Mecklenburg – alles Bio?

von Heino Bosselmann

Bismarck bekam zu seinen Geburtstagen am 1. April stets ein ganz besonderes norddeutsches Geschenk: 101 Kiebitzeier in einem fein gearbeiteten Kistchen.

Das hät­te Orni­tho­lo­gen wohl nicht gefal­len, gefähr­de­te damals aber noch kei­nen Bestand. Heu­te bräch­te man eine sol­che Zahl der gespren­kel­ten Deli­ka­tes­sen auf ein­mal nicht mehr zusam­men, denn der Kie­bitz ist nahe­zu vom Aus­ster­ben bedroht.

Wer in die­sem Jahr durch Meck­len­burg und Vor­pom­mern fährt, der ach­te bei allem Oh! und Ah! die Alleen ent­lang mal auf die Arten­viel­falt. Falls ihm Tier- und Pflan­zen­ar­ten noch ver­traut sind. Gab es vor ein paar Jah­ren mit­ten in den wei­ten Raps- und Wei­zen­fel­dern noch ein­drucks­vol­le Inseln leuch­ten­den Klatsch­mohns, so sind die end­gül­tig ver­schwun­den. Korn­blu­men haben wir noch, hier und da. Alles “Unkraut”, selbst an den Feld­rän­dern, ist mit mas­sier­tem Her­bi­zid­ein­satz über Jah­re hin­weg tot­ge­spritzt worden.

Eini­ge Gif­te wur­den zwar abge­setzt, vor allem wegen des Bie­nen­ster­bens, ande­re erset­zen sie. Sta­tis­ti­ken sind schwer zu beschaf­fen, der Gebrauch der Mit­tel nach Art und Men­ge kann auf den rie­si­gen Schlä­gen kaum kon­trol­liert wer­den, eben­so­we­nig wie der wei­te­re Ein­satz unzu­läs­si­ger Rest­be­stän­de. Vom rei­nen Men­gen­ein­trag an Insek­ti­zi­den und Her­bi­zi­den dürf­te ein meck­len­bur­gi­scher Inten­siv-Acker kon­ta­mi­nier­ter sein als es die Gegend um Bit­ter­feld zur Zeit der DDR-Che­mie je war. Es sieht schön auf­ge­räumt auf in der Ödnis. Tötet man Wie­sen- und Wei­den­ve­ge­ta­ti­on mit Pflan­zen­gif­ten ab, um sich Die­sel und Zug­ma­schi­ne fürs Umpflü­gen zu spa­ren, nennt man das neu­er­dings “che­mi­scher Umbruch”. – Durch das Aus­fah­ren von Gül­le aus der Mas­sen­tier­hal­tung stei­gen über­dies die Nitrat­wer­te im Boden und den Gewäs­sern, meß­bar bis in die Ost­see hin­ein. Man darf getrost ver­mu­ten, daß die Land­wirt­schaft weit mehr Scha­den anrich­tet als die schnell geschmäh­te Industrie.

Dank der Sym­bio­se zwi­schen grü­ner Lob­by­ar­beit und her­aus­zu­schla­gen­der Son­der­pro­fi­te für Groß­agra­ri­er gibt es zudem kaum mehr Brach­flä­chen, die frü­her, als dafür noch dicke EU-Prä­mi­en ein­zu­strei­chen waren, wert­vol­le öko­lo­gi­sche Nischen boten. Auch die Aller­letz­ten davon sind jetzt in den Repro­duk­ti­ons­kreis­lauf des Ener­gie­pflan­zen-Anbaus ein­be­zo­gen. Die Ten­denz zur Mono­kul­tur ist augen­fäl­lig und schnell erklärt: Eine 500-Kilo­watt-Bio­gas­an­la­ge braucht zur Ren­ta­bi­li­tät 300 Hekt­ar Mais. Der steht bun­des­weit auf 2,7 Mil­lio­nen Hekt­ar, und wo er wächst, wächst nichts ande­res mehr. So stellt man sich Iowa vor.

