Sezession – der 12. Jahrgang

Eine rechtsintellektuelle Zeitschrift (noch dazu eine, die Sezession heißt, also: Loslösung, Abstand, Distanz) steht in...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

tur­bu­len­ten Zei­ten von Heft zu Heft vor der Fra­ge, ob sie beim Blick auf die Lage dem eige­nen Deu­tungs­wunsch und dem der Leser nach­ge­ben oder – unbe­rührt von den Ent­wick­lun­gen des Tages –  über den Din­gen ste­hen soll­te. Nun war das eben ver­gan­ge­ne Jahr kei­nes, das  mit einem Mau­er­fall auf­ge­war­tet hät­te, aber es war ein für Kon­ser­va­ti­ve, Rech­te unüber­sicht­li­ches, ener­gie­ge­la­de­nes und selt­sa­mes Jahr.

Zur Erin­ne­rung: Noch bis in den März hin­ein warf ein (klei­ner) Teil des Mit­ar­bei­ter­stamms der Sezes­si­on sei­ne meta­po­li­ti­sche Hoff­nung auf akti­vis­ti­sche jun­ge Leu­te, die sich in der vor allem vir­tu­el­len Iden­ti­tä­ren Bewe­gung sam­mel­ten. Geplant war ein Son­der­heft zu die­sem aus Frank­reich inspi­rier­ten, unver­brauch­ten Projekt.umschlag_59.indd

Aber die Bewe­gung blieb hin­ter ihren Mög­lich­kei­ten zurück, wäh­rend sich ziem­lich über­ra­schend mit der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) um den Wirt­schafts­pro­fes­sor Bernd Lucke so etwas wie der par­tei­po­li­ti­sche Arm des Jun­ge-Frei­heit-Milieus hob. Sezes­si­on reagier­te, ergänz­te die Pla­nung und war mit dem im Plu­ral beti­tel­ten Son­der­heft Alter­na­ti­ven für Deutsch­land (längst ver­grif­fen!) an der frü­hen Beur­tei­lung und Deu­tung des Phä­no­mens AfD beteiligt.

Das eigent­lich Inter­es­san­te war in der Fol­ge die Tat­sa­che, daß sich selbst sol­che kon­ser­va­ti­ven Publi­zis­ten einer nie offen aus­ge­spro­che­nen, aber den­noch vor­han­de­nen Par­tei­dis­zi­plin in der Kom­men­tie­rung unter­war­fen, die selbst der AfD gar nicht ange­hör­ten. Das knap­pe Schei­tern eines Bun­des­tags­ein­zugs der AfD hat an die­ser Kana­li­sie­rung des Den­kens nichts Wesent­li­ches geän­dert. Immer noch ste­hen min­des­tens fünf Zuschrei­bun­gen ziem­lich gleich­be­rech­tigt im nicht gera­de brei­ten Raum des rechts­in­tel­lek­tu­el­len Milieus:

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„Chan­ce“ (auf poli­ti­sche Betei­li­gung), „Ener­gie­pum­pe“ (für die Mobi­li­sie­rung kon­ser­va­ti­ven Per­so­nals und Kapi­tals), „Reso­nanz­bo­den“ (für rech­te Begrif­fe, The­men, Publi­ka­tio­nen), „Mini­mal­kon­sens“ (ent­lang einer libe­ral­kon­ser­va­ti­ven Linie) und „bes­se­re CDU“ (die AfD gar als Aus­grün­dung durch die CDU).

Als abtrün­nig gel­ten die­je­ni­gen, die der AfD nichts Wesent­li­ches zutrau­en und ihren Auf­tritt ent­lang der letz­ten bei­den Begrif­fe beschrei­ben. Das hat im kon­ser­va­ti­ven, publi­zis­ti­schen Milieu eine eben­so unnö­ti­ge wie undurch­dach­te Abgren­zungs­nei­gun­gen geför­dert, und so wirkt die AfD eben doch als „Kan­ten­sche­re“ nach rechts: Wer nun nicht dazu­ge­hö­ren will oder kann, steht außer­halb des „Spek­trums“.

