daß Tomislav Sunic zu einem akademischen Vortrag in Siegen geladen war. Daß dieser Vortrag nun doch nicht stattfindet, war weniger verblüffend.
Da Sunic sich zu seiner Wahrnehmung genau dieser Erwartbarkeit geäußert hat, halte ich es für angemessen, seinen Artikel hier bekanntzumachen. Er beleuchtet von außen den Eiertanz, der sich an deutschen Universitäten eingeschliffen hat und dessen reale Ausmaße wohl nicht einmal für uns Studenten zu überblicken sind, sondern mit ganzer Wucht jene treffen, die selbst Räder im Getriebe des akademischen Apparats sind.
Von Sunic in seinen Text eingefügte Verweise wurden (mit Ausnahme derjenigen zu den englischsprachigen Wikipediaartikeln über die NPD und den VS) originalgetreu übernommen. Für die Übersetzung gilt dasselbe wie schon im Fall von Kurtagics Liberalismuskritik – inhaltlich fanden keine Veränderungen statt, bei erkennbaren Pointen wurde jedoch die bestmögliche sinngemäße Annährung an die Textbotschaft gewählt. Auf die feine Abstufung zwischen „racism“ und „racialism“ sei erneut verwiesen; da sie mit deutschen Worten schwer zu fassen ist, habe ich im letzten Absatz als Notbehelf für „racialists“ „Völkische“ gesetzt. Wer sich mit derlei anrüchigem Vokabular schwertut, der möge Einblick in das Original nehmen und im Anschluß über die begriffliche Trennschärfe recherchieren. Daß man in hiesigen Schreibstuben weder willens, noch in der Lage ist, beim Schockbegriff „Rasse“ amerikanischen von deutschem Sprachgebrauch zu trennen, beweist der zugrundeliegende WAZ-Artikel mehr als hinlänglich. Zu danken ist Professor Sunic für seine erfreute Einwilligung, die Übersetzung vornehmen und hier veröffentlichen zu lassen.
…
Akademische Zensur und Selbstzensur in Deutschland
„Es handelt sich hierbei um ein für Akademiker schwer zu behandelndes Thema. Tatsächlich denke ich, daß Akademiker einen großen Bogen darum machen. Als ich über das menschliche Genom schrieb, stellte ich fest, daß jedes Rühren an Themen wie beispielsweise „Rasse“ die Wissenschaftler, mit denen ich sprach, schier versteinerte. Ich hielt es für sehr traurig, daß es in diesem Land Einschüchterung geben sollte. Daher dachte ich, es sei eine Möglichkeit, vielleicht gar eine Pflicht, dieses Buch zu schreiben, das Eis zu brechen und zu versuchen, über einige dieser Dinge zu reden.“ (Nicholas Wade in einer Diskussion über sein Buch »A Troublesome Inheritance« auf die Frage von Jason Richwine: „Wie zuversichtlich waren Sie, daß das Schreiben dieses Buches sie nicht um ihren Lebensunterhalt bringen würde?“)
Manchmal können schlechte Nachrichten von Seiten des Systems gleichzeitig gute Nachrichten für die Verfechter der freien Meinungsäußerung sein. Insbesondere dann, wenn das System stillschweigend zugibt, daß es seine eigenen, selbsterklärten Grundsätze der Meinungsfreiheit abbremsen, seine eigene, vielgepriesene freie akademische Forschung zurückweisen und stattdessen zu Zensur und Knebelungen greifen muß. Dieser Fall trat jüngst ein, als ich an die deutsche Universität Siegen eingeladen wurde, um eine Vorlesung über das Thema »Der Untergang des Abendlandes« zu halten.
Wie zu erwarten war, wurde die Einladung von der Hochschulleitung umgehend zurückgenommen. Am 13. Mai 2014 berichtete die einflußreiche deutsche Tageszeitung Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) über die Absage der Veranstaltung. Professor Jürgen Bellers, der mich eingeladen hatte, ist ein alter Kollege – ein ehemaliger Gastprofessor am Juniata College in Pennsylvania, wo ich in den frühen Neunzigern als ordentlicher Professor für Politikwissenschaften lehrte.
(Sunic fügt an dieser Stelle folgenden Auszug des WAZ-Artikels, den ich aus dem Original übernommen habe, in englischer Übersetzung ein:)
Der Siegener Universitätsprofessor Jürgen Bellers wollte einen Rassentheoretiker an seiner Fakultät reden lassen. Nach scharfer Intervention der Hochschulleitung sagt er die Veranstaltung ab. Der rechtsnationale Professor Tomislav Sunic sollte ursprünglich am 27. Juni zum Thema »Untergang des Abendlandes« referieren.
