turbulenten Zeiten von Heft zu Heft vor der Frage, ob sie beim Blick auf die Lage dem eigenen Deutungswunsch und dem der Leser nachgeben oder – unberührt von den Entwicklungen des Tages – über den Dingen stehen sollte. Nun war das eben vergangene Jahr keines, das mit einem Mauerfall aufgewartet hätte, aber es war ein für Konservative, Rechte unübersichtliches, energiegeladenes und seltsames Jahr.
Zur Erinnerung: Noch bis in den März hinein warf ein (kleiner) Teil des Mitarbeiterstamms der Sezession seine metapolitische Hoffnung auf aktivistische junge Leute, die sich in der vor allem virtuellen Identitären Bewegung sammelten. Geplant war ein Sonderheft zu diesem aus Frankreich inspirierten, unverbrauchten Projekt.
Aber die Bewegung blieb hinter ihren Möglichkeiten zurück, während sich ziemlich überraschend mit der Alternative für Deutschland (AfD) um den Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke so etwas wie der parteipolitische Arm des Junge-Freiheit-Milieus hob. Sezession reagierte, ergänzte die Planung und war mit dem im Plural betitelten Sonderheft Alternativen für Deutschland (längst vergriffen!) an der frühen Beurteilung und Deutung des Phänomens AfD beteiligt.
Das eigentlich Interessante war in der Folge die Tatsache, daß sich selbst solche konservativen Publizisten einer nie offen ausgesprochenen, aber dennoch vorhandenen Parteidisziplin in der Kommentierung unterwarfen, die selbst der AfD gar nicht angehörten. Das knappe Scheitern eines Bundestagseinzugs der AfD hat an dieser Kanalisierung des Denkens nichts Wesentliches geändert. Immer noch stehen mindestens fünf Zuschreibungen ziemlich gleichberechtigt im nicht gerade breiten Raum des rechtsintellektuellen Milieus:
„Chance“ (auf politische Beteiligung), „Energiepumpe“ (für die Mobilisierung konservativen Personals und Kapitals), „Resonanzboden“ (für rechte Begriffe, Themen, Publikationen), „Minimalkonsens“ (entlang einer liberalkonservativen Linie) und „bessere CDU“ (die AfD gar als Ausgründung durch die CDU).
Als abtrünnig gelten diejenigen, die der AfD nichts Wesentliches zutrauen und ihren Auftritt entlang der letzten beiden Begriffe beschreiben. Das hat im konservativen, publizistischen Milieu eine ebenso unnötige wie undurchdachte Abgrenzungsneigungen gefördert, und so wirkt die AfD eben doch als „Kantenschere“ nach rechts: Wer nun nicht dazugehören will oder kann, steht außerhalb des „Spektrums“.
Außerhalb und jenseits der “Mitte” stehen wir sowieso, selbst dann, wenn wir das Alltägliche und ganz Normale tun. Ich habe einen besonders leckeren Fall von Machtlosigkeit und Lebenswirklichkeit im Editorial des Dezember-Heftes beschrieben und als Beispiel für den Zerfall der Lage gedeutet.
Die Sezession hat sich ebenfalls im Dezember-Heft (noch wenige Exemplare sind zu haben!) weiterhin an der Bewertung der Wahlalternative beteiligt. Indes: Nicht mehr die AfD an sich, sondern die durch sie und an ihr wirksamen Kräfte oder metapolitischen Verhaltensregeln sind der Redaktion einer Erörterung wert.
Dies strahlt bis in den neuen Jahrgang aus: Anfang März wird das Institut für Staatspolitik seine Winterakademie zum Thema Demokratie abhalten, aus den Vorträgen wird die 60. Sezession (Juni 2014) zusammengebaut. Denn das ist doch die eigentliche Aufgabe einer rechtsintellektuellen Zeitschrift: bei aller Begeisterung für ein (vermeintlich) konservatives Projekt das Wissen darüber wachzuhalten, daß die Demokratie mitnichten der Ort redlichen Wettstreits sei, sondern ihre ebenso haltbaren wie perfiden Herrschaftsmechanismen ausgeprägt habe.
Kurzum: Wenn der Sezession im nun abgeschlossenen, 11. Jahrgang ein gewisses Schielen auf die Tagespolitik und eine ausführliche Beschäftigung mit dem eigenen Standpunkt anzumerken war, so hat das seinen Grund in jener politischen Wellen, die dem Losgelösten die Füße netzten, weil er die Strömung einmal aus der Nähe betrachten wollte.
Steigen wir wieder zwei Stufen hinauf. Editorial, Autorenportrait, Grundlagenartikel, Kurzbeiträge, Rezensionen Vermischtes, hin und wieder ein Interview oder „Briefe an Alle und Keinen“, dazu seit sieben Jahren die farbigen Bildinnenteile und seit zwei Jahren die Rubriken „Debatte“ sowie „Bild und Text“ – die Sezession, die in ihren 12. Jahrgang geht, hat ihre Grundstruktur nie verändert, sondern allenfalls variiert und auf ein paar Seiten Experimente betrieben.
So wird es bleiben. Der 12. Jahrgang sieht die Themenhefte “1914” (Februar), “Demokratie” (Juni) und “Kulturkritik” (Oktober) vor, außerdem im April Schwerpunkte zu Geopolitik und Neuem Realismus und im August natürlich zum Augustgefühl auf den frühen Schlachtfeldern von Flandern.
Abonnieren ist gut fürs Gehirn und den richtigen Abstand vom traurigen Gekrabbel Richtung Mitte. Wer nicht wenigstens sechs Mal im Jahr 60 Seiten Perspektivenwechsel braucht, hat sich abgefunden. Etiam si omnes, ego non?