Tolkien wurde in Südafrika als Sohn eines britischen Bankangestellten geboren und wuchs seit seinem vierten Lebensjahr in England auf. Mit zwölf Jahren verlor er Vater und Mutter; die Vormundschaft übernahm der katholische Gemeindepfarrer Francis Morgan, der Tolkien sehr prägte und der ihn im römisch-katholischen Glauben erzog. Tolkien studierte ab 1911 Klassische Philologie und anschließend englische Sprache und Literatur. Seit 1921 Dozent in Leeds, wurde Tolkien 1925 Professor für Angelsächsische Philologie in Oxford.
Das verbindende Element zwischen wissenschaftlicher und schriftstellerischer Tätigkeit war bei Tolkien die von Jugend auf gehegte Liebe zu den nordischen Sprachen, nach deren Vorbild er sogar eigene Sprachen erfand, sowie zur nordischen Mythologie. Angeregt vom Beowulf, einem angelsächsischen Heldenepos aus dem 8. Jahrhundert, verfolgte Tolkien den Plan, eine Mythologie Britanniens zu schaffen. Doch erst als er in den 1920er Jahren C. S. Lewis kennenlernte und mit ihm zusammen einen informellen Lesezirkel, die Inklings, gründete, fühlte Tolkien sich ermutigt, in seinem schriftstellerischen Schaffen mehr zu sehen als bloßes Privatvergnügen. Besonders das postum erschienene Silmarillion (1977) entwirft eine Art imaginäres nordisches Zeitalter in Europa, vor dessen Hintergrund die Protagonisten des Kleinen Hobbit (1937) und des Herrn der Ringe (1954–1955) agieren.
Die Verwendung von Zwergen, Elben, Orks und Hobbits (einer von Tolkien neugeschaffenen »Gattung«) hat dazu geführt, Tolkiens Bücher der Fantasy zuzuschreiben und ihm den Vorwurf des Eskapismus zu machen. Dagegen wehrte er sich bereits 1940 in einem akademischen Vortrag über Fairy-Stories, in dem er die Auffassung vertrat, Fantasy-Geschichten hätten eine mythische Qualität. Statt eskapistisch zu sein, würden sie gerade helfen, aus einer verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung zu befreien und den Sinn für eine ästhetische wie moralische Weltbetrachtung zu schärfen. Ihre Erzählstruktur mit der plötzlichen Wende zum Guten, der Eukatastrophe, hätten sie von der größten Geschichte aller Zeiten, dem Evangelium – dem fähigen Mythendichter gelinge eine Art »Zweitschöpfung«.
Ohne sich je prominent im Hinblick auf politische Fragen geäußert zu haben, gehört J. R. R. Tolkien doch mit seinem wissenschaftlichen, noch mehr aber mit seinem imaginativen Werk zu den konservativen Vordenkern des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit seinem Freund C. S. Lewis versuchte Tolkien, über die Verirrungen der Moderne aufzuklären und an jene geistige Tradition des »Alten Westens« anzuknüpfen, die seit der Französischen Revolution abzubrechen drohte. Daß die 68er-Bewegung den Herrn der Ringe für das eigene Lebensgefühl reklamierte, war ein groteskes Mißverständnis, das sich lediglich aus Tolkiens Stellungnahme für den Naturschutz erklärt.
In Wirklichkeit sind die Bücher J. R. R. Tolkiens ein meisterhafter Ausdruck seiner ganz konservativen »Theologie des Geschichtenerzählens« (Colin Duriez) und ein ernstzunehmender Versuch, unter den Bedingungen der Moderne dennoch an der »Wahrheit des Mythos « (Kurt Hübner) festzuhalten.
Schriften: Beowulf, the Monsters and the Critics [1936], London 1937; Der kleine Hobbit [1937], Recklinghausen 1957; On Fairy-Stories, in: Essays presented to Charles Williams, Oxford 1947; Der Herr der Ringe [1954–1975], Stuttgart 1969–1970; Das Silmarillion [1977], Stuttgart 1978; Die Legende von Sigurd und Gudrún [2009], Stuttgart 2010.
Literatur: Colin Duriez: Tolkien und C. S. Lewis. Das Geschenk der Freundschaft, Moers 2005; Helmut W. Pesch (Hrsg.): J. R. R. Tolkien, der Mythenschöpfer, Meitingen 1984.