Mir schien, die Schlachtrufe einerseits seien nun entlarvt, und andererseits auch alle Bedenken dagegen ausgebreitet. Was speziell die sogenannte geschlechtergerechte Sprache angeht: Ich hatte mich dran gewöhnt, daß selbst biederste CDU-Landräte in ihren langweiligen Ansprachen die früher gängige Rede von „Bürgern“ und „Schülern“ um die weibliche Form ergänzt haben und daß es am besten statt „Studenten“ „Studierende“ heißen soll (was bei den „Bürgern und Bürgerinnen“ nicht so unkompliziert geht.)
Ich bin zudem zu dem Schluß gekommen, daß es sich bei allen weitergehenden Wünschen und Forderungen nach „nichtdiskriminierendem Sprachhandeln“ um randständige Einlassungen handelt. Oder, besser gesagt: Selbst, wenn bereits die bürgerliche Presse, wo sie von Leuten in MINT-Berufen handelt, über „Ingenieure, Maschinenbauerinnen und Informatikerinnen“ spricht, als sei das ein geschlechtlich selbstverständlich bunt durcheinandergewürfelter Haufen; selbst, wenn Frauenfußball über Monate derart gehypet wurde, daß es eine Zeitlang ein echter Modesport zu werden schien – sichtbar war doch, daß sich trotz des ideologisch verdächtigen Rummels nicht viel geändert hat. Wäre es anders, hätten jene Chipstüten (Männerabend/ Mädelabend) und die Überraschungseier mit binärer Codierung nicht solchen Erfolg. Die Lego-Leute würden nicht beklagen, daß sie zuwenig Mädchen erreichten und hätten keine rosa Traumschlösser unter den neuen Produkten.
Aber, ach, wer (wie ich) meinte, mit den obligatorischen -innen und der Redeweise von „mensch“ (statt “man“) hätte es sein Bewenden, sieht sich getäuscht. Die Sachlage ist viel komplizierter. Und keiner darf mehr unbedacht und in polemischer Absicht sagen, „kranke Hirne“ hätten sich diese Sprachregelungswut ausgedacht, denn: die Gendergeister leiden höchst offenkundig tatsächlich an manifesten psychischen Störungen. Über psychisch Kranke sollte man nicht spotten, sie verdienen ja unser Mitleid. Neu ist, daß sie zu Ämtern und Posten kommen.
Ein krasser Fall ist jener Piratenmensch, der sich Katrina Reichert nennt. Reichert (die/der mit ihren/seinen sexuellen Umtriebigkeiten und kranken Suizidgedanken gern die Öffentlichkeit sucht) erregte sich gerade öffentlich über das Gewinner des Eurovision-Song-Contest, Conchita Wurst. „Nehmt bitte einfach zur Kenntnis, daß ich als Transfrau mich durch die ‘Kunst’ der Travestie verarscht und ins lächerliche gezogen fühle“, klagte Reichert. Travestie stellt für das Pirat eine „strukturell bedingte Diskriminierung von Transmenschen“ dar. Die Texte dieser Person lesen sich erschütternd.
Von höherem Posten aus hingegen schreibt „Lann“ (eigentlich Antje) Hornscheidt, eine Person, die sich als Professx für Gender Studies und Sprachanalyse versteht. Hornscheidt verfaßt nebenbei auch poetische Texte, die ihre Diskriminierungserfahrungen im Alltag und ihr (oft trauriges) Lieben als Dyke aufarbeiten. (Dykes sind männlich auftretende Lesben, wiewohl dies eine gewiß unkorrekte/unzulängliche Bezeichnung ist.)
Professx Hornscheidt hat nun gemeinsam mit einer „statusmäßig und in Bezug auf Diskriminierungszusammenhänge gemischten“ Gruppe (die der heteronormativen Klischees unterliegende Leser als Frauengruppe identifzieren will) eine Anleitung zum Feministischen Sprachhandeln verfaßt.
Wex (ich will probeweise versuchen, die Sprachregeln einzuhalten) bislang dachte, mit der „Bürger und Bürgerinnen“ ‑Anrede sei einx aus dem Schneider, hat sich fein getäuscht. Es gibt zur Zeit zehn standardisierte Formen, nicht diskriminierend zu sprechen und zu schreiben. Die Gruppe um Hornscheidt findet sie alle (mehr oder weniger) okay.
Aber bitte nicht Nennung per Schrägstrich („Bauingenieur/-in“), denn das bedeute eine grafische Unterordnung der Frau. Und bitte auch nicht „Bürger und Bürgerinnen“, denn diese „Zweigenderung“ tue so, als gäbe kein Dazwischen!
Und „mensch“ (statt „man“) geht auch nicht. Diskursanalytische Untersuchnungen haben gezeigt, daß mit „mensch“ nach wie vor der weiße, heterosexuelle Mann assoziiert werde.
