Grundsätzlich ist es so, daß Journalisten, die uns nicht wohlgesonnen sind, verknüpfend-denunziatorisch schreiben: Es gibt immer etwas, das sich in einen gefährlich klingenden Zusammenhang stellen läßt, es gibt einen, der einen kennt, der etwas von jemandem las, der noch nicht geläutert ist. Man deutet dies an, deckt es auf, stellt dies oder jenes nebeneinander, zieht vielleicht gar keine Schlüsse, legt aber den Schluß nahe, daß hier etwas im Gange sei, vor dem gewarnt werden müsse.
1. Fundstück: Auf dem 2. zwischentag war unter anderem der Italienische Publizist Gabriele Adinolfi zu Gast. Er konnte – moderiert von mir – zwanzig Minuten lang seinen Think-Tank vorstellen – Centro Studi Polaris heißt diese Institution. Gabriele Adinolfi hatte 1976 die neofaschistische Organisation Lotta Studentesca gegründet, die sich später in Terza Posizione umbenannte.
Von dieser Gruppe lösten sich einige Extremisten und gründeten die terroristische Vereinigung Nuclei Armati Rivoluzionari. Diese Gruppe wurde für einen Anschlag am Bahnhof von Bologna verantwortlich gemacht, bei dem rund 80 Passanten starben. Man verhaftete in der Folge präventiv alle, die in irgendeiner Nähe zu dieser Terrorgruppe gestanden hatten. Von diesen rund 30 in Untersuchungshaft genommenen Neofaschisten waren 1981 alle wieder auf freiem Fuß. Die vermeintlichen Attentäter, die ihre Beteiligung bis heute bestreiten und die nicht aus der Gruppe Adinolfis stammen, wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt.
Adinolfi entzog sich der Verhaftung, indem er für zwanzig Jahre nach Frankreich ins Exil ging. Er mißtraute der italienischen Justiz und interpretiert nach neuen Erkenntnissen heute mehr denn je die extreme Gewaltbereitschaft linker und rechter Extremisten in Italien ab Mitte der 70er Jahre als geheimdienstdurchdrungene gezielte Überhitzung der Atmosphäre im Rahmen der sogenannten Strategie der Spannung. Deren Aufdeckung führte zu einer Neubewertung etlicher Attentate auch in Italien.
Daß alle ähnlich präventiv verfolgten Mitglieder seiner Gruppe rasch wieder auf freiem Fuß waren, änderte nichts daran, daß Adinolfi das Exil vorzog. In Frankreich arbeitete er weiterhin metapolitisch-theoretisch, inspiriert vor allem durch Alain de Benoist und dessen GRECE, dessen Werke in der edition jf erscheinen.
Adinolfi war also nie ein Terrorist, auch nicht der Theoretiker hinter einem terroristischen Arm. Für mich war diese Frage nach einem Besuch in Italien und einem ausführlichen Gespräch geklärt. Da war beispielsweise Horst Mahler – der zu langer Haftstrafe verurteilte Mitbegründer der RAF – ein ganz anderes Kaliber. Als er zu seinem Sturzflug durch unser Milieu ansetzte und sich durch die ein oder andere Zeitung seltsam hofiert sah, begriff ich den Kitzel nicht, den mancher in der Nähe dieses Mannes empfand. Mahler – ein Linksterrorist, anscheinend irgendwie vom alten Weg abgekommen, aber noch immer ungebrochen radikal und hegelianisch beseelt. Jedem halbwegs belesenen Rechten mußte klar sein: Das ist keiner von uns, der wird nie einer von uns, der gondelt nur vorbei, gibt gleich wieder Vollgas und wird diesmal an der gegenüberliegenden Seite an die Wand fahren. So kams.
Adinolfi also. Ich moderierte zwanzig Minuten lang auf dem “zwischentag” die Präsentation seines Instituts und stellte auch noch zwei Fragen zu Bologna. Wie faßte das die Presse auf?