Außer­halb und jen­seits der “Mit­te” ste­hen wir sowie­so, selbst dann, wenn wir das All­täg­li­che und ganz Nor­ma­le tun. Ich habe einen beson­ders lecke­ren Fall von Macht­lo­sig­keit und Lebens­wirk­lich­keit im Edi­to­ri­al des Dezem­ber-Hef­tes beschrie­ben und als Bei­spiel für den Zer­fall der Lage gedeu­tet.

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Die Sezes­si­on hat sich eben­falls im Dezem­ber-Heft (noch weni­ge Exem­pla­re sind zu haben!) wei­ter­hin an der Bewer­tung der Wahl­al­ter­na­ti­ve betei­ligt. Indes: Nicht mehr die AfD an sich, son­dern die durch sie und an ihr wirk­sa­men Kräf­te oder meta­po­li­ti­schen Ver­hal­tens­re­geln sind der Redak­ti­on einer Erör­te­rung wert.

Dies strahlt bis in den neu­en Jahr­gang aus: Anfang März wird das Insti­tut für Staats­po­li­tik sei­ne Win­ter­aka­de­mie zum The­ma Demo­kra­tie abhal­ten, aus den Vor­trä­gen wird die 60. Sezes­si­on (Juni 2014) zusam­men­ge­baut. Denn das ist doch die eigent­li­che Auf­ga­be einer rechts­in­tel­lek­tu­el­len Zeit­schrift: bei aller Begeis­te­rung für ein (ver­meint­lich) kon­ser­va­ti­ves Pro­jekt das Wis­sen dar­über wach­zu­hal­ten, daß die Demo­kra­tie mit­nich­ten der Ort red­li­chen Wett­streits sei, son­dern ihre eben­so halt­ba­ren wie per­fi­den Herr­schafts­me­cha­nis­men aus­ge­prägt habe.

umschlag_62.inddKurz­um: Wenn der Sezes­si­on im nun abge­schlos­se­nen, 11. Jahr­gang ein gewis­ses Schie­len auf die Tages­po­li­tik und eine aus­führ­li­che Beschäf­ti­gung mit dem eige­nen Stand­punkt anzu­mer­ken war, so hat das sei­nen Grund in jener poli­ti­schen Wel­len, die dem Los­ge­lös­ten die Füße netz­ten, weil er die Strö­mung ein­mal aus der Nähe betrach­ten wollte.

Stei­gen wir wie­der zwei Stu­fen hin­auf. Edi­to­ri­al, Autoren­por­trait, Grund­la­gen­ar­ti­kel, Kurz­bei­trä­ge, Rezen­sio­nen Ver­misch­tes, hin und wie­der ein Inter­view oder „Brie­fe an Alle und Kei­nen“, dazu seit sie­ben Jah­ren die far­bi­gen Bild­in­nen­tei­le und seit zwei Jah­ren die Rubri­ken „Debat­te“ sowie „Bild und Text“ – die Sezes­si­on, die in ihren 12. Jahr­gang geht, hat ihre Grund­struk­tur nie ver­än­dert, son­dern allen­falls vari­iert und auf ein paar Sei­ten Expe­ri­men­te betrieben.

So wird es blei­ben. Der 12. Jahr­gang sieht die The­men­hef­te “1914” (Febru­ar), “Demo­kra­tie” (Juni) und “Kul­tur­kri­tik” (Okto­ber) vor, außer­dem im April Schwer­punk­te zu Geo­po­li­tik und Neu­em Rea­lis­mus und im August natür­lich zum August­ge­fühl auf den frü­hen Schlacht­fel­dern von Flandern.umschlag_63.indd

Abon­nie­ren ist gut fürs Gehirn und den rich­ti­gen Abstand vom trau­ri­gen Gekrab­bel Rich­tung Mit­te. Wer nicht wenigs­tens sechs Mal im Jahr 60 Sei­ten Per­spek­ti­ven­wech­sel braucht, hat sich abge­fun­den. Eti­am si omnes, ego non?

 

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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