Endlich: Golf gegen rechts!

von Heino Bosselmann

Schloss Teschow ist eine piekfeine Adresse, eines jener nach dem Ausverkauf Ost aus alten mecklenburgischen Herrensitzen...

ent­stan­de­nen sehr, sehr exqui­si­ten Hotels, die sich in der obe­ren Klas­se eta­blie­ren, weil sie eine popu­lä­re Bin­sen­weis­heit der Betriebs­wirt­schafts­leh­re beher­zi­gen, die da lautet:

Gestal­te das Geschäft in so attrak­ti­ver wie absei­ti­ger Lage hoch­prei­sig und erfah­re, daß dies für sich als bes­tes Güte­sie­gel gilt. Die gestreß­ten Leis­tungs- und Ent­schei­dungs­trä­ger ver­langt es nach Refu­gi­en, in denen sie nach spä­tem Din­ner und vor wohl­ver­dien­ter Ruh’ noch den Unken­ruf in Moll vom öko­lo­gisch intak­ten Wei­her vernehmen.

Selbst­ver­ständ­lich spielt man tags­über Golf. Auf dem 18-Loch-Platz. Wie anstren­gend das auch immer sei. Ver­mut­lich schon Leis­tungs­sport in gedie­ge­nem Out­fit, bei dem man sich einen Schirm­chen-Long­drink  in der Lounge ver­dient. Was sonst soll­te neben etwas Rei­ten und her­aus­ge­put­zen Kon­zer­ten des meck­len­bur­gi­schen Klas­sik­fes­ti­vals über­haupt sinn­reich sein? Nicht mal Shop­ping ist drin.

Die weit­wel­li­ge End­mo­rä­ne der Meck­len­bur­gi­schen Schweiz bei Tete­row erscheint wie geschaf­fen für den land­schafts­ver­brau­chen­den Nobel-Sport einer Kli­en­tel, die sich sowohl drei­stel­li­ge Über­nach­tungs­prei­se als auch die dazu pas­sen­den deli­ziö­sen Menüs leis­ten kann. Neid­frei sei aner­kannt, daß die Gäs­te Wachs­tum in eine struk­tur­schwa­che Regi­on brin­gen. Beson­ders emp­foh­len wird übri­gens die kuli­na­ri­sche Idee, das “But­ter­brot mal anders” zu ent­de­cken und so wie­der das ganz, ganz Ech­te genie­ßen zu ler­nen. Wer’s rich­tig dicke hat, sehnt sich doch immer nach ursprüng­lich länd­li­cher Schlicht­heit zurück, also nach ’ner ordent­li­chen Stul­le im puris­ti­schen Retro-Look, was immer die, pro­fes­sio­nell zube­rei­tet, kos­ten mag.

Fehl­te nur noch der ganz beson­de­re Mar­ke­ting-Ansatz: Golf gegen rechts! End­lich die tou­ris­ti­sche Attrak­ti­on für das gas­tro­no­mi­sche Hoch­preis­seg­ment! Wer sagt denn, daß Golf kein Kampf­sport wäre? Mal beim Pic­co­lo-Sekt Char­don­nay Brut poli­tisch rich­tig kor­rekt ein­lo­chen! – Es gibt zwar schon Storch Heinar, bun­te Fes­te der Demo­kra­tie, ein jüngst SPD-zer­ti­fi­zier­tes vor­pom­mer­sches Bünd­nis gegen die Gefahr; aber das sind eher Aktio­nen der ehren­wert ein­fa­chen Bür­ger des Lan­des, der viel­be­schwo­re­nen Zivil­ge­sell­schaft also. Daß sich mitt­ler­wei­le auch die Groß­bour­geoi­sie mit ein­reiht in eine offen­bar wer­be­träch­ti­ge Kam­pa­gne, erwei­tert das Spek­trum ganz ent­schei­dend, ent­behrt aller­dings nicht einer gewis­sen, wohl unfrei­wil­li­gen Komik.

Zwar läßt die Sol­venz der Kund­schaft auf dem 120-Hekt­ar-Anwe­sen nicht aus sich her­aus auf Welt-Anschau­ung schlie­ßen, aber daß man den Auf­kle­ber „Kampf gegen rechts!“ – in ähn­li­cher Wei­se wie „Päd­ago­gisch wert­vol­les Spiel­zeug“ – nun gera­de auf ein Golf-Tur­nier pappt, mag gar die beken­nend kämp­fe­ri­sche Lin­ke irri­tie­ren, der nun ein ganz uner­war­te­ter Bünd­nis­part­ner feins­ten Zwirns und Tweeds zuwächst.