Eigentlich hätte der einst militante und wegen des Verdachts des Rechtsterrorismus gesuchte Faschist Gabriele Adinolfi der Star des Tages sein sollen,
schreibt die Jungle-World. Das ist sachlich richtig bis auf einen klitzekleinen Punkt: Als Star war Adinolfi nie geplant, sonst hätte er beispielsweise den Abendvortrag halten dürfen oder wäre zentral am frühen Nachmittag angesetzt worden. Außerdem hätten wir ihm einen eigenen Stand gegönnt. So aber war er da, hat sich umgesehen, sein Institut vorgestellt, das häßliche Berlin besichtigt und ist wieder gefahren.
Auch die Berliner Zeitung hält Adinolfi für den Stargast und kommt nach zwei, drei Absätzen zum Punkt:
Stargast Adinolfi steht dabei auch für den Versuch, europaweite Verbindungen zu etablieren. Er ist eine schillernde Figur, vor mehr als drei Jahrzehnten stand er rechtsterroristischen Kreisen in Italien nahe, denen im Jahr 1980 ein Bombenanschlag auf den Bahnhof Bologna mit 85 Toten zugeschrieben wurde. Weil auch gegen ihn ein Haftbefehl vorlag, ging er für 20 Jahre ins französische Exil. Adinolfi bestreitet bis heute, zu den Tätern zu gehören.
Dies ist nicht unsauber recherchiert. Daß der Stargast neun Zehntel der Messezeit unerkannt mit seinem Kaffee an einem Tisch saß, ist im Nachhinein bedauerlich. Wann je ist nämlich ein Star vor Ort?
Nun noch zur Wochenzeitung für Debatte, die sich zunächst an der nicht wirklich erhellenden Diskussion über den “volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff” der Deutschen Burschenschaft abarbeitet, um dann ins Zentrum der Kritik vorzustoßen:
Und Gabriele Adinolfi? Der Auftritt des italienischen Publizisten und Vordenkers des neofaschistischen Projekts Casa Pound hatte im Vorfeld für Aufsehen gesorgt. Ihm wird angelastet, 1980 in einen Anschlag in Bologna verwickelt gewesen zu sein, bei dem 85 Menschen starben.
Ob der Redaktion klar ist, daß “in einen Anschlag verwickelt” etwas bedeutend anderes ist als (um noch einmal die Berliner Zeitung zu zitieren) “rechtsterroristischen Kreisen in Italien nahezustehen”? Man weiß es nicht.
Einem Haftbefehl entzog er sich durch eine Flucht nach Frankreich.
Das stimmt.
Kubitschek bittet den 59jährigen, in paar Worte zu den Vorwürfen zu verlieren. Adinolfi will dazu nicht viel sagen. Eine Verantwortung für die Tat weist er von sich.
Auch das ist korrekt wiedergegeben.
2. Fundstück: Die “Wochenzeitung für Debatte” bleibt am Ball und gräbt den ungarischen Jobbik-Politiker Márton Gyöngyösi aus. Er war als Gast auf Einladung des Arktos-Verlags auf dem “zwischentag” und meldete sich während einer Diskussion über das “Junge Europa” (von rechts natürlich) zu Wort. Er sprach auf englisch, ein Übersetzer war zwischengeschaltet, das ganze dauerte eine gute Viertelstunde, und der Moderator Felix Menzel entschied sich, Gyöngyösi ausreden zu lassen, weil das, was er über das Selbstbewußtsein Europas zu sagen hatte, das Herz der Zuhörer bestürmte und eroberte.
Die “Wochenzeitung für Debatte” indes findet:
Auch bei Márton Gyöngyösi bleiben Fragen offen.
Welche?
Daß Gyöngyösi in der Vergangenheit vor allem durch antisemitisch kritisierte Reden auf sich aufmerksam gemacht hat, erfahren die Zuhörer nicht. 2012 hat er gefordert, Juden, die für den ungarischen Staat arbeiten, registrieren zu lassen. Später hat er sich für die Äußerung entschuldigt. Er habe damit nur ungarische Juden mit einer israelischen Staatsangehörigkeit gemeint.
