Sehr deutsch? Kleiner Bericht vom Wave-Gotik-Treffen

Im Grunde fühle ich mich seit 20 Jahren zu alt für alles, was unter den Begriff „Jugendkultur“ fällt.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Im Ernst habe ich mich ziem­lich genau an die kon­ser­va­tivs­ten Maß­ga­ben gehal­ten, was die Defi­ni­ti­on „Jugend“ betrifft: Der hedo­nis­ti­sche Spaß begann bei mir so pünkt­lich mit den soge­nann­ten Teen-Jah­ren, wie er mit ihnen endete.

Zur Wave-Gotik-Sze­ne hat­te ich in mei­ner Jugend lose Bin­dun­gen, ich moch­te die Spar­te EBM, besuch­te drü­ber hin­aus Death-in-June-Kon­zer­te und Ver­wand­tes, trug schwar­ze Kaja­l­au­gen und war drei- oder vier­mal auf dem Leip­zi­ger Wave-Gotik-Tref­fen (WGT). Das fand die­ses Jahr zum 23. Mal über das lan­ge Pfingst­wo­chen­en­de statt, mit 21.000 Besu­chern. Die aktu­el­le Jun­ge Frei­heit hat­te mich nun erneut neu­gie­rig gemacht. Sie titel­te mit „Schwar­ze Roman­tik“ und frag­te ob „die Sze­ne“ nicht ein „zutiefst deut­sches Phä­no­men“ sei.

Moritz Schwarz führ­te ein ziem­lich wider­bors­ti­ges Inter­view mit einem Kul­tur­wis­sen­schaft­ler, der „selbst dem sozio­kul­tu­rel­len Gothik-Milieu“ ent­stammt. Knapp zusam­men­ge­faßt bemüht sich Schwarz, die Äuße­run­gen die­ser Sub­kul­tur als Aus­druck einer „Schwar­zen Roman­tik“ zu sehen, als über­le­ben­des deut­sches, wenigs­tens ureu­ro­päi­sches Phä­no­men: Er zitiert Lied­zei­len ein­schlä­gi­ger Musik­grup­pen und fin­det, daß zahl­rei­che Tex­te einem „tra­di­tio­nel­len Rol­len­bild“ hul­di­gen. Die Sze­ne ver­kör­pert für ihn, einen wohl Außen­ste­hen­den, eine Art „Gegen­kul­tur“ zur „neu­en halb­staat­li­chen Genderkultur“.

Sein Inter­view­part­ner wider­spricht vehe­ment und teils wie ein­ge­schnappt. Er weist auch Schwar­zens Ver­mu­tung zurück, daß das WGT eine „natio­na­le Sub­kul­tur des heu­ti­gen Deutsch­land“ sein könn­te. Im Gegen­teil, sagt er: Das Tref­fen füh­re Men­schen zusam­men, „die natio­nal gepräg­te Iden­ti­täts­vor­stel­lun­gen zuguns­ten selbst­ge­wähl­ter ästhe­ti­scher und kul­tu­rel­ler Prä­fe­ren­zen hin­ter sich gelas­sen haben.“
(Dazu soll­te man wis­sen, daß das WGT jah­re­lang im Ver­dacht stand, „rech­te“ Ten­den­zen zu befördern.)

Jeden­falls war mei­ne Neu­gier­de geweckt. Der Pres­se­mensch reagier­te am Tele­phon etwas unwirsch. Ers­tens auf­grund des spä­ten Akkre­di­tie­rungs­wun­sches, zwei­tens: „Der letz­te WGT-Arti­kel von Frau Kositza war ja eher uner­freu­lich.“ War er? Wann? Vor drei Jah­ren? Vor vier? Ach wo! Das Schrump­fen der Zeit ist ein Indiz des Älter­wer­dens. Ich hab den Bericht gefun­den und hal­te ihn für fast zeit­los. Uner­freu­lich, wieso?

Vor Ort weist mich der Pres­se­herr aber­mals streng dar­auf hin, daß der „letz­te Arti­kel“ ja „nich so doll“ war. Drum vor­weg ein gro­ßes und ehr­lich erstaun­tes Lob: Wer schon mal eine Ver­an­stal­tung mit meh­re­ren hun­dert Leu­ten geplant hat, kennt den Streß. Hier: 21.000 Leu­te (zu beträcht­li­chen Tei­len frem­der Zun­ge), über sech­zig Ver­an­stal­tungs­or­te, tau­send Ein­zel­ver­an­stal­tun­gen. Und alles klappt wie am Schnür­chen. Müll­ent­sor­gung, Ver­pfle­gung, Kin­der­be­treu­ung, Trans­port. Für jeman­den, der an ähn­li­chen Groß­ver­an­stal­tun­gen schon in ande­rer Her­ren Län­der par­ti­zi­piert hat, erscheint dies extrem deutsch: Wenn in Leip­zig 15:30 Uhr auf dem Plan steht, beginnt die ange­kün­dig­te Ver­an­stal­tung um 15:30 und kei­ne Minu­te spä­ter. Das ist welt­weit einzigartig!

aufwandEs fah­ren eigens ein­ge­rich­te­te Stra­ßen­bah­nen zum vom Stadt­kern ent­fern­ten Zen­tral­ge­län­de. Die gan­ze Stadt hat sich auf schwarz­ge­wan­de­te Besu­cher ein­ge­stellt, die Muse­en bie­ten Son­der­ver­an­stal­tun­gen an, die Leip­zi­ger Außen­stel­le des Bun­des­be­auf­trag­ten für Sta­si-Unter­la­gen refe­riert über die „Schwar­ze Sze­ne in der DDR“, im Gras­si-Muse­um führt man durch „Toten­fes­te auf Neuir­land“, der Hilfs­ver­ein für Nächs­ten­lie­be e.V. bie­tet Strick­nach­mit­ta­ge für Schwarz­ro­man­ti­ker an und so weiter.

