zur Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der BRD, die damals großes Aufsehen erregte, weil sie zu dem Schluß kam, 13 Prozent aller Wähler in der Bundesrepublik verfügten über ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild (Martin Greiffenhagen/SINUS-Institut: 5 Millionen Deutsche: “Wir sollten wieder einen Führer haben …”. Reinbek 1981).
Obwohl die problematischen Seiten dieser Art von Forschung auch damals schon deutlich hervortraten, wirkt sie auf den Leser, der das Buch im Jahr 2013 wieder in die Hand nimmt, wie ein Muster an reflektierender, differenzierender und objektiver Wissenschaft, verglichen mit heutigen Elaboraten der “Rechtsextremismusforschung”. Wer den Absturz ermessen will, den die deutschen Sozialwissenschaften in den letzten gut dreißig Jahren erfahren haben, dem sei das Büchlein zur nostalgischen Lektüre empfohlen.
Heutige “Rechtsextremismusforscher” legen ihre Studien bekanntlich systematisch so an, daß bereits derjenige als “rechtsextrem” oder gar “menschenfeindlich”, zumindest aber als verdächtig gilt, der sich nicht für Masseneinwanderung erwärmen kann und sich mit den Zielen des politischen Establishments und den Interessen von Minderheiten aller Art nicht vorbehaltlos identifizieren will.
Solche “Forschung”, in deren trübem Licht der Rechtsextremismus schon deshalb immer bedrohlichere Dimensionen annehmen muss, weil die Definition stetig und willkürlich ausgeweitet wird – mittlerweile steht bereits die politische Mitte unter Extremismusverdacht – zielt erkennbar darauf ab, im fadenscheinigen Gewande von “Wissenschaftlichkeit” jeglicher nichtlinken Ideologie ein pejoratives Etikett aufzukleben. Sie verrät damit ein Wissenschaftsverständnis, das sich nicht von dem der Gesellschaftswissenschaften der DDR unterscheidet, die ganz offiziell einen politischen Kampfauftrag hatten, sich seiner Erfüllung bei jeder Gelegenheit rühmten und in ihrer klebrigen Servilität gegenüber der Obrigkeit erst von heutigen bundesdeutschen Rechtsextremismusforschern übertroffen worden sind.
Die Stärke der damaligen Studie war ihr empirischer Ansatz: Statt vorab eine rein ideologisch deduzierte Meßlatte zu definieren, der zu entsprechen hat, wer als unverdächtig gelten will, erhoben die Forscher zunächst die Einstellungen von Menschen, die unzweifelhaft tatsächlich der extremen Rechten angehörten, verglichen diese Einstellungen mit denen einer zufällig ausgewählten Kontrollgruppe, filterten daraus Einstellungen, die als Syndrom, d.h. in ihrer Gesamtheit Rechtsextremisten trennscharf vom Rest der Gesellschaft unterschieden, und begannen erst dann, also nachdem sie ihre Skala empirisch validiert hatten, die Verbreitung dieses Syndroms in der Gesamtbevölkerung zu messen.
Jede Methode hat ihre Schwächen, auch diese: Politische Ideologien sind immer zugleich eine spezifische Art, Wirklichkeit zu beschreiben. Forschungen, wie die beschriebenen fassen ideologische Einstellungen implizit als Eigenschaften der Personen auf, die diese Einstellungen haben, nicht aber als Spiegel und Resultat gesellschaftlicher Realitäten. Gerade in der Extremismusforschung wäre zu fragen, welche gesellschaftlichen Entwicklungen bestimmte Formen ihrer ideologischen Rezeption plausibel wirken lassen, d.h. in welchem Verhältnis die Ideologie zur Wirklichkeit steht.
Den Bezug zur gesellschaftlichen Realität stellte auch die SINUS-Studie nur in beschränktem Umfang her, indem zum Beispiel Statusängste, Arbeitslosigkeit und ähnliche sozio-ökonomische Faktoren als denkbare Erklärungsvariablen für die Entstehung von Rechtsextremismus aufgeführt wurden. Die Studie wies, mit anderen Worten, einen deutlichen Hang zu marxistisch inspirierten Erklärungsmustern auf. Außerdem griffen die Autoren, obwohl sie ihre Distanz zur “Faschismusforschung” in der Tradition der Frankfurter Schule betonten, gelegentlich auf deren psychoanalytische Erklärungsmuster zurück, ohne deren Tragfähigkeit hinreichend zu prüfen, und spickten ihre Ausführungen mit moralischen Wertungen, die in einem sozialwissenschaftlichen Text nichts zu suchen haben.
