Coming 2 get you von Simon Packham und Chatroom-Falle von Helen Vreeswijk. Es gewinnt Coming…, es hat rund hundert Seiten weniger. Sie nennen es Demokratie.
2. Der nächste Klassenausflug – im Juli – geht in einen Indoor-Kletterpark. Man spricht von einem „Event“. Nach dem Geklettere, vulgo Rumgehänge, geht es zum Shoppen in den sogenannten Saaleparkcenter. Sie nennen es Wandertag.
21.5. 2014
Abendbrotgespräch unter drei Kindern, die allesamt deutlich von der Volljährigkeit entfernt sind. Das fleißige Kind : „Ich hab grad Wahlomat gemacht. Demnach soll ich die Bayernpartei wählen, im Ernst.“
Das ehrgeizig-jähzornige Kind: „Wahlomat? Gibt’s wieder? Gut, will ich auch machen! Darf ich mal ins Internet?“
Das überlegene Kind: „Och, du Kleinkind! Es langt, wenn du dich da in ungefähr hundert Jahren drum kümmerst. Was weißt du eigentlich wirklich von Politik?“
Das ehrgeizig-jähzornige Kind (sehr laut, rotes Gesicht): „Vielleicht mehr als du!! Und hundertprozentig mehr als…. als die Frau X, die Frau Y und… und der Herr Z! (Namen aus der wohnörtlichen Umgebung fallen.) Aber logisch: Am liebsten wärst du die Königin von Deutschland! SCHON KLAR!“
Die Überlegene: „ Naja. Lassen wir das. Bei mir war´s übrigens wie immer. Witzig. Hab von denen ansonsten noch nie was gehört. Hängen die eigentlich mit denen in USA zusammen? “
Also gut, mach ich eben auch den Wahlomat. Ebenfalls wie immer, allerdings ein anderes Ergebnis als bei den Kindern. (Wundere mich, woher meine Kinder Kenntnisse über Agrarsubventionen und das Freihandelsabkommen haben. ) Mein Ergebnis ist irrelevant. Wird nicht beherzigt. Witzig ist, daß die niedrigste Zustimmungsquote sich bei uns drei Familienmitgliedern deckt. Es ist die SPD. Selbst KPD und MLPD schneiden besser ab.
22. 5. 2014
In eigenartiger Weise betroffen macht Thorsten Schmitz‘ Artikel „Kaputt“ in der Süddeutschen Zeitung. Ein Meisterstück. Daß das großdimensionierte Berliner Holocaustmahnmal Risse bekommen hat, war schon länger bekannt. Auch, daß zwischen den Stelen immer wieder zahlreiche Kondome entsorgt werden müssen. Aber das eine der 2711 Stelen (die 4000 von Architekt Eisenmann geplanten seien Helmut Kohl „zuviel“ gewesen) am späten Abend des 23.12. 2010 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion (als irreparabel) entfernt worden ist? Als man Lea Rosh nun
von der fehlenden Stele erzählt, ist sie fassungslos: „Was?“, sagt sie „davon weiß ich ja gar nichts.“
Versprochen war bauleiterseits, daß die Betonstelen, die das Leid der im Dritten Reich verfolgten Juden versinnbildlichen sollten,
„1000 Jahre halten“. Nun ist das so eine Sache, wenn in Berlin mit tausendjähriger Haltbarkeit geworben wird.
Das 27,4 Millionen Euro teure Mal bröckelt. Inzwischen wurden fast 50 Stelen stählern gegürtet. Lea Rosh findet die Stahlgürtel auch nicht toll, mildert aber ab:
„Die Manschetten finde ich gar nicht so schlimm, die sind ja Ton in Ton“.
Die verantwortliche Stiftung hingegen entwirft ein Horrorszenario:
„Ein junger Besucher hüpft von Stele zu Stele, eine bricht, der Jugendliche stürzt, schlägt mit dem Kopf auf die scharfen Kanten.“
Nicht auszudenken! Man stelle sich die Schlagzeile vor! Die bedenklichen Risse im Holocaustgedenkstelenbeton rühren vermutlich aus ihrer Hohlheit, heißt es. „Man hat eben versucht, Geld einzusparen.“ Dabei sei
“der Beton an sich erstklassig, der verdichtet sich selbst wie Honig.“
23.5. 2014
Kürzlich war ich in der Verlegenheit, in einem kindlichen „Freundebuch“ meinen „Lieblingsschauspieler“ einzutragen. War nicht schwierig: Devid Striesow. Der Kinofilm, in dem dieser wirklich begnadete Darsteller seit dieser Woche reüssiert heißt Zeit der Kannibalen. Die Note Zwei plus, die ich dem Film von Johannes Naber geben will, speist sich aus mehreren glatten Einsen (gar mit Sternchen) und ein paar Dreien.
Manches ist überzogen und theatralisch, und selbst wenn der theatralische Effekt gewollt ist: Nicht immer wird aus der bewußten Überzeichnung ein treffendes Bild. Außerdem ist der gierige, skrupellose Kapitalist als Typ eine überraschungsfreie Figur. Und: es ist ein epigonales Stück. Daß die Figur des Investmentberaters, die Striesow hier spielt, eine Fortfolge seiner Rolle in Yella ist, macht nichts. Christian Petzolds Yella ist einer der besten Filme überhaupt!