Viel­leicht besteht die Tugend der Tole­ranz gera­de dar­in, auch mal schmun­zeln zu dür­fen. Oder befrei­end einen Rie­sen­la­cher los­kra­chen zu las­sen über das, was die poli­ti­sche Kul­tur so bereit­hält. Und zwar gar nicht zynisch! Nein, im Gegen­teil. Man soll­te alle Moti­ve ernst­neh­men und Ver­an­stal­tern, die einer zug­kräf­ti­gen Idee fol­gen, per se Respekt zol­len. Man darf dabei aber der signi­fi­kan­ten Sym­bo­lik und deren Witz nachspüren.

Nichts schreibt sich
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Kommentare (36)

Nordlaender

20. Juni 2013 16:46

Als Gehirnträger sehe ich keine Möglichkeit, darauf zu reagieren.
Ernsthaft auf den Inhalt eingehen eh nicht, aber auch auf keinen Fall mit Humor.
Die geistige Mindestanflughöhe ist nicht gegeben, aber auch das zu erklären ist bereits peinlich.
Jegliche Kontaktaufnahme mit diesem Phänomen führt zur Selbstbeschmutzung.

Eine Art Beschämung. Auf Scham gibt es keine angemessene Reaktion, schon gar nicht das widerliche Fremdschämen.

Rumpelstilzchen

20. Juni 2013 17:23

So kann man seine Gäste vergraulen.
Ich habe meinen diesjährigen Urlaub dort gerade storniert.
Mit Kreti und Pleti will ich nicht golfen.
Habe meine Golfsocken (die mit den 18 Löchern) wieder ausgepackt und werde mein Butterbrot zuhause essen.

Es grüßt Freifrau Adelgunde von Dümmergehtnimmer

Pit

20. Juni 2013 18:36

Da "Kampf gegen rechts" bedeutet: "Kampf gegen das Volk", "Kampf gegen Deutsche": ist das Motto für die dortige Klientel von Superreichen vermutlich sehr stimmig... wenn man sich mal einen schrecklich unkorrekten Gedanken dazu erlaubt.

Unbezahlbar aber ist, daß mit der ultimativen Verbreitung des Slogans jetzt eben auch auf einmal: ungewollt, gewiß gegen jede Absicht: das als zusammengehörig auftaucht, was zusammengehört: StasiFa und Superreiche.

Es scheint mit Unweigerlichkeit immer der Punkt des Überreißens zu kommen ("Robespierre").

Uns ist jetzt eine Entgegnung auf den "Kampf gegen rechts" gegeben, wie es nie eine bessere gegeben hat: der Hinweis, daß der "Kampf gegen rechts" der Kampf der Superreichen ist

("Superreiche" sind eine Minderheit: ist es nicht "gemein", gegen Minderheiten zu agieren? Oder ist es manchmal...: ganz legitim, gegen "Minderheiten" zu agitieren? Sind Minderheiten immer: "gut"?).

JeanJean

20. Juni 2013 19:12

Irgendwo müssen doch auch die durch Vetternwirtschaft reich gewordenen Leistungsträger der grünen Wirtschaft golfen. Und da sich Telekom, BMW und Konsorten im Gegenzug zur Beteiligung am Gesetzgebungsprozess der Eurokratie längst durch freiwillige Selbstverpflichtung der Vielfalt und dem Antirassismus verschrieben haben, müssen auch sie ihren Mitarbeitern politisch korrekte Entspannung anbieten. So was ist auch gute Eigenwerbung, denn es beweist Verantwortungsgefühl.

Die hoch bezahlte Diversifizierungsbeauftrage kann dann ohne Schuldgefühle neben dem Solarbaron oder dem Großwindmühler gegen Rechts golfen. Hübsch wäre es noch, wenn die Caddies als Zeichen der Inklusion in Behinderteneinrichtungen rekrutiert würden.

Couperinist

20. Juni 2013 19:30

@Rumpelstilzchen

Fahren Sie man ruhig hin, die "normalen Leute" können nichts für den Irrsinn. Golfen wird eh überschätzt und ist so angelsächsisch. Der Deutsche geht wandern. ;)

Biobrother

20. Juni 2013 19:51

Wie die "Rote Gourmetfraktion" auf ihrer Seite vermeldet, haben unter den Mottos "Kochen gegen Rechts" bzw. "Kochen für ein weltoffenes Deutschland" im Jahre 2001 70 Spitzenköche verschiedener Restaurants ein edles 5-Gänge-Menü angeboten, wobei die Preise hierfür zwischen 150 und 300 DM lagen und rund die Hälfte der Einnahmen der Anti-Rassismus-Initiative "Gesicht zeigen! e.V." zugeleitet wurde. (Besonders die "Baramundi auf Galangawurzel und Hijiki" lassen das Herz des Connaisseurs höher schlagen und sollten - begleitet von einem schönen Riesling von Knipser - in Gesellschaft nicht-narzisstischer, liebesfähiger Menschen degustiert werden.)