Als mit­tel­al­ter­li­che Frau fal­le ich nicht auf, kei­nes­wegs. Ich wäre gespannt auf den Alters­duch­schnitt der Fes­ti­val­be­su­cher, wür­de aber wet­ten, daß er deut­lich jen­seits der drei­ßig liegt – nach oben hin. Es ist ein biß­chen ein Veteranentreffen.

Ich selbst hät­te mir vor zwan­zig Jah­ren nicht im ent­fern­tes­ten aus­den­ken kön­ne, mit mei­ner Mut­ter ein sol­ches Tref­fen zu besu­chen. Nun tref­fe ich mei­ne Toch­ter hier und fin­de ihre Fra­gen sehr unbe­fan­gen: Die Leu­te, die hier auf sata­nis­tisch machen, tun die nur so? Oder sind das ech­te Sata­nis­ten? (Mein Auto parkt neben einem, das die Zif­fern 666 im Num­mern­schild trägt und einen wasch­ech­ten Sata­nis­ten-Auf­kle­ber auf der sau­be­ren Heck­schei­be führt. Innen auf der Kon­so­le sind zwei Auf­kle­ber auf­ge­bracht: Anschnall­ge­bot und Rauch­ver­bot. Die Toch­ter wun­dert sich über die Gesamt­mo­ral des Eigentümers.)

Die mit den vie­len Rin­gen und den absur­den Fri­su­ren, haben die wohl einen Beruf? Oder sind das Arbeits­lo­se? Gibt’s es eigent­lich einen Sozi­al­ta­rif für´s WGT? (Gibt es nicht.) Die Typen, die eine Frau am Hals­band füh­ren, soll das eine Pro­vo­ka­ti­on sein (wenn ja, an wen gerich­tet?), oder lau­fen die öfters so rum? Ist es ein State­ment oder eine Phra­se? Wozu die­nen spe­zi­ell die Zan­gen am SM-Stand? Und die­se Zahn­pfle­ge­pro­duk­te in schwarz, die an einem Stand für Den­tal­hy­gie­ne feil­ge­bo­ten wer­den – ist es vie­len Leu­ten hier wich­tig, daß sie ihr Gebiß mit schwar­zen Bürs­ten und Zahn­sei­den pfle­gen, oder ist das ein Rand­phä­no­men? Ist Con­chi­ta Wurst per­sön­lich hier, wenn ja, wie oft, oder sehen man­che Leu­te nur zufäl­lig so aus? (Auch unter den vie­len Damen mit aus­la­den­den Röcken und über­lan­gen Schlep­pen ent­de­cken wir eini­ge mit Bartstoppeln.)

Wit­zig fin­de ich, daß sich eine Beob­ach­tung mei­ner Toch­ter mit mei­ner von frü­her deckt: Jene Leu­te, die sich an den Stän­den der Plat­ten­la­bels und –Ver­trei­ber durch CDs und Vinyl wüh­len, sind zu neun­zig Pro­zent männ­lich. Und sie wir­ken sehr ernst­haft, äußerst kon­zen­triert und unan­sprech­bar, wie Phil­ate­lis­ten. Es sind Leu­te, die einer anstren­gen­den, kom­pli­zier­ten und äußerst ernst­zu­neh­men­den Samm­ler­tä­tig­keit nach­ge­hen. Fach­men­schen eben, die offen­kun­dig kei­nes­falls zum Spaß hier sind, der seriö­ses­te WGT-Publikum.

Das schöns­te am WGT ist das Kon­trast­pro­gramm, in jeder Hin­sicht. Wenig ist hier lau. Obwohl: der Norm­co­re-Trend zeigt sich auch hier. Ich sehe im gan­zen deut­lich mehr untä­to­wier­te Kör­per als im Quer­fur­ter Frei­bad. Vie­le gehen in schlich­ten San­da­len. Von den zahl­rei­chen mit­ge­brach­ten WGT-Klein­kin­dern tra­gen die wenigs­ten Toten­köp­fe und fie­se Sprü­che auf T‑Shirts und Stramp­lern. Hel­le Far­ben domi­nie­ren hier.
Unter den zahl­rei­chen Besu­chern, die trotz sen­gen­der Hit­ze Gas­mas­ke tra­gen, fal­len mir zwei auf, die das Extrem voll­enden. Kampf­stie­fel, Kampf­ho­se, Kampf­ja­cke. Ob ich ein Pho­to schie­ßen darf? Geant­wor­tet wird in aller­freund­lichs­ten brei­tes­tem sächsisch.

