Adorno und die Idee der abstrakten Gleichheit (Fundstücke 16)

Im Anschluß an die auf diesem Blog behandelten "linken Lektionen" (Teil eins und zwei) über die Verabsolutierung bzw. "Radikalisierung" von Gleichheit und Ungleichheit,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

erhielt ich einen Hin­weis eines auf­merk­sa­men Lesers auf eine Stel­le in Ador­nos “Mini­ma Mora­lia” (1951).

Ador­no ver­wirft dar­in die Pro­pa­gie­rung des Ide­als der abso­lu­ten Gleich­heit der Men­schen, das er als tota­li­tär und into­le­rant kenn­zeich­net. Weit ent­fernt davon, ein abso­lu­tes Gut zu ver­wirk­li­chen, dient sie viel­mehr vor­ran­gig “den abge­feim­tes­ten Ten­den­zen der Gesell­schaft”, die kein Anders­sein dulden.

Er stellt ihr ein Kon­zept ent­ge­gen, das Gleich­hei­ten und Ungleich­hei­ten im Inter­es­se des Gan­zen aus­wie­gen und damit die Dif­fe­ren­zen zwi­schen den Men­schen (wohl auch im berühm­ten drei­fa­chen Sin­ne Hegels) “auf­he­ben” soll:

Eine eman­zi­pier­te Gesell­schaft jedoch wäre kein Ein­heits­staat, son­dern die Ver­wirk­li­chung des All­ge­mei­nen in der Ver­söh­nung der Differenzen.

Bemer­kens­wert ist auch die frü­he Kri­tik der Ideo­lo­gie des­sen, was sich heu­te zum “Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus”  und zur “métis­sa­ge” ent­wi­ckelt hat, hier “mel­ting pot” genannt. Sie füh­re kei­nes­wegs zu mehr, son­dern viel­mehr zu weni­ger Demo­kra­tie, wenn nicht zu Schlimmerem.

Der mel­ting pot war eine Ein­rich­tung des los­ge­las­se­nen Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus. Der Gedan­ke, in ihn hin­ein­zu­ge­ra­ten, beschwört den Mar­ter­tod, nicht die Demokratie.

Aktua­li­siert man “Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus” zu “Finanz­ka­pi­ta­lis­mus”, stimmt die Glei­chung wie­der per­fekt. Des wei­te­ren hat er erkannt, daß sich im Pos­tu­lat der Gleich­heit eine sub­ti­le, über­grif­fi­ge Anma­ßung jener ver­steckt, die es auf­stel­len. (Womit wir neben­bei nach Astrid Lind­gren einen wei­te­ren hoch­be­denk­li­chen Autor gefun­den hät­ten, des­sen Bücher von ras­sis­ti­schen Ten­den­zen gesäu­bert wer­den müßten.)

Attes­tiert man dem Neger, er sei genau wie der Wei­ße, wäh­rend er es doch nicht ist, so tut man ihm ins­ge­heim schon wie­der Unrecht an. Man demü­tigt ihn freund­schaft­lich durch einen Maß­stab, hin­ter dem er unter dem Druck der Sys­te­me not­wen­dig zurück­blei­ben muß, und dem zu genü­gen über­dies ein frag­wür­di­ges Ver­dienst wäre.

Typi­scher­wei­se stellt sich der ega­li­tär ori­en­tier­te Durch­schnitts­lin­ke im Grun­de vor, daß in jedem Nicht-Euro­pä­er, der nach dem Augen­schein noch nicht so weit “eman­zi­piert” oder so “gleich” ist wie er, ein links­li­be­ra­ler, west­li­cher Wei­ßer schlum­mert, den man nur zu sei­ner wah­ren Bestim­mung erwe­cken müß­te. Da er nicht imstan­de ist, außer­halb sei­ner Prä­mis­sen zu den­ken, fällt ihm die­ser Wider­spruch in der Regel kaum auf.