https://www.gastroinfoportal.de/Management/Gesicht-Zeigen--Kochen-fuer-ein-weltoffenes-Deutschland.html

https://www.rotegourmetfraktion.de/oldschool/home/kgr/kochengegenrechtsneu.htm

Arminius

20. Juni 2013 20:32

Warum nicht mal Duelle gegen Rechts? So als Relikt aristokratischer Selbstüberheblichkeit...

ene

20. Juni 2013 20:55

Figuren und Situationen wie aus einem Stück von Botho Strauß.
(z.B. Trilogie des Wiedersehens oder Kalldewey, Farce)

"Kochen gegen Rechts" und der Diversifizierungsbeauftragte... was liegt da alles auf der Straße...

Wahr-Sager

20. Juni 2013 21:19

Wie wärs mit Selbstmord gegen rechts? Das würde von ECHTER Courage zeugen und wäre einmalig.

Rumpelstilzchen

20. Juni 2013 21:41

@couperinist
Nichts gegen die Region und die dortigen Menschen. Ich meine nur, dass man sich durch solchen Irrsinn ja auch Kunden vergrault.

In Regensburg gibt es die Aktion "Wirtshäuser gegen rechts".
Aufkleber an einigen Kneipen: Hier werden keine Nazis bedient. Auf meine Frage, woran man denn Nazis erkenne, konnte mir der Wirt keine Antwort geben.
"Ja, dann geh ich doch gleich wieder, vielleicht sitzen da ja unerkannte Nazis herum" , sagte ich und verließ das Lokal.
Dazu kann man wirklich nichts mehr sagen.

Tronjer

20. Juni 2013 21:48

Ich sags mal so: Die Trennlinie zwischen "gegen Rechts" und 'nem eingeschalteten Gehirn verläuft entweder über totale ideologische Verdummung (Durchschittsantifanten) oder über Geld !
Und damit mein ich beileibe nicht nur die "Professionellen", sondern im Prinzip alle, die in irgendeiner Art 'nen Haufen verdienen !
Die mediale Maschinerie läuft deshalb so gut, weil hinter jeder Zeitung und hinter jedem Sender n´haufen Kohle steckt.
Und genauso verhält es sich mit den Unternehmern, ab 'nem bestimmten Umsatz gehört gegen Rächts zu den Spielregeln.....
So einfach ist das !

Nihil

20. Juni 2013 22:16

Einfach statt "gegen rechts", immer "für den Führer" einsetzen. Sehr erhellend! Die Deutschen machen immer was ihnen gesagt wird, immer brav sein. Das wird ihnen noch Kopf und Kragen kosten. Wann ist dieser unglaubliche Konformismus entstanden? Ein pathologisches Harmoniebedürfnis nach dem 30-jährigen Krieg? Es ist echt schwer zu fassen - von halb-außen.

Raskolnikow

20. Juni 2013 22:19

Herzlichst sei Ihnen gedankt,

werter Herr Bosselmann, für diesen Wink! Zu dieser Okkasion werde ich unbedingt aufscheinen. Endlich kann ich dann mal mein "Gesicht-zeigen"-Brilliant-Monokel ausführen ("Garantiert nicht auf dem rechten Auge blind!"), das ich gelegentlich einer Tombola während der Sternfahrt des Ferrari-und-Lamborghini-Clubs Deutschland für die Benachteiligten rund um Rimini ("Gas geben!") gewann.

Auch die Oberärztin muss mit und kann gelegentlich dieses Golfens gegen Rechts ihr "Kein-Mensch-ist-illegal"-Diadem auf´s Köpfchen setzen. Dann trinken wir alle Dom Perignon aus Flaschen für ein buntes und weltoffenes Deutschland ... Wie damals bei der African-Refugee-support-Segelyacht-Regatta von Saint Tropez nach Lampedusa ("Rüberholen ohne Kielzuholen!"!

Aber mal ehrlich: eine unter Golfern (Ohnehin per se Arschlöcher!) übliche Frage bekommt anläßlich dieses Cretinismus eine völlig neue Bedeutung.

"Entschuldigung, welches Handicap haben sie eigentlich?"