Was die Studie dennoch aus heutiger Sicht so wohltuend lesbar macht, ist die Tatsache, daß sie offenkundig nicht darauf abzielte, möglichst alle nichtlinken Positionen in die Nähe zum Rechtsextremismus zu rücken. Selbst dort, wo die Autoren “Meinungsbrücken” zwischen der extremen Rechten und der breiten Bevölkerung erkannt zu haben glaubten und eine “Autoritäre Einstellungs-Skala” konstruierten, taten sie es, um mögliche Agitationsthemen der extremen Rechten zu identifizieren, nicht um die entsprechenden Einstellungen zu diffamieren. Und sie artikulierten gerade an dieser Stelle selbstkritische methodische Skrupel, die ihren heutigen Kollegen kaum noch in den Sinn kämen:
Die besondere Funktion dieser Skala … bereitet methodische Probleme, die nach Auffassung des Instituts noch nicht endgültig gelöst sind. Die Skala ist daher als wissenschaftlicher Versuch zu betrachten. (S.75, FN 1)
Und wer könnte sich in einer heutigen Studie ein Vorwort wie das von Martin Greiffenhagen vorstellen, in dem es unter anderem heißt:
Die Sinus-Forscher waren sich der Gratwanderung bewußt, auf die sie sich mit dieser Aufstellung einer vom Rechtsextremismus nicht unabhängigen Einstellungsskala einließen. (…) Weitere Untersuchungen werden die Grenze zwischen Konservatismus und den mancherlei Vorfeldern des Rechtsextremismus in ihrem Verlauf genauer festlegen und auf diese Weise den Respekt vor konservativen Werten sichern, die in unserer Kultur zum politischen Spektrum und also auch zum Kampf um seine Balancierung selbstverständlich dazugehören. (S. 10 f.)
Allein die Idee, das politische Spektrum müsse “balanciert” sein, würde dem Verfasser heute den Vorwurf mangelnder Wachsamkeit im Kampf gegen Rechts eintragen.
Besonders interessant sind die Befunde der damaligen Studie gerade im Hinblick auf heutige Versuche, die Burschenschaften zu verteufeln. Burschenschaften waren eines von mehreren Milieus, die auf ihre eventuelle Nähe zum Rechtsextremismus untersucht wurden. Mit eindeutigem Ergebnis:
Die Mehrheit der Burschenschaftler erweisen sich in mehrfacher Hinsicht als “konservative Kontrastgruppe” [zum Rechtsextremismus, M. K.-H.]. Im Wertebereich zeigen sich durch Überbetonung von Begriffen wie “Volk und Vaterland” [Hier schlägt sich die Ideologie der Autoren nieder, die wohl kaum hätten definieren können, was der Unterschied zwischen “Betonung” und Überbetonung” ist, M.K.-H.] Affinitäten zum Rechtsextremismus, im Normenbereich unterscheiden sie sich jedoch deutlich.
Sie akzeptieren die Bundesrepublik Deutschland und identifizieren sich mit ihrer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Auch ihre Sympathie gilt durchweg Organisationen, die zweifelsfrei die freiheitlich-demokratische Grundordnung unterstützen, während ihre Abneigung links- wie rechtsextreme Organisationen gleichermaßen trifft.
(…)
Gleichzeitig sind Rechtsextreme und Konservative aber auch durch scharfe Gegensätze im Wertebereich gekennzeichnet. In schroffem Kontrast zu Rechtsextremen betrachten Konservative Menschenrechte, Gewissensfreiheit, Rechtsstaat usw. als “Errungenschaften der großen westlichen Revolutionen”, die es zu bewahren gilt. Rassismus ist der konservativen Vorstellungswelt ebenfalls fremd.