Keinx rede mehr von „Lehrkräften“ an der Grundschule! Die neutrale Form „ent –nenne“ nämlich die Tatsache, daß an Grundschulen vor allem Frauen/frauisierte unterrichten, und zwar auf schlechter bezahlten und psychosozial gefährdeteren Stellen als Lehrx an weiterführenden Schulen.
Die furchterregende, weil exkludierende Endung –er könnte, ein weiterer hier diskutierter Vorschlag, auch durch –a abgelöst werden: Lehra, Mitarbeita. Das solle man gern auch auf „konventionell männlich assoziierte“ Dinge anwenden: Computa, Drucka.
Es ist wirklich kompliziert. Hornscheidt & Co gestehen das auch ein, halten ihre Sprach‑, Sprech- und Schreibgebote aber vor allem (neben dem eigentlichen Zweck, der Nicht-Diskriminierung) für spannend und kreativ.
Die Unterteilung in Männer und Frauen wird in den meisten Fällen strikt abgelehnt. Dem Spiegel sagte Professx Hornscheidt:
Auch in der Biologie können Sie keinen eindeutigen Schnitt machen. Bei welcher körperlichen Ausprägung fängt eine Frau an? Wo ein Mann? Das sind immer soziale Konstrukte.
Als „daneben“ gilt folgerichtig die Toiletten-Trennung in „Herren“ und „Damen“ (weil sie voraussetzt, daß sich jedx zuordnen könne.) Als diskriminierend gelten aber auch die gängigen Unisex-Toilette für be-Hindertxs. Ein solches Klo suggeriere nämlich, be-Hindertx hätten kein Geschlecht. Hornscheidt & Co reden von be-Hinderten, um den Sachverhalt (daß es einen geben muß, der dex Betreffex hindert) zu verdeutlichen. Noch lieber reden sie von den Ableisierten (von engl. able), um jene hervorzuheben und mal ins Rampenlicht des Besonderen zu stellen, „dex privilegiert“, also nicht be-Hindert ist.
Der selbsternannten Professx (sie wird auf der offiziellen Netzseite der Humboldt-Uni tatsächlich unter dieser Bezeichnung geführt) und dex Mitstreitxs geht es darum, „diskursive Normen zu durchkreuzen“: Eine diskriminierende Norm sei es etwa,
„daß ich als ableisierte, d.h. nicht beHinderte Dozen_tin im Gespräch mit einer studentischen Arbeitsgruppe auf eine bestimmte Stud_entin hinweise und mich dabei nicht auf ihren inhaltlichen Beitrag hinweise, sondern auf ihr_e Kommunikationsform – bspw. Gebärdensprache – als sie charakterisierendes Kriterium. Und wobei ich Lautsprache nicht explizit als charakteristisches Kriterium für die meisten anderen Stud_entinnen benenne.“
Der ungewöhnliche Unterstrich, der hier verwendet wird (bekannt ist ja Student_innen) wird „dynamisch“ genannt. Er soll aufrütteln und für die Problemlage sensibilisieren. Ob sich die beHinderte Stud_entin dabei als plumper Wasservogel veralbert sehen könnte, bezieht Professx nicht in ihre Überlegungen ein.
Diskriminierend könne auch sein, Stud_enten zum Verfertigen einer schriftlichen Arbeit aufzufordern:
Welche Personen stelle ich mir als ableisierte und nicht-migrantische Dozentx in meinen Seminaren vor, wenn ich die Teilnehmxs bitte, etwas Schriftliches zu formulieren und nicht darüber nachdenke, dass Personen auch unterschiedliche Bezüge, Ängste, Möglichkeiten und Zugänge für die Verwendung von Schriftsprache haben könnten?
Wichtig sei überdies,
im Seminar darauf zu achten, daß keine rassistischen Diskurse re_produziert werden. Etwa um zu verändern, daß ein weißer Raum auch weiterhin als selbstverständlich weiß gehalten und dadurch explizite und implizite rassistische Bezugsrahmen hergestellt werden.
Auch Klassismus gilt es zu vermeiden. Klassismus ist hier etwas unpräzise definiert. Es geht darum, den eigenen sozialen/familiengeschichtlichen Hintergrund und den dex Gegenübex akzeptierend einzubeziehen. Etwa durch Fragen ob dexen Eltern
„schon lange an den Chemikalien gestorben sind, mit denen sie während ihrer Arbeit auf den Plantagen die Bananen und Nelken für westliche Märkte einsprühen mußten?“
oder ob die – in dem Falle noch lebenden-
„kranken Eltern (auch wenn ich sexualisierte Gewalt von ihnen mitbekam) von mir gepflegt werden oder von einer Person ohne Aufenthaltstitel?“
Verlassen wir die engen Räume der Universität. Denken wir mit Hornscheidt & Co an ein beispielhaftes Schild mit der Aufschrift Besucher erreichen unser Büro über das Treppenhaus. Hier liegt ein Höchstmaß an Diskriminierung vor: Erstens, weil GehbeHinderte ausgeschlossen wären, zweitens, weil anscheinend Besucherinnen nicht erwünscht sind.
