Kenneth Minogue zum Überstaat und seinen Sklaven

(Rezension aus Sezession 54 / Juni 2013)

von Felix Dirsch

Nehmen wir an, ein Hotelbesitzer verwehrte einem homosexuellen Paar den Zutritt zu seiner Einrichtung.

Was wäre die Fol­ge? Er müß­te wegen des Ver­sto­ßes gegen Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­ver­ord­nun­gen Scha­dens­er­satz leis­ten. Lehnt er hin­ge­gen den Zutritt des Vor­sit­zen­den einer all­ge­mein als rechts­extrem ein­ge­stuf­ten Par­tei ab, so darf er weit­hin mit Bei­fall rechnen.

Ein Zufall? Wohl kaum. Ken­neth Mino­gue, Eme­ri­tus für Poli­tik­wis­sen­schaft an der renom­mier­ten Lon­don School of Eco­no­mics, skiz­ziert eini­ge Hin­ter­grün­de des oben erwähn­ten Fal­les. Ein zen­tra­les Kapi­tel beschäf­tigt sich mit dem Pro­jekt der Ega­li­sie­rung in den Staa­ten der west­li­chen Welt. Anhand diver­ser Bei­spie­le kann er zei­gen, daß der Kampf gegen Dis­kri­mi­nie­rung in sei­nem Kern den Ver­such offen­bart, die Natur des Men­schen zu ändern. Hin­ter­grund ist die Moral des Gut­men­schen­tums. Unter­schei­dung ist dann erlaubt, wenn es gilt, Böse aus­zu­gren­zen. Sie ist dann schlecht, wenn sie die heu­te nicht sel­ten pri­vi­le­gier­ten, pau­schal als för­derns­wert erach­te­ten Min­der­hei­ten (Migran­ten, sexu­ell Anders­ori­en­tier­te, auch Frau­en wer­den oft dazu­ge­zählt) in ihren Bestre­bun­gen ein­schränkt. So las­sen sich häu­fig Ten­den­zen in Rich­tung einer »Tyran­nei der Min­der­hei­ten« feststellen.

Beson­ders auf­fäl­lig waren die­se Ent­wick­lun­gen in der deut­schen Dis­kus­si­on der letz­ten Mona­te, als eini­ge Geg­ner der Gleich­stel­lung gleich­ge­schlecht­li­cher Ver­bin­dun­gen mit der tra­di­tio­nel­len Ehe in den Medi­en nicht nur üble Ver­leum­dun­gen ertra­gen muß­ten, son­dern in einem mar­kan­ten Fall sogar ein Lehr­auf­trag an einer Hoch­schu­le ent­zo­gen wur­de. Auch die ande­ren Pas­sa­gen des bri­ti­schen Gelehr­ten, etwa über den Zusam­men­hang von Indi­vi­dua­lis­mus, Chris­ten­tum und mora­li­scher Lebens­füh­rung sind stu­die­rens­wert. Man­che The­se ist kaum halt­bar. Es ist, anders als von Mino­gue dar­ge­stellt, nicht plau­si­bel, dem Indi­vi­dua­lis­mus nur noch eine kur­ze Lebens­dau­er zu prognostizieren.

Gleich­falls wer­den bekann­te Ent­wick­lun­gen wie der Zusam­men­hang von Befrei­ung und ver­stärk­ter For­de­rung nach staat­li­chen Wohl­ta­ten dar­ge­legt. Beson­ders her­vor­zu­he­ben ist der letz­te Teil der Erör­te­run­gen, der das Poli­tisch-Mora­li­sche als »erha­be­nes Pro­jekt zur Schaf­fung einer bes­se­ren Welt« beleuch­tet. Hier beschreibt der Ver­fas­ser den neu­en »Weg der Knecht­schaft« (Fried­rich von Hay­ek) durch ein immer dich­te­res Regel­werk, das die Bevöl­ke­rung auf den Pfad des Guten füh­ren will, frei­lich so, daß man zuwei­len den Furor jako­bi­ni­schen Tugend­ter­rors wahrnimmt.

Die Stär­ke der Stu­die Mino­gues, so ist abschlie­ßend zu urtei­len, liegt dar­in, daß sie das auf abs­trak­te, mit­un­ter frei­lich zu abs­trak­te, Art und Wei­se her­aus­stellt, was der auf­merk­sa­me Betrach­ter des Zeit­ge­sche­hens Tag für Tag kon­kret wahr­nimmt. Ein Bei­spiel ist die schon län­ger andau­ern­de Debat­te über gesetz­li­che Frau­en­quo­ten in Auf­sichts­rä­ten – eine Dis­kus­si­on, die für den weit­aus größ­ten Teil der Frau­en völ­lig irrele­vant und lebens­fremd ist. Weil der Autor aus angel­säch­si­scher Sicht argu­men­tiert, ist es für den deut­schen Leser etwas irri­tie­rend, daß ihm kaum kon­kre­te Bei­spie­le im Text prä­sen­tiert wer­den, die für ihn zu einem Aha-Erleb­nis füh­ren könnten.

Ken­neth Mino­gue: Die demo­kra­ti­sche Skla­ven­men­ta­li­tät. Wie der Über­staat die All­tags­mo­ral zer­stört. Mit einem Vor­wort von Bar­ry Maley. Aus dem Eng­li­schen von Sieg­fried Kohl­ham­mer, Waltrop/Leipzig: Manu­scrip­tum 2013. 459 S., 34.80 €

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