Weil sich der Anbau wie­der lohnt, sind die Boden­prei­se explo­diert. Leis­ten kön­nen sich das nur die neu­rei­chen Groß­grund­be­sit­zer. Sie las­sen ihre Agrar­un­ter­neh­men von Inspek­to­ren und Con­trol­lern bewirt­schaf­ten, sit­zen aber selbst in den Gemein­de­rä­ten und maß­geb­li­chen Ver­bän­den, um dort ihre Inter­es­sen wahr­zu­neh­men, was nicht schwer­fällt, da die Ein­hei­mi­schen sich weni­ger enga­gie­ren, für die Natur schon gar nicht. Groß­flä­che sorgt für ver­gleichs­wei­se nied­ri­ge Lebens­mit­tel­prei­se, heißt es, und schafft Arbeits­plät­ze. Wegen der Tech­ni­sie­rung und Che­mi­sie­rung weni­ge, aber immerhin.

In den inten­siv bewirt­schaf­ten Mono­kul­tu­ren im wald­ärms­ten Bun­des­land nimmt die Zahl der Sing­vö­gel rapi­de ab. Die Schwal­ben wer­den jähr­lich weni­ger. Zwar gibt es gro­ße Stal­lun­gen, aber das sind geschlos­se­ne, nahe­zu ste­ri­le Sys­te­me. Wo man frü­her nach der ers­ten Brut gan­ze Wol­ken von Jung­sta­ren sah, freut man sich heu­te über ein paar ein­zel­ne. Der Rück­gang betrifft nahe­zu sämt­li­che Arten. Das alles inter­es­siert hier kaum jeman­den. Wer kei­ne Viel­falt mehr kennt, ver­mißt sie auch nicht.

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Kommentare (18)

Helmholtz

16. August 2013 10:24

Sehr treffend und frei jeder übertriebener Dramatik. Mecklenburg ist durch die Großschläge und guten Bodenwertzahlen "Vorreiter" auf dem Gebiet der Landschaftszerstörung. Brandenburg - glücklicherweise mit schlechteren Böden geschlagen - folgt auf dem Fuße. Die zuständigen Landesbehörden sind durch Überalterung, Unterbesetzung und teilweisen Interessenkonflikten (Landwirte beraten / überwachen - Industrieveranstaltungen extra für Behördenmitarbeiter) und eine oftmals unkritische Einstellung gegenüber Herbizid- und Pestizideinsätzen nicht in der Lage hier wirksam einzugreifen.
Optisch sehen die Landschaften idyllisch aus - ich würde jedoch aus gesundheitlichen Gründen wirklich niemanden empfehlen, ein Picknick am Feldesrand durchzuführen.
Inzwischen sehe ich die Nitratbelastung durch Viehhaltung als das kleinere Übel gegenüber der völlig überdimensionierten chemischen Behandlung durch Herbizide / Pestizide (nicht selten 10mal pro Jahr / Schlag).

Hesperiolus

16. August 2013 10:59

Nebenbei, wer Ewald Banses Buch der Länder zur Hand hat, lese über die Volksart dieses Menschenschlages, im Band Abendland. "Noch vor dem Krieg wurden die Hunde des Herrn von den Untergebenen gelegentlich mit "Sie" angeredet, ein Zustand, der schwarzer Neger, nicht aber weißer Germanen würdig ist."

Heino Bosselmann

16. August 2013 11:28

@Helmholtz: Vielen Dank. Nur in eigener Sache: Ich würde zu dieser Thematik gern korrespondieren. Um so mehr, wenn Sie sich ökologisch, biochemisch, landwirtschaftlich besser auskennen als ich. Was ich vermute. Denn ich beobachte nur und laufe hier durch die sichtlich verarmende Landschaft. Post über die Redaktion wäre freundlich.

Raskolnikow

16. August 2013 12:20

"Könnte es doch immer so sein,
immer Sommer,
immer allein,
die Früchte immer reif!"

