Klar, die Leute, und zwar schichtübergreifend, denken sich das ja nicht aus, wenn sie stöhnen, daß sie ihr Kind schwer von der Mattscheibe an die sogenannte frische Luft kriegen, oder daß Tochter/Sohn in einen facebook-Schlamassel geraten sind.
Ist es eine Fügung des Schicksals, daß ich noch nie einem Kind die Bitte nach einem elektronischen Gerät abschlagen oder eine Mediennutzung reglementieren mußte? Falls unsere Kinder solche Bedürfnisse hegen, verheimlichen sie sie gut vor uns. Und hatten wir je das Gefühl, daß sie nicht auf dem Laufenden wären? Nein, seltsamerweise überhaupt nicht. In der Süddeutschen ist die kindliche /adoleszente „Flucht nach Digitalien“ Thema des Tages. Hier will man nicht warnen, sondern im Gegenteil dem Kulturpessimismus besorgter Eltern entgegenwirken.
Der Salzburger „Spieleforscher“ Rainer Buland findet selbst furchterregende Actionspiele nicht so schlimm und findet einen Vergleich: Bereits im 18. Jahrhundert habe „man“ den Frauen das Romanelesen zu verbieten versucht mit dem Argument sie verlören sich in Scheinwelten und taugten „dann als Mutter rein gar nichts mehr“. (Subtext: Romanverbieter und Egoshooter-Skeptiker – alles eine Chose.) Dann setzt Herr Buland ein noch schneidigeres, besser: keulenförmiges Argument hinterher, was geeignet sein dürfte, die Sorge um die Vereinzelung und Abschottung des Computerspielers ein für alle mal aus der Welt zu schaffen: In der Zeit des Nationalsozialismus seien „alle Spiele für die Bildung von Gemeinschaften eingesetzt“ worden, mit bekanntem Ausgang.“ Buland: „Insofern hätte ich mir in den 1930er Jahren mehr autistische Spieler gewünscht“. Boah, ja. Das wär’s gewesen.
30.12. 2013
Was lärmt denn da draußen so entsetzlich? Ist´s tatsächlich Odins Wilde Schar, die durch die bläuliche Morgendämmerung, halb noch Rauhnacht, zieht? Nein, es ist Götz Kubitschek, der mit einem Rollköfferchen über das Kopfsteinpflaster rattert. Ein Bild für die Götter. Und manchmal doch schade, über keine Handykamera zu verfügen. Man kennt sich solange, und kennt sich doch nie ganz. Am Auto angelangt dreht er sich um und entdeckt die ungebetene Zuschauerin am Fenster. Röte steigt auf, am Himmel. Natürlich ist´s nicht sein Trolley, der eignet einer Dame, deren zweifellose Eleganz es verbietet, mit Rucksack zu reisen. „Jetzt guck halt weg!“, ruft er hoch, „mein Wort: noch einmal ich mit Rollköfferchen, und du darfst mich dem Altersheim übergeben. Oder dem Irrenhaus.“
1.1. 2014
„Hier, haste was zu lesen auf die Fahrt“, sagt mein Vater und gibt mir ein buntes Gratismagazin aus der Apotheke, „die Rentner-Bravo.“
„Ah, danke. Ist das Euer Slang, ja, Rentner-Bravo?“ – „Joah, nennen sie bei uns so.“
„Aktiv und entspannt“ steht auf dem Titel, es werden „Strategien für die Gesundheit“ angekündigt. Also: Herzinfarktsignale frühzeitig erkennen, Streßabbau und „Schluß mit Husten“, lauter nützliche Sachen. Mittendrin ein Bericht über die zweithäufigste Bakterienkrankheit in Europa: Der „Tripper“ (Gonorrhö) ist auf dem Vormarsch. Im Infokästchen ein paar Tips wie sich der Leser vor der grassierenden Seuche schützen kann: „Nicht mit Sexualpartnern denselben Gleitmitteltopf verwenden“. Den – was? Ach so, klar, den Gleitmitteltopf, wer kennt den nicht. Fehlt nur noch ein Restchen polyamore Phantasie, dann wird verständlich, warum jeder seinen eigenen benutzen sollte. Ha, Rentnerbravo.
2.1. 2014
Was gibts Neues im Kino? „Bilder purer Freiheit“ titelt die SZ schwärmerisch. Es geht in One Zero One um eine „Märchenfigur“ mit „üppigen Kleidern, unendlich langen Wimpern, Glitzerpuder“, es sei ein Film „mit Liebe zum Detail, Zeit zum Erzählen und märchenhafter, wunderschöner Musik.“ Was für die Kinder eventuell…? Noch dazu, so liest man hier, sei dieser Film der „mit Bildern purer Freiheit kraftvoll für die Unterschiedlichkeit der Menschen“ wirbt ein „Stich ins Herz der Political Corectness“. Doch Pustekuchen, es ist nichts als ein weiterer Versuch, die Begriffe so lange zu drehen, bis sie passend gemacht sind. Der glühend gelobte Märchenfilm handelt in Wahrheit von einer riesigen und einer winzigen Dragqueen, also von Männern mit zugeschminkten Gesichtern und „abnehmbaren Riesenbrüsten, aus denen bunte Gummihaare wachsen“. Es wird „zwischen geilen Ärschen in knappem Leder und Psychiatrie hin und her mäandert“. Freiheit, die ihr meint! Post Neujahr, übrigens.
Inselbauer
In Salzburg ist man traumatisiert durch die munteren Spiele, die der unterschätzte Komponist Cesar Bresgen nach 1935 entworfen hat. Der Mann war ein sehr guter Organist und Freund von Anton Webern und erfand für seine kleinen scheinbar politischen Kinder-Settings (wahlweise unter Hakenkreuz, Rotweißrotfahne und Russensonne das "Ansingen", bei dem sich die spielenden Kinder gegenseitig in die Augen starren und sanft singen sollten. Nach dem Krieg warf man ihm alles bis zur Pädophilie vor, und als er sein größtes Werk, einen von Webern entwendeten Holztisch, auf dem eine Partitur eingeritzt war, in Darmstadt vorstellen wollte, schliff ihn ein Requisiteur in guter Absicht vorher ab. Der Pechvogel! Heute gelten Gruupenspiele in Salzburg als Nazikram.