Ob diese Regel bezüglich der hohen See noch Geltung hat, daran sind mir am letzten Wochenende bei einem Segeltörn auf der Ostsee Zweifel gekommen. Nicht nur die beeindruckende Anzahl von technischen Hilfsmitteln, die es ermöglichen, doch recht entspannt zu navigieren und zu steuern (seien es GPS, Tiefenmesser oder Autopilot), sondern auch die Tatsache, daß die Ergebnisse der Bundesliga uns zeitnah zur Verfügung standen, vermittelten einem das Gefühl, die Sache in der Hand zu haben.
Nach der Heimniederlage der Bayern gegen Schalke herrschte an Bord Uneinigkeit darüber, ob Klinsmann jetzt entlassen wird oder nicht. Eigentlich war klar, daß er in der Bundesliga alles gewinnen mußte, um noch Meister werden zu können. Andererseits hatte Wolfsburg auch verloren, was an der Tabellensituation nichts änderte, weder positiv noch negativ. Eine kurzfristige Alternative zu Klinsmann wollte uns auch nicht einfallen und die sicherlich stolze Entschädigung schien uns in Zeiten der Krise schwer vermittelbar.
Aber: Klinsmann wurde entlassen (eine Nachricht, die dann doch niemand für so wichtig hielt, uns deswegen am Montag gleich anzurufen). Wobei ich anmerken möchte, daß ich derjenige war, der genau das vermutet hatte. Merke: Der Pessimist hat immer recht. Nun hat es in der Bundesliga unzählige Trainerentlassungen gegeben und die Freunde der Statistik wissen sicher, welche Nummer Klinsmann hier bekommen hat. Doch kaum ein Rauswurf dürfte so paradigmatisch gewesen sein.
Als durchsickerte, daß Klinsmann der neue Bayerntrainer sein würde, hielten das viele für eine genialen Coup: der solideste Fußballclub unter Europas Elite holt sich den “Motivator”, der das “Sommermärchen” möglich gemacht hatte und also wußte, wie man Euphorie produziert. Von Krise war damals noch keine Rede, alles schien möglich, Erfolg nur eine Frage der Motivation. Klinsmann wollte alle und alles besser machen, holte Fitnesstrainer aus den Vereinigten Staaten und Buddha-Statuen auf das Trainingsgelände.
Nun gibt es den schönen Spruch: Geld schießt keine Tore – aber kein Geld schießt auch keine Tore. Da die Bayern mit den europäischen Topclubs finanziell nicht mithalten können (bzw. nicht wollen, da in ihnen noch ein Funken kaufmännischer Geist lebendig ist), sollte der Trainer den Erfolg sicherstellen. Doch dessen Konzept scheiterte an einer anthropologischen Konstante: der Mensch kann die Welt nicht vollenden. Und auch keinen Teil von ihr, nicht einmal den Fußball. Klinsmann dachte offenbar, es genügt, den Spielern zu erzählen, wie toll sie sind. Doch irgendwann treffen solche Konzepte auf die Realität, in der ganze andere Regeln herrschen als in Motivationshandbüchern.
Offenbar war von den Bayernchefs nur Beckenbauer gegen Klinsmanns Verpflichtung. Warum, weiß ich nicht. Aber ich vermute mal, daß er Zweifel an dessen handwerklichen Fähigkeiten, seiner Ernsthaftigkeit und Eignung als Clubtrainer hatte. Kein schönes Wort kann mangelnde Kenntnisse in Taktik und Trainigslehre wettmachen. Insbesondere dann nicht, wenn es anders läuft als gedacht. In der drohende Niederlage muß die Mannschaft zeigen, ob sie funktioniert, notfalls eben drillmäßig. Daran scheint sich auch Uli Hoeneß erinnert zu haben, da er nach Klinsmann wieder einen Fußballehrer haben will.
Im übrigen ist auch auf hoher See nicht alles vorhersehrbar. Wir wurden Zeugen, wie eine technisch auf dem neuesten Stand befindliche Yacht trotz Tiefenmesser und Karte im Hafen von Vitte (Hiddensee) auf Grund lief – man hielt sich für schlauer und wollte abkürzen. Ohne einen versierten Skipper, der seine Aufgabe ernst nimmt, läuft es auch heute nicht.
Bildquelle: www.pixelio.de / Fotograf: Johannes Vortmann