Es wurde gescholten, gezetert, die Stirn gerunzelt, vor allem aber allerlei unangenehme „Konsequenzen angedroht“, aktuell etwa von Kommissar José Manuel Barroso nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“.
Nach der ersten Schockstarre – die Schweiz hatte am Sonntag wider Erwarten für die Wiedereinführung von Zuwanderer-Kontingenten gestimmt – reagiert die Europäische Union: Die Kommission droht nun mit ernsten Konsequenzen, sollten die Eidgenossen die Zuwanderung (von EU-Bürgern) tatsächlich wieder begrenzen. „Im Sinne der Gegenseitigkeit ist es nicht richtig, dass Schweizer Bürger die unbeschränkte Personenfreizügigkeit in der Europäischen Union haben“, sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in einem am Mittwoch veröffentlichten Reuters-Interview. Damit deutete der Kommissionschef an, dass Schweizer künftig nicht mehr ohne weiteres in EU-Ländern wohnen und arbeiten könnten. Konkrete Strafmaßnahmen nannte er aber nicht. „Es ist unfair, dass ein Land alle Vorteile hat und seinen Partnern nicht dieselben Vorteile gewähren will“, betonte der Politiker.
Einen unüberhörbar dräuenden Unterton hatten auch die Stellungnahmen der bundesbunten EU-Statthalter auf deutschem Boden, Merkel und Schäuble: Das Ergebnis des Volksentscheids werde „eine Menge Schwierigkeiten verursachen“ (Schäuble) und „erhebliche Probleme bereiten“ (Merkel). Beides klingt weniger nach nüchternen Feststellungen, sondern eher als Ankündigung von einer Menge Ärger für die Ungehorsamen.
Der Umgang mit der bloß EU-nahen Schweiz zeigt, was auch allen Mitgliedstaaten blüht, die es wagen, von der Brüsseler Linie abzuweichen. Überall dort, wo das Stimmvieh etwas anderes im Schilde führt, als deren Zielsetzungen formell abzusegnen, drohen Sanktionen und Ächtungen. Brüssel läßt Parteien wie die SVP, die FPÖ, Front National, UKIP oder AfD, und damit auch ihre Wähler mehr oder weniger offen spüren, daß sie gerade noch geduldet sind, im Grunde aber nichts weiter als lästige Quälgeister sind, die man einstweilen dulden muß, mit denen man aber langfristig schon fertig werden wird.
Die deutsche Presse hat in Übereinstimmung mit den herrschenden Eliten überwiegend versucht, den Volkentscheid als negativ hinzustellen. Typische Schlagzeilen lauteten: „Die Schweiz schottet sich ab“, „Proteste gegen das Ja“, „Kritik an Schweizer Abschottung“, „Schweizer Abschottung – Ratlos im ‘Tal der Tränen“, „Schweiz schockt die Politik“, „Schweiz schneidet sich ins eigene Fleisch“, „Enttäuschtes Europa“, „Sieg der Angst vor der Überfremdung“ und so weiter.
Minderwertigkeitskomplexe, „gnadenlose Vereinfacher“ und „Poltergeister“ und sonstige „Gespenster“ werden für das Debakel verantwortlich gemacht. Die Schweizer hätten „fundamentale Rechte ausgehebelt“ und einen furchtbaren „Schaden“ angerichtet. Und Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, sieht kleinkarierte, rosinenpickende „Fremdenfeinde“ am Werk.
Zu den „Vereinfachern“ werden selbstverständlich nicht jene gezählt, die auf die sentimentale Tube drücken und etwa die Schlagwortmystik der „Offenheit“ oder „Weltoffenheit“ bemühen, um rationale Diskussionen zu verhindern. Hier wird wieder die übliche doppelbackige Zange angesetzt, die Allianz zwischen linker Internationalisierungsrhetorik und neoliberalen Geschäftsinteressen, die einander gegenseitig glänzend stützen und ergänzen. Während die einen beklagen, der Volksentscheid sei schlecht fürs Business, jammern die anderen, er sei schlecht für die „Vielfalt“ und allerlei humanitäre Anliegen.
