im eigenen eurasischen Hinterland sowie Sergej Lawrows ruhiges, aber unnachgiebiges Verhandlungsgeschick haben Amerikas Angriffspläne zunächst gebremst, abgesehen davon, daß sich die amerikanische Politik selbst nicht einig ist.
Die sogenannte syrische Opposition, all die im Bürgerkrieg kämpfenden Assad-Gegener, vorzugsweise sunnitisch-islamistischen “Interbrigaden”, sind enttäuscht. Sie hatten sich harten Feuerschutz zur Durchsetzung ihrer unterschiedlichen Ziele gewünscht, um nach dem Sturz Assads sehr vermutlich gegeneinander loszuschlagen. In einem afghanischen oder irakischen Szenarium.
Daß es so mindestens vorerst nicht weitergehen wird, sondern daß es “nur” den Sechspunkteplan gibt, liegt an der selbst verursachten Fallenstellung innerhalb einer typisch amerikanischen Legende. Was gegenüber Jugoslawien und dem Irak noch funktionierte, das läuft jetzt nicht: Humanitäre Gründe vorschützend, hatte sich die kränkelnde Weltmacht auf die Giftgasattacke kapriziert, deren Urheberschaft bislang nicht klar nachgewiesen ist. Als Vorwand für eine didaktisch verstandene Strafaktion – völkerrechtlich übrigens eindeutig verwehrt – hätte das Amerikanern und Franzosen ausgereicht.
Diesbezüglich gibt es nun aber ein angestrengt ausgehandeltes “Agreement”, in dem zwar jede Seite das Ergebnis ihrer hohen diplomatischen Kompetenz sehen möchte, das aber sowohl die Amerikaner und deren Vasallen als auch all die Freischärler so nicht gewollt haben können. Ging es doch letztendlich lange nicht allein um das Beseitigen syrischer Massenvernichtungsmittel, sondern aus geostrategischen Erwägungen um den Sturz des “Regimes”. Folgerichtig beklagt die “Opposition” diese Engführung in der Thematik und wünscht nach wie vor ein robustes Eingreifen, mindestens weitere Waffenlieferungen und die Errichtung einer Flugverbotszone, um so aus der Bredouille zu kommen.
Die Wahrnehmung der Aufständischen: Der Westen redet nur noch über Giftgas, wir aber vom Kampf gegen Assad! Was interessiert uns jetzt noch das Gezerre um Sarin-Granaten, die der “Schlächter” nun sowieso nicht mehr einsetzen wird. (Wenn er es denn je tat.)
Übertragen auf eine dramatische Schachpartie: Es wurden im Mittelspiel nach langem Überlegen zwei, drei Leichtfiguren ausgetauscht, während Assad nebenher sogar rochierte.
Ansonsten handelt es sich – wie oft und wie im Alltag – um ein Sprachproblem. Man gibt vor, aus guten Gründen nur eines zu wollen, keinesfalls schon eine totale Lösung, die man sich zwar eindringlich wünscht, die man aber verschweigt, um nicht als Aggressor gegenüber einem immerhin souveränen Staat zu gelten. – Durch den flexibleren Verhandler, in diesem Fall Rußland, wird der Wunsch erfüllt. Entgegenkommend! Und die andere Seite – die USA, Frankreich, die vom Parlament eingebundene Regierung Englands, die syrischen Freischärler – bleiben frustriert zurück, weil sie weiter noch als vor Tagen von ihrem eigentlichen Ziel entfernt sind. Spiegelfechterei.
Was wird folgen? Weitere Schuldzuweisungen, überhaupt Zuschreibungen, Gefeilsche, Wortgefechte, Provokationen international, Bürgerkrieg national. Es gäbe eine Lösung, die aber nur in der Klärung der Machtfrage läge: Was Assad hilft, würde einen Staat unterstützen, der mindestens hobbesianisch funktionierte und jene schützte, die im Falle des Zusammenbruchs den Massakern der sunnitischen Radikalen, der vermeintlichen “Freiheitshelden”, ausgeliefert wären. Selbst die USA werden das durchdacht haben, müssen es aber verwerfen, weil es – mit Blick auf den Iran und die Hisbollah – nicht in ihrem Interesse ist.
(Bildnachweis: https://www.flickr.com/photos/schachmuseum/)
Inselbauer
Ich kann das alles nur noch als einen monströsen Atavismus sehen, als Wiederkunft uralter Schreckgespenster, die plötzlich die einzige noch greifbare Realität sind. Die deutschmigrantischen Salafistenlauser, die sich jetzt ans Kopfabschneiden machen, werden nicht mehr verschwinden. Auf der anderen Seite tauchen Leute mit Plastik-Ritterrüstungen auf wie Breivik, der ja auch nicht besser ist. Gegen diese Elementarmächte sind diktatorische oder sozialdemokratische Bremsen halt auch bloß eine Illusion von Schutz.
Gestern hat sich in meiner Heimat ein Mann vor einem Marienaltar verbrannt, im privaten Atombunker, nachdem er einige Polizisten getötet hat. Es war ein Wilderer, der die Gewohnheit hatte, die Häupter seiner Beute auf Stangen am Straßenrand zu spießen. Das war das Signal zum Aufstand im Bauernkrieg, in der gleichen Gegend, fast genau 500 Jahre zuvor.
Herr Bosselmann hat schon recht, wenn er die Entwicklung in Syrien rein machtpolitisch analysiert; das ist immer noch besser, als hilflos der Rückkunft des Elementaren zuzusehen, die sich langsam aber sicher vollzieht.