Ich tref­fe mei­ne Toch­ter wie­der beim Auf­tritt von Ost + Front, wobei man sich das Mit­tel­teil des Band­na­men als eiser­nes Kreuz vor­stel­len muß. Die recht jun­ge (nicht gemäß ihres Per­so­nals, son­dern ihrer Geschich­te), ziem­lich erfolg­rei­che Kapel­le wird der „Neu­en Deut­schen Här­te“ zuge­rech­net. Es ist ein biß­chen wie Ramm­stein für grö­be­re Kali­ber. Alle Kapel­len­mit­glie­der tra­gen Uni­form­tei­le, alle sind “blut­über­strömt”, tra­gen teils Gas­mas­ken, teils Beiß­schutz a´la Han­ni­bal Lec­ter, teils schwarz­weiß­rot geschmink­te Gesich­ter. Über­all wird Blut ange­deu­tet, selbst das Key­board steht auf einem Tisch, der mit einem eigens ein­ge­färb­tem Besu­de­lungs­tuch bedeckt ist. Zum Anti­ve­ge­ta­rie­rer-Lied (falls die­se harm­lo­se Inter­pre­ta­ti­on statt­haft ist) „Fleisch isst Fleisch“ wer­den Fleisch­stü­cke ins Publi­kum geschleu­dert. Rund zwei­hun­dert Leu­te ste­hen ver­zückt, mit rucken­den Köp­fen und geöff­ne­ten Mün­dern am Büh­nen­rand (es sind 55 Grad in der Son­ne), der (deut­lich grö­ße­re) Rest hält sich mit wei­tem Abstand im Schatten.

ostfrontAlle schei­nen elek­tri­siert, die Toch­ter fragt, wie weit ver­brei­tet eigent­lich Dro­gen in der Sze­ne sei­en. Die kräf­ti­ge Stim­me des blut­über­ström­ten Front­manns ist nicht immer gut ver­steh­bar, zufäl­lig habe ich Text­kennt­nis: „ Ich seh sie wei­nen / sie weint für mich / ich steck mich tiefer/in ihr F***gesicht“ rufen die Män­ner von der Ost­front.  Die Toch­ter sagt: „Ich ver­steh kein Wort, was sin­gen die?“- „Kei­ne Ahnung, ich glaub, es ging um Blu­men.“ – „Glaub ich auch. Böse Blu­men aber.“
Wir drän­gen zum Aus­gang und neh­me zwei­er­lei wahr: Einen hüb­schen Mann, Typ Joop in jung, der sei­ne sehr klei­ne, ohren­schutz­be­wehr­te Toch­ter auf dem Arm trägt und eine kurz­haa­ri­ge Frau, älter als ich, die den Text exsta­tisch mit­schreit. Sie weint tat­säch­lich. Ihr scheint´s zu gefal­len. „War biß­chen kraß, oder?“, fra­ge ich mei­ne Toch­ter. „War biß­chen albern“, meint sie.

Kon­trast­pro­gramm im schnel­len Wech­sel: Oper, Richard Strauss, Rosen­ka­va­lier. Hun­dert Plät­ze sind für WGT-Besu­cher frei­ge­hal­ten. Im ansons­ten aus­ver­kauf­ten Zuschau­er­raum blei­ben etwa vier­zig Plät­ze frei. Hin­ter uns fragt eine schwarz­ge­wand­te Frau auf schwä­bisch eine and­re: „Sag mal, ich konn­te mich vor­her net infor­mie­ren. Is des eine gute Insze­nie­rung? Ich lie­be den Rosen­ka­va­lier. Zuletzt hab ich‘s in Stutt­gart gese­hen. Da waren nur Phal­lus­se in Büh­nen­bild. Is hier net so, oder?“ Nein, ist hier nicht so, sagt die sorg­sam geschmink­te Lady im Reif­rock und mit Hut dane­ben. Sie ist Hol­län­de­rin und bes­tens infor­miert: „Völ­lig tra­di­tio­nell, kei­ne Sor­ge.“ So ist es, per­fekt insze­niert, gespielt, gesun­gen, musi­ziert. „Biß­chen albern aber auch das“, mei­ne ich und den­ke an Strauß als Kom­po­nist der Elek­tra. „Nö“, sagt die Toch­ter, „höchst subtil.“

In unse­rer Nähe sitzt ein Leder-Nie­ten-Mann, der auf die sieb­zig zuge­hen dürf­te, Typ Udo Lin­den­berg in noch älter. Wenn er sich bewegt, ras­seln die Ket­ten. Er bewegt sich erst in den Pau­sen. Das gleich­alt­ri­ge Leip­zi­ger Stamm­pu­bli­kum schüt­telt den Kopf. Ins­ge­samt ist es ein gera­de­zu ekla­tant jun­ges Opern­pu­bli­kum heu­te, im Schnitt. Da könn­te man sich mal freuen!

Am spä­te­ren Abend gel­ten die Auf­trit­te von Anne Clark (mitt­ler­wei­le 54 Jah­re!) und von der Black Metal-Band Saty­ricon als Glanzlichter.
Mich zieht´s zum Völ­ker­schlacht­denk­mal, wo die STÜ­BA-Phil­har­mo­nie und das Ensem­ble Wil­de Jagd ein nächt­li­ches Stell­dich­ein geben mit Fau­rés Requi­em und, aller­schönst, der Brahm­schen Alt-Rhap­so­die. Lei­der über­schrei­tet die Zahl der Zuschau­er nur knapp die der Sän­ger und Musi­ker. Inmit­ten einer Grup­pe ste­he ich an einer Ampel, sie zeigt rot für uns, die Stra­ße ist fast leer. Ich will das Ille­ga­le wagen, da hält mich ein klei­ner Mann zurück. Er trägt eine wei­ße, teils rote Mas­ke aus Papp­ma­che, die sein Gesicht samt Ohren über­deckt. Ich erschre­cke kurz. Er sagt: „Lie­ber nicht. Könn­te gefähr­lich wer­den.“ Ich gehor­che. Doch! Hier herrscht deut­scher Geist!