Kulturträger wie der Schriftsteller Adolf Muschg „schämen“ sich schon mal kräftig, daß ihre Landsleute „einen tiefen Mangel an kosmopolitischer Substanz“ gezeigt hätten, was natürlich das Wichtigste auf der ganzen Welt ist. Demonstranten gegen den Volksentscheid in Zürich marschierten mit vielsagenden Transparenten auf: „Gegen Rassismus und Repression: Internationale Solidarität“ oder „Refugees welcome“ oder für „eine offene Schweiz“.
Der Wiener Standard brachte am 10. Februar einen für dieses Denken typischen Cartoon: dieser zeigt die Schweiz als trostlose, finstere Alpenfestung mit dem Charme des Todessterns, von einer hohen, dicken, fünfzackigen Mauer ohne Fenster und Türen umgeben, versehen mit der Bildlegende: „Von offenen Gesellschaften und ihren Feinden“. (Aha: „Feinden“?) Geographisch recht abenteuerlich, nur ein kleines Stück hinter der Mauer, ist ein Meer zu sehen, über das mit Armutsflüchtlingen vollbepackte Boote Richtung Europa steuern.
Das Motiv kennt man: ähnliche Bilder, die eine Alcatraz-artige „Festung Europa“ zeigten, haben linke Cartoonisten auch apropos Lampedusa am Fließband produziert. In beiden Fällen ist moralische Erpressung durch die Erzeugung von schlechtem Gewissen das Ziel. Daß diese Motive nun 1:1 auf die Schweiz übertragen werden, zeigt den entscheidenden „Subtext“ der Kontroverse um die Abstimmung, der auch Grund für die Unruhe ist, die sie ausgelöst hat.
Vordergründig macht man sich darüber lustig, daß sich die Schweizer nun offenbar vor einer „Überfremdung“ durch Deutsche und deren Konkurrenz fürchten (siehe auch hier und hier). Aber im Hintergrund steht eben doch ein anderer „Diskurs“. Es geht hier keineswegs um Deutschen- oder EU-Bürgerfeindlichkeit. Die SVP-Initiative hat ein wichtiges Paradigma der EU-Herrschaft in Frage gestellt – ein Akt, der in deren Hauptfregatten Deutschland und Frankreich zu weitaus problematischeren Lagen führen würde.
Anders als die Presse mit ihrer Rede von den „Poltergeistern“ und verpeilten „Populisten“ behauptet, bestach die SVP-Kampagne durch eine intelligente Kombination aus Faktenpräsentation, vernünftiger Argumentation und griffiger Vermittlung. Sie war in jeder Hinsicht vorbildlich aufgezogen, was gewiß ihren erstaunlichen Erfolg befördert hat.
Sie warf legitime und für jede Nation überlebensnotwendige Fragen auf: die Frage nach dem rechten Maß, dem Verhältnis zwischen Bevölkerungs- und Einwandererzahl, die Identitätsfrage, die Raum- bzw. Verortungsfrage und die Umweltfrage, die untrennbar miteinander zusammenhängen. Es kann für kein Land wünschenswert sein, wenn auf lange Frist die Zahl der Zugewanderten jene der Ansässigen übertrifft, oder wenn die räumlichen Ressourcen und Kapazitäten übermäßig strapaziert werden.
Diese Probleme können weder mit rein „ökonomistischer“ („Allein das Business zählt!“) noch mit rein „humanistischer“ Rhetorik, die alle Welt zu sich einladen will, um an einem angeblich endlos verfügbaren Kuchen mitzunaschen, zugedeckt werden – und auch nicht mit „kosmopolitischem“ Glamour, der sich spätestens dann verflüchtigt, wenn sich der Import der Dritten Welt auch sozial, bildungspolitisch und wirtschaftlich bemerkbar macht.
