Totalitäre Moderne: Kleine-Hartlage gegengelesen

Manfred Kleine-Hartlages Die liberale Gesellschaft und ihr Ende ist ein wichtiges Buch. Kleine-Hartlage beschreibt in ihm die Schattenseiten des aufklärerischen Paradigmas.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

Er ver­tritt die Ansicht, daß die heh­ren Idea­le der Auf­klä­rung zum „Selbst­mord eines Sys­tems“ füh­ren, sobald es kei­ne legi­ti­men Gegen­kräf­te mehr zu ihrer Metaideo­lo­gie gibt.

Libe­ra­lis­mus und Sozia­lis­mus wür­den die­se Metaideo­lo­gie bil­den. Bei­de wür­den ein uto­pi­sches Ide­al anstre­ben und ein Mono­pol abso­lu­ter Wahr­heit über alle Lebens­be­rei­che erhe­ben. Trotz aller Kämp­fe zwi­schen die­sen Ideo­lo­gien eine sie das Ziel, rech­tes, rea­lis­ti­sches Den­ken als böse und krank zu diskreditieren.

Klei­ne-Hart­la­ge unter­nimmt nun das span­nen­de Vor­ha­ben, eine Ideo­lo­gie­kri­tik die­ses Kom­plotts durch­zu­füh­ren. Dies gip­felt in der The­se, die libe­ra­le Moder­ne brin­ge einen Tota­li­ta­ris­mus her­vor, der an der Abschaf­fung aller Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten arbei­tet. Es ist dabei ein ech­ter Genuß, Klei­ne-Hart­la­ges Argu­men­ta­ti­on zu fol­gen. Jeder Gedan­ke sitzt, und jedes neue Bei­spiel löst zunächst ein­mal intui­ti­ve Zustim­mung für die auf­ge­bau­te Erklä­rung aus. Gen­der Main­strea­ming, wis­sen­schaft­li­cher Kon­struk­ti­vis­mus, Kampf gegen rechts, Ent­mach­tung der Natio­nal­staa­ten – vie­le The­men gibt es, deren Haupt­pro­blem der Autor mit sei­ner Theo­rie plau­si­bel macht.

Es ist ver­füh­re­risch, an die­ser Stel­le einen Schluß­strich unter das The­ma der libe­ra­len Selbst­zer­stö­rung zu zie­hen, weil Klei­ne-Hart­la­ge wenig Hoff­nung auf eine Umkeh­rung die­ses Pro­zes­ses ver­mit­telt. Er schreibt, der Wider­stand dage­gen kön­ne nur aus der Gesell­schaft selbst erwach­sen. Wenn dem so wäre, dürf­te jedoch nichts gesche­hen, weil die libe­ra­le Moder­ne den Bür­ger in Wat­te ein­packt und ihm bei schlech­ter Lau­ne ein kos­ten­lo­ses Well­ness­pro­gramm verschreibt.

Doch vor allem Trüb­sal bla­sen einen Schritt zurück: Stimmt die Haupt­the­se von Klei­ne-Hart­la­ge über­haupt oder hat er bei aller inne­ren Stim­mig­keit sei­ner Argu­men­ta­ti­on wich­ti­ge Fak­to­ren über­se­hen? Es ist zunächst völ­lig klar, daß eine Theo­rie nicht alles ein­kal­ku­lie­ren kann, son­dern nur inner­halb ihres jewei­li­gen Fach­ge­biets Ant­wor­ten sucht. Jede Ideo­lo­gie­kri­tik – ob von links, rechts oder aus einer ver­meint­li­chen Neu­tra­li­tät her­aus – ist dadurch von Natur aus gefähr­det, ideo­lo­gi­sche Grün­de der Gesell­schafts­ent­wick­lung bzw. ‑defor­ma­ti­on über­zu­be­wer­ten und öko­no­mi­sche, sozia­le und his­to­ri­sche Beson­der­hei­ten zu übersehen.