(Evelyn Waugh, den wir alle lieben sollten!)

Ahoi,

Verallgemeinerungen und dramaturgische Kniffe sollten gerade bei dieser Diskussion vermieden werden. Denn der Einsatz von Betriebsmitteln obliegt immer noch dem einzelnen Bauern/Betriebsleiter. Ist der Leiter der Pflanzenproduktion ein Schwachkopf, verschwendet er Dünger bzw. Herbizide und eutrophiert damit die umliegenden Gewässer. Das kann aber im nächsten Betrieb wieder ganz hervorragend ablaufen. Der Lassaner Winkel (MV) zum Beispiel stand in dieser Erntesaison voller Mohn und Kornblumen.

Und immer nur auf die großen Betriebe schimpfen, ist zwar romantisch aber nicht immer gerecht. Viele kleine Betriebe bauen Riesenmist und manche führen doppelte Schlagkarteien. (Ich weiß das von meiner Oma.) Wogegen in großen Betrieben digitale Schlagkarteien (teilweise Precision Agric.) Standard sind und einen guten Betriebsmittelansatz planbar machen. Natürlich muss der Wille da sein.

Meine Oma arbeitet manchmal auf einem Betrieb, da werden Lerchennester per GPS geortet und Mähwerke bzw. Schnitthöhen angepasst (mittels Applikation für die Schlagkartei). Die Anlage von Feldrainen wird sowieso gefördert (AUM) und Pufferzonen um Tümpel ebenso. Meine Oma meint, dass es jetzt besser ist als vor 20 Jahren.

Und Verzeihung Herr Helmholtz, aus "gesundheitlichen Gründen" sich am Feldrand nicht niederzusetzen ... Haben Sie eine der zahlreichen, heute so modischen Allergien und schwellen in Gräsernähe an? Sonstens ist diese Aussage nur mit einem Kopfschütteln zu quittieren! Oder haben Sie Angst vor molekularem Stickstoff?

Keine Frage, die industrialisierte Landwirtschaft ist ein Grausen und Bauern gibt es kaum noch. Kaum ein Tag vergeht, wo ich dies nicht beklage. Aber man sollte nicht vergessen, wer die Grenzen geöffnet hat, um billige iPhones und anderen Schrott zu bekommen, wer den Handel "frei" haben will, wer Zölle als handelshemmend ablehnt, wer die Milch für Pfennige kauft und die Eier ... !

Milch ist billiger als Sprudelwasser! Und dann möchte der empfindsame Städter gern am idyllischen Feldrain sitzen, wo der Bauer hinterm Ochsen herläuft, mit einem Ährenkranz um´s güldene Haar gewunden ... Da, er winkt sogar lachend herüber, der Bauer, ach der Bauer ... und da, da, der Ochse winkt auch ...

Raskolnikows Lösung: Grenzen dicht, Einfuhrzölle, Preise rauf, Enteignung von Spekulanten- und Investorengesindel - aus die Maus! Jeder Bauer wird sich freuen, seine Scholle für die zukünftigen Generationen zu erhalten!

Jaja, Ihr Pisser mit den VWL- und BWL-Abschlüssen könnt die Fresse halten: Eventuelle Engpässe in der Übergangsphase (Stichwort hohe Arbeitskosten und geringe Grenzproduktivität) werden mit temporärer Einführung der Sklaverei überbrückt. Ja, denn Sklaverei ist gut und vernünftig. Das wurde nur nicht zu Ende gedacht. Sklaven gibt es ja eh schon genug, warum also nicht offiziell in der Landwirtschaft? Man muss Wahrheiten manchmal einfach nur aussprechen.

Froh, wieder hier zu sein,

R.

