Kordon. Nett, aber eher monothematisch – die Stadtbücherei gab nicht viel anderes her für meine Altersklasse. Irgendwann hatte ich einen Deutschlehrer, der das alles freundlich belächelte und mir monatlich profilierte Literaturtips gab – so fand ich dann die Autoren, die wirklich meine wurden.
Wer aber mit 13 oder 15 noch mit zweifelhaften Easy-Reader-Editionen von der Glotze weggelockt werden muß, wird im Normalfall später mit der BILD zufrieden sein – wenn’s überhaupt Buchstaben sein müssen. Drum: schenkt ihnen kein Buch (oder: nicht solche!), sondern eine Werkbank oder eine Nähmaschine. Von mir aus im Sinne des Girls’ Day. Wer sagt, daß Kreativität geistig sein muß?