Gut, also: „Man kann unser Büro mit dem Aufzug erreichen“: Immer noch total diskriminierend: erstens wegen der Assoziativkette „Man“ = “Mann“, zweitens wegen der Personen, die Aufzüge aus psychischen Gründen nicht nutzen wollen, drittens, weil getan wird, als sprächen alle deutsch, viertens, weil davon ausgegangen wird, daß alle Besuchxs die Schriftsprache beherrschen, fünftens fehlt die Blindxsschrift. Sechstens ist nicht klar, was mit jenen Besuchxs ist, die sich aufgrund “chronisch-psychischer“ Erkrankungen gar nicht gut in öffentlichen Räumen aufhalten können.
Für fragwürdig wird auch gehalten, wenn (wie in einer Werbung der Bundesregierung für „barrierefreies Reisen“) eine weiße rollstuhlnutzende Person abgebildet wird. Die Tatsache, daß stärker Pigmentierte beHinderte eventuell in Ermangelung eines deutschen Passes eben keine Reisefreiheit genießen, werde dabei völlig ausgeblendet!
Sollte hingegen die rollstuhlnutzende Person lieber eine Frau sein? Nein, erstens würde damit das sogenannte schwache sogenannte Geschlecht zusätzlich geschwächt. Zweitens: wie? Frau? Für die Autorxs gibt es nur „frauisierte Personen“.
„Keine Person ist einfach Frau, sondern wird frauisiert oder frauisiert sich selbst.“
Soweit. Lachen oder weinen? Ich sagte schon: Ich habe eine gewisse Scheu, diese Sachen und vor allem ihre Urhebxs bös zu verspotten, weil ich mir sicher bin, daß sich hier mehrere psychiatrische Diagnosekriterien erfüllen. Kranke haben keine Häme verdient. Leicht beängstigend erscheinen mir zwei Antworten, die Hornscheidt & Co in einem ihrem Reader beigefügten Frage/Antwort-Spiel geben.
Einmal weisen sie eix Fragex, dex sich beklagt, daß in Seminararbeiten feministische Sprache oft rot angestrichen werde, darauf hin, daß die Humboldt-Universität sich qua eigener Gesetzgebung darauf verpflichtet hat, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Insofern könnten die in dieser Broschüre unterbreiteten „Vorschläge“ womöglich demnächst verpflichtend werden.
Zum anderen beantworten die Autorxs die Frage: „Ist denn das alles wissenschaftlich bestätigt?“ mit einem nahezu diktatorisch knappen: „Ja, ist es.“
Es besteht also Grund zur Annahme, daß die hier amüsant-absurd wirkenden Sprachgebote durchaus als Drohung zu begreifen sind. „Stell dir vor, es gibt x, und keiner macht mit ! – Dann kommt das x zu dir und mir…“
Max Weyer-Lentz
Nur völlig bedeutungsleere Sprache ist zuverlässig diskriminierungsfrei, denn jede inhaltliche Aussage impliziert ja u.a. die sprachliche Ausgrenzung und Herabsetzung des jeweiligen Gegenteils mit ein.
Echte Gleichheitssprache könnte etwa aus Formulierungen wie dieser bestehen: "xewe_efwß9df".
Kritisch könnte man anmerken, dass hier noch Buchstaben, Zahlen und Symbole in unterschiedlicher Reihenfolge und in unterschiedlicher statistischer Häufigkeit vorkommen, was Ungleichheit impliziert.
Auch bei Behebung dieses mangels wäre diese Formulierung noch problematisch, weil sie europäische Schrift verwendet. Eine noch weniger diskriminierende Formulierung müsste also nicht nur inhaltsleer, sondern auch interkulturell sein, z.B.
" مو*ق ع! لeلك圖تا ب_館ة ب'اdل書dعربي35f"
Allerdings bleibt auch diese Formulierung problematisch, weil "ableism" vorliegt, d.h. Sehbehinderte werden aufgrund der schriftlichen Form ausgegrenzt. Die ausgesprochene Form würde hingegen Hörbehinderte ausgrenzen.
Das Ideal der diskriminierungsfreien Sprache müsste vermutlich sowohl inhaltsleer sein als auch unausgesprochen und unniedergeschrieben bleiben. Ich empfehle den feministischen Sprachwissenschaftlern daher, künftig Diskriminierung zuverlässig zu vermeiden, indem sie auf jegliche Äußerungen verzichten.
P.S. Richtig spannend wird feministische Mathematik werden, die ja ohne Zahlen auskommen müssen wird, da in diesen schließlich die Konstruktion von Ungleichheit und Hierarchie im Kern angelegt ist.