85. Geburtstag Irenäus Eibl-Eibelsfeldt

(Text aus dem Band Vordenker des Staatspolitischen Handbuchs, Schnellroda 2012.)

von Andreas Vonderach

Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist der Begründer der Humanethologie, der Naturwissenschaft vom menschlichen Verhalten. Als solcher hat er überzogene Vorstellungen von der ausschließlichen Kulturbedingtheit des menschlichen Verhaltens bekämpft und zahlreiche Beweise für die stammesgeschichtliche Bedingtheit des menschlichen Verhaltens erbracht. Gleichzeitig ist er als konservativer Zeitkritiker aufgetreten.

Eibl-Eibes­feldt wuchs in der länd­li­chen Umge­bung von Wien auf und zeig­te früh Inter­es­se an Tie­ren. Er stu­dier­te Bio­lo­gie in Wien, wo er 1949 pro­mo­vier­te. Von 1951 bis 1969 war Eibl-Eibes­feldt wis­sen­schaft­li­cher Assis­tent von Kon­rad Lorenz, zuerst an der For­schungs­stel­le für Ver­glei­chen­de Ver­hal­tens­for­schung in Buld­ern (West­fa­len) und ab 1957 am Max-Planck-Insti­tut für Ver­hal­tens­phy­sio­lo­gie in See­wie­sen (Ober­bay­ern). Dort beschäf­tig­te er sich zunächst noch mit Tier­etho­lo­gie und nahm an Expe­di­tio­nen, u. a. zu den Gala­pa­gos­in­seln, teil. Mit­te der sech­zi­ger Jah­re begann Eibl-Eibes­feldt mit dem Auf­bau eines kul­tur­ver­glei­chen­den human­etho­lo­gi­schen Forschungsprogrammes.

Seit­dem führ­te er zahl­rei­che For­schungs­rei­sen zu von der moder­nen Zivi­li­sa­ti­on noch weit­ge­hend unbe­ein­fluß­ten Völ­kern in Afri­ka, Süd­ame­ri­ka, Neu­gui­nea, Indo­ne­si­en und Poly­ne­si­en durch. Mit Hil­fe des von Hans Hass ent­wi­ckel­ten seit­li­chen Spie­gel­ob­jek­tivs war es ihm mög­lich, deren unge­stell­tes All­tags­le­ben fil­misch zu doku­men­tie­ren. Eibl-Eibes­feldt wur­de 1970 zum Pro­fes­sor ernannt und über­nahm 1975 die Lei­tung der For­schungs­stel­le für Human­etho­lo­gie der Max-Planck-Gesell­schaft (seit 1988 in Andechs, Ober­bay­ern), die er bis zu sei­ner Eme­ri­tie­rung im Jahr 1996 innehatte.

Durch den Nach­weis von Uni­ver­sa­li­en, d. h. von in allen Kul­tu­ren gleich ablau­fen­den Ver­hal­tens­mus­tern, gelang es ihm, die Exis­tenz stam­mes­ge­schicht­lich ent­stan­de­ner Ver­hal­tens­pro­gram­me auch beim Men­schen nach­zu­wei­sen. Das betrifft vor allem Ver­hal­tens­wei­sen der non­ver­ba­len Kom­mu­ni­ka­ti­on, Mimik und Kör­per­spra­che, Lächeln und Lachen. Taub und blind gebo­re­ne Kin­der, die kei­ne Mög­lich­keit haben, die Mimik ande­rer Men­schen nach­zu­ah­men, zei­gen das­sel­be mimi­sche Aus­drucks­ver­hal­ten wie ande­re Kin­der. Schon Klein­kin­der ver­fü­gen über eine aus­ge­spro­che­ne sozia­le Kom­pe­tenz, die über ihre jewei­li­ge kogni­ti­ve Kom­pe­tenz weit hin­aus­geht. Sie bie­ten von sich aus Geschen­ke an und ver­fü­gen über nicht­er­lern­te sozia­le Stra­te­gien des Gebens und Neh­mens. Dar­über hin­aus weist das mensch­li­che Ver­hal­ten sozia­le Uni­ver­sa­li­en auf. Zu die­sen gehö­ren: die (Klein-)Familie, die enge Mut­ter-Kind-Bezie­hung, trotz ver­brei­te­ter Poly­ga­mie die Ten­denz zur Mono­ga­mie, die geschlecht­li­che Scham – freie sexu­el­le Poly­ga­mie gibt es in kei­ner Kul­tur –, die Arbeits­tei­lung der Geschlech­ter – Jagd, Krieg und poli­ti­sche Füh­rung der Män­ner, Kin­der­für­sor­ge und inne­rer Grup­pen­zu­sam­men­halt der Frau­en –, das Leben in bestän­di­gen Grup­pen (kei­ne »offe­nen« Gesell­schaf­ten), die Bean­spru­chung und Ver­tei­di­gung eines bestimm­ten Ter­ri­to­ri­ums, das Stre­ben nach Anse­hen und die Angst, das Gesicht zu ver­lie­ren, die Nei­gung zum Ein­satz von Gewalt eben­so wie die Tötungshemmung.