Es bringt eine Men­ge, die The­sen aus Die libe­ra­le Gesell­schaft und ihr Ende unter die­sem Gesichts­punkt gegen­zu­le­sen. Wel­chen Ein­fluß auf unse­re Gesell­schaft hat­te etwa das Ent­ste­hen der Mas­sen­ge­sell­schaft, der moder­nen Staats­bü­ro­kra­tie, der Indus­tria­li­sie­rung und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­re­vo­lu­ti­on? Und wei­ter­ge­hend, sind die­se Ein­flüs­se viel­leicht weit fol­gen­rei­cher für den Nie­der­gang der Insti­tu­ti­on der Fami­lie, der gesell­schaft­li­chen Hier­ar­chien, des Natio­nal­staa­tes und all der not­wen­di­gen Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten, die Klei­ne-Hart­la­ge völ­lig zu Recht anspricht?

In ihrem Haupt­werk Ele­men­te und Ursprün­ge tota­ler Herr­schaft geht Han­nah Are­ndt die­sen Fra­gen nach. Die­ser Klas­si­ker ist nicht allein auf­grund des Ver­gleichs von Natio­nal­so­zia­lis­mus und Bol­sche­wis­mus noch heu­te so bedeu­tend. Viel wich­ti­ger aus aktu­el­ler Per­spek­ti­ve sind jene „Ele­men­te und Ursprün­ge“ des Tota­li­ta­ris­mus, weil sie alle­samt noch heu­te die Bedin­gun­gen von Poli­tik definieren.

Der Ursprung des Tota­li­ta­ris­mus lie­ge im Zer­fall der hier­ar­chi­schen Gesell­schaft und der dar­aus fol­gen­den Anony­mi­sie­rung im 19. Jahr­hun­dert, so Are­ndt. In einer auf Gleich­heit beru­hen­den Mas­sen­ge­sell­schaft „ver­lie­ren die demo­kra­ti­schen Insti­tu­tio­nen wie die demo­kra­ti­schen Frei­hei­ten ihren Sinn“. Are­ndt geht davon aus, daß tota­li­tä­re Bewe­gun­gen „bis heu­te die ein­zi­ge Orga­ni­sa­ti­ons­form“ sei­en, die den Mas­sen adäquat scheint. Alle poli­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen, die erfolg­reich sein wol­len, müs­sen sich danach rich­ten. Ihre „Ursprungs­ideo­lo­gie“ ent­ar­tet jedoch zwangs­läu­fig, wenn die Prak­ti­ker das Ruder über­neh­men und aus durch­aus nach­voll­zieh­ba­ren Ideen sich genau das her­aus­pi­cken, was mas­sen­taug­lich ist.

Han­nah Are­ndt hat mehr­mals expli­zit dar­auf hin­ge­wie­sen, daß jede (halb­wegs erfolg­rei­che) Par­tei von tota­li­tä­ren Kei­men infi­ziert ist und daß dies selbst­ver­ständ­lich auch für die Demo­kra­tie gel­te: „Tota­li­tä­re Ele­men­te wie­der­um ent­hal­ten alle Ideo­lo­gien, wenn sie auch nur von den tota­li­tä­ren Bewe­gun­gen voll ent­wi­ckelt wer­den, wodurch dann der Schein ent­steht, als sei­en nur Ras­sis­mus und Kom­mu­nis­mus totalitär.“