In mei­nem “Trak­tat über die Viel­falt” schrieb ich dazu:

Das Bild, das ihre Apo­lo­ge­ten von der »Viel­falt« pro­pa­gie­ren, reicht banal­er­wei­se kaum über eine Art Smar­ties­rol­len-Ästhe­tik hin­aus, in der eine mög­lichst »bun­te« Ansamm­lung ver­schie­de­ner Haut­far­ben auf einem Fleck schon als aus­rei­chend gilt, um »Plu­ra­lis­mus« zu signa­li­sie­ren. Ein »Smar­ty« ist eine Scho­ko­la­den­lin­se, die sich von den ande­ren sei­ner Sor­te nur durch die Far­be ihres Zucker­gus­ses unter­schei­det. Von wirk­li­chen Unter­schie­den zwi­schen Völ­kern, Geschlech­tern, ja blo­ßen Indi­vi­du­en, etwa gene­ti­scher, bio­lo­gi­scher, kul­tu­rel­ler, reli­giö­ser, poli­ti­scher, men­ta­ler Art, will man eigent­lich nichts wis­sen. Wo der Lin­ke »Viel­falt« sagt, meint er im Grun­de »Viel­heit«.

Die Idee der Viel­falt als Wert hat in Wirk­lich­keit ihre legi­ti­me Hei­mat auf der Rech­ten, wäh­rend ihre Beschlag­nah­me durch den poli­ti­schen Geg­ner ihre Orwell’sche Ver­keh­rung ins Gegen­teil zur Fol­ge hat. »Dif­fe­renz im Sin­ne von ›Unter­schied‹ ist einer der kon­ser­va­ti­ven Gegen­be­grif­fe zu ›Gleich­heit‹, der grund­sätz­li­che Vor­zug, den man der Viel­falt gegen­über der Ein­falt gibt.«

Auf der nächs­ten Sei­te also der voll­stän­di­ge Apho­ris­mus Ador­nos aus “Mini­ma Moralia”.

Melan­ge. — Das geläu­fi­ge Argu­ment der Tole­ranz, alle Men­schen, alle Ras­sen sei­en gleich, ist ein Bume­rang. Es setzt sich der beque­men Wider­le­gung durch die Sin­ne aus, und noch die zwin­gends­ten anthro­po­lo­gi­schen Bewei­se dafür, daß die Juden kei­ne Ras­se sei­en, wer­den im Fal­le des Pogroms kaum etwas dar­an ändern, daß die Tota­li­tä­ren ganz gut wis­sen, wen sie umbrin­gen wol­len und wen nicht. Woll­te man dem gegen­über die Gleich­heit alles des­sen, was Men­schen­ant­litz trägt, als Ide­al for­dern, anstatt sie als Tat­sa­che zu unter­stel­len, so wür­de das wenig helfen.

Die abs­trak­te Uto­pie wäre all­zu leicht mit den abge­feim­tes­ten Ten­den­zen der Gesell­schaft ver­ein­bar. Daß alle Men­schen ein­an­der gli­chen, ist es gera­de, was die­ser so paß­te. Sie betrach­tet die tat­säch­li­chen oder ein­ge­bil­de­ten Dif­fe­ren­zen als Schand­ma­le, die bezeu­gen, daß man es noch nicht weit genug gebracht hat; daß irgend etwas von der Maschi­ne­rie frei­ge­las­sen, nicht ganz durch die Tota­li­tät bestimmt ist.

Die Tech­nik der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger läuft dar­auf hin­aus, die Gefan­ge­nen wie ihre Wäch­ter zu machen, die Ermor­de­ten zu Mör­dern. Der Ras­sen­un­ter­schied wird zum abso­lu­ten erho­ben, damit man ihn abso­lut abschaf­fen kann, wäre es selbst, indem nichts Ver­schie­de­nes mehr über­lebt. Eine eman­zi­pier­te Gesell­schaft jedoch wäre kein Ein­heits­staat, son­dern die Ver­wirk­li­chung des All­ge­mei­nen in der Ver­söh­nung der Differenzen.

