haben, unterscheiden sich in vier Punkten fundamental von denen, die noch vor dreißig Jahren galten:
1. Im Zeitalter von facebook, Digitalkamera und google gibt es keinen Experimentierraum mehr: Nichts, was man im forschen Alter von zwanzig Jahren an radikalen Gedanken oder kompromißlosen Handlungen veröffentlichte oder dokumentierte, gerät je wieder in Vergessenheit. Es ist nicht mehr räumlich begrenzt auf den Verbreitungsgrad einer unwichtigen Ortsgruppen-Postille und nicht mehr jenem zeitlichem Verfall ausgesetzt, der früher die ganze „Graue Literatur“ politischer Bewegungen erfaßte: Wer hob schon Flugblätter oder Pamphlete auf – und hätte sie nun zur Hand? Heute entreißt man derlei jugendliche Totalentwürfe und Dummheiten der Vergessenheit mit ein paar Mausklicks. Alles steht ohne Mühe und ohne Chronologie zur Verfügung und stellt dem, der längst weiter (vernünftiger, gemäßigter, politikfähiger) ist, ein Bein. Die Suchmaschinen des Internets suggerieren uns nichts anderes: Eine Entwicklung (zu der das Vergessen zwingend gehört) ist nicht mehr vorgesehen.
2. Parallel dazu hat die Bereitschaft zur Denunziation zugenommen. Jemanden „googeln“ heißt oft nichts anderes, als eine öffentlich zugängliche Möglichkeit der Ausspähung zu einem einzigen Zweck zu nutzen: Schwachstellen, An- und Aufgreifbares zu finden, um etwas gegen „den Anderen“ in die Hand zu bekommen. Dabei geht es längst nicht mehr nur um aufstrebende Spitzenpolitiker – deren Vorleben wird sowieso seit jeher durchwühlt; es trifft mittlerweile selbst Promotionsstudenten, Obergefreite oder Olympiateilnehmerinnen im Rudern. Daß diese Methode nicht als ekelhaft gilt, sondern im Kampf gegen Rechts zu einer Art staatsbürgerlichen Pflicht verkommen ist, macht die Lage zwar übersichtlich, jedoch nicht besser: Man kann von Glück reden, wenn man auf Leute trifft, die auf die Anschwärzer schon um des Prinzips willen allergisch reagieren.
3. Diese Resistenz gegen den Anwurf von der politischen Gegenseite ist nicht mehr milieugebunden. Es war für politische Tiere wie Armin Mohler von großem Vorteil, daß sie sich zwar einer „Hexenjagd“ ausgesetzt sahen, aber dennoch Chef der Siemensstiftung bleiben konnten, in FAZ, Welt, Rheinischem Merkur, Nürnberger Nachrichten undsoweiter rezensiert wurden und überhaupt ein rechtskonservatives Milieu mit all seinen emotionalen, finanziellen und strukturellen Gaben vorfanden. Dieses Milieu gibt es heute nicht mehr (oder doch noch, aber auf ein Hundertstel eingedampft), und ob sich um die politische AfD ein metapolitischer Resonanzboden jenseits konservativer Minimalia bilden wird, ist mehr als ungewiß.
4. Dieses Restmilieu ist einem Konformitätsdruck ausgesetzt, den zum einen die Verschulung und Beschleunigung aller Ausbildungsgänge ausüben, zum anderen die allem Konservativen innewohnende Neigung zum „normalen Leben“ und zur vorbildlichen Karriere. Wenn es vor zwanzig Jahren schon schwierig war, andere Studenten davon zu überzeugen, daß zwei, drei der vorpolitischen Arbeit geopferte Semester den weiteren Lebensweg nicht entgleisen, sondern erst zu etwas Eigenem werden ließen, so scheint dies heute unmöglich zu sein. Dieses sehr genaue Abwägen, welches Wochenende dem Idealismus, welches der Freundin, welches der Seminararbeit und welches der Erholung zu widmen sei, hat etwas beindruckend Reifes und niederschmetternd Spießiges an sich. Gründliche Leser sind darunter, erstaunlich gebildete junge Leute. Und vielleicht tut man ihnen Unrecht, wenn man an ihnen vor allem viel Lauwarmes wahrnimmt.
Wahrscheinlich ist doch, daß sie die Koordinaten 1 bis 3 zur Kenntnis genommen und durchdacht haben: Ist nicht irgendwann bereits jeder verdächtig, der Bücher sammelt, mit den Namen Jünger, Schmitt, Mohler, Heidegger, Gehlen, Nolte etwas anzufangen weiß und bei amazon.de ein Interessenprofil hinterlassen hat, das ihm ständig Neues aus Berlin, Graz und Schnellroda empfiehlt?
Dies alles hat bereits dazu geführt, daß echte Alternativen von rechts, gespeist aus radikalem, also an die Wurzel gehendem Denken, mit weit größerer Wahrscheinlichkeit als früher in einer Sackgasse münden. Was möglich bleibt, ist die Äußerung eines Unbehagens an der Entwicklung des ein oder anderen politischen Teilbereichs. Nur wer sich an diese Spielregel hält, wird zulegen können. Leider aber weiß man, daß das, was zur Mitte strebt, ohne zuvor das Gegenteil davon gewesen zu sein, nicht besonders interessant sein kann.
(Dieser Text ist die Nr. 1 einer dreiteiligen, losen Zusammenstellung aus Heft 56 der Sezession: Metapolitische Unterweisung (II) stammt aus der Feder Armin Mohlers – er schrieb 1954 einen Brief an Ernst Jünger, in dem er diesem mit seiner über allem Politischen schwebenden Haltung nachwies, daß er letztlich doch eminent politisch sei; Manfred Kleine-Hartlage steuert dann die Metapolitische Unterweisung (III) bei: Sein Text ist eine direkte Antwort auf Karlheinz Weißmanns Geduld-Ratschlag aus der 55. Sezession. Wer also mehr lesen möchte, sollte Heft 56 erwerben.)
Unke
Das Thema ist durch.
Jetzt kann die - offenbar schweigende, angeblich konservative - Mehrheit an der Basis zeigen, ob sie den Weg zur Systempartei aufhalten kann. Es zählen keine Ankündigungen hier... sondern Ergebnisse! Also: nehmt die Metzger aufs Korn und schlagt sie mit ihren Wafffen, wühlt, zieht Fäden etc.; macht Parteiarbeit!