Solvent und durstig,

R.

waldgänger aus Schwaben

20. Juni 2013 22:37

Geniale subversive Aktion. Auf so was wäre ich nie gekommen. Respekt.

Vor Jahren oder sogar Jahrzehnten empfahl mal ein evangelischer Pastor deutschen Frauen aus Solidarität mit Musliminnen einmal in der Woche Kopftuch zu tragen. Ein Vorschlag der nicht wirklich gut ankam, weder bei den Emanz-Hippen, den GrünInnen noch bei Musliminnen.

Ein heutige Aktion"Kopftuch gegen Rechts" - da wäre die Subversion durchsichtig.

"Golf gegen Rechts" - da fragt sich jeder: "Meinen die das ernst, oder ziehen die die Aktionen gegen Rechts durch den Kakao. GENIAL!

Michael Schlenger

20. Juni 2013 22:59

Aber, aber, Herr Bosselmann!

Heute zeigen Sie Nerven, so kennen wir Sie gar nicht. „Golf gegen Rechts“, das ist doch bloß ein weiteres infantiles Projekt ewig besorgter Mittelstufler aus dem einst bundesrepublikanischen Westen.

Über diese politisch Korrekten haben wir konservativ Tendierenden schon im sich humanistisch nennenden Gymnasium Mitte der 1980er Jahre gelacht und sind mit Halali über sie im Gemeinschaftskundeunterricht hergefallen. Dies übrigens unter den durchaus toleranten Augen unsers grünbewegten Lehrers, der heute in Frankfurt (ad moenum) bunte Politik oder so etwas Ähnliches betreibt.

Mir geht‘s aber um etwas Anderes: Sie ziehen mit dem heiligen Zorn eines Klassenkämpfers über das Freizeitgebaren unseres Geldadels her. Ich spiele selbst kein Golf, kenne aber sehr sympathische und erdverbundene Menschen, die diesen alten Sport mit Lust betreiben, die wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen und im Übrigen den Versuchungen des Zeitgeist durchaus widerstehen . Und wenn ich selbst in einem 400 Jahre alten Palazzo in Neapel zwei Wochen Urlaub mache, gebe ich dafür - wenn auch unter Schmerzen - dreistellige Beträge pro Nacht aus – weil es mir das nämlich wert ist, und weil ich mich für den Rest des Jahres in den ohnehin eher prosaischen hiesigen Gefilden durchaus einschränken kann. Was ist daran von irgendeinem kultivierten Standpunkt aus betrachtet auszusetzen? Wessen Interesse wird dadurch beeinträchtigt?

Herr Bosselmann, ich schätze Ihr Lob des einfachen, ländlichen Lebens, das ist schon ein Topos unserer abendländischen Kultur. Überdies hat im Alltag bescheiden zu leben noch keinem geschadet. Aber Kultur entsteht daraus allein noch nicht, auch die schönen Herrensitze in Mittel- und Ostdeutschland gäbe es ohne das (aus welchen Gründen auch immer) erfolgreiche wirtschaftliche Tun von Eliten nicht. Dass diese Eliten seinerzeit meist auch kulturell fruchtbar waren, steht außer Frage. Dennoch setzen Entstehung und Erhalt dieses Erbes stets erst einmal außergewöhnliche wirtschaftliche Potenz voraus. Wer soll denn nach Ihrer Vorstellung dieses Erbe heute bewahren außer einer wirtschaftlich erfolgreichen Schicht? Die sich intellektuell elitär gebärdende Schrumpfkonservative in dieser Republik? Hätte sich Ernst Jünger seinen sorglosen Aufenthalt in der Wilflinger Försterei selbst leisten können? Mir behagt es ja auch nicht, dass der heutige Geldadel im Schnitt vielleicht ungebildeter und prinzipienloser ist als sagen wir der preußische Landadel. Aber was ist denn die Alternative?

Wer soll denn unser trotz des Krieges immer noch unermessliches Erbe bewahren? Das geht nur mit Geld und nochmals Geld, und das wird nun einmal auf mitunter sehr banale Weise verdient . Solange jemand für den Unterhalt Ihres Schlosses Teschows zahlt, bin ich zufrieden. Die künstlerischen und intellektuellen Werte sind doch in unglaublicher Fülle längst da. Fast alles , was sich zu betrachten, zu bedenken, zu bewundern gibt, stammt doch aus der Vergangenheit. Warum sollten ausgerechnet wir und unsere Zeitgenossen in der Lage und genötigt sein, dem etwas hinzuzufügen? Also mögen sie dort Golf spielen, solange das Schloss davon profitiert und seine Würde für die wenigen "echten" Kenner erhalten bleibt.