Poli­tik, der es dar­um im Ernst noch gin­ge, soll­te des­we­gen die abs­trak­te Gleich­heit der Men­schen nicht ein­mal als Idee pro­pa­gie­ren. Sie soll­te statt des­sen auf die schlech­te Gleich­heit heu­te, die Iden­ti­tät der Film- mit den Waf­fen­in­ter­es­sen­ten deu­ten, den bes­se­ren Zustand aber den­ken als den, in dem man ohne Angst ver­schie­den sein kann.

Attes­tiert man dem Neger, er sei genau wie der Wei­ße, wäh­rend er es doch nicht ist, so tut man ihm ins­ge­heim schon wie­der Unrecht an. Man demü­tigt ihn freund­schaft­lich durch einen Maß­stab, hin­ter dem er unter dem Druck der Sys­te­me not­wen­dig zurück­blei­ben muß, und dem zu genü­gen über­dies ein frag­wür­di­ges Ver­dienst wäre.

Die Für­spre­cher der unita­ri­schen Tole­ranz sind denn auch stets geneigt, into­le­rant gegen jede Grup­pe sich zu keh­ren, die sich nicht anpaßt: mit der stu­ren Begeis­te­rung für die Neger ver­trägt sich die Ent­rüs­tung über jüdi­sche Unma­nie­ren. Der mel­ting pot war eine Ein­rich­tung des los­ge­las­se­nen Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus. Der Gedan­ke, in ihn hin­ein­zu­ge­ra­ten, beschwört den Mar­ter­tod, nicht die Demokratie.


Th. W. Ador­no, Mini­ma Mora­lia (1951).

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (18)

Martin

13. Mai 2013 16:32

Sehr schöne Fundstücke!

Ich habe es hier auf diesen Seiten schon einmal erwähnt. Auch Adornos/Horkheimers bekanntestes Buch "Dialektik der Aufklärung" würde sich für eine Besprechung aus rechter Sicht sehr gut eigenen, da es im abendländischen Denken fußt.

Citizen Kane

13. Mai 2013 18:10

Die Linken werden mir immer sympathischer!
hier noch einer

Das romantische Verständnis der Deutschen für die Islamisten im Nahostkonflikt hat aber
Gründe. Sie halten Araber für affige Wilde, für unmündige Menschen dritter Klasse, an die man noch keine aufklärerisch-humanen Maßstäbe anlegen darf. Die Zuneigung der Deutschen ist eine Art von vormundschaftlicher Verachtung. Der schwärmerische Respekt vor dem Fremdländischen ist nur
Bequemlichkeit und Hochmut. Ich sehe im MultiKulti-Geschwärme meiner alternativen Zeitgenossen
die seitenverkehrte Version des Rassendünkels von gestern.

(Wolf Biermann
aus dem Vortrag zur Eröffnung des akademischen Jahres 2006-2007 des
Bucerius-Instituts der Universität Haifa mit dem Titel »Isaak und Ismael – Abrahams Söhne aus deutscher Sicht«)

Nordländer

13. Mai 2013 20:57

Wiesengrund folgend, könnten dann ja zum Beispiel in England Schwarze, Hindus, Europide, Araber, Türken, Sikhs usw. in der Form leben, daß die Verschiedenheit gegenseitig anerkannt und keine Angleichung gepredigt wird.

M.L.: Die Wirklichkeit "folgt" halt keinem Philosophen. Ich glaube, diese heutige Situation hätte sich nicht einmal er vorstellen können. Von Links ist die Dialektik Gleichheit-Ungleichheit jedenfalls nicht aufzulösen - q.e.d.

Theosebeios

13. Mai 2013 21:57

Ich muss doch sehr bitten, Biermann hier als "Linken" einzustufen und daraus auch noch eine Sympathie für diese ideologische Richtung reklamieren zu wollen!