Die Wendung “antisemitisch kritisierte Reden” ist verdächtig: Wer kritisiert aus welchem Grund die Reden von Márton Gyöngyösi und bezeichnet sie als antisemitisch? Eine Antwort gibt Gyöngyösi selbst, sie ist hier nachzulesen.
Natürlich hat auch die Jungle-World die Anwesenheit Márton Gyöngyösis zum Thema gemacht, im Tenor nur wenig schärfer als die “Wochenzeitung für Debatte”:
Es ist der ungarische Parlamentsabgeordnete Márton Gyöngyösi von der Nazipartei Jobbik, der dem von Querdenkern ermatteten Publikum klare Ansagen aus der völkischen Demokratie Ungarns auf den Weg gibt. In geschliffenem Englisch ruft er die europäische Rechte dazu auf, die nationale Souveränität wiederherzustellen und den Kontinent vom westlichen System abzukoppeln. Die Tragödie des Abendlandes habe mit der Aufklärung begonnen und es sei nun an der Zeit, gegen Republikanismus, Liberalismus und Gleichheit alte Werte wie Monarchie, Spiritualität, hierarchische Ordnung und nicht zuletzt Opfer und Selbstopfer zu setzen. Das Publikum quittiert diese Kampfansage an den bürgerlichen Liberalismus mit dem stärksten Applaus des ganzen Tages. Gyöngyösi ist bekannt für seine klaren Feindbestimmungen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Jobbik forderte im November 2012 anlässlich der israelischen Militäroperation gegen die Hamas, die Juden Ungarns – später relativierte er: Bürger mit ungarischem und israelischem Pass – gesondert zu erfassen, weil diese ein »Sicherheitsrisiko« darstellten.
Ich fasse den Tenor zusammen: Der Abgeordnete der (Nazi)-Partei Jobbik skizziert dem der Komplexität der Wirklichkeit müden Publikum den simplen Heilsweg und verweist qua persona im Subtext auf den Feind der Gesundung – wenn das zwei Zeitungen zeitgleich feststellen, wird daraus ein DummDumm-Geschoß, dem man kaum ausweichen kann.
Ernsthaft: Márton Gyöngyösi hat zuhause im ungarischen Parlament die alte Frage nach der Loyalität im Zeitalter offener Grenzen gestellt. Diese Frage wird in Deutschland nicht explizit, aber implizit in Polizeikreisen und in der Bundeswehr natürlich auch aufgeworfen: Inwiefern ist der moslemische Unteroffizier im islamischen Einsatzgebiet zweifelsfrei loyal? In den USA gab der ein oder andere Bewaffnete bereits eine blutige Antwort auf diese Frage. Und daß sich derlei Loyalitätsfragen auf der Ebene hoher politischer Beamter oder mächtiger Wirtschaftsführer mit doppelter Staatsbürgerschaft ebenso stellen, ist eine Binsenweisheit.
Aber dies alles war nicht das Thema des Márton Gyöngyösi, als er sich auf dem “zwischentag” erhob, um ein paar Minuten lang zu reden, und es war nicht mein Thema, weil ich in solchen Fällen Carl Schmitts Rat folge und gewisse Fragestellungen nicht akzeptiere – solche nämlich, die denunziatorischen Charakter haben und anscheinend immer dann im Raume stehen, wenn sich jemand moralisch aufschwingen will.
3. Fundstück: Wir hatten zwei Foren auf dem “zwischentag”, ein politisches und ein kulturelles. Insgesamt wurde also zwei mal sieben Stunden geredet. Adinolfis Anteil betrug 20 Minuten, und ich bin großzügig: Gyöngyösis Anteil auch. Das sind 40 Minuten von 14 Stunden, mithin rund ein Zwanzigstel der Zeit. Beide hatten keinen Stand. Im Beitrag der Jungle-World nimmt die Berichterstattung über die beiden Ausländer ungefähr ein Siebtel, in der Berliner Zeitung Adinolfi allein ein Fünftel ein, Gyöngyösi kommt nicht vor. Die “Wochenzeitung für Debatte” indes verbraucht ein knappes Viertel für die Enttarnung des fragwürdigen ausländischen Besuchs.
