Leserfragen – öffentliche Antworten

Man bekommt ja allerlei Post, wenn man Bücher verlegt und eine Zeitschrift verantwortet. Manches verschwindet im...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Irren­ord­ner, man­ches wird beant­wor­tet, man­ches sam­melt sich auf der lin­ken, vor­de­ren Schreib­ti­sch­ecke zu einer Art Schicht­ku­chen an, weil die Zeit fehlt, auf jeden An- oder Ein­wurf zu reagie­ren. Neue Metho­de: öffent­lich ant­wor­ten, ohne Adres­sa­ten­nen­nung natür­lich. Wer liest, wird sei­ne Fra­ge wie­der­erken­nen, etwa die nach dem Grund­prin­zip einer Sezes­si­on oder dem Dilem­ma der Schuldzuweisung:

Abkehr 1 – Schon seit lan­gem lebe ich nicht mehr wirk­lich unter den Men­schen, mei­nen Zeit­ge­nos­sen, wie ich beto­nen möch­te, da ich weder an die Bes­se­rung der Gat­tung noch an die Unmit­tel­bar­keit des Glücks glau­be und mich die Expan­si­on der Gat­tung Mensch seit lan­gem erschreckt. Ich for­de­re nichts von mei­ner Zeit. Ich erwar­te nichts von irgend jeman­dem. Mir reicht es, die inne­re Distanz zu hal­ten, in der ich mich vor dem Men­schen sel­ber ver­schan­ze – in jener Form von Unan­tast­bar­keit oder in einer mini­ma­len Ethik, die die Stär­ke von Stein hat.

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Abkehr 2 – Dies muß unzwei­deu­tig aus­ge­spro­chen wer­den: Es gibt nichts, das ich mit einer der­ar­ti­gen Ste­tig­keit has­se wie die zeit­ge­nös­si­sche Gesell­schaft. Die­ser Haß erfor­dert mei­ne vol­le Auf­rich­tig­keit, mei­ne Kräf­te, mei­ne Lei­den­schaft für die Wahr­heit. Die­ser Gesell­schaft zu scha­den, ist mitt­ler­wei­le mein ein­zi­ges Anliegen.

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Anspruch 1 – Man darf sich nicht davon täu­schen las­sen, daß es die von Bau­de­lai­re so bezeich­ne­te „Tyran­nei des mensch­li­chen Ant­lit­zes“ ist, die ich am aller­meis­ten has­se, und daß sie für mich bis­wei­len die Gestalt des Ein­wan­de­rers annimmt; eben­die­se Tyran­nei übt schon seit lan­gem das Ant­litz des euro­päi­schen Men­schen an sich aus, der sei­ner selbst so müde gewor­den ist, daß er sich zum Skla­ven sei­ner eige­nen Wil­len­lo­sig­keit macht: sei­ner Weich­lich­keit, sei­ner Mit­tel­mä­ßig­keit, sei­nes klein­bür­ger­li­chen Grolls, sei­nes man­geln­den Schick­sals, des Fata­lis­mus, mit dem er dem Ein­wan­de­rer begeg­net, dem er sei­ne Belang­lo­sig­keit anver­traut (oder dem er sie vor­wirft, was auf das glei­che hinausläuft).

+

Anspruch 2 – Ich has­se die Men­schen in aus­rei­chen­dem Maße, um an dem rech­ten Maß fest­zu­hal­ten, das mir die­ser Haß ver­schafft; und ich schät­ze eini­ge von ihnen lei­den­schaft­lich genug, um die­sen Haß zu recht­fer­ti­gen. Und wenn ich von has­sen spre­che, dann han­delt es sich dabei vor allem um einen Hebel, der ver­hin­dert, daß ich in Ver­ach­tung oder Res­sen­ti­ment ver­sin­ke: die Rein­heit des Has­ses, mit­tels deren man die gesun­de Distanz ein­zu­neh­men und die Ein­sam­keit zu errei­chen ver­mag, in der der Abscheu, den die zeit­ge­nös­si­sche Welt in mir erregt, sich in Kraft verwandelt.

