Sie hatten in letzter Zeit ein paar geradezu unerhört kritische Artikel zum KiTa-Wahn. Manchmal ist es doch von Vorteil, eine reine West-Zeitung zu lesen, die den „Osten“ (die traditionelle Krippenlandschaft) nun dezidiert auf drei Seiten ausgelagert hat. Die aktuelle ZEIT titelt sehr traurig: „Denn du bist nur eine Frau“; man hört geradezu die Leserinnen mitseufzen.
Große Portraits von Pionierinnen, die „die Geschlechterrollen sprengten“ sind durch das Heft gestreut worden. Wir erfahren, daß diese (allesamt bereits Himmel/Hölle bevölkernden) Frontfrauen alle – wenn überhaupt – schlechte Mütter waren. Unterton: who cares /so what? Sie hatten halt wichtigere Dinge vor. Beeindruckend fand ich das große Portrait von Gerda Taro, der linken Kriegsphotographin, die 1937 im Spanischen Bürgerkrieg von den Rädern eines republikanischen (!) Lasters überrollt wurde. Die Lektüre war für mich auch deshalb interessant, weil ich just am gleichen Tag in Leipzig durch die Tarostraße gerollt war. Tarostraße, Moment mal: In der ZEIT steht doch, Taro wurde nach ihrem Tod völlig vergessen? Warum? „Frau, Kommunistin, Jüdin“, steht da, dies sei ein „dreifaches Stigma und fast eine Garantie, von der Historie ausgeschlossen zu werden.“ Ich nehme mir vor, drüber nachzudenken.
Die ZEIT-Leute führen außerdem ein Interview mit Anke Domscheit-Berg, der „Frontfrau der digitalen Szene“.
ZEIT: „Sie bezeichnen sich selbst als Feministin, das machen ganz wenige.“ Domscheit-Berg: „Stimmt, viele haben geradezu Angst davor, aber das geht Frauen im ganzen Land so.“
Auch das macht mich nachdenklich. Scheint, als bräuchte unser Land noch viel mehr ZEIT.
28.1. 2014
Mein Sohn, frisch geweckt um fünf nach sechs, schüttelt sich ein bißchen, als sein Blick auf die Zeitung des Tages fällt. „Uaah, das ist nur ein Film, oder, Mama?“
Nein, es ist der kenianische Schriftsteller Binyavanga Wainaina. Für mich hat der Name, der in den vergangenen Tage so durch’s Radio echote, nun ein Gesicht. Der Mann, dem nun nicht sein sicher hochtalentiertes Schriftschaffen zu Popularität hierzulande verholfen hat, trägt ein rotgrün gefärbtes Haarbüschel auf dem Schädel. Ja, dieser Held könnte in einem „schrägem“ Gruselfilm spielen.
Es fühlt sich irgendwie dreckig an, das zu denken. Wäre hier ein weißhäutiger heterosexueller Punk abgebildet, man täte sich mit solchen Empfindungen leichter.
Wainaina hatte gerade sein öffentliches sexuelles Herauskommen, darum verdient er sich die Feuilleton-Titelseite. „Wir befinden uns mitten im afrikanischen Hurrikan. Es ist eine hervorragende Zeit, auf Angriff zu schalten“, sagt dieser etwas unheimlich wirkende Mensch. Seine afrikanischen Freunde, sagt er, „programmieren Apps und Websites, schreiben Essays für amerikanische Studenten.“ Hier überflügelt anscheinend gerade im Verborgenen der schwarze Kontinent einen weißen. Dennoch, so Wainaina, verliere Afrika die Kontrolle über seine junge Generation. Man sei „ gelangweilt“. Nun also ein Angriff „durch die Hintertür“, wow.
29.1. 2014
Was wir hier gemacht haben, als Familie, ist irrational. Zumindest in der Folgerichtigkeit eines Deutschlandradio-Beitrags über „rationale Familienplanung“, der Mutter, Kind, Co-Vater titelt. (Um eventuelle Fragen, die bei „Regenbogenthemen“ hier gelegentlich auftraten, vorweg zu beantworten: Nein, ich hege keinerlei Haßgefühle gegen diese Menschen mit ihrer „rationalen Familienplanung.“ Es ist wohl eine anthropologische Grundkonstante, daß der Mensch nach dem je Machbaren greift.)
Was ist unter rationaler Familienplanung zu verstehen?
Gianni und Christine haben sich in einem Internet-Forum für Menschen mit Kinderwunsch kennengelernt. Hier inserieren neben lesbischen Paaren auch heterosexuelle Single-Frauen, die auf der Suche nach einem Vater für ihr zukünftiges Kind sind – allerdings ohne Romantik: Bechermethode heißt das Stichwort für eine Zeugung ohne Geschlechtsakt.
Gianni ist schwul, Christine lesbisch, und sie haben sich gemeinsam ein Kind angeschafft, „ohne Romantik“, ohne Sex. Die Reporterin erwähnt lobend und verhalten euphorisiert, daß Gianni mit im Kreißsaal war und ein rechtschaffener Windelwickler ist. Er will auch künftig „präsent“ sein für das lebendige Produkt der rationalen Übereinkunft. Sie ist Chirurgin, er Theatermensch, und als rationale Eltern können sie ihren Berufsalltag besser planen als irrationale Eltern, die aus Liebe ein Kind gezeugt haben.
Das Gute sei, dass sie bei ihrem Modell keine Zeit für sich als Paar einrechnen müssten, sagt Gianni und lacht.
Das ist zweifelsohne gut und zum Lachen. Was es mit dem Kind macht, dieses Aufwachsen bei rationaler Mama und rationalem Papa?