Aus meiner Sicht ist die vorrangige Aufgabe des Konservativen in unserer Zeit ohnehin die des Nachlassverwalters. Damit haben wir genug zu tun. Neue Gedanken, Kunstformen, Musik, Baustile und Lebensformen erwarte ich mir von unseren Zeitgenossen nicht – und wenn ich mir betrachte, wie die Deutschen bei sommerlichen Temperaturen herumlaufen, wofür sich begeistern und worüber sie sich echauffieren, bin ich auch sehr, sehr dankbar dafür, dass sie bloß den amerikanischen Unterschichten-Lebensstil kopieren. Nicht auszudenken, diese Entwurzelten würden etwas Eigenes zu tun versuchen.

Genießen und bewahren wir also, was uns geblieben ist, und seien wir dankbar, wenn der staatliche Kulturbetrieb und die Tourismusindustrie ein Einsehen mit den Ruinen unserer Vorzeit haben.

Ach, noch etwas, Herr Bosselmann: Machen Sie doch mal Urlaub in England, fernab der Städte. Dort gibt es zwar Golfplätze und piekfeine Hotels in Herrenhäusern an jeder Ecke, igitt, dennoch scheint es eine fast noch heile Welt zu sein. Im ländlichen England geht es in vielerlei Hinsicht so konservativ zu, wie sich das hier vielleicht manch einer wünscht. Ja, ich weiß, „die Briten“ haben unser architektonisches Erbe gezielt zerbombt und das ist wohl eine der Ursachen für das Identitätsvakuum in diesem Land. Doch für diesen britischen Staats- und Militärterror kann der Durchschnittsengländer genauso wenig wie der Durchschnittsdeutsche für den deutschen Staats- und Militärterror in den 30/40er Jahren (bitte jetzt keine langweiligen Verschwörungsgeschichten, die kenne ich alle schon).

Fazit: Gelassen bleiben und sich an dem erfreuen, was uns geblieben ist, mitwirken am Erhalt desselben und künftige Generationen dafür begeistern zu versuchen. Die Golfer und 5-Sterne-Hotelgäste sind dabei kein Hindernis, die gab‘s schon immer...

Beste Grüße
Michael Schlenger

Unke

20. Juni 2013 23:42

Wer golft denn da, ohnehin? Die berühmten Entscheidungen der Wirtschaftskapitäne, die angeblich beim Golf regelmäßig verhandelt werden können, ja nur da stattfinden, wo sich Wirtschaft befindet (Region Rhein-Main-Neckar) und nicht in der märkischen Streusandbüchse.
Vermutung: Da handelt es sich um eine Fazilität von (westdeutschen) Steuerzahlers Gnaden, und wer immer sich dort hin verirrt -Funktionsoligarchen aus dem mittelnorddeutschen Staatsapparat (Landräte, Minister, Staatssekretäre)?- wird den Betrieb nicht dauerhaft ankurbeln.
Ein weiteres Subventionsgrab. Wie Schwielowsee, z.B.: ost-westdeutsche Gauner, Stasiseilschaften, alles da.
Zum Ausgleich gibt's überteuerte "Resorts" mit mäßigem Zuspruch und pampigem Personal (Interflug lässt grüßen). Wenn dann noch, wie 1998 geschehen, Steuervorteile rückwirkend gestrichen werden, ist zappen.

ene

21. Juni 2013 00:02

@ nihil

Heute ist wohl der Abend der literarischen Reminiszenzen - mir fällt ein Stück von Ionesco ein: "Die Nashörner". Ich glaube gar, ich habe es seinerzeit in der Schule gelesen... Kurzum, in diesem Stück wird vorgeführt, wie sich eine ganze französische Kleinstadt nach und nach in eine Herde von Nashörnern verwandelt. Zum Schluß laufen allen mit veritablen Nashornköpfen herum...

Konformitätsdruck ist kein deutsches Phänomen. "Deutsch" scheint mir dabei eher zu sein, daß so etwas flächendeckend ernst genommen und verbissen verfolgt wird. Daß der Blick für das Absurde und Komische im Eiferertum verloren geht. Daß es keine Witze darüber zu geben scheint. Daß es um "Bekenntnisse" geht, die abzulegen sind. Die Tendenz, ins Extrem zu gehen. usw. usw.