+

Zer­fall der Lage 1 – Nicht der außer­eu­ro­päi­sche Ein­wan­de­rer ist es, der die euro­päi­sche Kul­tur zer­stört; son­dern das Zusam­men­tref­fen von kul­tu­rel­ler Erschöp­fung und Markt­wirt­schaft. Den­noch ist offen­sicht­lich, daß die mas­si­ve Zuwan­de­rung durch Men­schen, die der grie­chisch-jüdisch-christ­li­chen Kul­tur voll­kom­men fern­ste­hen, wenn sie ihr nicht gar mit Feind­se­lig­keit begeg­nen, nicht ohne die Zer­stö­rung die­ser Kul­tur abge­hen kann. Genau­er gesagt hat das Kul­tur­we­sen die Kul­tur getö­tet, indem sie sich selbst verleugnete.

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Dop­pel­te Front 1 – Natio­nen? Nein, Her­den, die mit unter­schied­li­chen Brand­ma­len ver­se­hen und unter dem dop­pel­ten Hir­ten­stab des Rechts und des Markts in Rich­tung der ame­ri­ka­ni­schen Hori­zon­ta­li­tät getrie­ben werden.

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Dop­pel­te Front 2 – Ich will ein­fach nur den Alp­traum benen­nen, zu dem die Mas­sen­ein­wan­de­rung gewor­den ist, für die Ein­wan­de­rer genau­so wie für die Ein­hei­mi­schen, selbst wenn die­se sel­ber von frü­he­ren Ein­wan­dern abstam­men. Ein­wan­de­rung, wie auch immer man sie klas­si­fi­zie­ren mag (ob poli­tisch, öko­no­misch oder kli­ma­tisch moti­viert, ob legal oder ille­gal), ist nichts als ein Men­schen­han­del, bei dem mafiö­se Inter­es­sen sich mit jenen des inter­na­tio­na­len Kapi­ta­lis­mus treffen.

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Zer­fall der Lage 2 – Der Ein­wan­de­rer, der sich in Euro­pa nie­der­läßt, muß in sei­ner Wei­ge­rung, sich zu assi­mi­lie­ren, zwangs­läu­fig zum Sub-Ame­ri­ka­ner wer­den, ein min­der­wer­ti­ger Zustand, in dem sich ihm der Ein­hei­mi­sche in mime­ti­scher Ver­wir­rung anschließt. Die Sub-Ame­ri­ka­ni­sie­rung Euro­pas ist womög­lich nichts ande­res als sei­ne Verdrittweltlichung

+

Auf­lö­sung aller Din­ge – Die Unfä­hig­keit des klei­nen west­li­chen Indi­vi­du­ums, auf die Befrie­di­gung jedes noch so klei­nen Ver­lan­gens zu war­ten, ist ein Zei­chen der gesell­schaft­li­chen Infan­ti­li­sie­rung – die ihrer­seits ein tota­li­tä­res Attri­but ist: die kind­li­che (aber auch tera­to­lo­gi­sche) Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit als ers­te Stu­fe einer Ethik der Zerlumpung.

 

 

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (26)

Meyer

8. November 2013 13:43

"Die Unfähigkeit des kleinen westlichen Individuums, auf die Befriedigung jedes noch so kleinen Verlangens zu warten, ist ... Zerlumpung."

Die Unfähigkeit, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist bereits die Zerlumpung. Die Unfähigkeit Verantwortung für andere zu übernehmen, Kennzeichnet die Kinder: UNerwachsen, infantil.

Mein Unterlassen, mein Nichtentscheiden, mein Nichtwissen! Die Konsequenzen trage immer ich selbst. Beziehe ich in bei der Wissenserlangung, Entscheidung und beim Handeln andere in die Konsequenzen mit ein, übernehme ich Verantwortung.