Passend hat sich meine Lieblingsfeministin, die grandiose Camille Paglia zu Wort gemeldet. In einem Interview mit dem konservativen Radiomoderator Dennis Prager geht sie – selbst Lesbierin, selbst rationale Co-Mutter – hart ins Gericht mit der Homosexuellenlobby. Sie sagt, aus politischen Gründen dürften Kindheitsereignisse, die in Zusammenhang mit Homosexualität stehen können, heute nicht untersucht werden. Sie halte es für eine Mär, daß jemand von Geburt an unwiderruflich zur Homosexualität bestimmt sei. Wäre sie vor zweihundert Jahren in ihrem Wurzelland Italien geboren, sie wäre vermutlich Nonne geworden, sagt Paglia.
„Jede einzelne homosexuelle Person, die ich kenne, trägt irgendein Kindheitsdrama in sich. Irgend etwas ist passiert, über das wir heute nicht mehr sprechen dürfen.“ Sie erkenne bestimmte Muster, die in ihrer Biographie und der anderer lesbischer Frauen auftauchen würden. Noch deutlicher sei dies bei Schwulen zu beobachten. Diese hätten der Mutter näher gestanden als dem Vater, gleichzeitig habe eine Distanz zwischen Mutter und Vater bestanden. Die Mutter habe daher den Sohn daher als Partner betrachtet, als eigentlich Seelenverwandten. Heute, so Paglia, dürfe man diese Einflüsse aus der Kindheit nicht mehr untersuchen. Bereits die Frage danach gelte als „homophob“! Das Establishment der Psychologie habe sich selbst ausgeschaltet, kritisiert sie. Alle Fragen rund um Homosexualität, auch die psychologische Forschung, seien politisiert worden.
Gut, die rationalen Eltern könnten entgegnen: Na und, selbst wenn unsere rationalen Kinder sämtlich homosexuell würden, wo wär’ das Problem?: „Stichwort Bechermethode“.
30.1. 2014
Die junge, hübsche Krankengymnastin ist sichtbar weder lesbisch noch feministisch gesinnt. Auf dem enganliegenden schwarzen Textiloberteil, das den prallen Bauch der Hochschwangeren bedeckt, steht in neonpinken Lettern Made by Steffen. Das also wäre klar. Ich habe nie behauptet, daß heterosexuelle Mütter grundsätzlich stilsicher sind.
31.1. 2014
Nein, ich bin nicht fixiert auf dieses Thema. Das Thema ist omnipräsent, ich fühle mich als Medienkonsumentin geradezu überrollt davon. Seit Tagen wird die im Südharz ansässige Gesellschaft für Lebensorientierung e.V., kurz Leo, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an den Pranger gestellt. Leo e.V. bietet neben dutzenden unverdächtigen Seminaren auch unglücklichen Homosexuellen Hilfe zur Neuorientierung an. Es ist dabei nicht gerade so – auch wenn die Aufregung das ungefähr vermittelt –, daß die Leo-Leute Homosexuelle auf der Straße einfangen und sie in ihre Seminare kasernieren. Es ist ein Angebot, das sich an einer Nachfrage orientiert. Es scheint eine größere Anzahl homosexueller Menschen zu geben, die nicht glücklich mit ihrem Triebverhalten sind.
Leo e.V. ist keineswegs die einzige entsprechende Institution. Nun wird durch Medienberichten und hunderte Aufschreie in den „sozialen Netzwerken“ jenen drei Leo-Vereinsmitglieder, die zugleich CDU-Politiker sind, die Hölle heiß gemacht. Es heißt, wer Homosexualität für eine behandlungsfähige Störung hält, gehöre aufs Schafott, wenigstens aber ins Mittelalter. Jenes Mittelalter dauerte bekanntlich bis 1992, damals wurde Homosexualität aus der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen International Classification of Diseases entfernt. Das ist der Punkt, den Camille Paglia meint: Heute, mit Abstand von kaum mehr als zwanzig Jahren, ist Homosexualität nicht nur toleriert, sie ist zu einem freiheitlich-demokratischem Fetisch geworden.
Für krank gilt nicht mehr der Homosexuelle, sondern der Homosexuelle, der mit seiner Neigung hadert. Und noch kränker die, die denen Hilfe anbieten, die Hilfe suchen. Ist es vorstellbar, daß es bald Quoten gibt? Homoquoten? „Bei gleicher Eignung werden Personen mit nachgewiesen homosexueller Neigung bevorzugt eingestellt,“ – Neinnein, nicht weil man Homosexuelle für bessere Menschen hält, nein, nur zu Zwecken der Diversity und um einer betrieblichen Monokultur, die doch jeder mit gesundem Menschenverstand Begabte für schädlich halten würde, entgegenzuwirken.
Im Deutschlandfunk zeigte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann „irritiert“, wenn nicht empört über das Leo‑e.V. – Ansinnen, zweifelnden Homosexuellen mit Lebenshilfe zu kommen. Außerdem hält Kaufmann den neuen Sexualkundeplan in Baden-Württemberg für hilfreich, der vorsieht, den Kindern schwule und lesbische Sexualspielarten vorzustellen. Vor allem deshalb, weil bei „vielen Kindern mit Migrationshintergrund das Thema sexuelle Identität zu Hause gar keine Rolle spielt.“ Heißt im Umkehrschluß wohl: In reindeutschen Familien dient „sexuelle Identität“ als Gesprächsstoff. Ich ende mit mittelalterlichen Grüßen.
Gustav Grambauer
Etwas zum historischen oder sogar anthropologischen Grundverständnis der Homosexualität:
https://de.wikipedia.org/wiki/Neidingswerk
Dies bezog sich lediglich auf die Beschuldigung, die Handlung als solche galt als so ungeheuerlich, daß niemand gewagt hätte, sie auch nur näher in Betracht zu ziehen.
(...)
Mit altertümlichen Grüßen
- G. G.