Inselbauer

13. Mai 2013 22:16

Ich habe nie verstanden, was Adorno in der Frankfurter Schule zu suchen hatte. Eine vulgärer, vom Geld und von Kontakten besessener Wechsler und Händler wie Horkheimer war er nicht. Ein piekfeiner Antifaschist war er auch nicht, schon gar nicht privat. Er war alles, aber kein Kommunist, und ein richtiger Jude war er auch nicht. An manchen Texten merkt man, dass er vollkommen überfordert ist mit dem Ausführen der Programmatik, die ihm Horkheimer eingeredet hat. Wahrscheinlich war ihm der ganze Politkram, ja sogar die Philosophie vollkommen egal, das hat ja auch Lotte Tobisch immer wieder berichtet.
In dem großen Aufsatz über Alban Berg kommen sogar ganz offen "rassistische" Stellen vor.
Herrn Lichtmesz' Theorie über die Bedeutung der Homosexualität bei der Kulturwerdung ließe sich vielleicht mit einer Stelle aus den Minima Moralia ergänzen, in der vom Geruch des Leders die Rede ist. Wenn man das doppelbödig liest (Adorno soll aktiv SM betrieben haben) ist es ein interessanter Kommentar zu seiner Angst vor der Gleichmacherei.

M.L.: Das ist nicht meine Theorie, sondern von Hans Blüher, und ich teile sie nur eingeschränkt. - Ja, Adorno, dem die 68er weitgehend zuwider waren, war ohne Zweifel der "rechte Flügel" der Frankfurter Schule, und es steckt noch viel von ihm im "Anschwellenden Bocksgesang" seines Schülers Botho Strauß.

Inselbauer

13. Mai 2013 22:37

Um Adornos Haltung zum Multikulturalismus der kapitalistischen Mobilmachung zu verstehen, kann man sich auch seine persönliche Stellung in der Zeit in den USA im Vergleich zu seiner Frankfurter Spätzeit ansehen. Vor den Negern hatte er wohl richtig Schiss, da konnte er nie einen Zugang aufbauen. Die künstlich dummen Texte über den Jazz sind ja auch gar keine Musikanalyse sondern die Demonstration der vorgeblichen Unfähigkeit, das "Andere" zu verstehen. Adorno grenzt sich mit seinen gestelzten Formulierungen und dem absichtlichen Danebenliegen in der musiksoziologischen Darstellung snobistisch gegen den Neger ab. Der ganze Kram von wegen Musikindustrie ist hier nur aufgesetzt, so blöd wie diese Analysen war er nicht.
Dagegen ist - schon in den Minima Moralia - die Abgrenzung gegen die Frankfurter Mitschüler und späteren Nazis ein Versuch, intimes psychologisches Negativwissen vorzutäuschen. Auch diese Stellen sind schlecht, hier will er dazugehört haben.
Ja, es sieht so aus, als hätte er bezogen auf die ethnische Vielfalt rechts empfunden.

Martin Lichtmesz

13. Mai 2013 22:57

Als Theodor W. Adorno statuierte, man dürfe nach Auschwitz keine Gedichte mehr schreiben, ging es ihm zu einem Prozent um Lyrik, zu 50 Prozent um Auschwitz und zu 100 Prozent um den unsterblichen Ruhm des epochalen Dekreteschmieds Theodor W. Adorno.

M. Klonovsky

Wahr-Sager

13. Mai 2013 23:08

@Citizen Kane:

Die Linken werden mir immer sympathischer!

Solche Linken wie Adorno gibt es heute nur kaum noch. Martin Lichtmesz hat auch in einem seiner aktuellen Artikel erörtert, was man von den heutigen Linken (eher "Linke") halten kann.

Nihil

14. Mai 2013 01:35

Adorno überrascht immer wieder. Ich kenne nur die "Kulturindustrie". Wenn man den furchtbaren Stil und das eine oder andere "marxistische" Zugeständnis subtrahiert, ist es erstaunlich konservativ. Mit Adorno gegen die Linke? Wohlan :-) Aber bitte nicht mehr ...