Wieviele Menschen können das? Wieviele Menschen könnten es, sind aber unter den zerlumpenden Umständen dazu außer Stande? Viele sind es nicht, viele waren es nie.

Möchte man seiner nächsten Generation tiefe Erkenntnisse und Befähigungen übergeben (tradieren), die auch noch den Nachkommen ihrer Nachkommen zu einem souveränen Leben befähigen, stellt man sich zwingendermaßen außerhalb der Mehrheitsgesellschaft. Ein Wechsel von Isolation und Erlernen des Umgangs mit den Kontaminierten ohne sich selbst zu vergiften.

Gutmensch

8. November 2013 15:10

Donnerwetter!

Macht euch hart und erhaltet euch selbst für bessere Zeiten! (Vergil, Aeneis, Schiffbruch und Landung in Kathargo).

Gruß,

der Gutmensch.

Gustav Grambauer

8. November 2013 15:29

Urgesunde Haltung zum Leben. Nur in einer Hinsicht setze ich einen anderen Akzent.

"Und wenn ich von hassen spreche, dann handelt es sich dabei vor allem um einen Hebel, der verhindert, daß ich in Verachtung oder Ressentiment versinke"

Die Schule der Temperaturerhöhung, ich weiß schon. Aber nach meiner Erfahrung bindet Haß zu sehr an das Haßobjekt, und dies würde ich für mich als ein "Versinken" ansehen. Haß ist Nektar für Myriaden von Dämonen, die einen bisweilen tragen und bisweilen verschlingen. Ein Spiel mit psychischer Energie, wem`s gefällt ...

Allerdings: niemand außer drei, vier engsten Freunden, meiner Frau und meiner Verwandten ersten und zweiten Grades kennt die unerbittliche Wucht der Distinktion, die ich in mir trage bzw. die wir in uns tragen, die wir als diskrete Ratgeberin und Begleiterin im Alltag schätzen, und die uns (nicht) dahin führt, wo wir (nicht) hinwollen.

- G G.

Andreas Vonderach

8. November 2013 16:49

Wenn man in solch einer Stimmung ist, ist es besser von öffentlichen Gefühlsäußerungen abzusehen. Deine Frustration ist nachvollziehbar, Götz, aber ein solches Haß-Bekenntnis nützt niemandem.

Meiner Meinung nach gehört es zu einem konservativen, realistischen Menschenbild auch, an die Menschen keine unrealistischen Erwartungen zu haben.

Im übrigen findet sich in der Menge, wenn man mit einzelnen mal ins Gespräch kommt, mehr gesunder Menschenverstand, als es den Anschein hat.

Schopi

8. November 2013 18:46

zu Abkehr 1

Gegenfrage: Mein Vater ist 1940 mit 17 Jahren in den Krieg gezogen.
Mein Großvater war ungefragter Kriegsteilnehmer 1914-18.
Die "Unzulänglichkeiten" des Menschseins sind im Vergleich und vor allem individuell betrachtet durchaus noch steigerungsfähig.

Zwischenrufer

8. November 2013 19:00

In seiner grüblerischen, mir scheint: verbitterten Erdenschwere ist Kubitschek, den ich leider nicht persönlich kenne, tief in den Morast der heimischen Scholle gesackt. Chtonisch eben.
Auch Frau Kositza kenne ich nicht, aber ihre Kritik an Zeitgeist und -erscheinungen hat etwas, nun ja, Fröhliches, Herzerfrischendes, Liebenswürdiges, Weltzugewandteres. Mütter eben.
Für meinen "Geschmack" ist etwas viel von Haß die Rede. Wie wäre es mal mit ein wenig mehr (Selbst-)Ironie, die aber nicht gleich, wie bei Lichtmesz zumeist, ins ätzend Zynische kippt? Nun gut, Humor und Ironie kann man nicht herbeizaubern. Hat man oder hat man nicht. Ich vermisse fröhliche Haudegen wie Mohler, den ich leider auch nicht kennenlernen durfte. Vielleicht liege ich falsch.
Gibt es da Tendenzen zum Eskapismus?
Wohlwollender Gruß! (Ich habe 'ne Menge Sympathie, Zeit und Geld in die Edition Antaios investiert - und habe mir dennoch die Distanz zur steten Untergangsprophetie bewahrt. Habe ich also nicht, aber auch gar nichts verstanden?)

