Irrenordner, manches wird beantwortet, manches sammelt sich auf der linken, vorderen Schreibtischecke zu einer Art Schichtkuchen an, weil die Zeit fehlt, auf jeden An- oder Einwurf zu reagieren. Neue Methode: öffentlich antworten, ohne Adressatennennung natürlich. Wer liest, wird seine Frage wiedererkennen, etwa die nach dem Grundprinzip einer Sezession oder dem Dilemma der Schuldzuweisung:
Abkehr 1 – Schon seit langem lebe ich nicht mehr wirklich unter den Menschen, meinen Zeitgenossen, wie ich betonen möchte, da ich weder an die Besserung der Gattung noch an die Unmittelbarkeit des Glücks glaube und mich die Expansion der Gattung Mensch seit langem erschreckt. Ich fordere nichts von meiner Zeit. Ich erwarte nichts von irgend jemandem. Mir reicht es, die innere Distanz zu halten, in der ich mich vor dem Menschen selber verschanze – in jener Form von Unantastbarkeit oder in einer minimalen Ethik, die die Stärke von Stein hat.
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Abkehr 2 – Dies muß unzweideutig ausgesprochen werden: Es gibt nichts, das ich mit einer derartigen Stetigkeit hasse wie die zeitgenössische Gesellschaft. Dieser Haß erfordert meine volle Aufrichtigkeit, meine Kräfte, meine Leidenschaft für die Wahrheit. Dieser Gesellschaft zu schaden, ist mittlerweile mein einziges Anliegen.
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Anspruch 1 – Man darf sich nicht davon täuschen lassen, daß es die von Baudelaire so bezeichnete „Tyrannei des menschlichen Antlitzes“ ist, die ich am allermeisten hasse, und daß sie für mich bisweilen die Gestalt des Einwanderers annimmt; ebendiese Tyrannei übt schon seit langem das Antlitz des europäischen Menschen an sich aus, der seiner selbst so müde geworden ist, daß er sich zum Sklaven seiner eigenen Willenlosigkeit macht: seiner Weichlichkeit, seiner Mittelmäßigkeit, seines kleinbürgerlichen Grolls, seines mangelnden Schicksals, des Fatalismus, mit dem er dem Einwanderer begegnet, dem er seine Belanglosigkeit anvertraut (oder dem er sie vorwirft, was auf das gleiche hinausläuft).
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Anspruch 2 – Ich hasse die Menschen in ausreichendem Maße, um an dem rechten Maß festzuhalten, das mir dieser Haß verschafft; und ich schätze einige von ihnen leidenschaftlich genug, um diesen Haß zu rechtfertigen. Und wenn ich von hassen spreche, dann handelt es sich dabei vor allem um einen Hebel, der verhindert, daß ich in Verachtung oder Ressentiment versinke: die Reinheit des Hasses, mittels deren man die gesunde Distanz einzunehmen und die Einsamkeit zu erreichen vermag, in der der Abscheu, den die zeitgenössische Welt in mir erregt, sich in Kraft verwandelt.
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Zerfall der Lage 1 – Nicht der außereuropäische Einwanderer ist es, der die europäische Kultur zerstört; sondern das Zusammentreffen von kultureller Erschöpfung und Marktwirtschaft. Dennoch ist offensichtlich, daß die massive Zuwanderung durch Menschen, die der griechisch-jüdisch-christlichen Kultur vollkommen fernstehen, wenn sie ihr nicht gar mit Feindseligkeit begegnen, nicht ohne die Zerstörung dieser Kultur abgehen kann. Genauer gesagt hat das Kulturwesen die Kultur getötet, indem sie sich selbst verleugnete.
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Doppelte Front 1 – Nationen? Nein, Herden, die mit unterschiedlichen Brandmalen versehen und unter dem doppelten Hirtenstab des Rechts und des Markts in Richtung der amerikanischen Horizontalität getrieben werden.
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Doppelte Front 2 – Ich will einfach nur den Alptraum benennen, zu dem die Masseneinwanderung geworden ist, für die Einwanderer genauso wie für die Einheimischen, selbst wenn diese selber von früheren Einwandern abstammen. Einwanderung, wie auch immer man sie klassifizieren mag (ob politisch, ökonomisch oder klimatisch motiviert, ob legal oder illegal), ist nichts als ein Menschenhandel, bei dem mafiöse Interessen sich mit jenen des internationalen Kapitalismus treffen.
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Zerfall der Lage 2 – Der Einwanderer, der sich in Europa niederläßt, muß in seiner Weigerung, sich zu assimilieren, zwangsläufig zum Sub-Amerikaner werden, ein minderwertiger Zustand, in dem sich ihm der Einheimische in mimetischer Verwirrung anschließt. Die Sub-Amerikanisierung Europas ist womöglich nichts anderes als seine Verdrittweltlichung
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Auflösung aller Dinge – Die Unfähigkeit des kleinen westlichen Individuums, auf die Befriedigung jedes noch so kleinen Verlangens zu warten, ist ein Zeichen der gesellschaftlichen Infantilisierung – die ihrerseits ein totalitäres Attribut ist: die kindliche (aber auch teratologische) Verantwortungslosigkeit als erste Stufe einer Ethik der Zerlumpung.
Meyer
"Die Unfähigkeit des kleinen westlichen Individuums, auf die Befriedigung jedes noch so kleinen Verlangens zu warten, ist ... Zerlumpung."
Die Unfähigkeit, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist bereits die Zerlumpung. Die Unfähigkeit Verantwortung für andere zu übernehmen, Kennzeichnet die Kinder: UNerwachsen, infantil.
Mein Unterlassen, mein Nichtentscheiden, mein Nichtwissen! Die Konsequenzen trage immer ich selbst. Beziehe ich in bei der Wissenserlangung, Entscheidung und beim Handeln andere in die Konsequenzen mit ein, übernehme ich Verantwortung.
Wieviele Menschen können das? Wieviele Menschen könnten es, sind aber unter den zerlumpenden Umständen dazu außer Stande? Viele sind es nicht, viele waren es nie.
Möchte man seiner nächsten Generation tiefe Erkenntnisse und Befähigungen übergeben (tradieren), die auch noch den Nachkommen ihrer Nachkommen zu einem souveränen Leben befähigen, stellt man sich zwingendermaßen außerhalb der Mehrheitsgesellschaft. Ein Wechsel von Isolation und Erlernen des Umgangs mit den Kontaminierten ohne sich selbst zu vergiften.