dessen Roman Hirnhunde Antaios nun verlege und von dem man nur wisse, daß er ein ziemlich bekannter Schriftsteller sei? Weil ich nicht auf jede Anfrage persönlich antworten kann, erzähle ich die Geschichte am besten hier:
Bei Antaios gehen pro Jahr rund vierzig unverlangte Manuskripte ein, von denen knapp die Hälfte mit einem Vorbehalt versehen ist: Man würde gern veröffentlichen, könne dies aber nur unter Pseudonym tun (“berufliche Situation, Bekanntenkreis, Blutdruck, Sie verstehen?”). ich verstehe und weiß natürlich immer, wer sich hinter dem Tarnnamen verbirgt.
Im vergangenen Mai nun reichte ein Unbekannter die ersten drei Kapitel eines Romans mit dem Titel Hirnhunde ein, und zwar per Post. Das beiligende Schreiben war knapp, es kündigte einen Anruf an und war mit “ein Schriftsteller” unterschrieben. Daß es sich bei Hirnhunde um eine Art Szene-Roman rund um eine konservative Wochenzeitung handelte, war nach der Lektüre weniger Seiten klar, und der Anruf kam wie angekündigt.
Ich bestand von Anfang an vergeblich darauf, die wahre Identität des Autors zu erfahren, übergab aber dennoch das Manuskript, das in drei Schüben mittels Stick eingereicht wurde, an Ellen Kositza zur lektorierenden Lektüre. Wir hatten keine mail-Adresse, keine Telefonnummer, nichts. Rückfragen konnten wir stellen, wenn der Schriftsteller anrief. Ob er anrufen sollte, entnahm er unseren Blog-Beiträgen: Eine bestimmte Wortfolge signalisierte die Bitte um Rückruf.
Mitte Oktober lag Hirnhunde vollständig vor. Nun las auch ich diesen Roman, in dessen Zentrum Marcel steht: Reporter der konservativen Wochenzeitung Freigeist, ein Sensibelchen ersten Ranges, aber ein redlicher Journalist. Er schreibt nicht ideologisch, sondern entlang der Perspektive seiner Zeitung, recherchiert gründlich, beobachtet genau, versucht zu verstehen. Ihm widerfährt eine Menge, und man muß sagen: Der Autor von Hirnhunde hat unser Milieu ganz sicher ziemlich lange und ziemlich gründlich studiert.
Hirnhunde lebt von den Dialogen und Gratwanderungen, die jeder Intellektuelle rechts der Mitte zu führen und zu wagen hat. Die Zermürbung der langen Wegstrecke kommt ebenso vor wie die Denunziation, die Selbstzweifel, der Galgenhumor, die geistige Engführung, der Trick mit dem falschen Namen, die Kette der Demütigungen.
Kurzum, der Roman paßt in die edition nordost meines Verlags, das Lektorat erwies sich als unkompliziert, der Schriftsteller schlug das Pseudonym Raoul Thalheim vor – und doch stellte ich zuletzt eine Bedingung: Ich müßte erfahren, wer der Verfasser sei, andernfalls könnte ich das Buch nicht drucken.
Nun weiß ichs, Ellen Kositza weiß es auch, und Hirnhunde kann nächste Woche in Druck gehen. Verraten werden wirs nicht, es sei denn, der in der Tat ziemlich bekannte Schriftsteller entschiede, daß wir dies dürften.
Hirnhunde kostet 19 € und kann hier vorbestellt werden.
Jonny Scapes
... Ob er anrufen sollte, entnahm er unseren Blog-Beiträgen: Eine bestimmte Wortfolge signalisierte die Bitte um Rückruf ...
;-) Erinnert an Szenen in Frederick Forsyths Roman -Das vierte Protokoll-:
... Das Einsatzsignal sollte am Vorabend während der Zweiundzwanzig-Uhr-Nachrichten des englischsprachigen Dienstes von Radio Moskau kommen: Ein absichtlicher Versprecher in der ersten Meldung ... [1]
»Guten Abend. Hier Radio Moskau. Wir bringen die Nachrichten in englischer Sprache. Die Zeit: zweiundzwanzig Uhr.
In Terry... Verzeihung, ich beginne nochmals. In Teheran erklärte die Regierung heute ...« [2]
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Allerdings, -bei näherer Betrachtung- so witzig find ichs eigentlich gar nicht. Beweist es doch letztlich wie sehr »uns« die Gesellschaft Angst einjagt, »uns« klein kriegt, paranoid macht, stillzuhalten zwingt, maßgeblich in unser Leben einzugreifen imstande ist, es zu dominieren - und -zu schlechter Letzt- kritische Gedanken zum Stillstand zu bringen will.
Quelle:
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[1] Forsyth, Frederick »Das vierte Protokoll« -Seite 428- Piper München 1984 ebda.
[2] -Seite 487-