Die Kleidervorschriften in Kulturen, die damit einhergehenden Verbote für bestimmte altersbedingte, soziale oder biologische Gruppen, bestimmte Kleidung zu tragen, wie der Zwang für andere, bestimmte Kleidung anzulegen, gehören in denselben Zusammenhang. Die Einfachheit von Farbe oder Machart signalisierte in der Vergangenheit regelmäßig den Status am unteren Ende der Hierarchie, die Kompliziertheit oder Kostbarkeit den hohen Rang. Daß sich Mitglieder der europäischen Oberschicht am Tag bis zu achtmal umkleideten, war selbstverständlich nur mit Hilfe eines Heers von Dienstboten möglich und bedeutete einen immensen zeitlichen Aufwand, der nur bei Freistellung von anderer Tätigkeit denkbar war und bei Anerkennung der Tatsache, daß so das symbolische Kapital des Adels und (mit Abstrichen) des großen Bürgertums vermehrt wurde.
Mit alldem ist es seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts vorbei. Weltkriege und Wirtschaftskrisen und Steuerreformen haben die Reste dessen beseitigt, was es noch an alteuropäischer Kleiderordnung gab. Es wäre nun ein leichtes, der kulturkritischen Klage zuzustimmen, die in der Massengesellschaft nur mehr das Auftreten von Massenmenschen in Massenkleidung feststellt. Aber so einfach liegen die Dinge nicht. Das menschliche Bedürfnis nach Unterscheidung und Identität hat sich seit je im Optischen niedergeschlagen, und unsere Kleidung bleibt deshalb ein bevorzugter Ort symbolischer Repräsentation. Das kann man an der Zählebigkeit der »englischen Uniform« (Adolf Loos) – vom Trench bis zum Smoking – genauso ablesen wie an der Kontinuität bestimmter Tendenzen – etwa der Durchsetzung von Marine anstelle von Schwarz in der Herrenmode – oder den Bemühungen der Revolutionen, eigenen Machtzielen vestimentär vorzuarbeiten – man nehme Otto Strassers Reformabendanzug ohne Binder. Damit dürfte hinreichend deutlich geworden sein, warum jede vitale Bewegung ihr Vorhandensein auch in einem oder mehreren Dresscodes zum Ausdruck bringt, daß ihre Anhänger sich im Stil ihrer Kleidung genauso wie in Haar- und Bartschnitt als etwas Besonderes zeigen. »Klamottensachen« (Baal Müller) sind keine Nebensachen, auch und gerade für die politische Rechte nicht. Es folgt deshalb eine knappe Bestandsaufnahme und Typologie:
I. |
Glatzen oder englisch Skinheads bildeten seit den sechziger Jahren eine Bewegung aus den Reihen der englischen Arbeiterjugend, die ihre klassenbewußte Herkunft nie ganz abgestreift hat. Schon die Schur des Kopfes ist Teil eines »Schockerstils«, der auf Provokation ausgeht: der normal- oder langhaarigen mehr oder weniger bürgerlichen Mehrheit. Dasselbe gilt für die Hochwasserhosen, die Boots und Bomberjacken, auffällige Hosenträger oder Tätowierungen und selbstverständlich für die bevorzugten Musikgenres oder die Roheit des Tons und Verhaltens. Man hat immer wieder versucht, die eigentlich unpolitische Herkunft der Skinhead-Bewegung deutlich zu machen, aber deren Ursprung in der weißen Basis führte doch zwangsläufig zur Opposition gegen alle Mainstream- und linken Positionen, auch dann, wenn letztere sich subkulturell äußern und eine gewisse optische Ähnlichkeit aufweisen. Die Bewegung der Skins hat ihren Höhepunkt überschritten, erweist aber doch – im Zusammenhang mit den »Ultras« – ihre Zählebigkeit; im Osten der Republik gibt es jedenfalls Schulleitungen, die das Tragen von Springerstiefeln verbieten, zumal wenn sie mit weißen Bändern geschnürt sind.