Aber diese Art von Kapitalismuskritik und kammerspielartiger Selbstzerfleischung hat man ziemlich genau so schon häufig gesehen. Vor allem hätte ich erwartet, daß im Abspann Jonas Lüscher gedankt wird, dessen großartige Novelle Frühling der Barbaren wie eine Vorlage zum Film wirkt. Vieles ist wie abgekupfert: der abgeschiedene Raum, in dem die Handlung spielt, die aalglatten, teils sportlich gestählten, superfitten Finanzmakler, die Skrupellosigkeit, der Hedonismus, die außerehelichen Sexgeschichten, und überdeutlich diese Pointe: Als gerade die wildeste Freudenparty am Laufen ist, kommt es wie ein Bombenschlag – alle Kreditkarten sind plötzlich gesperrt. Die Große Geldmaschine hat sich verhakt.
Wie bei Lüscher geht es auch bei Naber sofort ans Eingemachte, sprich, ans Leben: Der Kannibale (bei Lüscher: der Barbar) beginnt sein Werk. Dabei hatte man diese Kräfte zuvor ignoriert.
Im Kannibalen-Film (wie auch bei Lüscher) gibt es zahlreiche großartige Sequenzen. Die drei Berater im Film sahnen ab, sägen ab, vernichten Existenzen, profitieren auf Kosten anderer. Sie hocken ausschließlich in Hotelzimmern, weltweit, hier in Indien, in Nigeria. Daß draußen vor der Tür die Hölle los ist, interessiert sie nicht. Die beiden Männer weitgehend grundböse, zu ihnen gesellt sich das Grüne Gewissen, Bianca, Frau und Konkurrentin, zuvor für eine menschenrechtlich engagierte NGO tätig: Sie predigt den Herren das, was Striesow alias Öllers „Moralimperialismus“ nennt: Frauenrechte, Menschenwürde, Gleichheit. Alle sind sie befangen in ihrem Jargon, die Moral- wie die Finanzprofiteure.
Öllers (der mal einen eigenartigen und unbeantworteten Vorschlag zum Holocaust-Gedenkwettbewerb eingereicht hatte) erwirtschaftet nebenbei auch sexuelle Dienstleistungen von den jeweiligen Zimmermädchen und kommentiert die immer wieder zu hörenden, immer nähere kommenden Bombeneinschläge von draußen zynisch: Klar, das ist der Islam. Der bombt sich voran. Wenn die Christen mal wenigstens die Pius-Brüder vorschicken würden! „Die haben wenigstens noch Eier in den Hosen!“
Als das letzte Stündlein schlägt, kauern die drei Imperialisten unterschiedlicher Couleur zusammen im Bettversteck und bedauern dies: Daß keiner ein Gebet kennt. Und die deutsche Botschaft ist nicht erreichbar. Gibt es die überhaupt – eine Deutsche Botschaft? Im Film macht sie jedenfalls eine todbringende Pause.
Marcus Junge
"Heute hingegen in der Jungen Freiheit ein Interview mit einem AfD-Frontmann namens Henkel gelesen."
Haha, ich les die AfD-Propaganda der JF schon lange nicht mehr wirklich, die ist so unterirdisch, wie in den Jahren davor die Hoffnungsträger aus CSU/CDU/FDP, die bei der JF stand (die Miesere, Karl Theodor zu Schmalz-Haargel, Gau-ckler, Gauweiler, ...), weil ich seit Gründung der AfD immer geschrieben hab, das die unwählbar sind, was auch jeder wissen konnte, der auch nur beim Gründungsparteitag aufpaßte.
Sie wolle "eine Alt-CDU sein, so wie einst in den 80'ern bei Birne" (weil man sich ja unmöglich erinnern kann, welche Verbrechen Birne da getätigt hat, die bis (oder erst) heute ihre Wirkung zeigen), sie verehren die großen Deutschen, also die Vaterlandsverrätertypen der BRD, angefangen bei "Adenauer, zu Schmidt! und Kohl", keine Abkehr vom Euro, nur einige Doktörchenspiele bitte, EU ist eigentlich Supi, später dann der Eiertanz um jene, die gegen die Islamisierung sind, die Aufnahmeverbote für alle, die vorher in falschen Parteien waren (also nationale oder gegen die Umvolkung stehende), bis hin zu den Distanzierungen vom "rechten" Block im großen Sowjet zu Brüssel.
Wer da ernsthaft immer noch von "Alternative" fabuliert, der schläft wieder tief und fest und ist eine erstklassige Systemstütze, so wie die AfD halt.
Schnarchnasen, euer (unser) Geld ist so oder so weg, das Kind ist 2010 final im Brunnen ersoffen. Die AfD kann es nicht retten. Außerdem ist der Euro ein Symptom, nicht die Krankheit. Heilung werden die "Wunder"tinktürchen der AfD ganz sicher nicht bringen, nur sedieren, wie bisher Mutti oder Sigi oder Empörungskröte. Aber das wollt ihr ja nicht hören oder glauben.