der es für heikel befand, wenn ein „Rechtsextremer“ trotz seiner politischen Einstellung geliebt werde. Mir ist dazu – dies nur als als Aperitif – eine Anekdote aus dem vergangenen Jahrtausend eingefallen.
Ort: Kickersstadion in Offenbach, Zeit: Halbzeit. Ein Typ, den ich eher flüchtig kannte, Metzgerlehrling damals, schlängelt sich auf Block zwei zu mir durch, Bierbecher in der Hand.
„ Samma, Ellen. Issen blöder Ort hier, aber ich muß dich das jetzt mal fragen. Man hört so, du wär´st in echt rechts… Blöde Frage vielleicht, aber: Was issen dran am Gerücht? “
Ich nicke, leicht zögernd (man weiß ja und wußte bereits damals, wie mißverständlich die Selbstverortung „rechts“ sein kann): „J‑oah, schon. Wieso eigentlich?“
Der Typ hatte sich anscheinend bereits im Vorfeld Gedanken gemacht und war auf ein tolles Szenarium gekommen:
„Okay. Rechts. Sagst du. Und jetzt frag ich mal: Angenommen, da käm einer, der wär pechschwarz. Und du würdest dich voll in den verlieben. Und er sich in dich. Und dann würdest du dem im Ernst sagen: Sorry, geht leider nicht, denn meine politische Einstellung steht dem entgegen. Ja?“
Der Typ, selbst physiognomisch ein Boris-Becker-lookalike, guckte mich halb fröhlich, halb besorgt an. Er hatte, seiner Meinung nach, direkt den Knackpunkt erwischt. Während ich nach einer fundierten Antwort grübelte, kamen die Trommler mit Überbreite aus den oberen Rängen die Treppe herunter und rempelten uns an. Das Bier ergoß sich über meinen Bekannten, und die Frage wurde wegen der höheren Dringlichkeit des nassen Jacke (es war Winter) vertagt, bis heute.
Jaja, Liebe & Politik: eine Sache mit vielfältigen Nuancierungen. Der sachkundige Dr. Sommer, den Lichtmesz aufgetan hatte, meinte ja, politische Fragen seien in Liebesdingen nicht so wichtig,
mit einer Grenze: Eine politische oder religiöse Einstellung, die Menschen ihren Zielen unterordnet
Insofern, unter diesem Maßstab, scheint mir der (anonym verfaßte) taz-Aufruf vom 26.10. 2013 eher prekär:
Einen Flüchtling heiraten!
Die leidenschaftlich politische Anonyma schreibt in ihrem Hauptartikel, verzweifelt angesichts des Flüchtlingloses auf Lampedusa und hierzulande:
Dann fasste ich einen Entschluss: Wenn die Politiker in meinem Land den Asylsuchenden nicht helfen wollen, dann mach ich es selbst: Ich heirate einen Flüchtling. Damit er hierbleiben kann. Auch wenn das verboten ist. Als Akt des zivilen Ungehorsams. Denn an der zynischen Flüchtlingspolitik, die Europa auch aufgrund der deutschen Haltung zu diesem Thema betreibt, wird sich unter einer konservativen Regierungsmehrheit auf absehbare Zeit nichts ändern. Natürlich bin ich nicht die Erste, die auf diese Idee kommt. Aus politischer Überzeugung geschlossene Ehen haben in linken Kreisen eine gewisse Tradition. Erhebungen dazu gibt es – wie zu erwarten – nicht. Die meisten binationalen Paare heiraten zwar möglicherweise auch wegen des Aufenthaltsstatus, aber eben nicht nur, sondern weil sie einfach gern zusammen sein und ‑bleiben möchten. Oft ist der Vorwurf der „Scheinehe“ also nur eine Unterstellung der Behörden. Fest steht aber auch, dass es Paare gibt, die so eine Heirat ähnlich sehen wie ich: als Mittel zum Zweck. Als Hilfe in der Not. Und als politisches Statement gegen eine herzlose Politik, der sie nicht zustimmen.
Ich mußte sofort an Mary denken. Mary kam aus Nigeria, illegal. Eine selbstlose Patchwork-Familia hatte sie in Deutschland aufgenommen, ihr Herberge geboten. Das war nicht rechtens. In ihrer Not nahm die zweifellos sehr hübsche Mary das Angebot von Olaf an, sie zu ehelichen. Zum Schein. Leider war Olaf ziemlich rechts, auf eine in der Tat unschöne Art rechts. Olaf nutzte Marys Zwangslage weidlich aus, er ließ Mary in seinem Laden schuften, ließ die Schein-Schwiegermutter auf die gutherzige Afrikanerin los, erschlich sich letztlich Geschlechtsverkehr. Irgendwann griff Mary, das arme Stück Mensch, zur Geflügelschere und trennte Olaf von seinem sogenannten besten Stück. Damals dürfte keiner der Zuschauer dieser Szene Mitleid mit Olaf empfunden haben, Olaf war definitiv ein Schwein. So war das damals, in der Lindenstraße.
Im realen Leben werden Scheinehen a) eher gegen cash und b) meistens unter umgekehrten Geschlechterverhältnissen geschlossen. Die selbstaufopfernde taz-Anonyma klagt:
Auch als Geschäftsidee wurde diese Form der Einbürgerung längst entdeckt. Zwar gibt es hierzu ebenfalls keine Statistiken, aber es ist anzunehmen, dass ein paar Leute mithilfe arrangierter Ehen ganz gut an der Not anderer verdienen – wie immer, wenn es irgendwo einen Schwächeren gibt, der auf Hilfe angewiesen ist und dem keine andere Wahl zu bleiben scheint. „Man hört von Summen zwischen 5.000 und 10.000 Euro, die Flüchtlinge für so eine Schutzehe bezahlen“, sagt die Mitarbeiterin einer Beratungsstelle für Migranten.