Funke

14. Mai 2013 07:23

Noch ein interessantes Zitat, diesmal aus der DdA:

"Theosophie, Numerologie, Naturheilkunde, Eurhythmie, Abstinenzlertum, Yoga und zahllose andere Sekten, konkurrierend und auswechselbar, alle mit Akademien, Hierarchien, Fachsprachen, dem fetischisierten Formelwesen von Wissenschaft und Religion. Sie waren, im Angesicht der Bildung, apokryph und unrespektabel. Heute
aber, wo Bildung überhaupt aus ökonomischen Gründen abstirbt, sind in ungeahntem Maßstab neue Bedingungen für die Paranoia der Massen gegeben. Die Glaubenssysteme der Vergangenheit, die von den Völkern als geschlossen paranoide Formen ergriffen wurden, hatten weitere Maschen. Gerade infolge ihrer rationalen Durchgestaltung und Bestimmtheit ließen sie, wenigstens nach oben, Raum für Bildung und Geist, deren Begriff ihr eigenes Medium war. Ja sie haben in gewisser Weise
der Paranoia entgegengewirkt. (...) Die Glaubenssysteme halten etwas von jener Kollektivität fest, welche die Individuen vor der Erkrankung bewahrt. Diese wird sozialisiert: im Rausch vereinter Ekstase, ja als Gemeinde überhaupt, wird Blindheit zur Beziehung und der paranoische Mechanismus beherrschbar gemacht, ohne die Möglichkeit des Schreckens zu verlieren."

Adorno trauert hier institutionell verfassten und attackierbaren Vorstufen der Aufklärung nach. Am liebsten wäre es ihm wohl gewesen ein geeintes christliche Abendland als Papst zu übernehmen und kollektiv in seinem Sinne aufzuklären. :D
Indem mit dem Ende der katholischen Kirche und der bestimmenden Kraft des Christentums, sich der Absolutheitsanspruch auf tausende religiöse und atheistische Sekten divergierte, ist das Projekt Aufklärung mühsam geworden. Man muss unter ständiger Eingeständnisse an die relativistischen, multikulti-Träumer, den wabernden Haufen der Postmoderne, wie eine verrückte Schafherde zusammen halten. Nichts hasste Adorno wohl mehr als die jahrmarktsbunte Beliebigkeit, die die bestimmte Negation verlernt hat und wollüstig ihr schwaches Ich ins Getreibe der KI plumpsen lässt. Allerdings waren seine Beweggründe sicherlich nicht die, die ich bei den meisten hier vermute.
Heute wäre Adorno wohl mit Giordano zum Islamkritiker geworden, wie das bei seinen selbsternannten Erben um die Bahamas ja seit einiger Zeit der Fall ist. ;)
Vielleicht würde er sogar für einen Verfassungspatriotismus plädieren und seine Kritik am Ticketdenken etwas revidieren, damit eine Kritik an der Kritik der Aufklärung ihr kritisches Wesen erhalten kann indem sie dafür sorgt, dass diese das Objekt ihrere Kritik, die Aufklärung und ihre westlichen Trägervölker, nicht völlig zerstört.

M.L.: Glaube an Astrologie, Esoterik usw. galt auch als Bestandteil des Konstrukts "autoritärer Charakter", das A. maßgeblich mitverbrochen hat. Und wenn ihn heute einer beerbt hat, dann ist das wohl in der Tat vor allem der fast-geniale Justus Wertmüller (abgesehen von allen Bothoböcken natürlich :D).

Nordländer

14. Mai 2013 09:01

@ M.L.: Die Wirklichkeit „folgt“ halt keinem Philosophen. Ich glaube, diese heutige Situation hätte sich nicht einmal er vorstellen können.

Immerhin besitzt der Philosoph aber die Freiheit zu unterscheiden zwischen dem, was in seinem Leben auf ihn wirkt und idealistischen Konstrukten.
So generell gebe ich Ihnen recht, Herr Lichtmesz, die Zukunft ist bockig, wie oft verweigert sie sich den allerbesten Absichten und Prognosen.