Revolte

8. November 2013 20:11

Verzeihen Sie es mir, Herr Kubitschek, aber während des Lesens fühlte ich mich mehrfach an Spenglers "Ich beneide jeden, der lebt" erinnert.
Ich bin mir nicht ganz schlüssig, ob ich diesen Text unter kämpferisch-renitent und bewusst wider die Massen oder unter nihilistisch-defätistisch abspeichern soll. Tönt einerseits sehr trotzig, andererseits auch etwas betrüblich. Das mag allerdings auch daran liegen, dass die Realität schlichtweg mit jedem Tag betrüblicher wird.

Fenris

8. November 2013 23:02

Lieber Götz Kubitschek!

Stünden wir in der Schlacht von Stirling würde ich Ihnen zurufen: "Hold!". Wir befinden uns bei 01:23, vielleicht 01:29 aber eben noch nicht bei 01:52.

Unsere Zeit kommt!

https://www.youtube.com/watch?v=rdlL65LD6I4

Waldgänger

8. November 2013 23:28

Schade, las gerade das die Antworten sind NICHT von GK sind. Aussage und Stil einfach groß, auf den Punkt gebracht, besonders Abkehr 2.

Rumpelstilzchen

8. November 2013 23:53

Diese Texte sind Ausdruck einer schweren Depression.
Nicht der Sinn ist erschöpft, sondern das Selbst ( Alain Ehrensberg).

Heinrich Brück

9. November 2013 01:14

Ich staune auch jeden Tag, an dem ich sehe wie Analphabeten gegen
Akademiker gewinnen, und ich frage mich, was haben die Akademiker
in diesen Universitäten gelernt.
Das alte Deutsch in der alten Schrift, ein anderer Kulturplanet, geerdet
in der Nation, in Treu und Glauben die Ewigkeit als Fundament; und
das neue Deutsch in der neuen Schrift, versunken in einer Agonie
der Relativierungen, der Schönfärbereien, der Feigheit, der Lügen,
der Langeweile, des Unwissens, des kampflosen Aufgebens,
des Verschweigens, des Gutmenschentums, ein totes Deutsch.
Und wo bleibt der Anspruch das Unmögliche schaffen zu wollen?
Die Abkehr ist auf Sand gebaut und hat nichts zu melden, außer
der Isolation und den einsamen Tod.
Haß schadet nur dem Hassenden, der Gehaßte bekommt durch
die Isolation des Hassenden nichts mit.
Die Kraft liegt in der Sprache unserer Vorfahren, sie kannten die Liebe
und den Tod, und sie faselten nichts von verlorenen Posten, sie
kämpften und sie starben, aber sie lebten. Sie wußten nichts vom
Sozialstaat, eine Art moderner Ablaßhandel, womit die Reichen ihren
Sünden ein gutes Gewissen kaufen können, und sie blieben stark. In
ihrem Europa gab es keine Todessehnsucht, denn sie brachten ihren
Selbstbehauptungswillen waffenstarrend zur Geltung. Ihr
Seelenzustand war die Natur, der Glaube an einen starken Gott und
eine unüberwindbare Kultur leiteten ihr Streben, und sie vergaßen
niemals wo sie herkamen. Es war nicht möglich sie zu brechen, man
mußte sie schon töten. Und sogar im Tod gewannen sie.
Wer als Europäer der Gesellschaft schaden will, schadet seinen
Nachkommen, er macht die Arbeit seiner Feinde, dann kann er gleich
Selbstmord begehen - er ist unwichtig, es interessiert niemanden.
Die Angst der Intellektuellen vorzupreschen und sich in Widersprüche
zu verfangen ist liederlich und kraftlos, sie ist weder der Inspiration
noch der Gesundung dienlich, und deshalb schätze ich den Haß
des Ausgestoßenen, auch wenn ich ihn mir nicht zu eigen
machen kann.
Wer hat denn die Hierarchie durcheinandergebracht? Seit Homer gab
es eine einfache Hierarchie: zuerst kam die Kultur, dann die Politik,
und danach die Wirtschaft. Als Wirtschaft und Kultur die Plätze
tauschten übernahmen andere die Macht, das Volk wurde
ausgeschaltet, es darf keine Gemeinschaft mehr bilden. Es herrschen
die Dollarwesen und ihre Eurozöglinge.
Mit den USA wird die Schöpfung abrechnen. Sie sind gewiß ein Problem,
aber kein unlösbares. Dieses Land ist manipulierbar und die Menschen
sind käuflich, gesteuert durch eine Elite die gegen die Geschichte
arbeitet, und von diesem Vorbild sollte Europa Abstand nehmen. Die
Zeit spielt gegen den Dollar, denn der Dollar lebt vom Blut anderer
Völker, aber diese Völker wachsen, sie werden stärker, mit der Stärke
wächst das Wehrpotenzial; die Möglichkeiten Opfer bringen zu können,
Opfer die mühelos ausgeglichen werden können.
Die Deutschen sollten ihr Land freihalten, oder zumindest ihren Geist,
Gegengifte gibt es genug, man muß sie nur finden, eine neue
Wehrertüchtigung anstreben, und abwarten.

