Mehr noch als die soziale Diskrepanz der Nation verlieren die Konservativen und Rechten den Boden und damit Landwirtschaft, Natur und ländliche Vielfalt aus dem Auge. Sie überlassen dieses Feld weitgehend den Phrasen einer längst im Lobbyismus angekommenen, vermeintlich grünen Politik. – Eigentlich bäuerliche Landwirtschaft gibt es auf dem Gebiet der einstigen DDR kaum mehr – mit verheerenden Konsequenzen für die dortige Regionalstruktur und vor allem ‑kultur.
Während ein kleiner Familienbetrieb um die 30 Hektar zum Überleben benötigt und die westdeutschen Höfe im Durchschnitt 50 Hektar umfassen, akkumulieren große Agrargesellschaften wie die „KTG-Agrar“ und viele andere im Osten Flächen von 30.000 Hektar und mehr. So läuft es ansonsten nur in halbkorrupten Schwellen- und Entwicklungsländern.
Der Deutschlandfunk zitierte in einem hervorragenden Beitrag von Almuth Knigge dazu gerade Dr. Jörg Gerke von der „Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft“: „Das ist Landwirtschaft, die nicht mehr mit den natürlichen Gegebenheiten rechnet, sondern nur noch nach dem eigenen Aktionärsinteresse betrachtet. Das ist das Schlechteste, was passieren kann, ist aber für die agrarpolitisch Verantwortlichen in Ostdeutschland ein interessantes und akzeptiertes Modell”. Wo sich der Boden aber in der Hand weniger befindet, so Dr. Gerke gegenüber dem Sender weiter, da gebe es auch weniger Möglichkeiten für die Entwicklung und einen qualitativen Wandel. Der ländliche Raum verödet, die Leute geben ihre ohnehin geringen politischen Teilhabemöglichkeiten resigniert auf. Sie verbindet nichts mehr mit ihrer heimischen Landschaft.
Nach dem Untergang der DDR fielen der Bundesrepublik 2,1 Millionen Hektar des ehemaligen Ackerbodens des „Arbeiter- und Bauernstaates“ zu. Mit der „Bodenverwertungs- und Verwaltungs-GmbH“ übernahm eine Abteilung der unseligen „Treuhandanstalt“ deren Verpachtung und den Verkauf. Zunächst sicherten sich die aus den „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften“ (LPGen) entstandenen und frisch privatisierten Agrarunternehmen den größten Anteil und konnten ihn meist billig auf 20 Jahre pachten. Nach Ende dieser Verträge steht diese Bodenmasse wieder zur Verfügung und reizt jetzt die ganz großen Anleger und Spekulanten, weil die mit der Einbeziehung aller Flächen für „grüne Energie“ eine Rendite von vier bis sechs Prozent einfahren. Oftmals handelt es sich dabei um branchenfremde Unternehmen, deren einzige „Kompetenz“ in ihrer finanziellen Potenz besteht. Sie lassen den Acker hochtechnisiert von Lohnunternehmen mit wenigen Angestellten bearbeiten und chemisieren, und sie bauen an, womit sich Kasse machen läßt, vor allem also „Bio-Masse“ zur Gewinnung vermeintlich „nachhaltiger Rohstoffe“ – ein Vorgang, der – in Konkurrenz von Tank und Teller – wiederum die Preise von Getreide und Fleisch steigert.
2013 kostete ein Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche schon durchschnittlich 15.411 Euro! Gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von zwölf Prozent. Schon bis dahin verlief die Preisentwicklung rasant. – Bäuerlich orientierten jungen Leuten, die nach Land suchen, fehlen die Mittel, es überhaupt erst erwerben zu können. Zu teuer, preislich hochgetrieben von den Agrarriesen und dem Bund, der sich über den Reibach freut. Weil nach Fläche abgerechnet wird, fassen die Farmer-Giganten zudem riesige EU-Subventionen ab. Der Deutschlandfunk rechnete vor, daß die „KTG-Agrar“ allein schon neun Millionen Euro aus Brüssel einstreicht, während 44 % der Bauern in Deutschland nicht mal 5.000 Euro jährlich erhalten.
Dr. Gerke weist zudem darauf hin, daß gemäß einer Studie der Universität Jena 95 % der damaligen LPG-Umwandlungen als gescheitert gelten müssen. Die nach der Wende ausgeschiedenen LPG-Mitglieder (85–90 %) wurden weitgehend um die ihnen zustehende Anteile gebracht. In der „Schweriner Volkszeitung“ sah Mecklenburgs Landwirtschaftsminister Backhaus die Schuld für die fehlerhaften Umwandlungen teilweise bei den damals herbeigezogenen westdeutschen Beratern.
Seit 2012 existiert als Zusammenschluß von Studenten und Auszubildenden ein hochinteressantes „Bündnis Junge Landwirtschaft“. Diese engagierten Leute suchen dringend nach Boden, um dort bäuerlich wirtschaften zu können. Obwohl den mitteldeutschen Regierungen mehr als 500.000 Hektar BVVG- und Landesflächen zur Verfügung stehen, erfolgen keine Betriebsgründungen. Im Gegenteil, es wird weiter an die Agrar-Riesen verpachtet, um die „effiziente Großbetriebsstruktur“ beizubehalten. Das Bündnis sieht sich politisch weitgehend im Stich gelassen und steht ohne Lobby da.
Waldgänger
Vielen Dank für diese sehr interessante und wichtige Zusammenstellung.