gehörte Gerhard Nebel zu den produktivsten und interessantesten Autoren, die nicht aus der Emigration zurückkehrten oder durch ihr Engagement im Dritten Reich diskreditiert waren, sondern erst jetzt an die Öffentlichkeit traten.
Nebel hatte bis dahin einen recht wechselvollen Lebensweg hinter sich. 1903 als Sohn eines Volksschullehrers in Dessau geboren, verlor er früh beide Eltern und lebte seit 1918 bei seinem älteren Bruder in Koblenz, wo er auch das Abitur ablegte und sich kurzzeitig als Journalist versuchte. Sein Studium der Philosophie und Altphilologie, u. a. bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, schloß er 1927 bei Ernst Hoffmann in Heidelberg mit einer Dissertation über Plotin ab. Anschließend war Nebel als Referendar an Gymnasien in Köln und Düsseldorf und legte die beiden Staatsexamina ab. Von einer Vertretungsstelle wurde er wegen sozialistischer Agitation entlassen und trat in die SPD ein, die er bald wieder verließ, um sich an der Gründung der marxistischen SAP zu beteiligen, der auch Willy Brandt angehörte.
1933 ging er wieder in den Schuldienst, wo er bis zu seiner Einberufung 1941 blieb. Unterbrochen wurde sein Lehrerdasein durch einige Auslandsaufenthalte (Nord- und Ostafrika). Durch die Jünger-Lektüre angeregt, entstanden seit 1936 erste schriftstellerische Arbeiten (Feuer und Wasser, 1939). Als Soldat wurde er 1941 nach Paris versetzt und traf dort mit Ernst Jünger zusammen. Regimekritische Bemerkungen und sein Aufsatz »Auf dem Fliegerhorst« (1942) führten zu seiner Strafversetzung auf die Kanalinsel Alderney. Das Kriegsende erlebte er als Dolmetscher in Italien. Nach dem Krieg schloß Nebel Freundschaft mit Carl Schmitt, Ernst Jünger, Armin Mohler und Erhart Kästner und publizierte neben zeitkritischen Essays vor allem seine Kriegstagebücher (insgesamt 3 Bde., 1948–1950), die ihm viel Anerkennung einbrachten.
Ein weiterer Schwerpunkt dieser Jahre lag auf der Beschäftigung mit dem Werk Ernst Jüngers, so daß Nebel vor allem als Jünger-Adept wahrgenommen wurde. Das änderte sich erst, als es 1951 zum Bruch mit Jünger kam und Nebel in seinen Büchern andere Akzente setzte. Dabei spielte Nebels Hinwendung zum Christentum eine große Rolle, diezwar schon in der Kriegsgefangenschaft begonnen hatte, sich aber erst jetzt auf sein schriftstellerisches Schaffen auswirkte. Besonders deutlich wurde das bei Nebels Versuch, die griechische Tragödie vom christlichen Glauben her zu deuten (Weltangst und Götterzorn, 1951). Dazu bediente sich Nebel der Unterscheidung zwischen Realität und Wirklichkeit, der zwar etwas Gewaltsames anhaftet, die aber ein wesentliches Problem konservativen Handelns, das sich in der Gegenwart bewähren muß, deutlich macht. Während die Realität, die handgreiflichen Dinge, veränderbar ist und sein muß, ist die Wirklichkeit, als Wirkbereich Gottes, davon ausgenommen. Ein Zeitalter müsse sich immer daran messen lassen, welches Verhältnis der beiden Sphären in ihm gilt. Die Schwierigkeit besteht in der jeweiligen Zuordnung, die auch Nebel nicht immer überzeugend gelungen ist.
Ebensowichtig ist der Begriff des Ereignisses für Nebel. Das Ereignis reiße den Menschen aus der Gegenwart und sei die einzige Möglichkeit, den Menschen aus seiner Gegenwartsverhaftung zu befreien. Dafür sei eine Offenheit vonnöten, der Mensch müsse bereit sein, sich ergreifen zu lassen. Nebel stellte hier den Zusammenhang zwischen Gott und dem Schönen her und deutete die griechische Tragödie als Voroffenbarung des christlichen Gottes. Im Zuge dieser Annahme hat er fast die ganze griechische Geistesgeschichte durchmustert, von Homer und Pindar über die Tragödie bis zu Sokrates und Platon. Nebels Anliegen war dabei kein antiquarisches, sondern immer an der Frage orientiert, wie eine Überwindung der Realität in der Gegenwart möglich sei. Diesem Ziel dienten nicht zuletzt seine zahlreichen Reisen innerhalb Europas und Nordafrikas. Seine Reiseberichte, die in Buchform oder als Aufsatz (Nebel war regelmäßiger Autor der Zeitschrift Merian) erschienen und recht populär waren, zeugen davon.
Nebel war ein konservativer Denker, der weder einem Verlust nachtrauerte, noch eine gute alte Zeit heraufbeschwor. Seine Kritik am Zeitgeist ist Ausdruck seiner Sorge um den Menschen. Da er um dessen Bedürftigkeit wußte, machte Nebel der technischen Zivilisation den Anspruch auf Erlösung durch Fortschritt streitig. Er verwies darauf, daß der Mensch die Elemente, die Natur und die Landschaft braucht, um er selbst zu sein. Aber auch darauf, daß der Mensch zwischen Gott und Welt steht und sich diesem tragischen Verhältnis nicht entziehen kann. Nebels bleibende Bedeutung liegt in der wortmächtigen Deutlichkeit, mit der er auf die antinomische Situation des Menschen hinwies. Daß Nebel spätestens seit den sechziger Jahren kaum noch öffentlich wahrgenommen wurde, liegt im sich immer extremer gebärdenden Zeitgeist begründet, der Nebel nur im Glauben Hoffnung schöpfen ließ. Es gibt aber bis heute eine treue Lesergemeinde Nebels, zu der u. a. Kurt Hübner und Botho Strauß gehören.
Schriften: Feuer und Wasser, Hamburg 1939; Ernst Jünger. Abenteuer des Geistes, Wuppertal 1949; Unter Partisanen und Kreuzfahrern, Stuttgart 1950; Weltangst und Götterzorn. Eine Deutung der griechischen Tragödie, Stuttgart 1951; Das Ereignis des Schönen, Stuttgart 1953; An den Säulen des Herakles. Andalusische und marokkanische Begegnungen, Hamburg 1957; Pindar und die Delphik, Stuttgart 1961; Hinter dem Walde. 16 Lektionen für Zeitgenossen, Hamburg 1964; Sprung von des Tigers Rücken, Stuttgart 1970; Hamann, Stuttgart 1973; »Alles Gefühl ist leiblich«. Ein Stück Autobiographie, hrsg. v. Nicolai Riedel, Marbach am Neckar 2003.
Literatur: Erik Lehnert: Gerhard Nebel. Wächter des Normativen, Schnellroda 2004.