Gibt es einen Denkzettel für die EU oder bahnt sich gar ein „Szenario des Umbruchs“ für ein anderes Europa an? In Frankreich liegt der Front National (FN) in aktuellen Umfragen zur Wahl im nächsten Jahr an der Spitze. 24 Prozent der Franzosen wollen der Partei von Marine Le Pen ihre Stimme geben. Ähnlich gute Ergebnisse werden auch der FPÖ in Österreich und Nigel Farage mit seiner United Kingdom Independence Party (UKIP) zugetraut. Die UKIP könnte bei Umfrageergebnissen von rund 25 Prozent ebenfalls stärkste Partei in ihrem Land werden. Farage will damit ein „Erdbeben in der britischen Politik“ auslösen.
Angesichts vieler weiterer starker „euroskeptischer“ Parteien wie der „Wahren Finnen“, des belgischen Vlaams Belang, der niederländischen Partei für die Freiheit von Geert Wilders, der italienischen Lega Nord, der ungarischen Jobbik-Partei, der bulgarischen Ataka sowie linken und rechten Protestparteien in den südeuropäischen Krisenstaaten zeigt sich die Elite der Europäischen Union ratlos. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), will sogar zensierend in den Wahlkampf eingreifen. Es dürfe keinen Wettbewerb geben, „ob man für oder gegen die EU ist, sondern wie man die EU steuert und gestaltet“.
Die belgische Forscherin Soetkin Verhaegen, die dazu auffordert, sich mit „Euroskeptizismus“ als einer Herausforderung zu beschäftigen, hat zu diesem seltsamen Demokratieverständnis die richtigen Worte gefunden: „EU-Politiker und ‑Institutionen wollen offensichtlich nicht nur, daß die Menschen überhaupt über Europa nachdenken, sie wollen auch entscheiden, was diese zu denken haben. Das ist Totalitarismus mit Indoktrination als Kommunikationsstrategie.“
Zum Glück ist der Einfluß von Schulz, worüber im Wahlkampf gestritten wird, begrenzt und so dürfte es diesmal (außer in Deutschland?) zur Debatte über die „heißen“ Themen kommen. Neben der Euro-Krise drehen sich die Diskussionen um Bürokratie, die Folgen der Armutseinwanderung aus Rumänien und Bulgarien sowie den Flüchtlingsansturm aus Afrika und dem Nahen Osten.
Gerade bei diesen Themen kollidiert der Utopismus der EU-Eliten mit der harten Wirklichkeit. So äußerte etwa der EU-Sozialkommissar László Andor unlängst die Meinung: „Die große Mehrheit der Rumänen und Bulgaren arbeitet und trägt stark zum Wachstum Deutschlands bei, denn sie zahlt Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und gibt in Deutschland Geld aus.“ Richtig ist hingegen, daß der deutsche Sozialstaat und insbesondere die Kommunen mit den Belastungen durch die Einwanderung von Sinti und Roma zu kämpfen haben. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn warnt energisch: „Wenn wir nichts tun, opfern wir den Sozialstaat.“
Auf Wahlen als Motor für Veränderungen zu hoffen, ist jedoch trotz der guten Aussichten für konservative, rechte und Protestparteien zur Europawahl 2014 zu wenig. Aus diesem Grund haben Philip Stein und ich ein kleines Büchlein mit dem Titel Junges Europa. Szenarien des Umbruchs geschrieben. Darin diskutieren wir acht Szenarien, wie der Verfall Europas gestoppt werden könnte. Über das bekannte Euro- und EU-Bashing hinaus, das aus Kreisen kommt, die einzig und allein an der Wahrung ihres eigenen Wohlstandes interessiert sind, kritisieren wir die EU als ein seelen‑, identitäts- und geschichtsloses Wesen. Mit den Ideen des spanischen Philosophen José Ortega y Gasset, dem „Dekan der Europa-Idee“, sowie dem italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Mazzini (1805−1872), dem Gründer des Geheimbundes „Junges Europa“, skizzieren wir statt dessen die positive Vision eines „Europas der Völker“.
Am Montag, den 28. Oktober 2013, stelle ich dieses Büchlein nun auf Einladung der pennalen Burschenschaft Saxonia-Czernowitz in München vor. Beginn der Veranstaltung ist 20 Uhr auf dem Haus der Burschenschaft Danubia (Möhlstraße 21, 81675 München). Um besser planen zu können, wäre es schön, wenn Sie sich kurz für den Vortrag unter [email protected] anmelden.
Hier geht es zum Büchlein Junges Europa. Szenarien des Umbruchs im Antaios-Buchladen.
Hartwig
"... und so dürfte es diesmal (außer in Deutschland?) zur Debatte über die „heißen“ Themen kommen."
Außer in Deutschland? Gute Frage. Im Lande des Karl Marx wird der liberale und globalisierte Kapitalismus perse einer politischen Strömung zugerechnet, die allgemein als rechts gesehen wird. Die Großkonzerne, die Medienmogule, die Banken, kurzum die herrschende Klasse oder im Volksmund Bonzen - von je her von links bekämpft. Die Antwort des deutschen Protestpotentials fällt dadurch gemeinhin links aus.