Am Pfingst­mon­tag gibt es einen wah­ren run auf das Mozart-Requi­em in der Oper. Die Vor­stel­lung ist aus­ver­kauft, im Publi­kum sit­zen auf zwei­hun­dert reser­vier­ten Plät­zen WGT-Besu­cher mit teils schrills­ten Ver­klei­dun­gen. Musik, Bal­lett, dazu Paso­li­ni-Film­se­quen­zen und Gedicht­le­sun­gen aus Paso­li­nis „Die Nach­ti­gall der katho­li­schen Kir­che“: Das war bei­na­he ein Got­tes­dienst. Dann gehen alle nach Hau­se. Und schla­fen aus, weil sie tags drauf ins Büro müs­sen, an den Schal­ter oder auf´s Gerüst. Oder zum Job­cen­ter, wer weiß es. Toll war´s.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (42)

Albert

11. Juni 2014 10:06

Interessant...

Ich war einmal zufällig da ... und fand es etwas fremd-beschämend ... dieser Metallschrott im Gesicht, diese kaugummi-kauenden Kindergesichter in Kleidern aus dem 18. Jahrhundert, und viel zu viel Schminke. Und dann noch diese schreckliche Musik, diesen Krach, dieses spätpubertäre Blut-Gesabber - grauselig .... (Na gut, die Band "Triarii" ist wirklich mal gut... )

Ich halte das WGT für das "Pathos"-Äquivalent zu dem, was die Fußball-WM für den "Patriotismus" ist - leer, unauthentisch, ein kurzes Ausleben unterdrückter Sehnsüchte, alles eben BRD-deutsch.

Ich will aber echtes Pathos und echten Patriotismus ...

Meiner 4-jährigen Tochter hat es sehr gefallen: "Die Kleider!" "Die Masken!" "Die Haare!" "Die Schuhe!" Ich mußte sie irgendwann tragen, da sie aller paar Meter mit offenem Mund stehen geblieben ist...

Carsten

11. Juni 2014 10:50

Es ist garantiert kein Zufall, dass die Gothicszene in Deutschland so lange kontinuierlich Bestand gehabt hat. Entstanden ist diese Subkultur hierzulande Anfang/Mitte 1982, damals noch unter dem Etikett "Batcave", nach dem Londoner Club, wo sie anfing. Angezogen wurden davon vor allem Mädchen aus der Punkszene, denen Punkrock aber zu unromantisch war. Dieser Eskapismus in eine romantisierte Vergangenheit, diese düstere Melancholie, dieses lustvolle Leiden - wenn das alles nicht kerndeutsch ist, weiß ich's auch nicht.
Und konträr zum Martialischen ist die Gothicszene wohl die friedlichste Subkultur aller Zeiten ohne jede echte Gewaltaffinität. Goten, die sich prügeln, sind unvorstellbar.

Ein Fremder aus Elea

11. Juni 2014 10:54

Wo Sie das Völkerschlachtdenkmal erwähnen, aus jetziger Sicht scheint es mir eine Ankündigung zu sein, ähnlich den Schlagzeilen am Anfang des ursprünglichen Matrixfilms.

Ich lebte damals in Leipzig, 2000/2001, bin deswegen auch einmal in das WGT hineingeraten, und da ich nichts davon wußte, hielt ich's erst für eine Versammlung von Matrixfans. Verzeihen Sie die etwas freie Assoziation hier. Nun, damals noch Larry Wachowski meinte ja, in 15 Jahren würde jeder wissen, worum es in der Matrix ging.

"Die Frist ist um und abermals verstrichen sind sieben Jahr" und mittlerweile leben wir tatsächlich in einer Zeit, in welcher sich "das System" im Kampf mit allgegenwärtigen Terroristen befindet, und das ganze wirkt so unecht, weil es sie selbst finanziert...

Welche Funktion erfüllt so eine Einstimmung eigentlich?

"Ach, nichts besonderes, alles schon gesehen!"?

"Ja, ja, Frau Scheuermann, wir leben in der Matrix."

"Genau! Ha, ha."

Und wenn man sich die Filme so ankuckt, welche die beiden Geschwister seitdem hervorgebracht haben, eigentlich ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl. Solche Geschichten machen sich halt gut. Von Leuten, welche unter dem Radar geblieben sind, wie es damals hieß.

Einer von den WGT-Besuchern ließ sich damals anscheinend vom Datum inspirieren, drückte mir unvermittelt die Hand und sagte: "Gott liebt dich!"

Auch ein Spaß, sowas zu tun, schätze ich.

"Warum gerade ich? Warum hat er es mir gesagt?"

"Na, irgendjemand denkt sich das in jedem Fall."

Berechtigter Einwand... allerdings, als ich diesen Text schrieb, wußte ich noch nichts von der Scheuermann-Krankheit.

Sonderlich deutsch kam mir die Verantstaltung nicht vor, und schon bei der Matrix dachte ich "SS". Ein bißchen albern, da schwarze Peter zu rangieren.

Ich meine, schon damals, im dritten Reich, war es eine Invokation. Der Mann im schwarzen Ledermantel, nichts kommt an ihn heran.

Ist das Romantik?

Der Glaube, daß sich Geister invozieren lassen?

