Sein Werk umfaßt über 50 Publikationen, 1994 erhielt er den Essay-Preis der Académie française. Trotz seines Renommees liegen in deutscher Fassung lediglich zwei seiner auch hierzulande wohlwollend rezensierten Romane vor. Beide erschienen im 2002 aufgelösten Alexander Fest Verlag. Bis 2011 war Richard Millet fester Bestandteil der intellektuellen Mitte Frankreichs, obwohl er ab und an einen Schriftstellerkollegen der Unfähigkeit zieh und in scharfem Ton den allgemeinen Verfall der Sprache anzuprangerte.
Zum internationalen Skandal wurde Millets »Eloge auf Breivik« (2012). In diesem Essay hebt er auf die »formale Perfektion« und die »literarische Dimension« der Tat Breiviks ab und wirft als einen Grund für dessen Osloer Blutbad den Verlust der Identität innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft in die Debatte. In einem FAZ-Interview konnte Millet zwar betonen, daß er Breiviks Tat für »monströs« halte; jedoch erkannte nicht nur das deutsche Feuilleton in seinen »rassistischen« (Spiegel-online) Aussagen »rechtsextreme Geistesverwandtschaften mit Breivik« (taz): Auch die Reaktionen in Frankreich waren negativ. Erste Artikel in Le Monde und Äußerungen empörter Kollegen führten dazu, daß der Verlag Gallimard Millets Büro auflöste und ihn als Lektor seither nur noch auf freier Basis beschäftigt. In L’Express konnte Millet sich verteidigen, allerdings wurde seinem Artikel ein Begleittext beigegeben, der die Distanz der Zeitung zum Inhalt betonte. Andere stießen ins selbe Horn wie die deutschen Kritiker: Bernard-Henri Lévy erklärte Millets Arbeiten zur Brutstätte eines »white racist trash«, und die Libération rückte Millets Text in die Nähe des Rassenhasses. Einer Diskussion mit Millet stellte man sich nur beim Radiosender France Culture.
Es lohnt sich, einen Blick in die Zeitschrift Rébellion zu werfen, in der auch Alain de Benoist regelmäßig publiziert. Dieses Periodikum der Linie Proudhon-Sorel-Niekisch würdigte Millet zwar für seine Beurteilung der Masseneinwanderung, benannte aber einen Schwachpunkt: Er übergehe, daß nicht »der Islam« die französische Kultur bedrohe, sondern daß die globale »Amerikanisierung« alle Kulturen ruiniere. Die Redaktion dieser Zweimonatsschrift kennt indes verständlicherweise das JF-Interview nicht, in dem Millet seinerseits erklärte, daß die Europäer selbst für den kulturellen Niedergang verantwortlich seien – nicht die Einwanderer.
Der deutschsprachige Leser wird bald nachvollziehen können, ob die Kritik der Rébellion oder anderer zutrifft. Im April erscheinen im Verlag Antaios ausgewählte Texte Millets – darunter selbstverständlich auch die »Eloge littéraire d’Anders Breivik«.