der Tag und Nacht auf unsere Länder niederprasselt, ohne Unterlaß, ohne irgendein Anzeichen von Erschöpfung. Ein ätzendes Gift, das im Stakkato-Takt, alles, was noch steht, langsam aushöhlt, wegspült, abträgt, morsch macht. Da spanne sich, wer kann, einen Regenschirm auf – mehr als sich selbst und den Fußbreit Erde unter ihm wird er heute kaum mehr trockenhalten können.
Mit einer monotonen Versessenheit wird immer wieder in dieselben Kerben gehauen; werden immer wieder dieselben Stoßrichtungen eingeschlagen; immer wieder dieselben Forderungen erhoben; immer wieder dieselben Appelle verlesen; immer wieder dieselben Unterwerfungsgesten vollzogen; immer wieder werden dieselben trüben Flaschengeister beschworen; und, damit eng verbunden, immer wieder wird dasselbe roboter- und papageienhafte Gezeter angestimmt, das die Medien und den öffentlichen Raum bis zum Erstickungstod zumüllt.
Ich bin dieser Tage sehr, sehr müde geworden, noch Kieselsteine gegen diesen Wasserfall zu werfen. Die Leser werden gemerkt haben, daß sich meine Kommentierlust in letzter Zeit nicht mehr oft regt. Hurra, heute ist es also mal wieder soweit. Aber auch diesmal gibt es nichts Neues zu vermelden.
In den letzten Stunden machte eine AFP-Meldung aus Frankreich die Runde, die inzwischen durch sämtliche Massenverbreitungskanäle gespült wurde: Spiegel Online, Focus, Die Welt, Die Zeit, spin.de, derwesten.de, web.de, gmx.de, n24.de, news.at, Der Standard… In der Fassung der Welt:
Eine Attacke mehrerer Jugendlicher auf einen geistig Behinderten – gefilmt und ins Internet gestellt – hat in Frankreich für Empörung gesorgt. Der Vater des 18-jährigen Opfers prangerte am Dienstag im Sender RTL den “feigen” Angriff auf seinen Sohn an. “Ich bin natürlich empört, er ist gedemütigt worden.”
Die Täter müssten bestraft werden. Zehntausende Menschen drückten bei Facebook ihre Zustimmung für eine Petition aus, in der eine Haftstrafe für die Angreifer gefordert wird.Die Jugendlichen hatten den geistig Behinderten am Sonntag in einem Park in Fontaine im Großraum Grenoble attackiert, ihren Übergriff gefilmt und das Video auf Facebook hochgeladen. Darauf ist zu sehen, wie zwei Jugendliche den 18-Jährigen an den Armen festhalten, ihn anrempeln und schließlich in einen niedrigen Bach stoßen. Verletzt wurde das Opfer bei dem Angriff nicht.
Am Dienstag befanden sich drei der Angreifer im Alter zwischen 14 und 16 Jahren in Polizeigewahrsam, wie Ermittler in der französischen Alpenstadt Grenoble sagten. Ein ebenfalls verdächtiger Zwölfjähriger wurde nach seiner Befragung auf freien Fuß gesetzt.
Bereits am Montagnachmittag hatte die beigeordnete Ministerin für Behinderte, Marie-Arlette Carlotti, von einer “barbarischen Aggression” gesprochen. Das inzwischen bei Facebook gelöschte Video sei “höchst schockierend”.
Die “Jugendlichen” waren es also mal wieder! Was für eine Art von “Jugendlichen”, verschweigen die Zeitungen bekanntlich beharrlich. Das hat den Effekt, daß “Jugendliche” inzwischen sowas wie ein Codewort, wenn nicht ein “Running Gag” geworden ist. An diesem Punkt beginnt dann das lustige Spiel “Finde den Jugendlichen”, wobei der Hauptspaß daran ist, herauszufinden, ob zutrifft, was man zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon mit ziemlicher Sicherheit ahnt.
Ein paar Routine-Googleklicker zu französischen Nachrichtenseiten genügten in diesem Fall. Auch diese halten sich auffällig bedeckt über die Herkunft der Täter, aber – voilà! – einer ist immer der Verräter. Parismatch weiß mehr: einer der Täter, der die Tat auf seiner Fratzenbuch-Seite abgefeiert hat, hat den Namen “Omar Z.”, und er drückte sich in schönstem “Kiezfranzösisch” aus, einem Neo-Dialekt, der nach Ansicht führender Sprachwissenschaftler die französische Sprache seit einiger Zeit enorm bereichert.
Ptdrr tout a l’heur regardez skon a fait a un handicapé chui mort.
Wuuuh, das ist ein Bingo! How fun!