Für die Besichtigung und Würdigung der verbleibenden gut 13 Stunden Debatte und der knapp 40 Aussteller blieb den Journalisten also unangemessen wenig Platz, und der tendenzielle Verdacht bestätigt sich: Die Jungle-World beschränkt sich auf die Schilderung einer mißglückten Romanlesung und die Berliner Zeitung knöpft sich ein patriotisches Modelabel vor.
Die “Wochenzeitung für Debatte” hat bereits mehr Platz verbraten, sie erwähnt nur abstrakt die Zahl der Aussteller, keinen einzigen Messestand konkret, und von den Debatten nur die beiden Fundstücke und die Fragerunde zur Deutschen Burschenschaft. Keine Silbe über die Diskussion zu den konservativen Wurzeln der Ökologie, nichts über die hochkarätig besetzte Runde zur Massenuniversität, zu den Verlagspräsentationen, zur Frage nach dem Wagnerjahr, zur Intensivierung der Belletristik, zu den ausstellenden Künstlern – und auch nichts (man glaubt es kaum) zu der von Karlheinz Weißmann konzipierten Tafelausstellung “Die Konservative Revolution in Deutschland” und zu seinem Abendvortrag “Metapolitik und Politik”, mit dem sich die Redezeit übrigens auf 14,5 Stunden erhöhte und der die Veranstaltung noch einmal prägte (tatsächlich habe ich seither Fragen nach diesem Manuskript erhalten, keine jedoch nach Manuskripten der beiden Fundstücke).
Ich muß – bevor ich zum 3. Fundstück komme – sagen, daß ich auf einer anderen Messe war, nicht auf jener, die von den Journalisten der erwähnten Organe besucht wurde. Meine Messe war eine interessante Gemengelage aus mehr oder weniger professionellen Verlegern, Publizisten und Künstlern, aufgedrehten Aktivisten, gut besucht mit über 750 Gästen und dadurch reich an kurzen, guten Gesprächen.
Die “Wochenzeitung für Debatte” pickte sich für ihren Beitrag jenes halbe Dutzend NPD-Leute heraus, das auch anwesend war, mithin rund 0,7 Prozent der Besucher – nicht also jene geschätzt 5 Prozent AfD- und 7 Prozent CDU-Mitglieder oder den überwältigenden Teil der Nicht-Mitglieder, die – gute metapolitische Tradition – ihr Herz und das halbe Gehirn nicht an eine Partei verschenken.
Es versteht sich von selbst, daß sich die Jungle-World und die Berliner Zeitung ebenfalls auf die bloße Anwesenheit des rechten Randes stürzte, aber damit mußte man rechnen. Zum Glück haben wir im Vorfeld entschieden, keinen Veranstalter zuzulassen, der Parteinähe hat oder im VS-Bericht als extremistisch eingestuft wird. Eigentlich wollten wir die bloße Erwähnung durch den Verfassungsschutz zum Kriterium machen, besannen uns dann aber darauf, daß wir so vor Jahren der einen oder anderen Zeitung den Zutritt zum Tresen hätten verwehren müssen, zu der wir selbstverständlich loyal standen, als sie für uns alle noch ein Kontaminationsrisiko war.
Diese Zeiten sind glücklich vorbei.
Sascha
Dissens zwischen JF und Sezession? Was solls. Damit kann man leben.
Die Linken waren ja traditionell aufgespalten in viele kleine K-Grüppchen. Langfristig waren sie damit erfolgreicher als die Italiener mit einer riesigen einheitlichen Kommunistischen Partei.
Und überhaupt steht die Frage, ob größere Organisationen heute noch sinnvoll sind. Wenn man nicht militärisch die Macht erringen will, bleiben einzig und allein demokratische Wahlen. Nur, braucht man dazu noch klassische Parteien? Grillo macht es vor, es geht auch ohne. Ron Paul ist zwar formal Republikaner, aber im Grunde doch ganz was anderes, und die Ron Paul Revolution ist nichts republikanisches sondern libertär.
Der Waldgänger braucht eh keine konservative Einheitspartei.