Er stammte aus einer sizilianischen kleinadeligen Familie und durchlebte eine schwierige Kindheit und Jugend, die von der Lektüre Carlo Michelstädters, Giovanni Papinis und Friedrich Nietzsches geprägt war. Er begann ein Ingenieursstudium, das 1917 durch seinen Kriegseinsatz als Unterleutnant der Artillerie unterbrochen wurde. Zu diesem Zeitpunkt setzte eine existentielle Krise ein. Er interessierte sich für die Kunst der Avantgarde, nahm Kontakt zu Tristan Tzara auf und wurde einer der ersten Dadaisten Italiens. Gleichzeitig interessierte er sich für östliche Spiritualität und entwickelte ein vom Tantrismus inspiriertes Konzept des»Ichs«, das er zu einem extremen Individualismus ausweitete.
In den zwanziger Jahren verkehrte Evola in verschiedenen »esoterischen« Zirkeln Roms und gründete schließlich 1927 die kurzlebige »Gruppe von Ur«. Im folgenden Jahr publizierte er das Buch Heidnischer Imperialismus (Imperialismo pagano), in dem er das Christentum scharf angriff und ihm die Größe des antiken Roms entgegensetzte. Er las intensiv das Werk René Guénons und gründete zusammen mit Guido de Giorgio die Zeitschrift La Torre (der Turm), die vom faschistischen Regime ein halbes Jahr lang verboten wurde. Er publizierte verschiedene Arbeiten u. a. über die »hermetische Tradition«, das »Mysterium des Grals«, das »tantrische Yoga« und den »magischen Idealismus«.
Im April 1930 schrieb er in La Torre:
Wir sind weder Faschisten noch Antifaschisten. Der Antifaschismus ist den unbeugsamen Feinden jeglicher plebejischen Politik und nationalistischen Ideologie gleichgültig. … Was den Faschismus angeht, so ist er zu wenig. … Wir wollen einen viel radikaleren, unerschrockeneren Faschismus, einen wahrhaft absoluten Faschismus aus reiner Kraft, jedem Kompromiß unzugänglich.
Nichtsdestotrotz arbeitete er unter Mussolinis Herrschaft für mehrere, nicht unwichtige Zeitungen und Zeitschriften. 1934 erschien Revolte gegen die moderne Welt (Rivolta contro il mondo moderno), das als Evolas Hauptwerk gilt. Dieses umfangreiche Buch entwickelt eine Doktrin, die wie das seitenverkehrte Negativ zur Ideologie des Fortschritts wirkt. Danach ist die gesamte Menschheitsgeschichte eine Geschichte des langsamen Niedergangs und Verfalls, in der die »männlichen« und »solaren « Prinzipien der »hyperboräischen Urtradition« zunehmend in Vergessenheit geraten seien. Diese Geschichtsmetaphysik basiert auf einer zyklischen Vision des geschichtlichen Werdens und auf der traditionellen Lehre von den »vier Zeitaltern «.
Die moderne Welt entspricht dem Kali-Yuga, der »Wolfszeit«, die das Ende eines Zyklus beschließt. Die evolianische Vision der Welt ist zutiefst elitaristisch und stellt ein organisches Modell der Hierarchie in den Mittelpunkt, das von einer Polarität zwischen oben und unten, hochstehend und minderwertig geprägt wird. Evola stellt die Welt der Tradition, wie sie in der Antike geherrscht hat, in scharfer Opposition der modernen Welt gegenüber, die er als eine lange Involution beschreibt, charakterisiert durch den Aufstieg dämonischer und »unter-menschlicher« Kräfte, deren Tiefpunkte in seinen Augen die Demokratie und vor allem der Kommunismus sind.
In seinem System sind die »männlichen «, heroischen und kriegerischen Werte gleichbedeutend mit den »solaren«, uranischen Werten, die den »weiblichen« Werten der chthonischen und unterirdischen Welt entgegenstehen. Dieses Thema nahm er 1958 in Metaphysik des Sexus (Metafisica del sesso) wieder auf, das der herabgekommenen modernen eine sakrale Sexualität gegenüberstellt. Fasziniert von Deutschland und der deutschen Sprache mächtig, war Evola ein bereitwilliger Verfechter einer geistigen Union der deutschen und italienischen Kultur. Er versuchte sogar, mit verschiedenen Strömungen der Weimarer Konservativen Revolution in Verbindung zu treten, insbesondere mit einigen völkischen Kreisen. 1934 wurde er im Herrenklub in Berlin empfangen. Sein überspitzter Elitarismus, seine nachhaltig bekräftigte Verachtung für den Begriff des »Volkes« wie für alles »populäre« und »feminine«, entfremdete ihn vom Großteil der Konservativen Revolutionäre, die ihm kaum Interesse entgegenbrachten, trotz der glühenden Bewunderung einzelner (z. B. Gottfried Benn) von ihnen.