Heino Bosselmann

16. August 2013 12:33

@Raskolnikow: Danke. Vollziehe ich nach. Bin leider nur Betrachter und frage mich eben, ob der Amtsschimmel irgendwo auf Revision durchreitet. Hier m. E. kaum. Die Latifundistas ziehen voll durch. Nur ein Beispiel: Letztes Jahr spritzen sie mit Roundup (?) eine große, botanisch vergleichsweise reiche Weide unmittelbar neben der Peene tot – nur daß sie braun und öde liegen bleibt. Jetzt wächst als Pionierpflanze Hirtentäschelkraut drauf. Fast ausschließlich. Man sinnt so einfach über Zusammenhang und Motiv nach. Und fragt man freundlich die Traktoristen, so sagen die: Bin nicht der Chef! – Der aber ist fern, oft in Schleswig-Holstein, das wahrscheinlich den Wandel, der sich hier vollzieht, schon hinter sich hat. Jederzeit froh über belebende Beispiele! – Und sicherlich bin ich einer, der gern Philemon und Baucis nachweint. – H.B.

Belsøe

16. August 2013 14:06

Ich nehme Raskolnikow gerne als Zwangsknecht! Dürfte ja leichter zu handhaben sein als einer der gegen seine Versklavung innerlich aufbegehrt.

W.Wagner

16. August 2013 16:48

Schön, dass Sie das Thema angesprochen haben, denn gerade fiel mir auf einer Zugfahrt von Berlin nach Oberfranken und von Berlin nach Ahlbeck auf, wie wenig Blumen in der Landschaft zu sehen sind, zumal ich davor wieder einmal in England war und die bezaubernden Landschaftsbilder mit engen Hecken, ... bewundern konnte.
Es wäre übrigens ein Projekt wert, die brandenburgischen und pommerschen aber auch fränkische Dorfbürgermeister einmal mit dem Bus durch englische Dörfer zu fahren, damit sie sehen, wie man alte Bauten, Gärten, Landschaftsbilder erhalten kann. Auch da hat unser Land, in dem es einmal eine bedeutende Heimatschutzbewegung gab, entsetzlich viel Wissen und Schönheit verloren.

Hühnerbaron

17. August 2013 13:01

Vor 15 Jahren habe ich noch Kiebitze und Brachvögel im Nordwesten gesehen. Da gibt es heute nur noch Mais. Die Hecken sind der Flurbereinigung zum Opfer gefallen. Für die Hecken und wider die Vermaisung! Befinde mich gerade auf einem Vierseiten-Bio-Hof im Land Brandenburg. Drum zu gigantische Schläge der alten LPGs. Kein Mohn und keine Kornblume dort. Kiebitze erst recht nicht. Dafür aber Glyphosphat und sogar Störche und Kraniche. Rodja hat recht, ohne Merkantilismus geht es nicht. Ohne diesen wiff Deutschland der Fressnapf der Welt bleiben und bis auf den Grund leergefressen. Für die importierte und drittweltliche Überbevölkerung, statt das wir dem eigenen Schrumpfen die positiven Seiten abgewinnen könnten. Und was mir in der ganzen Diskussion noch fehlt: Inflation bei Grundnahrungsmitteln bei 30%. Und das ist erst der Anfang. Die Milch wird noch zu ihrem realen Preis zurückkehren. Man Google mal die entsprechendentsprechenden Tauschwerte von Speck zu Gold oder einem Gemälde in den 20gern oder 1946!

Inselbauer

17. August 2013 17:16

@ Belsoe
Ja, der Raskolinkoff gehört in die Produktion. Und dann soll er endlich seinen BWL-Abschluss nachholen, der Esoteriker!

Ehrhard Hartmann

17. August 2013 18:07

Die POLITIKER, die der Landwirtschaft die Genehmigungen zur Methanol-Herstellung "verschafft" haben, müßten eigentlich "verhungern", geistig sind sie es schon.
Mir ist klar, daß Landwirtschaft nicht mehr so gehen kann, wie ich sie noch von 1945 bis 1948 gelernt habe, auf der Landwirtschaftsschule, daran anschließend an der Höheren Landbauschule (zum staatl. geprüften Landwirt - neu als DDR-Bezeichnung: Agrar-Ingenieur).
Es konnten damals aber keine Futtermittel "vergiftet" sein, wir hatten sie ja selbst angebaut.
Die Felder hatten auch noch Feldraine, erstens wegen des Kleinklimas und zweitens für den Unterschlupf für die nützlichen Tiere.