II. |
Uniformierte Die politische Uniform ist durch die Entwicklung der zwanziger und dreißiger Jahre, das »Europa in Hemden« (Pol Vandromme), in Mißkredit geraten. Teilweise handelte es sich um einen Überhang aus der Kriegszeit, teilweise um die Aufnahme von Bräuchen, die sich in den Revolutionen des 19. Jahrhunderts gebildet hatten. Der in eine Systemkrise geratene Liberalismus reagierte darauf verspätet, aber immerhin doch so, daß sukzessive alle verbliebenen Demokratien Uniformverbote für Parteien aussprachen und ihre Gegner so eines wichtigen Attraktors beraubten. Diese Regelungen wurden nach 1945 fortgeschrieben oder neu etabliert. Trotzdem konnten in der frühen Bundesrepublik Landesparteitage der FDP von der ziemlich martialisch auftretenden »Adlerjugend« geordnet werden und für die Landsmannschaften leistete die »Deutsche Jugend des Ostens« in Grauhemd mit Odalrune ähnliche Dienste. Damit ist es seit der großen Zivilisierung der sechziger Jahre natürlich vorbei, wenngleich das Bedürfnis nach uniformer Kleidung nie ganz verschwand, das ja nicht nur der Gruppe ein wesentlich eindrucksvolleres Gesamtbild ermöglicht, sondern auch dem Individuum durch die Einheitlichkeit das Selbstbewußtsein stärkt. Auf jeden Fall gibt es eine Fortsetzung im Bündischen mit mehr oder weniger nationalem Gehalt, und dann noch das Auftreten einer Variante, die der Einheitskleidung wieder etwas von ihrer Bedeutung als Kampfgewand zurückgeben will und die als dritte behandelt werden soll.
III. |
Streetfighter Seitdem Joschka Fischer bekannt hat, daß damals, in seinen revolutionären Frankfurter Zeiten, die Führungscrew der »Putztruppe« Jünger las, ist klar, daß das Schwarz der Antifa nicht nur mit Anarchismus und finsterer Entschlossenheit zu tun hat, sondern irgendwie auch mit den Fasci di Combattimento des Exgenossen Mussolini, also den »Kampfbünden«. Daß der Habit der »Schwarzen Blöcke« – ganz in Schwarz mit Kapuzenpulli oder Sturmhaube, wenn es ernst wird – an solche Vorbilder der Gegenseite erinnert, hat ohne Zweifel die Rückkoppelung vereinfacht und erklärt weiter die Hysterie, mit der die Linke darauf reagierte, daß der Gegner in Gestalt diverser Kameradschaften nicht mehr am »Thor Steinar«-Label oder dem üblichen Dekor zu erkennen ist, sondern sich anarchoid trägt und den eigenen Leuten zum Verwechseln ähnlich sieht, samt schwarzen und rot-schwarzen Fahnen.
IV. |
Existentialisten. Was die schwarze Kleidung betrifft, so liegt eine Verwechslung des Straßenkämpfers ausgerechnet mit dem am wenigsten auf Aktivismus gestellten rechten Typus nahe. Denn der Existentialist betrachtet sich als etwas, das es nach üblicher Auffassung gar nicht geben sollte: als rechten Intellektuellen. Will er dabei auf Vorbilder rekurrieren, findet er sie in der eigenen Tradition nur schwer. Die Jungkonservativen oder Nationalrevolutionäre der Weimarer Zeit trugen sich nach heutigem Verständnis doch erstaunlich bieder (Ernst Niekisch immer nur in Anzügen von feinem englischen Tuch). Wer also nicht auf den George-Kreis zurückgreifen möchte, mit Stehkragen und wehendem Cape, oder anders priesterlich daherkommt, der muß nach Alternativen suchen. Das erklärt dann die Adaption eines Stils, den man wieder eher mit der Gegenseite verbindet: schwarzer Anzug oder schwarze Jacke mit entsprechender Hose, schwarzes Unter- oder Oberhemd. Wahrscheinlich nimmt man die Nähe zum Faschistenschwarz billigend in Kauf, während es doch eher um das Existentialistenschwarz geht, jene durch den Auftritt Audrey Hepburns in Funny Face unsterblich gemachte Mode der Tiefsinnigen, Welterklärer und Gottsucher, die so zeitlos scheint, daß man sie in Ermangelung von Alternativen immer wieder aufgreifen kann.
V. |
Retros unterscheiden sich in bezug auf ihre Kleidung am deutlichsten von allen anderen hier genannten Gruppierungen. Lange sind die Zeiten vorbei, in denen der »Russenkittel« Baldur Springmanns Aufsehen erregte. Im Zeichen von Gothic, Reenactement und Mittelalterfesten hat sich schon die Zahl der Bezugsquellen sprunghaft vermehrt, bei denen man neben allen völkischen Accessoires (Runengürtel, Thorshammer an Halskette, Wolfsringe etc.) auch germanische oder keltische Beinlinge und Wämser erhalten kann. Allerdings ist der Übergang zu ganz unpolitischen Trägern solcher Kleidung genauso fließend wie der zu einer etwas bizarren, jedenfalls nicht alltagstauglichen Form von Verkleidung.
