und die damit immer perfektioniertere Befriedigung aller Konsumbedürfnisse andererseits durchregiert, um so höher gestimmt wird in der Politik ein vermeintlich humanitärer Anspruch, in der besten aller möglichen Welten zu leben oder diese zumindest dekretieren bzw. suggerieren zu können.
Um sogleich Mißverständnisse zu vermeiden: Es geht hier mal nicht gegen das Ökonomische oder „die Wirtschaft“. – Die Wirtschaft ist, wie sie ist; man braucht sie ebensowenig zu erfinden wie den Kapitalismus; und freilich regelt der Markt viel, zumal in einem Zeitalter, das Zahlen von Produktion und Verbrauch als seine zentralen, ja beinahe alleinigen Koordinaten ansieht und mittlerweile alles in der Geschwindigkeit eines Mausklicks erledigt – Herstellung von Waren ebenso wie die Befriedigung durch Waren.
Es geht auch nicht darum, daß etwas neu geregelt würde. Das meiste regelt sich offenbar ganz systemisch tatsächlich selbst. Zudem phänomenal, daß eine „Volkswirtschaft“ in ihren globalisierten Beziehungsgeflechten immer weniger Spezialisten und sogar immer weniger Arbeitskräfte bedarf und dennoch – auf Kosten von Umwelt und Mitgeschöpf – eine Versorgung zu gewährleisten versteht, die so umfassend ist, daß ein Großteil der Bürger mit sekundären Wohlstanderkrankungen den Verwertungsinteressen bzw. Reproduktionskreisläufen des medizinisch-pharmazeutischen Komplexes zur Verfügung steht und der Kranke die Logik des Systems viel eher erfüllt als der Gesunde.
Wobei sich auch das Politische, vor allem die Grundstrukturen des Öffentlichen (Regionalverwaltungen, Landkreise, Kommunen, Kultur vor Ort), der gnadenlosen Effizienzprüfung durch die Controller und Zahlenwirte zu stellen hat. Mag sein, daß ist zwangsläufig so und funktioniert ganz alternativlos; aber um so mehr könnte, ja sollte klare Rede darüber sein. Ist es aber nicht.
Während an der Basis die Effizienz regiert, mit dem Ergebnis hoher Gewinne auf der einen und Exklusionsvorgängen auf der anderen Seite – alles überwölbt vom Zahlenhimmel der Transfergesellschaft – , entstand im Überbau eine eigenwillige Sprechblasen-Kultur von sogenannten Grundvereinbarungen, die offenbar eine Art Korrektiv zur kühlen Ökonomik der numerisch zu handhabenden Sachverhalte hervorbringen will. – War denn je soviel von Chancengleichheit, von Gerechtigkeit, von Teilhabe, von Inklusion, Gleichberechtigung, Gleichstellung, Antidiskriminierung, Bildungsgarantien, Förderungsmaßnahmen und großer Gemeinschaft im Sinne von totaler Integration die Rede? Begleitet von all den Bestimmungen zur Gesunderhaltung und zum Schutz des Menschen vor sich selbst?
Während es im Wirtschaftlichen immer genormter zugeht und die Digitalisierung von Objekten und Verläufen eine technisch optimale Uniformität scheinbarer Fülle gewährleistet, also die Wiederkehr des immer Gleichen mit neuem Etikett, ist in der Gesellschaft geradezu neurotisch eindringlich von Vielfalt die Rede. Oder genauer: Von einer Vielfalt des irgendwie Gleichen! Heterosexuelle und Homosexuelle, Mann und Frau, Begabte und Lernbehinderte, Muslim und Christ, überhaupt alle Rassen (sic!) und Kulturen bitte zu einem übergreifenden Get-together in einem Großen Frieden globalisierter Gerechtigkeit vereint – etwa so wie all die Waren im Super-Markt kunterbunt beieinander, verschieden aussehend, aber inwendig doch völlig gleich! Bitte keine Unterschiede! Normung! Von der Menschenwürde bis zum Schokoriegel.
Und die Demokratie allerorten so präsent wie früher nur Coca-Cola, das Gesöff der Freiheit, dieses demogogischsten aller Begriffe. Man sinne über solche Beziehungen nach: Über die allen Segen verheißende Ganztagsschule als Glückseligkeitsrefugium mit einer Bannmeile gegen die böse Welt da draußen, all die aufdringlichen Festivitäten von Vielfalt und Demokratie, die Projekte zu Gewaltprävention und Kommunikationstraining einerseits – und über die Herrschaft des Strichcodes und der Standardisierungen andererseits.
(Bildquelle: Michail Potapowich/pixelio.de)
Erwalf
So wie der Schokoriegel Raider zu Twix wurde, wird Mann und Frau zum Selben, Freiheit zum Rauchverbot, Familie zur vorübergehenden Zusammenlebgemeinschaft, Gleichheit zum totalitären Dogma usw. - Wieder kommt Epikur in den Sinn: Lebe im Verborgenen mit Freunden im eigenen Garten. Aber ich weiß: Das ist auch keine Lösung. Wir müssen uns Sisyphos also immer wieder als glücklichen Menschen vorstellen, so schwer es fällt.