Günter Maschke, dieser eminent belesene Renegat, sieht sich in einem seiner grundsätzlichen Urteile immer dann bestätigt, wenn sein Gesprächspartner mit Anspielungen auf Bücher, Figuren, Verse nichts anzufangen weiß: »Die Rechte liest nicht, vor allem liest sie keine Romane.« Das sind schlechte Aussichten für Verleger, die in Romanen und Erzählungen nicht nur die sinnvolle, sondern sogar die unverzichtbare Ergänzung geistiger Welterschließung sehen.
Günter Maschke hat selbst einmal eine literarische Reihe herausgegeben: Die Edition Maschke erschien im Verlag Hohenheim und versammelte Titel wie Horst Langes Ulanenpatrouille oder Ernst Kreuders Herein ohne anzuklopfen. Eingestellt wurde das 1979 begonnene Projekt bereits drei Jahre später, als Maschke Carl Schmitts Schriften Der Leviathan sowie Land und Meer erscheinen ließ und dabei anscheinend mit seinem Nachwort eine rote Linie überschritt: Es scheint vor dreißig Jahren schwierig gewesen zu sein, Schmitt zu zitieren.
Derzeit ist die Basis für die konservative Intelligenz (deren Geschichte nach 45 doch recht kurz und ziemlich langweilig ist) solider denn je: Es gibt eine Wochenzeitung mit hohem Verbreitungsgrad, zahlreiche Verlage und eine tolle Zeitschrift. Was es bisher nicht gab: einen Ort für Belletristik. Die edition nordost, die innerhalb des Verlags Antaios erscheint, hat nun begonnen, diese Lücke zu schließen, und der erste Doppelpack scheint exemplarisch zu sein für das geplante Programm: eine Mischung aus Neuem und Wiedergefundenem.
Erstmals in deutscher Sprache liegt nun der Roman Sieben Reiter verließen die Stadt aus der Feder des französischen Schriftstellers Jean Raspail vor. Raspail ist in Deutschland bekannt als Verfasser des Untergangsszenarios Das Heerlager der Heiligen, und nicht weniger Untergangsstimmung verbreiten die Sieben Reiter. Der Roman spielt in einem Fürstentum, vielleicht gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Handlung setzt zu einem Zeitpunkt ein, als die Zerrüttung, die Zersetzung, die Auflösung aller Ordnung und jedes Anstands bereits stattgefunden haben. Sieben Pferde kann der Fürst entbehren, sieben ‑Reiter sendet er aus, um zu erfahren, ob es im Land noch Widerstands-nester oder sogar Hoffnung gäbe. Entscheidend ist, daß dieser Ritt sich als Suche nach einem konservativen, rechten, reaktionären Traum entpuppt, dem sieben rechte Charaktere nachjagen: der militärische Führer, der Aktivist, der Kleriker, der Gescheiterte, der Urwüchsige, der Waldgänger, der Preuße. Jeder hat einen Traum, jeder erlebt und berichtet die Geschichte auf seine Weise, und das ebenso überraschende wie schockierende Ende zeigt, daß derlei Ritte vielleicht die einzige Möglichkeit sind, etwas von jener Größe wiederzugewinnen, die vollständig zerstört und verloren ist: Indem man schreibt oder liest, ist man in jenem Traum, dem das Schreiben und das Lesen gelten. Dies kann man wahlweise als Weltflucht, Unreife, Unbeirrbarkeit, Selbstsicherheit oder Trotz beschreiben, auch als Waldgang, oder eben als den erneuten Beginn von allem.
Wie das Ende von allem liest sich der zweite Band der neuen Edition: Hauptmann Pax von Joachim Fernau basiert auf einem Tatsachenbericht, der Germanist Burkhart Berthold hat das in seinem Nachwort dargestellt. Die Erzählung schildert den Ausbruch von rund einhundert deutschen Kriegsgefangenen, die sich im Sommer 1944 zur Truppe durchschlagen wollen. Fernaus Bericht ist beinahe ein Drehbuch. Dialoge wechseln mit
Szenenbildern, von denen einige immer wiederkehren: Hunger, Erschöpfung, Hoffnung, Streitsucht – vor allem aber der Verlust von Kameraden, die nicht mehr weiterkönnen. Der lapidare Ton Fernaus paßt zum Grundcharakter des Erzählten: Was getan werden muß, läßt sich nicht wegquatschen, und so ertragen Fernaus Figuren ziemlich stumm, »was kein Tier ertragen könnte«.
Die edition nordost hat an beiden Büchern Illustratoren arbeiten lassen. Für Hauptmann Pax griff der Fotorealist Ralph Oertel zum Stift, und die in Rußland lebende Künstlerin Kristina Zieber fertigte für Sieben Reiter szenische Zeichnungen an. Man kann nur hoffen, daß die Leser die Bedeutung der neuen Edition erkennen und dem Projekt mangels Lesebereitschaft kein frühes Ende bereiten.
Denn die Planungen reichen weiter. Unter anderem, hört man, hat ein Autor erste Proben eines Romans über jenes Milieu eingereicht, dem auch die Sezession entstammt – er soll Anfang nächsten Jahres erscheinen.
OJ
Ich kann den Einwurf, es fehle dem heutigen (rechten) Leser an Nähe zum geschilderten Erleben insb. bei Hauptmann Pax nicht nachvollziehen. Es geht dort doch gerade nicht so sehr um den Krieg im eigentlichen Sinne - Kampfhandlungen usw. - sondern um das Ausharren unter widrigen Bedingungen. Dieses Thema ist doch losgelöst vom konkreten geschichtlichen Hintergrund "2. WK". Jeder, der auch nur ansatzweise mal entbehren musste - und sei es beim Bund während eines Winterbiwaks - kann sich da reinfühlen.