Rumpelstilzchen

9. November 2013 09:24

@ Gutmensch

Macht euch hart und erhaltet euch selbst für bessere Zeiten! (Vergil, Aeneis, Schiffbruch und Landung in Kathargo).

Rumpelstilzchen

9. November 2013 09:27

Ergänzung an Gutmensch

Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind brechen, die allzu spitz sind stechen....

Aus: Wolf Biermann "Ermutigung"

Einfach mal wieder vor sich hinträllern.

Inselbauer

9. November 2013 10:07

Der Akzent auf den Hass schafft eine schöne Abgrenzung zur "konservativen" Haltung, das ist ein flotter Nationalbolschewismus, den ich sehr sympathisch finde.

Toni München

9. November 2013 13:40

"Starker Tobak!

- O je! Was soll man dazu sagen? Wie lange noch werden wir ihn haben?",

dachte ich gestern, am späten Freitagabend, nach der Lektüre von Kubitscheks obigen Blogg-Eintrag etwas beklommen, ging ins Wohnzimmer setzte die Kopfhörer auf, legte den dritten Aufzug von Tristan und Isolde in den CD-Player und schlief noch vor Isoldens grandioser, unüberbietbarer Schlussarie im Sessel ein, wo sie über den dahinscheidenden Tristan gebeugt singt: "Mild und leise wie er lächelt, wie das Auge hold er öffnet - seht ihr's Freunde? Seht ihr's nicht? ..."

Ein Götz Kubitschek kann damit nicht gemeint sein.

Jetzt, Samstagmittag, nachdem ich vorhin mit der Post "Sieben Reiter verließen die Stadt" erhalten und schon die ersten Seiten gelesen habe, eine große Erleichterung beim Blick auf die online-Seite der sezession: "Gut! - Auch wenn nichts gut ist. Er hat uns, seine geneigten Leser, ein bisschen veräppelt. Das darf er, der Witz war gut."

Zum Schluss ein Lesetipp: Sieben Reiter verließen die Stadt. In der Abenddämmerung zogen sie durch das nicht mehr bewachte Westtor der untergehenden Sonne entgegen. Erhobenen Hauptes, ohne sich zu verbergen … denn sie flohen nicht, sie verrieten nichts, hofften schon gar nicht und erlaubten sich nicht, zu träumen … gerüstet für das, was sie erwartete …“

benitomussorgski

9. November 2013 14:45

vorherige kursorische lektüre gerade völlig zufällig: der aufsatz von günther maschke über donoso cortés (endzeit, zeitenende) von 1989: darin: "die von donoso vorhergesagten despotien aber scheiterten immer wieder, weil auch sie ihr fundament mit dem orgullo, dem stolz wider gott, erbauten, nicht wegen des angeblichen freiheitswillens der völker, dieser beliebten kategorie der gemeinschaftskunde."