Gustav Grambauer

21. Juni 2013 00:25

Manches driftet hier ein wenig von der Wirklichkeit ab: das Hotel hat vier (!) Sterne.

https://www.hotelsterne.de/de/?open=Kriterien

'Hohe Ansprüche' heißt in Klartext: Beuteschema mittlere Mittelklasse (welche von der sich spreizenden Disparitäts-Schere gerade ausgedünnt wird).

https://de.wikipedia.org/wiki/Schicht_(Soziologie)

Der Markt ist also hart. "Netzwerken" (ein Substantiv!!!) hilft beim Überleben, jede Möglichkeit der Profilierung ist willkommen - nicht zuletzt innerhalb der Gruppe (in dem Fall Arcona / Steigenberger) und im Hinblick auf das eigene Xing-Profil (anschließend, wenn das "Event" ein "Bringer" war, und nur dann).

Golf war im Land der "Sozialpartnerschaften" bis in die 90er Jahre hinein so verpönt wie die Marke Bentley - und ist es ja zum Glück im Kern noch immer. Fast jeder Golfer hat hierzulande insgeheim ein schlechtes "soziales Gewissen", ebenso würde wohl keiner gern auf seinen "Ökologischen Fußabdruck" an einem Turnier-Tag angesprochen werden. In Golf-Foren wird z. B. auch um das Sondermüll-Problem mit dem liegenbleibenden Bällen gespreizt herumgeredet wie um den heißen Brei.

Umso "dynamischer", wenn es eine Möglichkeit gibt, eine Art ideologischen Ablaßhandel zu erschließen. Hinzu kommt das Bestreben, das "faschistoide Image" von MV aufzuwerten, wobei satzbaukastenmäßig wieder mal kein aber auch gar kein Klischee ausgelassen wird, dazu empfehle ich, sich einmal bis hierhin "durchzuklicken":

https://issuu.com/arcona_hotels/docs/teschow_golf-gegen-rechts_6seiter_w?e=1920084/2976740

Es hätte mich noch gewundert, wenn der unsägliche Onkel Thierse nicht seine Finger bei der Sache drin hätte. Ob er dort vielleicht Stammgast ist?! Wir wollten letztes Jahr hier

https://www.landhaus-himmelpfort.de/

Urlaub machen. Als wir im 'Netz' darauf gestoßen sind, daß Manfred Stolpe und Konsorten dort verkehren (und uns allein mit ihrer Anwesenheit den Urlaub komplett verderben würden), haben wir ganz schnell von dem "Etablissemang" Abstand genommen.

G. G.

eulenfurz

21. Juni 2013 01:10

Vor 80 Jahren hätten sie ein Schild am Spielfeldrand aufgepflanzt: "Unser Golfplatz ist judenfrei!"

Immerhin lernt man durch deren Nachfolger einschätzen, aus welchem Impetus heraus das geschah und wieviel mehr oder weniger laue Lüftchen dahinter steckten.

Ergänzung
Er kann sich rote, braune, grüne Masken aufsetzen – der Typus des „deutschen Täters“, getreuer Untertan der jeweils herrschenden Propaganda, stirbt nicht aus. Noch nicht einmal sein Stil und sein Habitus ändern sich.

Heino Bosselmann

21. Juni 2013 08:16

@Raskolnikow: Wohl getan! – Mit Blick auf Ihren gewitzten Text: Bislang war bissige Satire beinahe ausschließlich von links möglich. Daß sich selbst dies ändert, wird irgendwann vielleicht ein literaturgechichtliches Dissertationthema wert sein, zeigt aber schon jetzt, wie sich Perspektiven ändern.

Heino Bosselmann

21. Juni 2013 08:34

Lieber Herr Schlenger, die mitschwingende Sozialkritik mögen Sie mir verzeihen. Sie entspringt einem tief verwurzelten, geradezu infantilen Gerechtigkeitssinn, der freilich in der Welt nichts zu bestellen hat. (So wie Obelix als Kind in den Topf mit dem Zaubertrank fiel, wuchs ich mit einer Überdosis utopistischer Indoktrination auf, mit der ich immer mal neu zu ringen habe.) Nur erlebe ich gerade in meiner mecklenburgischen Heimat solch augenfällige Exklusionsprozesse, daß ich, als einer der wenigen, besorgt bin um die soziale und kulturelle Situation im Bundesland. Der Kontrast zwischen einem solchen Hotel und der Situation des Umlandes ist hier allzu provokant. Rein emotional empfunden. Im übrigen habe ich weder etwas gegen Geld noch gegen Golf noch gegen Luxus. Daß die Haute-Volée „hilft“, die Substanz der alten Schlösser zu erhalten, heiße ich gut, zumal die Parks noch nicht für unsereinen abgesperrt werden. Gleichwohl erschienen mir die Spiele auf den greens, mehr noch das Motto, unter dem sie neuerdings abgehalten werden, tatsächlich komisch. Und zwar durchaus wohlwollend schmunzelnd angeschaut.