Die Heiratslustige taz-Schreiberin könnte wissen, daß sie für ihren blindlings aus politischer Solidarität angepeilten Ehepartner fortan unterhaltspflichtig wäre. Aber nein, dieses Szenario ist vernachlässigbar, stattdessen:
In dieser Verbindung ist der Asylsuchende maximal abhängig und dadurch erpressbar. Das zeigt schon die massive Diskrepanz in den Konsequenzen, die eine enttarnte „Scheinehe“ für die Heiratswilligen hat. Während der Asylsuchende sofort jeglichen Status verliert und mit Abschiebung rechnen muss, kommt der deutsche Partner in der Regel mit einem Bußgeld davon. „Scheinehe ist juristisch nicht nachweisbar“, sagt die Expertin. „Deshalb wird das Verfahren, das auch dem deutschen Partner droht, mithilfe einer guten Rechtsberatung meist fallen gelassen. Ein solch asymmetrisches, ja geradezu kolonialistisches Verhältnis besteht auch dann, wenn ich meinen Plan weiterverfolge. Heirate ich einen Flüchtling – selbstverständlich ohne dafür Geld zu verlangen –, ist er danach trotzdem von mir abhängig. Er ist auf meine Hilfe angewiesen, auf meinen guten Willen und darauf, dass ich es mir nicht irgendwann anders überlege.Ist das ein Grund, es nicht zu tun? Meine pragmatische Antwort lautet: Nein. Verzichte ich aus moralischen Überlegungen auf meinen Plan, ist auch keinem geholfen. Man wird dieses Abhängigkeitsverhältnis später mit dem Angetrauten thematisieren müssen, um es so milde und erträglich wie möglich gestalten zu können.
Die taz-Braut in spe sieht sich, was ihr eigenes Gewissen in dieser Sache angeht, in guter Gesellschaft:
Wahrscheinlich sind ganz viele Ehen, vor allem die, die schon ein paar Jahre dauern, Scheinehen. Man ist verheiratet auf dem Papier, aus wer weiß was für Gründen, womöglich um den Anstand zu wahren oder aus Bequemlichkeit, vielleicht auch für Status und Geld. Dagegen hat niemand etwas, kann niemand etwas haben. Wenn ich aber meinen Status, nämlich meinen Aufenthaltsstatus, mit jemandem teilen möchte, weil ich Glück hatte und in Europa zur Welt kam, ein anderer aber nicht, dann wird das geahndet.
Deshalb muss ich mir eine Geschichte ausdenken und werde lügen, um ein politisches Ziel, das sich auch einige Parteien ins Programm geschrieben haben, zu erreichen. (…)Wir werden uns gemeinsam in einer Wohnung anmelden und dort eine zweite Zahnbürste, Kleidung und persönliche Gegenstände deponieren, falls jemand vom Ordnungsamt vorbeikommt, um zu überprüfen, ob wir auch wirklich zusammenleben. Und wir werden hoffen, dass jemand zu Hause ist, wenn das passiert, damit die Beamten nicht die Nachbarn befragen. Drei ganze Jahre lang. Erst danach erhält mein Mann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, und wir können das Theater beenden.
Man sieht und staunt: Das „Theater“ um Liebe, Ehe et al. hält vielerlei Facetten parat.
Die Leserkommentare sind grosso modo skeptisch. Rechtsanwältin Christine Rölke-Sommer wiegelt in ihrem Kommentar solche Bedenken ironiefrei ab:
och, ich schätze mal, auch solch ein gatte (of all three+x sexes) läßt sich steuersparend zum einsatz bringen. ich sag nur: ehegattensplitting. außerdem darf der ja arbeiten, ganz legal. und eine bereicherung für die küche sind die oft auch noch!
Seltsam, daß mir dabei der berühmte Sarotti-Mohr durchs Hirn saust. Merkwürdige Vision: Daß es in bestimmten Kreisen als chic gelten könnte, sich einen Flüchtling zu halten, als Gespons in den Laken, als Küchenhelfer, als Steuersparmittel. Vermutlich muß man die schrägen Gedanken sausen lassen. Jedem Tierchen sein Pläsierchen, so ist es doch. Und wenn der politische Heiratsgedanke, also der Ansatz, daß sich für jeden Flüchtling ein persönlich Haftbarer und Verantwortlicher fände, weit um sich griffe – es wäre nicht der schlechteste Ansatz.
Martin
Meine Beobachtungen aus der Provinz:
Ich arbeite in einer westdeutschen Studentenstadt. Ich sehe sie mehr oder weniger täglich beim Kaffee um die Ecke, all die jungen Herren, mit vorwiegend nordafrikanischer Herkunft und wie sie meist die eine oder andere Studentin oder aber eine Frau mit oftmals rot gefärbten Haaren um die 40 "bei sich" haben (selbstredend immer eine deutsche - sehr gerne auch in Begleitung der "besten Freundin" oder der "Freundinnen"). Die Damen sind alle so fürsorglich, die Herren meist wortkarg und dabei so nett - alternativ: Er charmant und zutextend, sie aufschauend und hingebungsvoll.
Es muss Liebe sein, mindestens bei einem der Beteiligten. Ist es nicht schön romantisch, eine Liebe "against all odds" zu haben (und schon höre ich Phil Collins weinen), fürsorglich zu sein und dabei auch noch jemandem wirklich helfen zu können?
Scheinehen werden das nicht werden, nein, die meinen das Ernst ...
Da kann man nur ganz offen sagen: Viel Glück!
PS: Den Kaffee zahlen mehrheitlich die Damen ...