Gewiß lassen sie sich das. Romantik als politisches Werkzeug, so gesehen. Und das WGT? Eine Erinnerung daran? Zweckungebunden? Eine Ahnung der größeren Erzählung? Der Betörung der Menschen? Gewiß auch das.

Martin

11. Juni 2014 11:59

Ich wäre gespannt auf den Altersdurchschnitt der Festivalbesucher, würde aber wetten, daß er deutlich jenseits der dreißig liegt – nach oben hin. Es ist ein bißchen ein Veteranentreffen.

Dieser Satz sagt eigentlich das wesentliche über diese "Szene" (und damit auch des WGT) aus, der es weitestgehend am Zufluss von jungem Blut fehlt - und zwar nicht nur beim diesjährigen WGT, sondern generell und dies auch schon locker seit mindestens 10 Jahren.

Ich war seit Mitte/Ende der 80er Jahre und vor allem in den 90ern regelmäßig in der sog. "schwarzen Szene" unterwegs und fand die dortige Toleranz immer einzigartig, da man auch als "Stino", solange man nicht mit versifften Jeans und schmuddeligen, weißen Turnschuhen am Start war, stets in jede Veranstaltung gekommen ist (ausgenommen die zeitlich erst deutlich später aufgekommenen SM-lastigen Spezialsachen, bei welchen ein ausdrücklicher dress code Pflicht war - im übrigen stand zwar immer wieder mal was von dress codes auf den Flyern für die Veranstaltungen, aber in der Praxis wurde das dann nie so ernst genommen, da derartige Veranstaltungen meistens nicht überfüllt waren und die Veranstalter froh über jeden zahlenden Gast waren, der noch dazu für eine gewisse Steigerung des Getränkeumsatzes sorgte ;) ) und dort dem fröhnen konnte, was diese ganze, sog. schwarze Szene, einschließlich aller Ränder, immer als einziges Bindeglied zusammengehalten hat, die Lust an der Musik abseits des sog. Mainstreams.

Hinzukam, dass man bei diesen Abenden in den entsprechenden Lokalen und bei den Konzerten entspannt sein Kaltgetränk genießen und dabei der angenehmen Musik lauschen konnte, ohne dabei stressmachenden, dauerbalzenden MiHiGrus ausgesetzt zu sein, wie man es sonst in normalen "Discos" und "Clubs" ständig ist (insofern: tatsächlich etwas "deutsches" oder "europäisches").

Das WGT ist - wenn ich mir die Leute, die ich kenne und die dort nach wie vor regelmäßig hingehen, so anschaue - seit langen Jahren eine Art Fasching für Beamte, Akademiker oder sonstige leitende Angestellte, die unter dem Jahr bei Siemens oder einem sonstigen Konzern übers Stöckchen springen und damit die Familie ernähren und die mal für ein paar Tage ausbrechen wollen, vgl. hier:

https://www.youtube.com/watch?v=f4Mc-NYPHaQ

Ich gönne alle ihren Spaß, aber ich fühle mich für so etwas nunmehr endgültig zu alt. Etwas spezifisch deutsches sehe ich im WGT nicht, ohne die Wiedervereinigung und der "im Osten" vorhandenen, "treuen" schwarzen Szene wäre das ganze "Schwarze" ohnehin im Westen vermutlich ziemlich eingeschlafen. Auch die kurze Blüte des Neofolk wurde damit maßgeblich induziert (und hier ist man dann als "Wessie" ausnahmsweise mal den "Ossis" gefolgt - Das die prägenden Bands zum großen Teil nicht aus Deutschland kamen, spielt dafür meiner Meinung nach keine Rolle).

Seitdem Neofolk und dessen Hauptprotagonisten als pöhser Nazi-Kram seitens des WGT weitestgehend verbannt wurden, ist diese Veranstaltung für mich aber ohnehin gestorben.

Ab und an kann man ja noch zu Einzelkonzerten gehen, wie im letzten Jahr, als D.i.J. in Halle eine Konzert gab, bei dem erst so richtig Stimmung aufkam, als Douglas Pearce sein "deutsche Lied" angestimmt hat (vor allem, wegen den paar Brocken deutsch am Anfang).

https://www.youtube.com/watch?v=GDHs8PcLWqQ

Mal sehn, was es noch für Veranstaltungen in Zukunft gibt, falls mal wieder eine an einem schönen Ort, wie einer Burg, Höhle oder ähnlichem, wie es das früher gab (ja, die "Szene" hatte ein Gespür für das besondere) oder sich eine der alten "Bands" nach Deutschland trotz Antifa-Hetze traut, werde ich bestimmt auch mit am Start sein. Aber das WGT ist für mich, wie bereits erwähnt, gestorben.

Rainer M. Rilke

11. Juni 2014 14:39

Hallo,

"ich mochte die Sparte EBM,"

Was ist EBM?

Gruß,
R.

EK: EBM sollte man sehr laut und in schwitzenden Massen hören und sehr düster dabei gucken; meine Musik damals kam von Front 242 und Nitzer Ebb (Warsaw Getto; Down on your knees). Kann nichts dafür, so war´s.

Matt Anon

11. Juni 2014 14:43

Fire + Ice und Knotwork (besser in ihrer Formation als Blood Axis bekannt) spielen am 5. und 6. Juli in Berlin / Potsdam - beide Konzerte im exklusiven, historischen Ambiente. Die Veranstaltungsorte werden erst kurz vor den Konzerten bekannt gegeben, wegen den Idioten von der Antifa. Das nur kurz als Anregung und "Werbung".