Alle dazu nur erdenklichen AUSGEBURTEN (MONOKULTUREN anstatt Fruchtfolge) zu der angeblich neuen Landwirtschaft sind von Heino Bosselmann ausführlich geschildert!

Dazu möchte ich aber nur noch etwas zur Vogelwelt sagen. Ich war mit zwei Bekannten kürzlich zu einer Oldtimer-Treckerausstellung. Bei dieser Gelegeneheit kam ich mit einen Bauern ins Gespräch, nachdem ich mich als ehemaliger Kollege vorgestellt hatte!
Es hat mich dann überrascht, wie frei er erzählte, daß die heutige Landwirtschaft an vielen Umwelt-, Boden- und Grundwasserschäden einen großen Anteil hat.
In diesem Zusammahang sind wir dabei auch auf die immer weniger werdenden Vögel (Schwalben, Singvögel etc.) gekommen, wobei er sagte, daß einst sein Kuhstall (der nun aus verschiedenen Gründen nicht mehr besteht!) bei offenstehenden Kippfenstern voller Schwalbennester und aufgezogener Jungvögel war. Nun gäbe es da keine mehr.
Daß allerdings immer weniger Vögel auch "ausgebrütet" werden, hat einen anderen Grund. Wenn ein Vogelweibchen z.B. fünf Eier legt, werden evtl. zwei davon "ausgebrütet", davon stirbt meist noch ein Junges, sodaß die Population immer kleiner wird. Die Vögel sind bereits ebenso vergiftet, wie es die Menschen sind, und zwar durch teils hemmngslosen Gifteinsatz und diverse Umweltschäden.
Beim den Menschen "wirkt" z. B. manches Antibiotikum nicht mehr.
Überdies sind auch Greifvögel und Eulen stark betroffen, da es in den Gebäuden immer weniger Einflugmöglichkeiten gibt, hervorgerufen durch eine übertriebene Energiesparerei und "praktische" Bauweise!

Der Bauer bei der Trecker-Ausstellung machte mich auf ein weiteres Problem aufmerksam, was ich allerdings bereits von verschiedenen Imkern kannte - daß es immer weniger Honig-Bienen für die Befruchtung der Obstbäume gibt. Zum Beispiel würden die Imker jetzt bereits ihre noch wenigen gesunden Bienenvölker lieber an blühende Rapsfelder, als an Obstplantagen stellen, da beim Raps der ERTRAG um ein Vielfaches höher ist !

Nach meiner Meinung alles keine guten Zukunfstaussichten!

Stil-Blüte

17. August 2013 20:57

@W.Wagner
Bitte nicht vergessen: England war nie - im Gegensatz zu Mecklenburg/ Brandenburg Agrarland mit ex-/intensiver Landwirtschaft. Streuobstwiesen-Biotope, Kuhstall-Schwalben, 3-Felder-Wirtschaft, nachhaltiger Waldbau (erfunden im Erzgebirge) gab es auf der Insel nicht bzw. kaum. Daher auch die einfältige Küche. Die Kolonien lieferten beinahe gratis bis in die 70er Jahre. Daher auch die Hochblüte der Landschaftsgärten /der Extgr5a-Vagant und grüne Fürst Pückler hat davon proviziert, sich aber gleichzeitig hoch verschuldet). Wir sehen - alles hat seinen Preis.
Kirsch-, Pflaumen-, Äpfel-, Birnenbäume entlang der Überlandstraßen - nach und nach alles abgehauen. Der Kahlschlag war schon in der DDR schrecklich anzusehen.

Die Grünen, iim Anfang angetreten, Kulturlandschaften, Biotope zu retten, Bäche dem ursprünglichen Lauf zu überlassen, und zwar vor Ort, scheren sich heutzutage um so einen Kleckerkram nicht mehr.