Begrün­det wird die­ser Umstand mit der Gleich­gül­tig­keit der Mas­sen gegen­über der „Rea­li­tät der sicht­ba­ren Welt“. Statt sich mit die­ser aus­ein­an­der­zu­set­zen, wol­len sie an eine ideo­lo­gisch-fik­ti­ve Welt glau­ben. Wer halb­wegs gute Wahl­er­geb­nis­se erzie­len möch­te, kommt des­halb am Auf­bau einer (lang­fris­tig schäd­li­chen) Uto­pie gar nicht vor­bei. Tota­li­tä­re Füh­rer wür­den dies beher­zi­gen, indem sie sich aus allen bestehen­den Ideo­lo­gien die Ele­men­te her­aus­su­chen, „die sich für die Eta­blie­rung einer den Tat­sa­chen ent­ge­gen­ge­setz­ten, ganz und gar fik­ti­ven Welt eig­nen“. Die maß­geb­li­che Pro­pa­gan­da die­ser tota­li­tä­ren Bewe­gun­gen besteht nun dar­in, ein­fach das in die Tat umzu­set­zen, was sie vor­her gegen jede Ver­nunft behaup­tet haben.

Büro­kra­tien, die genau­so mora­lisch indif­fe­rent wie die Mas­sen sind, set­zen die­se fata­le Poli­tik in die Wirk­lich­keit um. Mit ihrer berühm­ten The­se von der „Bana­li­tät des Bösen“ behaup­tet Are­ndt nun im Gegen­satz zu Klei­ne-Hart­la­ge, daß der Aus­lö­ser für all das gera­de nicht auf irgend­ei­ne Idee oder ein bestimm­tes Para­dig­ma zurück­zu­füh­ren ist: „Das größ­te Böse ist nicht radi­kal, es hat kei­ne Wur­zeln, und weil es kei­ne Wur­zeln hat, hat es kei­ne Gren­zen, kann sich ins unvor­stell­bar Extre­me ent­wi­ckeln und über die gan­ze Welt ausbreiten.“

Heu­te sind wir so weit, daß die Büro­kra­tien eine „Tyran­nis ohne Tyran­nen“ (Are­ndt in Macht und Gewalt), also eine Nie­mands­herr­schaft mit beein­dru­cken­der Dis­zi­pli­nar­macht, aus­ge­bil­det haben. Die­se Dis­zi­pli­nar­macht zwingt uns, „die Wahr­heit zu beken­nen oder zu fin­den“, wie es Michel Fou­cault so schön aus­druckt. Wei­ter beschreibt er die­sen Mecha­nis­mus wie folgt: „Die Macht hört nicht auf, uns zu fra­gen, hört nicht auf, zu for­schen, zu regis­trie­ren, sie insti­tu­tio­na­li­siert und pro­fes­sio­na­li­siert die Suche nach der Wahr­heit und belohnt sie. Im Grun­de müs­sen wir die Wahr­heit pro­du­zie­ren, wie wir Reich­tü­mer pro­du­zie­ren müs­sen, ja wir müs­sen sogar die Wahr­heit pro­du­zie­ren, um über­haupt Reich­tü­mer pro­du­zie­ren zu können.“

Es kommt in moder­nen Gesell­schaf­ten ein tech­ni­sches Instru­men­ta­ri­um zur Anwen­dung, das auf ideo­lo­gi­sche Begrün­dun­gen ver­zich­tet, weil es in dem von Are­ndt beschrie­be­nen Sin­ne wur­zel­los ist und die Fra­ge nach der Wahr­heit bereits auto­ma­ti­siert hat. Das sanft Tota­li­tä­re an der Gegen­wart ist gera­de die Alter­na­tiv­lo­sig­keit die­ser „Gou­ver­ne­men­ta­li­tät“ (Fou­cault), die nur mehr die Sinn­lo­sig­keit aller Ideo­lo­gien unter Beweis stellt oder sie ent­stellt: Der herr­schen­de Sozia­lis­mus ist nicht mehr sozi­al und der herr­schen­de Libe­ra­lis­mus (wie die FDP ein­drucks­voll beweist) nicht mehr libe­ral. Frei­lich besteht somit auch die Gefahr, daß der Kon­ser­va­tis­mus, sobald er an die Macht kommt, nichts mehr mit dem zu tun hat, was wir uns dar­un­ter vor­stel­len. Heu­te sind die Prag­ma­ti­ker am Zuge, die mit ihren Sicher­heits­ap­pa­ra­ten die Nor­ma­li­tät (also Harm­lo­sig­keit) der Bevöl­ke­rung kon­trol­lie­ren wol­len. Zu ech­ten und irgend­wann wirk­sam wer­den­den Dis­kur­sen über die Zukunft unse­rer Gesell­schaft ist gegen­wär­tig nie­mand fähig.