Die ganze Szene empfand ich - auch als "Teenager" - immer als lächerlich, aufgesetzt und Schwindel ("fake", wie man heute sagt), obwohl die Neofolk-Szene auch immer etwas höherwertige Individuen angezogen zu haben scheint. (Es ist kein Zufall, dass Ellen Kositza oder Martin Lichtmesz auf DiJ-Konzerten zu Besuch waren.) Ich glaube auch, dass dort etwas "Urdeutsches" oder zumindest "Ureuropäisches" anzutreffen ist und dass die besseren Neofolk-Bands dort weitermachen, wo Folk aufgehört hat - im Sinne von "Volksmusik" und traditionalen Elementen und der Volksseele entstammenden Imaginationswelten. Dort ist allerdings kein politisch oder metapolitisch zu erschließendes Potential vorzufinden - zu differenziert, individualistisch und vielleicht auch eskapistisch ist das Publikum.

Danke für diese erheiternde Schilderung von Ihren Erlebnisesen auf dem WGT in Leipzig, Frau Kositza.

Inselbauer

11. Juni 2014 19:11

Sehr guter Beitrag! Was fehlt, ist ein Foto von den beiden feschen verkleideten Damen aus Schnellroda, das unbedingt gepostet werden sollte, wenn Kubitschek nicht vor Eifersucht erstarrt deswegen.

EK: Die Damen waren extremst seriös gewandet in nicht allzu kurzen Spitzenkleidchen plus Sonnenbrillen, also fast langweilig. Wir machen keine Selfies und ham uns nicht getraut, jemanden zu bitten.

Bootsmann

11. Juni 2014 20:25

Der destruktive Charakter ist gar nicht daran interessiert, verstanden zu werden. Bemühungen in dieser Richtung betrachtet er als oberflächlich.

(Walter Benjamin)

Joseph von Sternberg

11. Juni 2014 21:30

Wie soll ich mir über den CSD und das Homo SM Festival glaubhaft das Maul zerreissen, wenn unsereins sich solch "unwürdigen Spektakeln" (Pater Schmidberger) widmet?

E.K.: Ja, schon. Ich seh das Problem. Nur, sind nicht 93,7% des weltlichen Treibens unwürdige Spektakel?

Außerdem: die Emos in Southpark hielt ich jahrelang für Dark Waver...

E.K.: Vermutlich a) sind die die Übergänge fließend und b) wollen sich Leute über sechzehn Jahren ungern schubladisieren lassen. Alles Individuen!

Ich glaub es gibt extra eine Episode, die das auf die Schippe nimmt.

p.s. die im ersten Foto sind voll die Schwuletten...

JensN.

11. Juni 2014 21:42

@Albert

"Ich halte das WGT für das „Pathos“-Äquivalent zu dem, was die Fußball-WM für den „Patriotismus“ ist – leer, unauthentisch, ein kurzes Ausleben unterdrückter Sehnsüchte, alles eben BRD-deutsch."

Sehe ich genauso. Muß auch zugeben, dass ich als sogenannter Normalo, den Kleidungsstiel immer mit einem gewissen Befremden betrachtet habe. Wenngleich die weiter oben genannten Vorteile der schwarzen Szene (wenig MiHiGrus wie Martin schrieb) das Ganze wesentlich sympathischer machte. Apropos Fussball: In fünf Tagen gehts wieder los für "uns". Dann kann man wieder die "Schland"- Fans betrachten mit schwarzrotgold im Gesicht, an den Auto- Seitenspiegeln und in den Händen. All das wäre überhaupt nicht schlimm, wenn man als echter Patriot nicht wüsste, das es bei den meisten nur schwarzrotgoldener Karneval ist, der zudem noch eine multikulturell indoktrinierende Attitüde hat. Auch ich werde die deutschen Spiele gucken, nur bin ich eben auch im "richtigen Leben" Patriot.

Schopi

11. Juni 2014 22:36

Ich kenne diese Veranstaltung nicht, vermute aber einmal, daß sie sich ähnlich in die vielen bunten Freizeitspaßwochends einsortiert - systemstützende Auslaufparks, wie Fußballstadien, sonntägliche Freizeit"rocker" (sog. biker) in den unterschiedlichsten Aufzügen, ja auch Rock gegen irgendwas und all die ganzen Dinge - Montags muß man dann wieder als Angepaßter (Spießer) im Büro, an der Werkbank erscheinen, den Chef untertänigst aber locker grüßen und Geld heranschaffen für die kostspieligen konsumfreudigen Freizeitvergnügen.

Waldgänger aus Schwaben

11. Juni 2014 22:50

Und Siegesboten kommen herab: Die Schlacht
Ist unser! Lebe droben, o Vaterland,
Und zähle nicht die Toten! Dir ist,
Liebes! nicht Einer zu viel gefallen.

Der Tod fürs Vaterland (Hölderlin)

Als Leid, Tod, Krieg und Schicksal noch Alltag waren sangen sie Lieder wie "Am Brunnen vor dem Tore", "Ännchen von Tharau", oder die "Wacht am Rhein".

Heute wo Langweile herrscht, ist das oberflächlich Abseitige interessant.