Ergeben sich somit nur begrenzte Übereinstimmungen zwischen Rechtsextremen und Konservativen im Wertebereich, so besteht eine völlige Diskrepanz in der Beurteilung demokratischer Normen. Während die Rechtsextremen sowohl die im Grundgesetz verankerten Werte als auch die entsprechenden Normen für die Austragung von Konflikten ablehnen, bedeutet für die Konservativen die Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf dem normativen Sektor keinerlei Schwierigkeit, ja zum Teil wird dies sogar als das ureigenste Feld der Konservativen betrachtet. (ebd., S. 35 f.)
An diesem Sachverhalt hat sich in den vergangenen dreißig Jahren nichts geändert. Geändert hat sich aber die Einstellung des politischen, medialen und wissenschaftlichen Establishments den Burschenschaften gegenüber, die sich immer häufiger als Extremisten diffamiert sehen.
Es wird zu wenig beachtet, was diese Art von Diffamierung über die Diffamierer aussagt. Wer einen Anderen einen Extremisten nennt, sagt damit nämlich implizit etwas über seine eigene Position: Er sagt, dass seine eigenen politischen Ordnungsvorstellungen denen des sogenannten oder auch “Extremisten” diametral entgegengesetzt sind. Wer also eine Gruppe, die unzweifelhaft loyal zur verfassungsmäßigen Rechtsordnung steht, “extremistisch” nennt, sagt damit zugleich, dass er selbst nicht auf dem Boden dieser Rechtsordnung steht und ihre Beseitigung für wünschenswert hält. Er weist sich selbst als Verfassungsfeind aus; in der Formulierung der Sinus-Studie: als jemand, der “sowohl die im Grundgesetz verankerten Werte als auch die entsprechenden Normen für die Austragung von Konflikten” ablehnt.
Und zwar insbesondere, so dürfen wir aus leidvoller Erfahrung vermuten, die Meinungsfreiheit des Andersdenkenden und das Verbot von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung.
Julius
Die linke Sicht auf die Rechte(n) ist voller Widersprüche. Wie Günter Maschke pointiert formuliert hat: Der Gegner ist häßlich, dumm, widerlegt, lächerlich, aber gleichzeitig ungemein gefährlich. Da man ihn nicht versteht ist er "irrational".
Ein Grund für den hier aufgezeigten Wandel der Einstellung gegenüber Konservativen (Burschenschaften) usw. dürfte im psychoanalytischen (freudomarxistischen) Ansatz liegen: Der Beobachter erkennt und weiß besser, was der Beobachtete denkt und will, als dieser selbst. Wenn also ein Liberalkonservativer (zB Burschenschafter) erklärt, er sei der FdGO verbunden, so ist dies für den Linken entweder eine taktische Lüge oder zumindest eine Fehleinschätzung.
Die linke Revolte und ihr Freudianismus und Marxismus war - vor allem am Beginn - auch der mehr oder weniger getarnte Angriff einer sich als neue Elite verstehenden Generation von Intellektuellen (zB Frankfurter Schule) gegen eine alte. (An Vilfredo Paretos Kreislaufs der Eliten und an Gaetano Mosca sei erinnert.)
Heute haben die 68er den Marsch durch die Institutionen erfolgreich abgeschlossen, da muß sich ihr geistiges Gefolge sich nicht mehr besonders anstrengen. Bekanntlich haben die linken Denker, von Marx angefangen, für den real existierenden Proletarier wenig mehr als Verachtung übrig gehabt. Wenn der Unterschichtler dann noch dazu politisch unpassende Ansichten vertritt, wird schnell in gehässiger Art über vermeintliche oder tatsächliche sozioökonomische Unzulänglichkeiten wie "Dumpfheit" und "Verlierertum" am „Stammtisch“ hergezogen, die doch eigentlich Qualifikationen als Liebesobjekte der Linken darstellen sollten.
Daß Meinungsfreiheit natürlich nur für Linke gilt (weil "Faschismus" bekanntlich keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist) und Gewalt gegen "Faschisten" hochmoralische Zivilcourage ist, wissen wir ja schon lange. Solche Studien dienen dazu, möglichst autoritativ festzulegen, wer und was "faschistisch" ist.
Interessant wäre mal eine Studie über die "Verbreitung rechtsextremer Einstellungen" bei MenschInnen mit Migrationshintergrund. Kommt natürlich nicht, weil sogar die Linken wissen, was dabei herauskäme.