Die EU ist heute nichts weiter als ein politischer Arm dessen, was ich als „egalitären Globalismus“ bezeichne. Wenn Nationalstaaten nur mehr beliebige „Standorte“ werden sollen, die man zuerst ihrer Substanz beraubt, um sie anschließend mit Konsum und „Menschenrechten“ aufzufüllen, dann müssen folgerichtig die Völker „entortet“ und ihre Identitäten aufgelöst werden.
Die Rede von der allumfassenden und totalen „Offenheit“ und „Freizügigkeit“ zielt auf genau dies ab: auf Entortung durch Entgrenzung und Identitätsabbau durch „Egalisierung”. Dies ist die „offene Gesellschaft“, die hier geplant wird, und wer sich gegen sie stellt, ist ein „Feind“, wenn nicht gleich ein Schwerverbrecher, der den Sieg der Heilen kaum erwarten kann. Darum wird man nicht müde, diesen Widerstand aus neurotischen Verkrampfungen und ethischen Defekten zu erklären. In Wirklichkeit sollte inzwischen klar sein, daß die solcherart „geöffneten“ Gesellschaften in erster Linie offenstehen sollen, um die Penetration durch allerei übernationale Finanzpumpen zu ermöglichen.
Schließlich ist der SVP und den Schweizern zu verdanken, dem Schlagwort von der „Masseneinwanderung“ weite Verbreitung und Geltung verschafft zu haben. Die EU-Eliten reagieren auffällig allergisch, wenn die Einwanderung an sich als Problem thematisiert wird, und handele es sich auch nur, wie im Fall der Schweiz, um nicht mehr als die Forderung nach einer sinnvollen Beschränkung (denn von einem Totalstopp war ja niemals die Rede). Das hat den einfachen Grund, daß sie eben diese „Masseneinwanderung“ wollen, was man eindeutig belegen kann.
Es sei noch hervorgehoben, daß der Schweizer Volksentscheid nicht nur negative Presse hervorgebracht hat. Erstaunlich positive Kommentare sind in Leitmedien wie Focus, Die Welt oder sogar im Spiegel erschienen, wo ein Gastbeiträger „Europas mutigste Demokraten“ bejubelte – ob es sich hierbei nur um Alibis und Pluralismus-Attrappen handelt, sei dahingestellt. „Weltwoche“-Chefredakteur Roger Köppel bekam in deutschen Fernsehen Gelegenheit zu einem souveränen Auftritt, der seine Wirkung auf viele Zuschauer nicht verfehlt haben wird. Auch in den deutschen Kommentarspalten zeigt sich überwiegend Sympathie für die Schweizer. Im „Voting“ des Mainstream-Massenportals web.de, das in der Regel nur Prawda-ähnliche Artikel verbreitet, haben über 60% der Nutzer die Entscheidung der Schweizer als „richtig im Sinne ihrer Bürger“ beurteilt.
Dahingestellt sei auch, ob der Entscheid wirklich soviel Grund zum Jubeln bedeutet, wie dieser junge Autor aus dem Umfeld der Wiener „Identitären“ meint. In einem Punkt hat er gewiß recht: die Schweizer haben eine entscheidende, weithin verharmloste und unterschätzte Schicksalsfrage Europas angesprochen, über die dringender Aufklärungsbedarf herrscht. Es fehlt der breiten Bevölkerung an Wissen und Informationen; wären mehr Fakten über die Konsequenzen der laufenden Einwanderungspolitik bekannt, so wäre vermutlich auch ein größeres Widerstandspotenzial, wie es sich in der Schweiz gezeigt hat, möglich.
Tatsächlich erklären sich Experten die Aufholjagd der Volksabstimmung dadurch, dass den meisten Schweizern gar nicht bewusst war, wie massiv und unumkehrbar die Einwanderung in ihre Heimat wirklich ist. Der Tagesspiegel schreibt z.B.