Vergessen wir auch dies nicht: In den 70er Jahren die unsäglichen Flurbereinigungen und Asphaltierungen bis in die Bergwiesen, Weinberge, in die Felder hinein in Westdeutschland. Nie rückgängig gemacht. Und auch heute noch im Süd-Westdeutschland in Kulturlandschaften unangenehm beibehalten.

Aber das ist nicht das Schlimmste. Die Natur würde sich alles innerhalb kürzester Zeit zurückholen, ließen wir sie. Das Schlimmste ist, daß der Grund und Boden immer weniger jenen gehört, die ihn bearbeiten, die dort seit Generationen beheimatet sind. Das Verhökern von Seen, Feldern, Wiesen, Auen, Wäldern an anonyme Investmentbanker aus den USA oder sonst woher geht unverdrossen weiter. Wann ist es so weit, daß die ehemalige DDR, abgesehen von Eigenheimenm, restlos verramscht ist?

Die Eigentumsfrage nach der Wende ist ein einziges Desaster.

Inselbauer

17. August 2013 22:34

Ich bin der Ansicht, dass die Landwirtschaft auf eine straffe marktwirtschaftliche Grundlage gestellt gehört. Derzeit ist sie eine perverse Fiktion, die auf absurden Steuergesetzen und einer nicht rational zu begründenden Subventionspolitik beruht. Das muss aufhören, ein Bauer muss ein überschaubares Kleingwerbe betreiben, wie ein Klempner, weil er elementare Bedürfnisse befriedigt. Ich frage mich, was die Leute zu brutal subventionierten, dem "Profit" verpflichtenden Großbetrieben der Klempnerei sagen würden, die unbedingt europaweit, umweltschädlich und schwer defizitär agieren müssten und trotzdem als vollkommen unentbehrlich gelten würden.
Leider ist das Fressen - ich selber bin ein entsetzlicher Vielfraß - zu einer populistischen Ideologie verkommen. Badewannen zu reparieren ist in der Industriegesellschaft genauso wichtig, hat es aber niht zum Fetisch gebracht. Ja, man denkt, wie ich als Älpler, gern an die Zeiten in den 90ern zurück, in denen die Bauern wenigstens für das Verlotternlassen der Felder bezahlt worden sind.

karlmartell

18. August 2013 00:48

Keine Wiesen für die Bauern in Mecklenburg-Vorpommern.
Investmentfonds kaufen ganze Betriebe mit 1000 Hektar Fläche und mehr
Von Peter Marx

Den Bauern in Mecklenburg-Vorpommern gehen die Wiesen und Felder aus. Kapitalstarke Investmentfonds kaufen immer mehr Flächen auf, sodass die Preise für ein Hektar Land inzwischen Rekordhöhen erreicht haben. Der Bauernverband warnt vor dieser Entwicklung.
https://www.dradio.de/dlf/sendungen/wirtschaftundgesellschaft/1979607/

Die Aasgeier ziehen ihre Kreise, werden die "kleinen Vögel" fressen, das Terrain unter sich aufteilen und auspowern, bis Steppe übrigbleibt, und selbst die werden sie dann gewinnbringend weitervermarkten, für was auch immer.

Raskolnikows Vorschlag, "Grenzen dicht, Einfuhrzölle, Preise rauf, Enteignung von Spekulanten- und Investorengesindel – aus die Maus!"
wäre der richtige Schritt. Oder, verkauft denen nichts. Nicht einen Quadratmeter.

KW

18. August 2013 14:10

Es sind immer 2 Seiten, einer, der für Geld verkauft und einer, der für Geld kauft. So ist das, wenn die Welt das Geld regiert. Natur, Tiere, Heimat und Menschen sind solchen Leuten egal, sie sind Wirtschaftsnomaden, auf Profit aus.

Martin

18. August 2013 15:32

"Junkerland in Bauernhand" - Einer der Fehler der ehem. DDR war, dies nicht aufrechterhalten zu haben und die Bauern dann wieder zu kollektivieren.