Darth Syna

11. Juni 2014 23:03

hm da haben sich mal wieder leute versucht das maul zu zerreisen wovon sie keine ahnung habe!
es gibt sie doch noch die leute aus den anfangsjahren die mittlerweile in die jahre gekommen sind!
für diese ist es nicht nur ein stupiedes schaulaufen und sehen und gesehen werden!
für die etwas älteren ist es noch weit mehr als nur ein oberflächliches kostümfest manch einer vermag wohl die art seines auftretens auf anfrage korrekt zu beantworten!

gehe nur von den orten aus an denen ich zum wgt war
in der tat ist das wgt in den lezten jahren zunehmend oberflächlicher geworden und hat sich vom kern immer mehr entfernt, von dem was es zum anfang mal war!
die breite an denen die da mitlerweile schaulaufen hat neue stilrichtungen mit den jahren hervor gebracht!
es fing mit cyber an dann kamen die steampunks dazu die dieses jahr sehr sehr zahlreich waren und dann sind diese jahr wie im beitrag schon erwähnt viele conchita wursts dabei gewesen, was die da sollen weis ich auch nicht!
von den alten 80er Siouxsie and the Banshees (und anderer) look der leute war indes nicht viel zu sehen leute im geschminktem zustand wurden auch nicht oft gesichtet zumindest ist mir keiner über den weg gelaufen a la SOPOR AETERNUS
die szene ist auch nicht beständig sie entwickelte sich immer weiter nur wohin weis keiner es kommen neue trends, und es gehen alte!
dies dynamik und vielschichtigkeit bietet den menschen an sich, in dieser oberflächlichen welt ein zuhause! jeder kann individuell seinem geiste ausdruck verleihen obwohl es auch eine menge pseudoszenegänger gibt die einzig auf den aha und schreckeffekt setzen! nur wer vermag es die einen von den anderen zu unterscheiden!
und der vergleich den hier einige anstreben von wegen fußball wm ist schon eine frechheit und beleidigung!
gut das wgt hat sich in den jahren immer mehr verselbstständigt (teilweise kommerzialisiert was manch einem szenegänger missbilligt) und lockt mittlerweile mehr schaulustige an, aber das wgt mit so einer sinnfreien veranstaltung wie die fußball wm zu vergleichen ist ... nun ja das behalte ich doch lieber für mich!

Martin Lichtmesz

11. Juni 2014 23:18

Die Szene verkörpert für ihn, einen wohl Außenstehenden, eine Art „Gegenkultur“ zur „neuen halbstaatlichen Genderkultur“.

Das AUSGERECHNET von der Gothic-Szene anzunehmen, ist... ein Knüller! Mir fehlen die Worte. Soweit kommt's, wenn man in alles etwas Wünschenswertes hineinmetapolitisieren möchte.

Gut, mit der "halbstaatlichen" Form des Gender-Bending hat die Ästhetik der Szene gottseidank auch nur wenig zu tun... man muß sich diesbezüglich eher im Dandytum und der Fin-de-Siècle-Dekadenz des späten 19. Jhdts und der anglo-romanischen Schwarzen Romantik umschauen (also etwas eher "Undeutschem"), wo die Geschlechter ja auch verschwimmen, Androgynität und Homosexualität auftrumpfen, allerdings auf eher bewußt sinister-perverse als auf sozialtechnisch-utopistische Weise...

https://www.artcyclopedia.org/art/fernand-khnopff-sphinx.jpg

Gustav Grambauer

12. Juni 2014 00:03

Wenn ich oben das erste Bild sehe, dann sehe ich auch hier den Dekonstruktivismus marschieren, und für mich ist es kein Spaß:

Meinen Vater kenne ich bis in die 80er Jahre hinein im Alltag im Winter nicht anders als im Rindledermantel, bei Minusgraden dick mit Hamster gefüttert, schwarz, braun oder grau im U-Boot-Stil und darunter schwere Kammgarn-Zwirne von seinem Schneider. Dazu trug er, falls nicht Homburger oder Pelzmütze, sogar lederne Schirmmützen in der betreffenden Farbe des Mantels.

Niemand wäre auf die Idee gekommen, er zeige damit Zugehörigkeit zu einer "Subkultur" oder eine besondere romantische "Ader" an, mache ein besonderes sexuelles Ausdrucksbedürfnis geltend oder sei gerade auf dem Weg zum "Ausbrechen vom Stöckchen-Springen" zu irgendeinem Exzentriker-Treffen.

Sie haben erreicht was sie wollten. So gekleidet (d. h. und nicht gleichzeitig mit Schrott im Gesicht, tätowiert o. ä.) würde er heute einen kurzen Spaziergang in Berlin-Friedrichshain oder im Hamburger Schanzenviertel nicht überleben.

- G. G.

Martin

12. Juni 2014 07:33

Na ja - mal bitte nicht zu viel in das Ganze hinein interpretieren. Aber was ein bisschen auffällt, ist doch diese ewige "Dagegen-Attitüde" und von oben (oder von sonst wo) herab Perspektive, die hier einige als grundsätzliche Lebenshaltung mittlerweile eingenommen zu haben scheinen (das lässt natürlich auch so seine Schlüsse zu).

Das WGT ist DAS Mega-Event für derartiges, der ZIRKUS Maximus quasi und daher sicher nicht die Referenz für ein über den Kamm scheren von allen Teilnehmern. Es wäre ungefähr ein ähnlicher Fehler, wenn man vom Oktoberfest auf die in kleineren bayer. Städten durchaus noch vorhandene bayerische Festkultur schließen würde. Von daher einfach locker bleiben, es gibt wahrlich schlimmeres und kritikwürdigeres in unserem Land.