Evola brachte dem Nationalsozialismus gewisse Sympathien entgegen, kritisierte jedoch seinen »sozialistischen« und »plebejischen « Charakter. Besonders hatte er es auf Alfred Rosenberg abgesehen, dessen »biologischen Rassismus« er als eine Form des Materialismus anprangerte. Dem stellte er den Begriff der »inneren Rasse« gegenüber, der zum Teil den Arbeiten von Ludwig Ferdinand Clauß nahestand. 1938 kam ein von Heinrich Himmler in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Schluß, daß Evola jegliches öffentliche Wirken in Deutschland untersagt werden müsse. Im selben Jahr besuchte er Rumänien, wo er Bekanntschaft mit dem Führer der Eisernen Garde, Corneliu Zelea Codreanu, machte, den er als »eine der würdevollsten und geistig am besten orientierten Gestalten « seiner Zeit beschrieb.
Nach der Besetzung Roms durch die Alliierten floh er nach Wien, wo er im April 1945 einem Bombardement zum Opfer fiel, das eine lebenslange Lähmung der unteren Gliedmaßen zur Folge hatte. Er kehrte 1948 nach Italien zurück, wo er den verbliebenen jungen Militanten Orientierung bot. In Menschen inmitten von Ruinen (Gli uomini e le rovine, 1953) skizzierte er die großen Linien einer »konservativ-revolutionären« Staatslehre: revolutionär war seine radikale Ablehnung aller modernen Ideen, konservativ die Bekräftigung der Notwendigkeit einer »Ordnung«, basierend auf einer aristokratischen Hierarchie im »apollinischen« und »über-individuellen« Geist. Entscheidender als die politischen Ideen des Buches war sein ethischer Gehalt.
Evola erkannte rasch die Vergeblichkeit seiner Bemühungen. In seinem Buch Den Tiger reiten (Cavalcare la tigre, 1961) stellt er fest, daß es »kein Ziel mehr gäbe, das den Einsatz seines wahren Seins« lohne. Er übernahm infolgedessen den antiken Begriff der apoliteia, um eine innere und unwiderrufliche Distanz gegenüber einer zum Untergang verurteilten Welt zu schaffen, und empfahl mehr als je zuvor eine »aktive Unpersönlichkeit«. Il fascismo visto da destra (Der Faschismus von rechts gesehen, 1964) schließlich bietet eine interessante Kritik des Faschismus aus traditionalistischer Sicht.
Nach seinem Tod wurde die Asche Julius Evolas in einer Gletscherspalte des Monte Rosa verstreut, wie er es gewünscht hatte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltete Evola in bestimmten Kreisen der Rechten eine Wirkung, die schnell die Grenzen überschritt. Seit den frühen achtziger Jahren liegen seine Werke in mehreren Sprachen vor. In Italien erschienen zahllose Neuausgaben. Bis heute existiert in Rom eine Julius-Evola-Stiftung.
Schriften: L’uomo come potenza (1926); Teoria dell’individuo assoluto (1927); Heidnischer Imperialismus (Imperialismo pagano, 1928, dt.: 1933); La tradizione ermetica (1931), Revolte gegen die moderne Welt (Rivolta contro il mondo moderno, 1934, dt.: 1935 und1982); Das Mysterium des Grals (Il mistero del Graal e la tradizione ghibellina dell’Impero, 1937 dt.: 1955); Menschen inmitten von Ruinen (Gli uomini e le rovine, 1953, dt.: 1991); Metaphysik des Sexus (Metafisica del sesso, 1958, dt.: 1962); Cavalcare la tigre – Den Tiger reiten (Cavalcare la tigre, 1961, dt.: 2006).
Literatur: Christophe Boutin: Politique et tradition. Julius Evola dans le siècle 1898–1974, Paris 1992; Arnaud Guyot-Jeannin (Hrsg.): Julius Evola, Lausanne 1997; H. T. Hansen: Julius Evola et la »Révolution Conservatrice « allemande, Montreuil 2002; Marco Iacona (Hrsg.): Il Maestro della Tradizione. Dialoghi su Julius Evola, Napoli 2008; Jean-Paul Lippi: Julius Evola, métaphysicien et penseur politique, Lausanne 1998.