Carsten

21. Juni 2013 09:21

Dazu fällt mir ein Liedtext von Aggro Grünwald ein:

"Ich esse Kaviar für Somalia, trink' Champagner für ganz Kenia.
Ich habe null Bezug zur Realität,
mir ist egal, wie's all den armen Tropfen geht,
doch mein Gewissen ist danach rein wie nie,
mein Opium fürs Volk ist Charity."

Biobrother

21. Juni 2013 09:58

Zitat: "Ein heutige Aktion "Kopftuch gegen Rechts" – da wäre die Subversion durchsichtig."

Nun ja, solche Aktionen gibt es ja schon längst. Beispielsweise unter dem Motto "Einen Tag Muslima sein" in Würzburg. Auch wenn die Frauen – sowohl die Teilnehmerinnen als auch die Veranstalterinnen - m.E. gar nicht mal unsympathisch wirken, ein letztlich doch recht merkwürdig-einseitiges Event. Und bestimmt auch nicht das einzige dieser Art.

https://www.youtube.com/watch?v=1h3LDESaaMk

Wobei: Ich lasse mir von Zeit zu Zeit den Bart stehen und bin dann, da dunkelhaarig, selbst schon für einen Muslim gehalten worden. Beim Friseur wurde ich gefragt, ob eine weibliche Friseurin in Ordnung sei, und unser arabischer Crêpestand-Betreiber überschlug sich vor Höflichkeit. Kann natürlich auch Zufall gewesen sein. ;-)

Im Herzen Preuße

21. Juni 2013 10:15

Mein erster Gedanke war, dass es sich um ein Stück Satire handeln muss. Dann allerdings holt einen die Realität wieder ein...
Als gebürtiger Teterower kenne ich alle Geniestreiche der "Schildaer des Nordens" noch aus meiner Kindheit.
https://www.teterow.de/Hechtsage.521.0.html

Bisher hatte ich allerdings angenommen, dass diese Sagen ein abgeschlossenes Kapitel in der Erzählung der Stadtgeschichte waren.
Von einer neuzeitlichen Fortsetzung war nie die Rede.
Dann allerdings, wenn man einige der städtischen "Würdenträger" kennt, wundert einen nichts mehr.

Nordlaender

21. Juni 2013 13:54

@ Biobrother

"m.E. gar nicht mal unsympathisch wirken"

Sie sind zu beneiden! Wie immer sich der ganze Spuk auch weiterentwickeln mag, der Linken könnten Sie erzählen, daß Sie ja niemals desertiert seien.
Unter einem Kalifat Europa könnten Sie sich spielend in einen Mohammedaner verwandeln und falls wir Rechten gewinnen, könnten Sie stolz an Ihre Beiträge auf der "sezession" verweisen, behaupten, Sie "hätten von all dem nichts gewußt, seien damals nicht dabeigewesen."

Wie begrenzt sind dagegen meine Optionen. Nordisch-blonde Erscheinung, dazu noch eher spärlicher Bartwuchs und eine unüberwindbare charakterlich tief eingewurzelte Widerborstigkeit, so daß mir leider kein schauspielerisches Talent nicht beschert worden ist.

Biobrother

21. Juni 2013 22:06

@ Nordlaender

In unseren glattrasierten Zeiten kann so etwas tatsächlich schon mal zu Missverständnissen führen, auch wenn es gar nicht als vorauseilende Erprobung einer zukünftigen Maskerade gedacht war. Ich werde demnächst jeden Unschlüssigen darauf hinweisen, dass es sich um einen katholischen Bart handelt. ;-)

eulenfurz

22. Juni 2013 01:14

@Gustav Grambauer
Von diesem „Etablissemang“ könnte man auch aus anderen Gründen Abstand nehmen - Themenzimmer mit billiger Staffage, falschen Kaminen und IKEA-Farbdrucken, Kitsch und Klunk aus Kunststoff und Spanplatten, dazu ein hämisch dreinschauender Koch, der sich mit der Dosen-Gulaschsuppe die Haare einzuölen scheint. Da bewirtet doch die Mafia ehrlicher!

ene

22. Juni 2013 10:13

@ Biobrother

Die Zeiten ändern sich, das Mißtrauen gegenüber Bärten bleibt -

Als man noch von Berlin aus kommend über die Transitstrecken zu fahren hatte, erregte ein Bekannter von mir stets die intensive Aufmerksamkeit der Grenzkontrollorgane und mußte mancherlei zeitraubende Durchsuchungen über sich ergehen lassen. Grund: Sein Käfer hatte eine Motorhaube, die farblich nicht zum Rest des Wagens passte, er selbst trug einen mittelblonden Vollbart.