Auch die­ses kom­ple­xe­re sozia­le Ver­hal­ten folgt uni­ver­sa­len Auf­bau­prin­zi­pi­en, denen bio­lo­gi­sche Regel­sys­te­me zugrun­de lie­gen. Die Exis­tenz von stam­mes­ge­schicht­li­chen Ver­hal­tens­pro­gram­mie­run­gen bedeu­tet nicht, daß das mensch­li­che Ver­hal­ten nicht durch Ler­nen beein­flußt wer­den könn­te. Der Mensch ist durch­aus in der Lage, sich von sei­nen bio­lo­gi­schen Antrie­ben zu distan­zie­ren. In allen Kul­tu­ren gibt es Nor­men und Bräu­che, die der Bän­di­gung aggres­si­ver und sexu­el­ler Antrie­be die­nen. In sei­nem Buch Der Mensch – das ris­kier­te Wesen (1988) wies Eibl-Eibes­feldt auf die Gefah­ren hin, die sich aus der feh­len­den Anpas­sung des Men­schen an die Lebens­be­din­gun­gen in der moder­nen Mas­sen­ge­sell­schaft erge­ben. Evo­lu­tio­när sinn­vol­le Ver­hal­tens­pro­gram­me wie die Grup­pen­bin­dung, das Domi­nanz- und Wachs­tums­stre­ben, die Bereit­schaft zur Indok­tri­na­ti­on und die infan­ti­li­sie­ren­de Wir­kung von Ängs­ten ber­gen gesell­schaft­li­che Gefah­ren. Deren kul­tu­rel­le Kom­pen­sa­ti­on set­ze jedoch das Wis­sen um die bio­lo­gi­schen Vor­an­pas­sun­gen des Men­schen voraus.

Nicht die Tabui­sie­rung und Leug­nung, son­dern die von Wunsch­bil­dern freie Erkennt­nis der mensch­li­chen Natur sei die Vor­aus­set­zung einer ver­nünf­ti­gen Gesell­schafts­pla­nung. So gel­te es z. B., die natür­li­che Anla­ge zur Grup­pen­bin­dung und Frem­den­furcht nicht durch will­kür­lich geför­der­te Ein­wan­de­rung zu über­for­dern. Vie­le Fehl­an­pas­sun­gen des Men­schen in der moder­nen Zivi­li­sa­ti­on wer­den durch poli­ti­sche Ideo­lo­gien zusätz­lich ver­schärft, die einem beha­vio­ris­ti­schen Men­schen­bild anhän­gen, das an eine fast unbe­grenz­te Plan­bar­keit des Men­schen glaubt.

Ire­nä­us Eibl-Eibes­feldt hat Ent­schei­den­des dazu bei­getra­gen, die Grund­an­nah­men die­ser Ideo­lo­gie zu wider­le­gen. Das ist ein wis­sen­schaft­li­cher Fort­schritt, hin­ter den auch lin­ke Intel­lek­tu­el­le nicht mehr zurück kön­nen, wenn sie ernst genom­men wer­den wollen.

Schrif­ten: Grund­riß der ver­glei­chen­den Ver­hal­tens­for­schung – Etho­lo­gie, Mün­chen 1967; Lie­be und Haß, Mün­chen 1970; Der vor­pro­gram­mier­te Mensch, Wien 1973; Krieg und Frie­den aus der Sicht der Ver­hal­tens­for­schung, Mün­chen 1975; Men­schen­for­schung auf neu­en Wegen, Wien 1976; Die Bio­lo­gie des mensch­li­chen Ver­hal­tens, Mün­chen 1984; Der Mensch – das ris­kier­te Wesen, Mün­chen 1988; Das ver­bin­den­de Erbe, Köln 1991; Und grün des Lebens gol­de­ner Baum. Erfah­run­gen eines Ver­hal­tens­for­schers, Köln 1992; Zukunft mul­ti­kul­tu­rel­le Gesell­schaft?, in: Ein­wan­de­rungs­land Euro­pa?, Graz 1993; Wider die Miß­trau­ens­ge­sell­schaft, Mün­chen 1994; In der Fal­le des Kurz­zeit­den­kens, Mün­chen 1998.

Lite­ra­tur: Chris­ta Sütterlin/Frank K. Sal­ter (Hrsg.): Ire­nä­us Eibl-Eibes­feldt. Zu Per­son und Werk, Frank­furt a. M. 2001.

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