Sunic, US-Staatsbürger und gebürtig aus Zagreb, sprach unter anderem 2012 bei der »Sommeruniversität der NPD Saar«. …
In einer Rede zum Thema »Rasse und Gestalt« für die Zeitschrift »Volk in Bewegung« gibt Sunic einen Einblick in sein, laut Bellers, rein kulturell geprägtes Weltbild. »Es gibt Orte in Berlin – ganz zu schweigen in LA, oder unten in der Unterwelt der Pariser U‑Bahn, – wo ein weißer Passagier spät in der Nacht froh ist, wenn er eine Person seiner Rassenart erkennt, egal ob er Pole, Kroate, Linker oder Rechtsradikaler ist. Der flüchtige Augenkontakt zwischen beiden spricht Bände in Bezug auf ihre plötzlich abgerufene gemeinsame weiße Rassenidentität“, heißt es dort. Die »Auswirkungen der nicht-europäischen Zuwanderung und die Gefahr einer rassischen Mischlingsgesellschaft in Europa« sei kritisch zu erörtern, schreibt Sunic: »Ein solches Mischlingseuropa ist eine echte Gefahr für alle weißen Europäer, auch für die ehemaligen Feinde.«
Mein Kommentar zur akademischen Selbstzensur: German „Berührungsängste“
Überraschenderweise hat die WAZ obiges Zitat von mir eingefügt, was bedeutet, daß – wie in der ehemaligen Sowjetunion, der ehemaligen DDR oder im früheren Jugoslawien – eine aufgeschlossene Person erst lernen muß, die Botschaft und den Überbringer derselben zwischen den Zeilen zu entziffern. Die Deutschen haben ein markantes Kompositum für „politisch korrektes, selbstzensiertes, paranoid erwartetes Mitgegangen-Mitgefangen-Mitgehangen-Fühlen“, ein heutzutage überhandnehmendes Phänomen unter deutschen Intellektuellen und Journalisten. Im deutschen Akademikermilieu kennt man es unter dem Namen „Berührungsängste“.
Unnötig zu erwähnen, daß der Artikel auch berichtet, Deutschlands berühmter Verfassungsschutz (ein vom Staat betriebenes, internes Netzwerk juristischer Hilfskräfte, angeschlossen an das deutsche Innenministerium, zuständig für die Ausspähung »radikaler Elemente«) scheine über meine Vortragsaktivitäten wohlinformiert. Derselbe WAZ-Artikel meldet auch, daß eine ähnliche Staatsbehörde (die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)) mit der Aufgabe, die Stufen des demokratischen Fortgangs in Deutschland einzuschätzen, kommentiert habe, es gäbe „den Verdacht einer stramm rechtsgerichteten Gesinnung.“
The Occidental Observer-Beiträger haben ausführlich über die Ursprünge der stetig anwachsenden Überwachung von Akademikern und Unterdrückung von Intellektuellen durch den sogenannten freien und demokratischen Westen geschrieben, über die Verzerrung der englischen und deutschen Sprachen, die Benutzung unverständlicher Amtssprache durch das System, die semantischen Verschiebungen von Worten in verschiedenen strafrechtlichen Zusammenhängen, und über die daraus folgende intellektuelle Unterdrückung nonkonformer Intellektueller nicht nur in der EU, sondern überall in der westlichen Welt.
Ich möchte allerdings, anders als einige unserer Mitarbeiter, noch hinzufügen, daß die Repression durch das System niemals nur ein von oben nach unten gerichtetes Phänomen ist. Sie ist niemals ein einseitiger Oktroi von oben. Der Angriff des Systems auf die freie Meinungsäußerung ist ebenso die logische Folgeerscheinung der intellektuellen Faulheit, Selbstzensur, Eifersucht und der mangelnden Solidarität zwischen und unter weißen Bürgern, ob sie nun Konservative, Liberale, Nationalisten oder Völkische seien. Vor allem ist er die Konsequenz aus einem Mangel an staatsbürgerlicher Courage seitens der ganz überwiegenden Mehrheit der Professoren, Politiker, Journalisten, Autoren und Künstler.
Nun, mir fiele auf die Schnelle nichts ein, was dem entgegenzuhalten wäre. Daß bundesrepublikanische Lehrstuhlinhaber nicht immer die ideologische „sichere Bank“ sind, für die sie nach den Umbrüchen der Studentenbewegung vielfach gehalten worden waren, dürfte spätestens mit dem Heidelberger Manifest (das in diversen politologischen und/oder journalistischen Ergüssen über die Neue Rechte eben als Ausdruck eines „völkischen Nationalismus“ (Kellershohn) bezeichnet wird) in die öffentliche Wahrnehmung geraten sein. Die dem Wissenschaftsbetrieb immanenten Selbstreinigungsprozesse hängen an wenigen großen Namen, vor allem Konrad Löw und Ernst Nolte – man vergesse nicht, daß die Habermas-Kontroverse ihren Anfang nahm mit dem FAZ-Abdruck des Vortrags „Vergangenheit, die nicht vergehen will“, den man bei den Römerberggesprächen dann lieber doch nicht hatte hören wollen.