Was bedeu­tet dies für die Aus­gangs­fra­ge, also die Über­prü­fung von Klei­ne-Hart­la­ges The­se, das auf­klä­re­ri­sche Para­dig­ma sei die Ursa­che eines moder­nen, gleich­ma­che­ri­schen und uto­pi­schen Tota­li­ta­ris­mus? Es ist genau umge­dreht: Die tota­li­tä­re Moder­ne läßt alle Ideo­lo­gien ent­ar­ten, sobald sich ihre Anhän­ger mit Macht­ge­win­nung auch nur ernst­haft beschäf­ti­gen. Die Ideo­lo­gien wer­den in der tota­li­tä­ren Moder­ne zu aus­tausch­ba­ren Bau­stei­nen einer Herr­schaft, in der Dis­kur­se kei­ne Rol­le mehr spie­len. Statt des­sen üben die Appa­ra­te die eigent­li­che Macht aus und stüt­zen sich auf die Gleich­gül­tig­keit der Mas­sen und Funk­ti­ons­tüch­tig­keit ihrer Büro­kra­tie und Überwachungsinstrumente.

 

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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Kommentare (10)

ingres

4. September 2013 14:13

Abgesehen von der Kriitik an der zentralen These von MKH ist dies hier eine entscheidende Erkenntnis:

„Das größte Böse ist nicht radikal, es hat keine Wurzeln, und weil es keine Wurzeln hat, hat es keine Grenzen, kann sich ins unvorstellbar Extreme entwickeln und über die ganze Welt ausbreiten.“

Prinzipiell habe ich das immer so wahrgenommen, obwohl es auf den ersten Blick nichts mit dem Bösen zu tun hat. Als Kind und Jugendlicher habe ich regstriert, dass meine Freunde In Ordnung waren, a b e r sie waren unzuverlässig, gedankenlos und alles mögliche andere Negative, so positiv sie sonst auch waren. Ja und da ist die Wurzel der Wurzellosigkeit des Bösen. So jedenfalls hab ich das immer gesehen.

Nonnen

4. September 2013 16:06

Das von den Gender-Ideologen propagierte konstruktivistische "social engineering" z. B. in Richtung Übersexualisierung im Erziehungsbereich schon der Kleinsten und Jüngsten (Krippe, Kita, Schule) riecht bereits beängstigend nach Totalitarismus.
Es kann nicht ernst genug genommen werden, was die Vernichtung des Selbstverständnisses von Mann und Frau für Buben und Mädchen bedeutet, die sich gemäß ihren genetischen Vorgaben an Vorbildern entwickeln müssen (siehe Buch: „Vergewaltigung der menschlichen Identität. Über die Irrtümer der Gender-Ideologie, 3. Auflage, Verlag Logos Editions, Ansbach, 2013)

Waldgänger

4. September 2013 18:19

Felix Menzels Text ist sehr lesenswert und die Bezugnahme auf Hannah Arendt und die der Massengesellschaft immanenten Züge ist zweifellos wichtig.

Allerdings würde ich beide Ansätze - Kleine-Hartlage und Arendt - nicht so sehr in Gegenposition bringen. Ich glaube, dass beide Sichtweisen sich ergänzen.

Begriffe wie "Massengesellschaft" bzw. "Aufstand der Massen", (Ortega y Gasset), "liberale Moderne" (Kleine-Hartlage) oder "totalitäre Moderne" (Arendt) scheinen mir nicht gegensätzlich, sondern allesamt zutreffende Beschreibungen moderner Wirklichkeit.
Nur der Blickwinkel ist etwas unterschiedlich.