...auch wenn es unzugehörig erscheint, in diesem zusammenhang etwas überquer gedacht, trifft es für mich auf den kernpunkt der von g. k. geschilderten stimmung und disposition. und selbst "nutzloses dienen" (montherlant) kann noch ausdruck von hochmut sein. irdische tatkraft muss sich mit heiliger resignation verbinden. ohne eingebung keine verausgabung. das mag so unverständlich sein, wie es unabdingbar ist.

im übrigen 1 - bin ich überzeugt, rein intuitiv, dass gerade in schnellroda genau in diesem sinn gewirkt wird. unbewusstheit schützt auch.

im übrigen 2 - "Das Unsagbare ist zu verschweigen - eine Klippe an der schon viele gescheitert sind." Ernst Jünger

weitermachen

Urwinkel

9. November 2013 15:18

Damit haben Sie das Rumpestizchen ordentlich vorgeführt. Sie sind ein Zyniker vor dem Herrn. Wie wärs mal mit einem Pilzgang, oder wachsen die nicht in Sachen-Anhalt? Frische Luft tut jedem gut. Manchen gönnt man sie sich nicht. Dort muß man abwägen. Wer zuviel davon schnappt, kippt in die Allgemgefährlichkeit. Keine Perlen vor die Säue werfen. Ich habe mit jungen Drogensüchtigen zu tun, die aus leichtsinngsten Anlässen abhängig wurden. Das ist schon frustrierend. Mit lustigem Drogen-und Rausch hat das nichts mehr zu tun.

Martin

9. November 2013 16:13

Diese Texte sind Ausdruck einer schweren Depression.

So sehe ich das auch - und ich wäre schwer verwundert gewesen, wenn sie ausgerechnet noch von einem mehrfachen Vater abgestammt hätten. Hat sich aber ja zwischenzeitlich aufgeklärt ...

Rainer Gebhardt

9. November 2013 19:58

Jetzt geht in Schnellroda womöglich das Licht aus, fürchtete ich nach der ersten Lektüre. Dann glaubte ich das Gespenst von Joseph de Maistre durchs Rittergut wandeln zu sehen. Und nun wissen wir, wer gesprochen hat. Sehr gut. Max Scheler würde sagen, der Mann gehört zu den "Unausgetrunkenen". Genehmigen wir uns also Millet.

@ Rumpelstilzchen: Volle Zustimmung zum Biermannvers! Wer durchhalten will, braucht einen bösen Geist und ein heiteres Herz. Sonst blasen wir irgendwann nur noch Trübsinn.

Nihil

9. November 2013 20:17

Andreas Vonderach: Meiner Meinung nach gehört es zu einem konservativen, realistischen Menschenbild auch, an die Menschen keine unrealistischen Erwartungen zu haben.

Danke, kann man nur unterschreiben.

karlmartell

9. November 2013 23:35

Eine Nation kann ihre Narren überleben – und sogar ihre ehrgeizigsten Bürger. Aber sie kann nicht den Verrat von innen überleben. Ein Feind vor den Toren ist weniger gefährlich, denn er ist bekannt und trägt seine Fahnen für jedermann sichtbar.
Aber der Verräter bewegt sich frei innerhalb der Stadtmauern, sein hinterhältiges Flüstern raschelt durch alle Gassen und wird selbst in den Hallen der Regierung vernommen. Denn der Verräter tritt nicht als solcher in Escheinung: Er spricht in vertrauter Sprache, er hat ein vertrautes Gesicht, er benutzt vertraute Argumente, und er appelliert an die Gemeinheit, die tief verborgenen in den Herzen aller Menschen ruht.
Er arbeitet darauf hin, dass die Seele einer Nation verfault. Er treibt sein Unwesen des Nächtens – heimlich und anonym – bis die Säulen der Nation untergraben sind. Er infiziert den politischen Körper der Nation dergestalt, bis dieser seine Abwehrkräfte verloren hat. Fürchtet nicht so sehr den Mörder. Fürchtet den Verräter. Er ist die wahre Pest!”