Gustav Grambauer

22. Juni 2013 11:41

@ene

Ein, Sie verzeihen bitte, "parteichinesisches" Wort wie "Grenzkontrollorgane" habe ich seit dreiundzwanzig Jahren nicht mehr gehört. Dazu mußte ich erst zu 'Sezession' kommen!!!

@eulenfurz

Ein Kompromiß sollte es sein, davon ausgehend, daß ich schließlich nicht Krösus bin ... Im Urlaub sind wir sowieso von frühmorgens bis spätabends draußen und essen und trinken uns bei unseren Wander-, Rad- oder Wassertouren ausgiebig durch die Landgasthöfe durch. Die dortige Landschaft ist so paradiesisch-lieblich, daß ich seit meiner Kindheit nicht davon loskomme. Ein Domizil dort für den Aufenthalt, das schon weit eher zu uns paßt, haben wir stattdessen mit einer Pension in Flecken Zechlin gefunden. Meine Frau, Schweizerin, hat die Familien-Formel geprägt: "Mecklenburgische Seenplatte, Thüringer Wald oder Darß als Alterssitz" - nicht zuletzt, weil sie die Mentalität(en) dort sehr schätzt.

@alle
Habe den Eindruck, daß der Beitrag von Herrn Kubitschek vom Donnerstag zur Karbener Projektwerkstatt wie ein reinigendes Gewitter gewirkt hat, und daß es seitdem deutlich gelöster, humorvoller und auch persönlicher hier zugeht.

- G. G.

ene

22. Juni 2013 12:32

@ Gustav Grambauer

Die Grenzkontrollorgane? - Die kann man ja gar nicht vergessen, wenn man viele, viele Jahre lang, zu Beginn jeder Reise auf besagter Transitstrecke - die Frage vorgelegt bekam, ob man denn etwa "Funkgeräte" oder "Waffen" dabei habe...
Auf eine solche Frage antwortete ich immer mit einem klaren und deutlichen "Nein!" Blöde Sprüche wie: "Sehe ich denn so aus?" oder : "Wie kommen Sie denn da drauf?" machten nur ganz Ahnungslose, da sonst u.U. schon mal das ganze Auto auseinandergenommen wurde...konnte stundenlag dauern...
(Das Karosserieteil war einfach billig, das Auto war kein Statussymbol bei jungen Leuten. Da empfand man Leute, die mit ihrem Auto ein Gewese machten - es wohl gar putzten! - als kleinkariert und spießig... Devise: "Hauptsache es fährt!")

Findling

22. Juni 2013 14:48

Es gibt so ernsthaft Kurioses, wie jenes gut christliche Hotel, das seinen Gästen zum Karfreitag, dem "Tag des Leidens und Sterbens unseres Herrn" "Hummerhäppchen mit Galletröpfchen" anbot.

Findling

22. Juni 2013 15:09

100%ige Erbschafssteuer gegen rechts!
(Enteignung durch die Soviets wiederholen)

Krankenhausbehandlung gegen rechts!
(in der Salpetriere in Paris mussten die Kranken erst beichten und bereuen)

Gustav Grambauer

22. Juni 2013 18:56

@ene

... ich meinte eigentlich nur die protokollarische Formulierung "...organe". Ein anderer hätten vielleicht "Grepo" oder ähnliches geschrieben.

@Findling

Seebestatter gegen Rrrächz!!! Schützt unsere Weltmeere vor Kontaminierung!!!

- G. G.

Gustav Grambauer

22. Juni 2013 19:27

In Abwandlung eines DDR-Witzes:

"Es lebe der Kampf gegen Rrrächz in MV, der Leuchtturm der Demokkkratie und Tollleranz! Mit ...* an seiner Spitze!"

*hier kann jeder einen besonders Leuchtturm-mäßigen Politiker einsetzen.

(Damals, 1969, war der Witz auf den 20. Jahrestag der DDR, den Ostberliner Fernsehturm und WU an dessen Spitze gemünzt.)

- G. G.

Heino Bosselmann

23. Juni 2013 16:34

Herzlichen Dank! Ich denke, wir sind durch. Auf bald.

Jan

11. Juli 2014 08:55

Hm ... wenn man sich die betreffende Seite des Schloß Teschow anschauen will (https://schloss-teschow.arcona.de/golf/golf-gegen-rechts), erscheint nun folgende SEHR merkwürdige Meldung: "Es tut uns leid aber die Seite die du angucken wollten existiert nicht." Alles Alter :-)

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