In der Grundaussage liegen doch alle dicht beieinander: die liberale (und technisierte) Massengesellschaft führt nahezu automatisch zu mehr oder weniger totalitären Gesellschaftsformen.

Mit Ernst und Friedrich Georg Jünger würde ich allerdings ergänzend auch die Bedeutung der technischen Entwicklung für diesen verhängnisvollen Prozess erwähnen.
Ein Totalitarismus in einer vortechnischen Gesellschaft ist schwer vorstellbar.
Und ebenso ist auch eine (von billiger Massengüterproduktion abhängige) Massengesellschaft in einer vortechnischen, handwerklichen Zeit schwerlich denkbar.
In diesem Sinne müssen die heutigen technischen Möglichkeiten natürlich sehr besorgt machen!

Theosebeios

4. September 2013 21:24

... Und zum Schluss auch noch Foucault. Ich empfehle dem Antaios-Verlag die Herausgabe eines Buches mit dem Titel "Foucault für Rechte". Das schlägt ein, und ich prophezeie dreimaliges Nachdrucken im Erscheinungsjahr!

Herr Menzel, ich zähle mich auch zu den Pragmatikern. Deshalb müssen Sie mir erklären, warum ein Apparat die eigentliche Macht ausüben soll. Kennen Sie einen solchen Apparat, zum Beispiel ein Amt mit (scheinbarer) Macht, von innen? Vermutlich nicht. Das sind angelesene Theorien ohne eigene Erfahrung. Überdies stark linkslastig.

Die Polizei als Apparat könnte Sie in Dresden oder sonst wo in Ruhe lassen. Der Polizeipräsident will aber diese klandestine rechte Mischpoke ausräuchern und macht Ihnen das Leben zur Hölle. Doch plötzlich kriegt Sachsen einen vernünftigen Innenminister, und der klopft dem PP auf die Finger. Sofort haben Sie wieder Ruhe. Nichts macht da der Apparat. Und nichts hat Schill vor 10 Jahren daran gehindert, seinen Mann zum Hamburger PP zu machen.

Oder Sie übernehmen ein Ministerium, dass Sie präzise von innen kennen (das ist Bedingung, sonst laufen Sie in der Tat gegen die Wand!). Der Apparat steht zu Ihren Diensten. Die alteingesessenen Linken werden zwar versuchen, Sie zum Straucheln zu bringen, aber Sie kennen die Spiele und zeigen ihnen, wo Bartel den Most holen geht.

Ob Sie sich dann (irgendwann) korrumpieren lassen, liegt an Ihnen, nicht am Apparat.

Ein Fremder aus Elea

4. September 2013 22:18

Die Ursache ist der Parlamentarismus.

Die gesetzgebende Kraft kann denklogisch überhaupt nur an eine Partei abgegeben werden, wenn diese Partei Stellung zu einer allgemeinen Gesetzgebungsstrategie bezieht, was darauf hinauslauft sie entweder eifrig (links) oder zögerlich (rechts) umzusetzen.

Natürlich kann eine Partei prinzipiell alles in ihr Programm schreiben, was sie will, aber wenn dieses Programm auf einem gänzlich anderen Denken aufbaute und diese Partei, sagen wir mal, 30% kriegen würde, dann wäre die Gesellschaft gespalten und tendentiell kooperationsunfähig.

Die einzige Art der Spaltung, welche eine Gesellschaft aushält, ist die nach dem Engagement für einen gemeinsamen Glauben, mehr oder weniger für ihn zu tun, meinetwegen auch die unterschiedliche Gewichtung in ihm konkurrierender Ziele.

Vielleicht finden sich hier noch weitere Gedanken dazu: https://bereitschaftsfront.blogspot.com/2012/08/parlamentarismus.html

Nun gut, da könnte man fragen, ob der Parlamentarismus denn nun natürlich ist. Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Die Ersetzung des kirchlichen Glaubens durch einen politischen war von Anfang an gewollt.