Michael Schlenger

20. August 2013 00:05

Danke für den Beitrag, Herr Bosselmann, der mich deshalb betroffen macht, weil ich bisher dachte, dass die Exzesse der Landwirtschaft aus den 60er und 70er Jahren hinter uns lägen.
In Ihrer Gegend scheint das gerade nicht der Fall zu sein. Ich lebe seit über 40 Jahren in der überaus fruchtbaren Wetterau nördlich von Frankfurt am Main und kann mich erinnern, wie meine Eltern in den 1970er Jahrendas völlige Fehlen des Klatschmohn in den Weizenfeldern beklagten, das sie noch aus ihrer Jugendzeit kannten. Auch Maikäfer, Bussarde, Störche und Fasane kannte ich damals nur vom Hörensagen, obwohl ich meine halbe Kindheit in den hiesigen Feldern und Wäldern verbracht habe. Heute aber sieht das ganz anders aus: Ja, die Felder leuchten auch hier vom planwirtschaftlich subventionierten Raps und Mais, aber schon seit Jahren sind Mohn-und Kornblume wieder allgegenwärtig, Greifvögel, Kraniche und neuerdings auch Störche sind zurückgekehrt. Man lässt Sträuche und Bäume auf den Ackerrainen wuchern, geht sorgsam (übrigens ganz betriebswirtschaftlich vernünftig auch aus Kostengründen) mit Pflanzenschutzmitteln um.
Nein, es ist nicht alles perfekt, es ist eben Kulturlandschaft, keine Natur, doch man sieht, das es weder am Zeitgeist noch an der - sagen wir - halbwegs privaten und eigenverantwortlichen Wirtschaft liegen muss, wenn es bei mir so und bei Ihnen anders aussieht. Kann es nicht sein, dass es auch eine Frage der Bildung ist, wie man als Landwirt mit der Kulturlandschaft umgeht? Vielleicht haben Sie in Ihrer Gegend einfach das Pech, dass dort gerade ein paar Idioten zugange sind. Primitive gibt es überall, deren Wirken sollte man nicht mit "dem System" verwechseln.
Mir gefiel Wagners Hinweis auf England, denn im Mutterland des (laut linken Soziologen) perfiden Kapitalismus sind die meisten Landwirte Großbauern mit industriellen Strukturen. Doch wenn man dort über Land fährt, spürt man kaum etwas davon, so wenig berührt, ja gartenhaft erscheint die Landschaft. Und die Höfe sehen aus wie die Anwesen kultivierter Menschen, nicht verkommen und aus irgendwelchen Baustoffresten dilettantisch zusammengebastelt, oftmals sind englische Bauernhöfe eine regelrechte Augenweide. Die Vogelwelt wird von Enthusiasten gehegt und erbittert verteidigt. Diese gewachsene ländliche Kultur gibt es übrigens auch in Norddeutschland. Also kein Grund zum Pessimismus und schon gar kein Grund in merkantilistische Reflexe zu verfallen, die der Durchschnittsdeutsche, der seine Konsumgüter zum Großteil aus dem Ausland bezieht, mit bitterer Einschränkung bezahlen müsste. Deutsche, kauft nur deutschen Kaffee und Schokolade, das meint auch der geschätzte Herr Raskolnikow sicher nur ironisch...
Beste Grüße
Michael Schlenger