Parismatch berichtet auch von der Verhaftung eines “Farid G.” in Marseille, der ebenfalls seinen eigenen kleinen “torture porn”, diesmal mit einer Katze als Opfer, gedreht und auf Facebook veröffentlicht hat. Das mobilisierte rund 260,000 FB-Nutzer, die mit Petitionen darauf drängten, den Täter zu fassen und bestrafen. Hier sieht man eine un-diversifizierte Gruppe alternder Alt-Franzosen (plus ein, zwei junge Mädchen), die mit betroffenen Gesichtern gegen den jugendlichen, katzenhassenden Neo-Franzosen demonstrieren.
Einer eigens eingerichteten Facebook-Seite, die sich für die Bestrafung der Peiniger des geistig Behinderten aus Fontaine einsetzt, haben sich bis dato etwa 115,000 Nutzer angeschlossen. Das sind noch bedeutend weniger als im Fall des “Märtyrerkaters” Oscar, aber die Zahl kann noch wachsen.
Auf der Seite sind unterdessen heftige, mit wüsten Beschimpfungen geführte Debatten darüber ausgebrochen, ob eine solche Kampagne nicht die Grenze zum “Rassismus” überschreiten könne, was natürlich zur Folge hat, daß zwischen den Kommentatoren multiple ethnische und politische Spannungen aufgeflammt sind. Dies scheint inzwischen zum außer Kontrolle geratenen Hauptthema der Kommentarspalten geworden zu sein.
Formuliert wird das im FB-üblichen, rechtschreibfeindlichen, skatologischen Kauderwelsch, den ich nur zu einem Bruchteil entziffern kann. Hier ein paar zufällig herausgepickte Kommentare:
VERDAMMTES ARSCHLOCH das ist leicht auf einen Behinderten loszugehen und nachher wundert ihr euch wenn die Leute Rassisten werden pffffffff
Wir Franzosen haben ein Recht darauf, Rassisten zu sein. Das ist unser Land, und hier machen wir, was wir wollen.
Man versteht warum die Leute immer rassistischer werden omar farid und der nächste heißt wie, mohamed?
Du redest nur Scheiße… wenn das ein echter Franzose ist pah na bravo das ist das allerletzte
Der Algerienkrieg, war das etwa deine Zivilisation?
Kleiner Scheißer sagst du aber ich bin Franzose und das ist mein Land und du bist nur vorläufig hier dumme kuh
(Eine junge Frau mit französischem Namen:) Nach einer von einem Araber gefolterten Katze ein armer misshandelter Behinderter – von Arabern!
(Darauf direkt antwortend eine Frau mit arabischem Namen:) Was für eine Schande, diese Tragödie zu benutzen, um deinen Haß und deine Dummheit zu verbreiten!
Karim, tut mir leid, aber es muß endlich Schluß damit sein Rassismus zu schreien, jedesmal wenn jemand mit fremder Herkunft bestraft wird, verdammte Scheiße nochmal…
Wenn man sich gewisse Vorgänge in Frankreich anschaut, fragt man sich, ob der zweite Weltkrieg wirklich zu Ende ist? Manche Franzosen sind offensichtlich Klone Hitlerdeutschlands. Ehrlich gesagt, kann ich diese Rasse nur verachten.
Ich werde zu dem Thema nichts sagen. Sonst würden mich alle für einen Rassisten halten.
Antworten wir niemals mit Haß auf Haß, der Haß, den ihr verbreitet, kommt daher, daß ihr nicht traurig wegen dem Opfer seid, sondern, daß ihr euch freut, daß es sich um einen Stammfranzosen handelt…
Obwohl man kein Rassist sein darf, man wird es, wenn man sich das alles ansieht! Eine Katze, ein Behinderter und was als nächstes??? Was für eine Schande…
Es gibt niemanden der ein echter “Franzose” ist, schau dir doch mal deinen Stammbaum an und du wirst eine Überraschung erleben!!
(eine Französin): Wer zündet die Autos an, wer ist aggressiv, wer tötet? Die Moslems! Und in den Gefängnissen sind 75% Moslems! Das sind die Tatsachen! Es sind nicht die Asiaten, die Juden, die Inder oder die Christen!
(ein Araber): Wer tötet die Moslems in Kriegsländern wie Syrien, Jemen usw? Die Juden! Wer sperrt die Moslems grundlos ein und dafür daß sie die Wahrheit gesagt haben? Die Amerikaner! (in Guantanmo)
Und die rassistischen, homophoben und xenophoben Arschlöcher, wer sind die? Die rassistischen Übergriffe, wer macht das? Es gibt gute und schlechte Menschen, und das hat nichts mit der Religion oder der Ethnie zu tun.