Karl

5. September 2013 02:32

Wenn das Volk so blöd ist, wie Her Menzel meint, frage ich mich nur, wieso dann ein so immenser Aufwand an Propaganda betrieben wird und man eine fürchterliche Angst vor Volksabstimmungen hat? Herr Menzel sollte lieber Gustave Le Bon als Begründer der Massenpsychologie lesen anstatt Hannah Arendt , dann versteht er vielleicht auch Herrn Kleine-Hartlage besser. Und die ganze Umerziehung des Deutschen Volkes war weshalb notwendig?

Hartwig

5. September 2013 15:42

Ein Schlüsselsatz im Buch steht gleich am Beginn: "... das politische Debatten sich nur noch um die Frage drehen, wie die Gesellschaft gestaltet werden sollte, nicht aber darum, wie sie überhaupt gestaltet werden kann, ...".
Diesen Zustand verdanken wir wohl unzweifelhaft dem, was MKH Metaideologie nennt. Und das führt zielgerichtet dazu, dass der Zerstörung der Strukturen, was auch immer dafür ursächlich sein mag (gewiss ein Konglomerat ...), Vorschub geleistet wird.

Luise Werner

5. September 2013 20:14

Hübsche Debatte, aber mir fehlen auf Grund der Kündigung beim Zwischentag die Worte.

Simon Kollöffel

6. September 2013 01:30

Gute Arbeit, Herr Menzel! Jetzt wird's aber erst spannend.

Wenn die technische Entwicklung also die Kultur nach und nach umgräbt, wenn also der technischen Organisation entsprechende angemessene gesellschaftliche Regelungsverfahren und Denkweisen sich naturwüchsig entwickelt haben, dann fragt sich, welche Umstände einen systemfeindlichen Umschwung des Denkens erzeugen. Welche?

Man kann mit Max Weber pessimistisch und pragmatisch sich jeder Hoffnung entschlagen, man kann mit Lumann gleich jede solche Hoffnung als anachronistischen Spleen Zurückgebliebener abtun, man kann mit Marx zu ergründen versuchen, wie die technische Entwicklung dialektisch ihre eigene Nagation zwingend hervorbringt. Man kann auch - unbekümmert um die Erfolgsaussichten - einfach so auf Ideologiekritik setzen.

Worauf setzen Sie?

Grundsätzlich bitteschön sollte man zur Kenntnis nehmen, daß die Herrschenden das Volk zwar auch belügen, aber das ist es, was das Volk will. Man will die Unwahrheit hören, man will schlafen, man will Spaß und seine Ruh'. Unterdrücker und Unterdrückte gibt's im entwickelten Kapitalismus fast nicht mehr. Außer in den Phantasien von schlichten Gemütern. Was es gibt, ist ein Rollenspiel einer auf allen gesellschaftlichen Rängen verkommenen Meute. Die ehemalige Arbeiterklasse ist "verbürgerlicht" und hat die schlimmsten Alpträume (nicht nur) von Marx wahrgemacht, und die Bourgeoisie ist weitgehend untergegangen und ist einer pöbelhaften Elite gewichen.l

Rumpelstilzchen

6. September 2013 08:42

Heute ganz guter Beitrag in Welt online von dem Soziologen Heinz Bude.
Ergänzt die Beiträge vomn Hartlage und Menzel.

Die Deutschen seien fest davon überzeugt in einer vergehenden Zeit zu leben. Und wollen deshalb mit dem Bestehenden sparsam umgehen.
Es fehlten Fantasien für die Zukunft, die aber Realitätsbezug haben und keine Spinnerei sind. (Wie bei den Grünen).
Zitat:
"Die Bereitschaft zu einer politischen Intellektualität fehlt in Deutschland."
Hier der Beitrag:
https://www.welt.de/politik/deutschland/article119747136/Ostdeutsche-sind-Trendsetter-der-Ernuechterung.html

Nicht entmutigen lassen wegen Zwischentag.
Fantasien entwickeln.
Solidarität zeigen.

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