Ehrhard Hartmann

20. August 2013 12:53

Martin, der propagandistische und damit dämliche Spruch: "Junkerland in Bauernhand" betraf ja meist nur Betriebe über 100 ha landwirtschaftlich genutzter Flächen.
Ich habe dann noch die ZERSIEDELUNG der Felder und die Entstehung der vielen KLEINSTBETRIEBE in der DDR erlebt, es wäre nie und nimmer "gut" gegangen !
Es sollte aber erst einmal den vielen Flüchtlingen aus dem Osten eine neue
Heimat (Scholle), und "geplant vorübergehend" und auch eine Aufgabe
beschafft werden.
Wäre es so geblieben, wäre vom ERTRAG erst einmal die Familie ernährt worden, darüberhinaus aber wenig MASSE ?
Diese bäuerlichen Kleinstbetriebe sind heute noch in einigen Teilen Polens zu besichtigen. Das sind keine Bauern mehr, sondern Kleingärtner, die im Herbst noch zusätzlich Pilze sammeln, und zu Weihnachten drei vier Gänse verkaufen !
So kann eine "lebensfähige" (finanziell) und "produzierende" (Erträge) Landwirtschaft nicht mehr "funktionieren" !

Andrenio

20. August 2013 21:06

Meine Mutter kehrte mit 68 Jahren in ihre Heimat Litauen zurück und kämpfte Jahre für die Rückerstattung der enteigneten Landwirtschaft. Schließlich waren es rund 150 ha, auf denen sie einen kleinen Bauernhof errichtete mit allen Gebäuden und mehrere Stück Vieh, Schweine, Hühner, Gänse, einen riesigen ökologisch bewirtschafteten Garten mit Gewächshäusern u.v.a.m.
Schon von Beginn an entbrannte die Diskussion in der Familie, ob dieses Konzept wirtschaftlich tragfähig ist, denn sie wünschte sich natürlich, dass das alles irgendwie erhalten wird von der nachfolgenden Generation.
Hier die ernüchternde wirtschaftliche Bilanz:
Seit Beginn an eine durchschnittliche Subvention von monatlich € 3.000, was die stattliche deutsche Rente komplett verbrauchte. Folge: Kein Geld für Neuinvestitionen, Maschinen immer mehr veraltet, Geld für landwirtschaftlichen Diesel nur durch EU-Zuschüsse finanzierbar, Kosten für eigenen Holzeinschlag fast so hoch wie der dazu eingesetzte Lohnfaktor und der Sprit.
Da für die landwirtschaftlichen Produkte im freien Verkauf kein Markt oder viel zu niedrige Saisonpreise zu erzielen war, verblieb es beim Eigenverbrauch. Das Schafszuchtpojekt als wirtschaftliche Ausweichidee, mehrmals vom litauischen Landwirtschaftsministerium ausgezeichnet, scheiterte an EU-Bestimmungen für Schlachthöfe (die Tiere hätten hunderte von km transportiert werden müssen), obwohl meine Schwester als Tierärztin sehr wohl die Hygiene sicherstellen hätte können.
Warum dies so ausführlich?
Mein Standpunkt war nämlich, dass die Gelder besser im Zukauf von anfänglich spottbilligen landwirtschaftlichen Flächen ausgegeben hätten werden sollen, anstatt der Fiktion der Kleinlandwirtschaft nachzuhängen. Wäre man auf ein paar tausend ha gekommen mit der Zeit, hätte man jetzt ein Verhandlungsgut für Großlandwirte.
Die ursprüngliche Struktur hätte man dann als Kleinzoo für Schüler erhalten können im Kleinen.
Leider: Das einzig tragfähige war also Spekulation, weil man Geld hatte, über das andere nicht verfügten.
Großer Vorteil wäre auch vor 15 bis 20 Jahren gewesen, dass man nicht wie bei Spekulation mit Altstadtprojekten mit der Mafia in Konflikt gekommen wäre.
Ende vom Lied:
Jetzt wird das Land für die Hälfte der EU-Subvention an Großbauern verpachtet, die die Zeichen der Zeit verstanden haben. Die sitzen jeden Tag am Computer und schauen sich die Preise auf den Börsen an und fahren im Winter nach St. Moritz zu Skilaufen.
Die Stallungen erfüllen übrigens einen guten Zweck: Sie dienen für das Gnadenbrot einer größeren Anzahl von alten Pferden.
Übrigens: Ökologisch ist dort im Umfeld noch alles in Ordnung, weil mangels gutem Boden nur wirklich rentable Flächen genutzt werden.

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