Das soll als Stichprobe erstmal reichen. So sieht also eine “bunte” Gesellschaft in Aktion aus. Gründe, für Opfer ethnischer Gewalt aufzustehen – diesen allgemein hingenommenen Kollateralschäden des Multikulturalismus -, gab es indessen wohl auch schon in Frankreich genug. Es mag komisch erscheinen, daß eine mißhandelte Katze Hundertausende Menschen mobilisieren kann; ganz klar bieten Fälle wie dieser und der jüngste in Fontaine/Grenoble Ventile für schon länger aufgestauten Zorn und Unbehagen, der ansonsten von schlechtem Gewissen und Angst vor sozialen Repressionen in Schach gehalten wird.
In diesen beiden Fällen sind das Unrecht und die Barbarei allerdings so groß und die Opfer so eindeutig unschuldig und wehrlos, daß kein Halten mehr ist. Worum es unter der Oberfläche wirklich geht, zeigt sich dann in den Facebook-Spalten – allerdings gerade auch im “beredten” Schweigen der Medien über die Natur der “Jugendlichen”.
Letzteres geht gewiß eher nach hinten los, wenn die Lüge und Heuchelei zu offensichtlich werden. Und wenn dann mal die Wirklichkeit durchbricht, schürt es wohl am Ende noch die negativen Gefühle gegenüber (Noch-)Minderheiten, aus denen sich bestimmte Tätertypen rekrutieren. Es ist psychologisch kaum zu vermeiden, daß diese ihrer jeweiligen ethnischen Herkunftsgruppe und ihrem Milieu insgesamt eine schlechte Publicity bescheren, ob zu Recht oder zu Unrecht. Als Mitglied einer Minderheit wird man nie nur als blosses Individuum wahrgenommen. Und die Mehrheit reagiert emotional eben doch anders darauf, wenn einer der ihren den zivilisatorischen Konsens verletzt, als wenn es sich um einen Angehörigen einer Minderheitengruppe handelt, bei dem man, besonders wenn er schlecht bis gar nicht assimiliert ist, ohnehin Zweifel hegt, inwiefern er diesen spezifischen Konsens überhaupt teilt und verinnerlicht hat.
Diese gruppenpsychologischen Dispositionen werden sich jedenfalls nicht dadurch ändern, indem man so tut, als ob es all diese Bruchlinien und Unterschiede nicht gäbe, als ob die Gesellschaft eine Einheit wäre und sich alle ihr gleichermaßen verpflichtet fühlen würden. Das ist aber die unausgesprochene und ärgerliche Prätention, die hinter der Medienpraxis des gezielten Verschweigens durchscheint. Es ist eine implizite Aufforderung, sich zu einer Art freiwilligem Blindstellen-Spiel zu erziehen. Und das ist natürlich besonders dann eine Zumutung, wenn es sich um offensichtliche Krisenherde handelt, die abgekascht werden sollen.
Bleibt nur noch, über die Lage in Frankreich ein weiteres Mal die bei Antaios erschienene Essaysammlung von Richard Millet zu empfehlen. Wer all diese Dinge in ihrer ganzen Dimension verstehen will, muß den Mut haben, sich in kältere Zonen der Betrachtung zu begeben. Dem Regengeprassel entkommt er so oder so nicht. Es wird noch sehr kalt und naß werden in Europa.
Ein Fremder aus Elea
Wahrscheinlich hat sich da schon was aufgestaut, beweiskräftig ist die 100.000-fache Anteilnahme an Katzenvideos dafür aber nicht.
Ich meine, gewissermaßen ja ein ähnlich gelagerter Fall, dieser für Artenschutz zuständig gewesen seiende Beamte aus Thüringen, der hat ja auch für erhebliches Aufsehen mit seinem... hmm... "Tiervideo" gesorgt. Die FAZ hat drüber berichtet, der SPIEGEL auch - mit unverpixeltem Gesicht! - und ich wüßte nicht, was sich gegen Thüringer Beamte - also jetzt außerhalb des Verfassungsschutzes - aufgestaut haben sollte.
Gut, lassen wir die Späße und werden ernst. Es ist völlig klar, daß die selbe Nachgiebigkeit, mit welcher die heutigen Zustände hingenommen werden, auch die morgigen Zustände hinnehmen lassen wird, daß, wer nicht seinen Beitrag dazu leistet, das Recht zu verwirklichen, jede Art von Unrecht geschehen lassen wird.
Ironischerweise die Kernaussage des Korans.
Aber das alleine wird dem Islam in Europa nicht zum Sieg verhelfen, dafür ist der Effizienzgedanke zu stark verwurzelt, aber es wird schon dazu beitragen, den Konflikt zu verstetigen.