VI. |
Traditionalisten gibt es in zwei Varianten: »derbsohlig« (Ernst von Salomon) oder »lässig«. In der ersten Gruppe findet man alle diejenigen, die eine natürliche Abneigung gegen Schuhe mit Ledersohlen haben, die immer ein bißchen so wirken, als ob sie vom Feld kämen oder dorthin rasch zurückkehren möchten, um nicht an end- und fruchtlosen Debatten teilzunehmen, während auf einen richtigen Mann richtige Arbeit wartet. Es gibt hier einen ausgeprägten Widerwillen gegen Krawattenzwang und starke Affinitäten zum Uniformträger, wenngleich man sich, was die Einheitskleidung betrifft, auf den Janker beschränkt (selbst wer in Gegenden zu Hause ist, wo der eigentlich keine Tradition hat). Ursprünglich gab es in dieser Kategorie auch einen gewissen Hang zum Skurril-Wandervogeligen (also Barett und Kniebundhose), der aber im Lauf der Zeit völlig zurücktrat. Geblieben ist die Spannweite innerhalb dieser Kategorie. Denn die zweite Gruppe der Traditionalisten erscheint wesentlich konventioneller, näher am Allgemein-Akzeptierten in seiner konservativen Variante. Sie hat eine ausgeprägte Neigung zu »tweeds and wools«, heißt: einer gediegenen, durch ihre Güte ausgezeichneten Kleidung in »Nichtfarben« (helles und dunkles Blau, helles und dunkles Schwarz, helles und dunkles Beige, dunkles Grün).
VII. |
Unauffällige haben viel gemeinsam mit dem Traditionalisten zweiter Ordnung, wollen aber optisch und überhaupt die Zuordenbarkeit zum rechten Lager vermeiden. Hierher gehören etwa Akademiker, die sich so kleiden, wie das an den normgebenden Fakultäten – den juristischen etwa – seit den achtziger Jahren üblich wurde: Button-down-Hemd, Bleu oder Oxfordstreifen (keine Flipflops!). Und man profitiert am deutlichsten von jenem Prozeß infolge der Thatcher-/Reagan-/Kohl-Jahre, die eine Phase der Entwicklung einleiteten, in der man endlich den widerwärtigen Einheitslook der Siebziger hinter sich lassen konnte, als alle Welt, quer durch sämtliche Schichten, dieselben geschmacklosen Sachen und Frisuren trug, und das Bedürfnis nach Distinktion zurückkehrte. Ein typisches Beispiel ist der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der es weiland als Modernisierer der Jungen Union dahin brachte, daß der Lambswool-Pullover anstelle des Sakkos akzeptabel wurde. Man sieht daran auch, daß der Unauffällige im allgemeinen nur »gefühlskonservativ« ist, ohne echte politische, heißt: ideologische, Ambition, und sich seine atlantische Normalorientierung darin äußert, daß er keine Vorbehalte gegen »die Hosen des Feindes« (Kubitschek dixit) hat.
VIII. |
Avantgardisten sind eigentlich kein Typus. Das gehört zum Wesen der Vorhut. Aber es sei darauf hingewiesen, daß seit dem Beginn des Jahrtausends bei neurechten Veranstaltungen immer wieder junge Männer auftreten, die in einer für diese Kreise eher irritierenden Weise modebewußt sind. Das kann dandyhaft wirken (womit aber auch an eine Überlieferung des Lagers angeschlossen würde), also etwas überfeinert oder affektiert, aber auch irritierend durch das postmoderne Spiel mit Motiven, selbst den geächteten. Ein klares Bild gibt es hier nicht, was kaum anders zu erwarten ist, angesichts der Tatsache, daß die Avantgarde stets auf das vorauszugreifen sucht, was noch nicht ist.
Nachbemerkung: Es dürfte aufgefallen sein, daß bei den Vertretern der verschiedenen Stile praktisch immer nur Männer genannt wurden. Das hängt mit dem signifikanten Überhang dieser Gruppe in der im weitesten Sinn rechten Szene zusammen. Allerdings sei darauf hingewiesen, daß es unter den Retros und Traditionalisten eine abgrenzbare weibliche Variante gibt (grundsätzlich nur in Kleid oder Rock, trachtenartig, vielleicht mit Schnecke oder Haarkranz oder Dutt, ungeschminkt, »natural style«), und auch unter den Unauffälligen (»girls in pearls« etwa), während die konservative Femme fatale als Sonderfall gewertet werden muß, die keiner Einordnung zugänglich ist.