„Diese Nettozahl war bis zur Lancierung der Zuwanderungsinitiative nur Insidern bekannt, die gerne Bevölkerungsstatistiken studieren oder diese selbst verfassen.” (tagesspiegel)
Erst die Info-Kampagne der SVP, welche die Frage zum Thema machte und so auch allen Medien „aufzwang“, durchbrach diese Mauer der Desinformation. Und erst als den Schweizern bewusst wurde, wie massiv das Problem ist, wendete sich das Blatt und die allgemein akzeptierte, politisch korrekte Haltung wurde zunehmends hinterfragt. Es ist dasselbe Phänomen, warum etwa in Österreich in Wahlkampfzeiten die Ablehnung von Einwanderung so hoch ist wie sonst nie. Wenn das Problem thematisiert wird, bröckelt die „Heile Welt“-Fassade der Medien und die Wahrheit tritt zutage. Wenn man es dem Volk bewusst macht, bildet sich erst Wut und Widerstand. (…)
Sozialistische Parteien fahren mittlerweile in ganz Europa die Strategie, Masseneinwanderung und Überfremdung gar nicht mehr zu erwähnen (!). Selbst wenn sie es mit der schönsten und bestgeschliffensten Multikulti-Propaganda garnieren: allein die Erwähnung des Themas als Problem führt zu immensen Stimmengewinnen bei patriotischen Parteien. Es gibt für die Multikultis keine Möglichkeit mehr, das Problem zu thematisieren, weil sie einfach keine Lösung dafür haben, weil sie es nicht erwartet haben, weil es nach ihnen „gar nicht da“ sein dürfte. Also wird es totgeschwiegen. Genauso totgeschwiegen, wie die gesamte Kampagne der SVP, von der man in den europäischen Medien wenig bis gar nichts erfahren hat.
Ich denke, daß der Autor recht hat, dieses Thema besonders hoch zu veranschlagen:
In der restlichen Infoarbeit und den Aktionen ist das Thema oft in den Hintergrund gerückt. Dabei ist es die wichtigste Frage überhaupt, die und das zu bezeichnen, das sonst NIEMAND thematisiert. Es gibt genug Bewegungen, die sich auf Umweltschutz, Datenschutz, Konsumkritik, reine Kritik am Genderwahn, Kulturmarxismus, Islam, etc. eingeschossen haben. Aber all diese Fragen sind sekundär gegenüber der Frage von Masseneinwanderung und Überfremdung! Hier liegt das größte Problem, denn wessen Daten, Umwelt, Religion, Familien und Kulturen will man schützen, wenn unser Volk verschwunden ist?
Er schließt mit dem Appell:
Unsere Forderung nach echter Demokratie, nach einem Offenlegen aller Zahlen; danach, dass man das Volk endlich vor die Wahl stellt, ob es abgeschafft werden will, ist das wichtigste Thema, dem alles Denken und Streben aller Identitären 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr gelten sollte!
Julius
Die Reaktion der veröffentlichten Meinung auf dieses Abstimmungsergebnis ist wieder einmal ein besonders schönes Beispiel dafür, daß "Demokratie" so wie auch all die anderen schönen Werte wie "Gleichheit", "Toleranz", Menschenrechte" usw. in Wahrheit leere Worthülsen sind, die situationsbedingt, je nach Hinter- bzw. Vordergrund, ihren Sinngehalt und damit auch ihre Aussage und ihre Stoßkraft wechseln können und ganz rasch auch die gegenteilige Bedeutung haben können wie noch kurz zuvor: Chamäleonworte könnte man sagen.
Die Demokratie, vor allem die direkte, ist halt leider oft antidemokratisch. Deswegen darf man sie, vor allem aus historischen Gründen in Deutschland, zum Schutz vor antidemokratischen Erscheinungen nur in abgeschwächter Form, also als indirekte Demokratie auftreten lassen. Sprich: Der Demos muß geführt werden, damit er sich nicht verirrt. Verlogener geht's kaum.