- Marcus Tullius Cicero
* 3. Januar 106 v. Chr. † 7. Dezember 43 v. Chr

Rumpelstilzchen

10. November 2013 11:07

Ich bin doch erschrocken über die Texte von Millet und die Zustimmung einiger Foristen und sehe immer mal wieder die Sezession der Sezession.
Und trotzdem wird es hochinteressant, wenn diese Spannung ausgehalten und diskutiert wird. Statt sich angewidert abzuwenden. Was ich manchmal möchte.
Hier ein großes Kompliment an die Macher der Sezession. Ich liebe gefährliche Gratwanderungen. Auch und gerade ohne Führer.
Habe nochmals das Gespräch mit Richard Millet "Was Breivik uns sagen wollte" in der Faz vom 19.9.12 gelesen.
Man kann den Verfall der Kultur Europas beklagen, man kann so daran leiden, dass man sich eine Kugel in den Kopf jagt. Man kann sich in eine Klause zurückziehen, durch den Wald laufen, saufen. Das alles kann man.
Aber was nicht geht, ist, vom Bösen fas-ziniert zu sein.
( Faszination =Fesselung)
Zwar hält auch Millet Breiviks Tat für eine monströse Reaktion, aber eine "Fesselung " bleibt. Das macht Angst.
Der Hass der Antifa auf das Eigene läßt sich spiegeln als Hass auf das Nicht-Eigene. Das macht Angst.
Baudelaire leidet an der "Tyrannei des menschlichen Antlitzes". Das ist nicht die Gestalt des Einwanders oder die des mittelmäßigen europäischen Menschen. Dieses Antlitz sehen wir, wenn wir in den Spiegel schauen. Breivik sehen zu müssen, empfand ich auch als Tyrannei.
Und so warte ich sehnsüchtig auf das Buch von Lichtmesz:
"Kann nur ein Gott uns retten" ?

Gutmensch

10. November 2013 12:21

Oh,

vielen Dank liebes Rumpelstilzchen! Aber ich sehe so gar keine Veranlassung, in Biermanns Sinne an meiner Zeit zu verhärten oder gar zu verspitzen.

Ich halte es viel lieber mit Vergil!

Fröhlichen Sonntag,

der Gutmensch.

Nils Wegner

10. November 2013 17:02

Ein netter Verweis auf Cicero, gerade im Kontext der Catilinarischen Verschwörung: Machtbesessene Cliquen, die sich mit kriminellen Straßenbanden gemeinmachen, um ihre verderblichen Interessen durchzusetzen - Nachtigall, ick hör' Dir trapsen...

Zwischenrufer

10. November 2013 21:25

Nachtrag

Es ist völlig wurscht, ob die Zeilen von G.K. stammen oder nicht. Er hat sie sich zitierend ja offensichtlich anverwandelt. Und das zählt. Oder sollte es doch Selbstironie sein? Nein, daran kann ich nach all den Jahren nicht glauben.

Übrigens fände ich die Diskussionen "erfrischender", verzichteten die Schreiber auf allzu ausführliches Zitieren von diesem und jenem. Das wirkt so, als wäre man noch immer in der Pubertät und benötigte stets und ständig ein effektheischendes Geländer. Ja, wir alle lesen (hoffentlich) viel und kreuz und quer. Aber wir sind hier ja nicht im Proseminar.
Wer spricht denn nun eigentlich?

Götz Kubitschek

10. November 2013 21:55

dank an alle, vor allem für die gelassene hinnahme dieses scherzes und die zergrübelten stunden vor der auflösung.
gruß! gk

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