Und was nun die WAZ nicht alles auffährt: neben dem reinen Bericht noch vorab etwas, das wohl sowas wie eine Meldung sein soll (aber nach allem, was ich in universitären Seminaren und der Pressearbeit gelernt habe, definitiv nicht ist), sowie einen – zum Gutteil gewohnt gruseligen – Kommentarspiegel. Mächtig viel Aufwand, mag man zuerst denken, doch scheint es hierbei in erster Linie um ein Nachtreten gegen den Initiator Jürgen Bellers zu gehen. Der hat sich nämlich schon vor exakt zwei Jahren eines Verstoßes gegen das „Vielfalt und Toleranz“-Dogma schuldiggemacht, und in den aktuellen, wurstigen Zeiten gibt es da vielleicht noch eine Rechnung zu begleichen. Daß er, wie die Zeitung aus der Einladung zur Veranstaltung wissen will (und der ihr also vorzuliegen scheint), aus Vorsicht nur akademische Kollegen über die Veranstaltung in Kenntnis gesetzt hat und sich dies nun derart rächt, bestätigt jedenfalls Sunic in seinen obigen Ausführungen vollumfänglich – hier werden Hinterhältigkeit und Denunziation salonfähig gemacht. Dazu gehört im übrigen auch die völlig irre Anrufung der bpb als moralischer Beglaubigungsinstanz, zu der dieser nicht nur die Kompetenz, sondern auch die Glaubwürdigkeit fehlt. Anstelle des abgesagten Sunic-Vortrags will Bellers nun jedenfalls selbst sprechen, interessanterweise zu „Zensur in den Wissenschaften?“, auch und gerade hinsichtlich der Neuen Rechten. Vielleicht stößt das Thema ja beim einen oder anderen hiesigen Leser auf Aufmerksamkeit?
Auch in den anglophonen Ländern reagiert man mehr als hysterisch auf alles, was der kunterbunten Wattewelt der schönen Träume gefährlich werden könnte. Dennoch scheint es bisweilen, als ob zumindest der akademische Betrieb dort noch einzelne Freiräume offeriere. Immerhin lehrt etwa ein Tabubrecher wie der Psychologe – und, nebenbei bemerkt, Herausgeber des Occidental Observers – Kevin MacDonald, das „Monster von Long Beach“ (siehe etwa Sezession Nr. 55), nach wie vor an der California State University, anstatt daß man ihn geteert, gefedert und zur Abschreckung in einem Käfig ausgestellt hätte. Und hier? Hier geraten spätestens seit den achtziger Jahren die Argumente ins Hintertreffen, und ausgefochten werden nur noch Schattenkämpfe (denn dem intellektuellen agon stellt man sich ja eben gerade nicht, sondern spricht dem Renegaten rundheraus die moralische Satisfaktionsfähigkeit ab) um Deutungshoheiten. Dabei täte es sicher ganz gut, hin und wieder die eigene Position erproben zu müssen. Ich zumindest erinnere mich noch gut an die Vorlesung „Einführung in die Politikwissenschaft“, in der der Dozent bekümmert feststellte, Carl Schmitt habe ja bekanntlich den rechtsverbindlichen Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen verfaßt…
Christoph Nahr
Solche Episoden aus der deutschen Hochschullandschaft zeigen vor allem, daß Geistes- und Gesellschaftswissenschaften an staatlichen Instituten grundsätzlich nichts verloren haben. Abgesehen vom häufig zweifelhaften Anspruch der Wissenschaftlichkeit ist die Versuchung viel zu groß, sie zu Kaderschmieden im Sinne der herrschenden Staatsmacht umzufunktionieren.
Sowohl der linke Studentenmob als auch die Karriereakademiker haben keine besseren Lebensaussichten, sind also sehr bequem verlock- und erpreßbar. Sobald ein quasitotalitärer Staat erstmal auf diesen Trichter gekommen ist, bleiben vernünftige Leute dort unvermeidlich in der Minderheit. Wandel muß von außen kommen, durch Absägen der einschlägigen Studiengänge (oder Umlenkung des gesamten Staates).
Davon abgesehen: danke für den Hinweis auf Occidental Observer. Der neueste Artikel ist eine sehr lesenswerte Analyse von Alexander Dugins Theorien, die den allgemeinen Jubel stark relativiert.