Mal so im Vergleich: In den VSA gab es zu Anfang des letzten Jahrhunderts die Idee der Repatriierung der Abkömmlinge der Sklaven. Diese stieß bei Führern der Schwarzen durchaus auf Zustimmung. Doch bald schon obsiegten die Kräfte des "civil rights movement."

1835 verfaßte Alexis de Tocquelleville "Über die Demokratie in Amerika".
Er geißelte die Sklaverei als fatal und ordnete die Folgeproblematik, die permanenten Spannungen zwischen sehr verschiedenen Völkern, als gänzlich unauflösbar ein.

In Sachen Wirklichkeitsnähe deucht mir denn doch Tocquelleville der eindeutige Sieger zu sein.

Waldgänger

14. Mai 2013 09:10

@ Wahr-Sager @ Kitizen Kane

zu

Die Linken werden mir immer sympathischer.

Zwischen den Linken und den Linksintellektuellen der Mitte des 20. Jahrhunderts und den sog. "Linken" der Gegenwart besteht schon ein auffälliger Unterschied.

Der betrifft die Inhalte (früher Arbeterbewegung und Kapitalismuskritik, heute: Multikulti, Genderunsinn) und den Stil.

Die früheren Linken hatten noch nicht die kulturelle Lufthoheit und mussten sich deshalb intellektuell bemühen.

Heutige Linke haben die Lufthoheit und müssen sich nicht mehr bemühen. Dabei ist ihnen das Intellektulle schon so sehr abhanden gekommen, dass viele eher an Gläubige einer Linksreligion erinnern als an denkende Menschen.
Das war natürklich bei Leuten wie Horkheimer oder Adorno anders, das waren auf ihre Art noch echte Intellektuelle!

Allerdings möchte ich die Frankfurter Schule nun keineswegs loben oder verteidigen. Auf ihre Art war sie durchaus destruktiv.

Allerdings kann man mit solchen hübschen Zitaten manchen Linken nerven.
Das ist ja auch was!

bernardo

14. Mai 2013 13:21

Bevor jetzt hier noch die große Adorno-Prozession einsetzt, hören wir doch mal, was er so über die Deutschen schrieb:

"Ich habe nichts gegen die Rache als solche, wenn man auch nicht deren Exekutor sein möchte - nur gegen deren Rationalisierung als Recht und Gesetz. Also: möchten die Horst Güntherchen in ihrem Blut sich wälzen und die Inges den polnischen Bordellen überwiesen werden, mit Vorzugsscheinen für Juden." In Adornos Brief vom 7. April 1945 artikuliert sich die Befriedigung über das bevorstehende Ende des Nationalsozialismus in einer Sprache der spaßigen Grausamkeit: "In Deutschland hat die große allgemeine Turnerei eingesetzt, die ich mit ungeteilter Freude verfolge." Besonders fällt der Kontrast auf, wenn der Verfasser im gleichen Brief die eigenen Leiden beklagt: Kopfschmerzen und einen "Entzündungsherd im Hals-Nasensystem". Schließlich, am 1. Mai 1945: "Alles ist eingetreten, was man sich jahrelang gewünscht hat, das Land vermüllt, Millionen von Hansjürgens und Utes tot."

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/die-vielen-hansjuergens-und-utes-1119685.html

Ja, ist alles eingetreten.....

Und daß es auch so blieb und bleiben sollte, daran hat Adorno aktiv mitgewirkt. Bis ihn die Inges barbusig im Hörsaal heimgesucht haben. Keiner hatte "68" mehr verdient.

Wahr-Sager

14. Mai 2013 17:30

@Waldgänger:

Kann man diese grenzdebilen Mitläufer heute, die sich als moderne Hexenjäger betätigen, denn überhaupt als Linke bezeichnen? Wenn man deren Köpfe öffnen würde, würde man wahrscheinlich auf eine Masse stoßen, die dem Umfang einer Erbse entspräche.

