Lorenz Jäger: Unterschied – Widerspruch – Krieg

(Rezension aus Sezession 58 / Februar 2014)

von Stefan Dornuf

Mit dem vorliegenden Band ist die Tetralogie ideengeschichtlicher Monographien abgeschlossen, an der Lorenz Jäger im vergangenen Jahrzehnt arbeitete.

Sie wid­me­te sich in den bis­her erschie­ne­nen Bän­den dem phi­lo­so­phi­schen Mar­xis­mus (Ador­no. Eine poli­ti­sche Bio­gra­phie, 2003), dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ras­sis­mus (Das Haken­kreuz. Zei­chen im Welt­bür­ger­krieg, 2006) sowie dem repu­bli­ka­ni­schen Lai­zis­mus fran­zö­sisch-roma­ni­scher Prä­gung (Hin­ter dem gro­ßen Ori­ent. Frei­mau­re­rei und Revo­lu­ti­ons­be­we­gung, 2009). Das Herz­stück die­ses Ban­des stammt aus der Fest­schrift für Gün­ter Maschke, die meis­ten übri­gen Bei­trä­ge sind der FAZ ent­nom­men, als deren Redak­teur Jäger tätig ist.

Die Auf­ga­be, die er sich hier stellt, ist kei­ne gerin­ge­re, als die Wur­zeln des Anti­se­mi­tis­mus frei­zu­le­gen. Jägers poli­tisch über­aus inkor­rek­ter Befund geht nun dahin, einen Grund für ihre Ver­fol­gung auch bei den Juden selbst zu suchen und erst dadurch die­ses gro­ße Welt­volk in sei­ner Bedeu­tung zu wür­di­gen. Mit Max Webers Reli­gi­ons­so­zio­lo­gie dia­gnos­ti­ziert er die Abschot­tung und Ghet­toi­sie­rung jenes ort­lo­sen Vol­kes gegen ande­re Völ­ker, er fin­det im Baby­lo­ni­schen Tal­mud das aus­drück­li­che Ver­bot der Hil­fe-leis­tung gegen­über frem­den Ras­sen und stößt schließ­lich auf ein elek­tri­sie­ren­des Zitat Franz Rosen­zweigs, der Eugen Rosen­stock-Hues­sy geschrie­ben hat­te: Nur die Juden hät­ten den Mut auf­ge­bracht, Jesus Chris­tus ans Kreuz zu nageln, und sie wür­den das glei­che wie­der tun.

Jäger sieht Max Weber zusätz­lich sen­si­bi­li­siert für sein The­ma durch die schlich­te Tat­sa­che, daß damals Georg Lukács und Ernst Bloch zu sei­nem Schü­ler­kreis zähl­ten, die den Ers­ten Welt­krieg als Epo­chen­bruch enthu­si­as­tisch begrüß­ten und bedin­gungs­los der Okto­ber­re­vo­lu­ti­on anhin­gen. In sei­ner Abend­län­di­schen Escha­to­lo­gie schließ­lich bestä­tigt Jacob Tau­bes das Jüdi­sche als Fer­ment der Dekom­po­si­ti­on, als Gär- und Spreng­stoff, der kei­nen Stein auf dem ande­ren läßt. Erst der Sozi­al­de­mo­kra­tie ist es gelun­gen, das apo­ka­lyp­ti­sche Moment des Mar­xis­mus zu til­gen – ein zwei­fel­haf­tes Verdienst.

Das gan­ze sechs­te Kapi­tel »Geschich­te und Phan­ta­sie« gilt dem Streit zwi­schen Gore Vidal und Phil­ip Roth um die Posi­tio­nen von Frank­lin D. Roo­se­velt und Charles Lind­bergh im Zwei­ten Welt­krieg. Vidal hat­te in einem auf­se­her­re­gen­den Essay »Der Adler am Boden« (deutsch abge­druckt in der Samm­lung Ame­ri­kas Traum vom Flie­gen) den berühm­ten Pilo­ten ver­tei­digt und des­sen iso­la­tio­nis­ti­sche Ein­stel­lung als für die Ame­ri­ka­ner vor­bild­lich gefei­ert. Roo­se­velt, der den Krieg brauch­te und des­halb Pearl Har­bor insze­nier­te, wur­de sei­ner­seits von Roth favo­ri­siert, aller­dings nicht ohne daß es dabei an Denun­zia­tio­nen gefehlt hät­te, die auch mit Roths jüdi­scher Her­kunft in Ver­bin­dung stehen.

Lorenz Jäger: Unter­schied – Wider­spruch – Krieg. Zur poli­ti­schen Theo­lo­gie jüdi­scher Intel­lek­tu­el­ler, Wien: Karo­lin­ger 2013. 152 S., 22 €

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