"Allerdings kann man mit solchen hübschen Zitaten manchen Linken nerven.
Das ist ja auch was!"

Auf jeden Fall. Man könnte auch Fettnäpfchen aufstellen, Zitate von Linken bringen, sie aber nicht als solche kenntlich machen und hinterher dann die hämisch Agierenden aufklären.

Waldgänger

14. Mai 2013 18:34

@ Wahr-Sager

Kann man diese grenzdebilen Mitläufer heute, die sich als moderne Hexenjäger betätigen, denn überhaupt als Linke bezeichnen?

Sie werfen da eine Frage auf, die manche vielleicht überrascht, die man aber durchaus ernsthaft stellen kann.
Dies nicht nur wegen der Irrationalität und wahrlich geringen Intellektualität der sog. Linken (Stichwort: "Erbse"), sondern auch deswegen, weil sich die gegenwärtige Linke ja so weit von dem entfernt hat, was klassischen (West)-Linken der 1950er, 1960er oder 1970er Jahre wichtig gewesen war.

Die heutige "Linke" vertritt ja nicht mehr die Arbeitnehmer; und schon gar nicht die Arbeitnehmer im eigenen Land. Stattdessen kollaboriert sie mit ihrem ehem. Erzfeind, dem Kapital, träumt vom Sinn einer Völkervermischung und begnügt sich ansonsten mit Destruktion und dem Aufbauschen von Feindbildern.
Kurioserweise hat sie dabei allerdings einen quasireligiösen Glauben daran, dass sie trotz lediglich destruktiver Aktionen die Welt besser machen könnte.

Deshalb verwende ich auch gerne die Worte "Linksgläubige" und "Linksreligion".

Ich glaube, dass nicht nur Leute wie Horkheimer, Adorno, Marcuse, sondern auch alte gewerkschaftsnahe SPD´ler wie Ollenhauer oder Schumacher die heutigen "Linken" gar nicht mehr als Linke betrachten würden.

Inselbauer

14. Mai 2013 22:43

@ Lichtmesz

Es ist gemein, dem Adorno die Studie über den autoritären Charakter anzuhängen. Sicher, dieser Text ist eine Keimzelle des Bösen, aber Horkheimer hat ihn dazu gezwungen (...) Besonders bei dieser Studie ist Adorno vollkommen fehl am Platz gewesen.

Findling

14. Mai 2013 23:11

Die Idee von der biologischen Gleichheit aller Rassen und Menschen hat auch Genetiker auf den Plan gerufen: Ein Kongolese könnte mit mir biologisch enger verwandt sein als mein Onkel. Die genetischen Fragmente seien so vielfach um den Orbit gereist, im Bereich unserer Gene seien wir alle gleich.
Dem kann man zünftig nachhelfen. Du und ich und die Erbse, wir sind von gleichem Blute, zumindest auf der Ebene der ribosomalen Proteinbiosynthese besteht die Uniformität allen Lebens!
Du und ich und das Schwein, wir grunzen in einer Sprache, wenigstens in der Hämoglobinsequenz.... Du und ich und der Schimpanse! Die 3 oder 4 Prozent an Unterschieden im Erbgut, die dürfen uns doch nicht zu Kannibalen machen!
Der Einstein und der familiär Debile, kein Unterschied!
Wir müssen allen Menschen eine nicht erodierbare Würde ab dem Beginn des Lebens zuerkennen, was mit Gleichmacherei nichts zu tun hat.
Gender macht uns ja inzwischen sogar ein X für ein Y vor, wobei die Medizin immer mehr Unterschiede zwischen den Geschlechtern erkennt.
Wo alle und alles gleich sind, gibt es kein pulsierendes Leben mehr. Ungleichheit ist ein Motor der Evolution.

Martin Lichtmesz

15. Mai 2013 11:02

Karawane zieht weiter.

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