Die schwarze Szene ist die einzige fast 100% kanakenfreie Zone in der Musik- und Abend- Ausgehkultur jenseits von Theater und Oper unseres Landes (Entschuldigung für diesen Ausdruck - aber ein anderer Sammelbegriff für die schlägernden und messernden Testosteron-Boliden aus Fernost passt nicht so exakt) - evtl. ist das der Grund, warum sich hier jetzt auch neuerdings irgendwelche Fötzchen Fleischware (= Conchita Wurst) Doubles tummeln (was es früher selbstredend nicht gab). In normalen Musik- und Tanzschuppen dieses Landes würden sie ordentlich was auf die Stoppeln bekommen und im harmlosesten Fall im Krankenhaus landen (und selbst wenn sich 100 Conchiten dafür als Beleg einmal an einem Wochenende opfern würden, würde es von der Politik und den Medien immer noch verdrängt und totgeschwiegen werden). Ich weis, dass einige dafür diese asozialen Schläger auch noch wegen ihrer "Virilität", ihrer "natürlichen" Mannesauffassung und der "traditionalen" Kultur insgeheim anhimmeln und diese klammheimliche Muselmanenverehrung ist ein bislang noch nicht offen diskutiertes Problem der sog. "Rechten".

Luise Werner

12. Juni 2014 08:15

Eine distanzierte Sichtweise auf das WGT und die "schwarze Szene" mag ja noch angehen. Aber warum schon wieder dieses Schmähen in einigen Kommentaren? Weil es kommerziell geworden ist?, sich von den Anfängen gelöst hat?, sich ausdifferenziert?, dekadente Unterhaltung ist? Oder weil es nicht der reinen Lehre entspricht?
Ich bin kein Fan dieser Szene und kenne mich nur halbwegs aus. Schnittmengen gibt es ALLENFALLS bei der Musik.
Aber diese Subkultur gibt sich offiziell unpolitisch und ist dezidiert nicht links (trotz anhaltender Versuche der Steuerung). Die Staffage ist aufgeladen mit konservativen, reaktionären oder militaristischen Symboliken; Dingen also, die ansonsten verpönt sind, kaum mehr sonst gezeigt geschweige akzeptiert werden. Einige Strömungen sind stark heimatverbunden oder heidnisch orientiert.
Ich finde, man sollte seine Verachtung nicht zu weit treiben bzw. gezielt dahin richten, wohin sie hingehört.

Rumpelstilzchen

12. Juni 2014 09:02

"Jeder kann individuell seinem Geiste Ausdruck verleihen"

( Darth Syna)

"Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück"

1Mose 3

Lerngewinn aus diesem Forum:
"Man kann in alles Wünschenswertes hineinmetapolitisieren" (ML) und sogar Hölderlin scheint ein goth zu sein.

Jeder hat seinen biographischen Hintergrund. Wer streng katholisch aufgewachsen ist, braucht keine gothic-Kultur. Er bekommt das Memento mori frei Kirche.
Unvergesslich sind mir Reliquien, insbesondere der "Unterkiefer der Hl. Lioba in Tauberbischofsheim", gesehen auf einem Schulausflug. Wie kicherten wir Mädchen einer Nonnenschule.
Faszinierend fand ich auch die unverwesten Leichname von Heiligen. So die Hl. Zita in Sienna oder die Hl. Bernadette in Nevers. Bernadette ist noch heute eine Schönheit. Als Kind war ich fasziniert von der Idee, dass Heilige nicht verwesen.
Als ich dann Lenin im Mausoleum sah, war mein Glaube an Heilige doch etwas erschüttert.
Wer den Hang zum Morbiden hat, seien auch die Mumien von Palermo, die Katakomben von Paris oder das Beinhaus von Oppenheim ans Herz gelegt.

Zu meiner Zeit hießen die Goth noch Grufties.

Und wenn wir schon beim sehr Deutschen sind:
Hier ist der Film der Wahl m.E. immer noch Werner Herzogs NOSFERATU,
Phantom der Nacht mit der Musik der Krautrockband Popul Vuh

https://m.youtube.com/watch?v=AciHtHoD1MQ

Thomas Wawerka

12. Juni 2014 10:20

Ich habe 14 Jahre in Leipzig gelebt und hab immer zugesehen, dass ich Pfingsten aus der Stadt komme. Fremdschämen wäre wohl der richtige Ausdruck. Warum präsentieren sich erwachsene Menschen so in der Öffentlichkeit? Es ist unsäglich albern, wenn zwei Hexen hinter einem gehen und sich im schönsten Badisch über Hausfrauenprobleme unterhalten ... alles derart aufgesetzt, künstlich, uncool ... und auf der anderen Seite die Typen, die an jeder Straßenecke posen, sich jeder Kamera und jedem Smartphone feilbieten, das hat schon was von Porno ...
Geht mir bloß weg mit "Subkultur"! Eine Subkultur, die etwas auf sich hält, würde sich in Kellern treffen. An Orten, zu denen nicht jedermann Zugang hat. Eine ordentliche Subkultur würde Sezession betreiben und sich nicht derart aufdrängen.
Pfingstsonntag war ich zufällig in Leipzig, und meine Gefühle schwankten zwischen Ekel und Langeweile. Nach drei Bier wars dann besser, und ich amüsierte mich bei dem Gedanken, was sich bei dieser Hitze unter all dem Latex wohl für Biotope bilden mochten ... "gotische Feuchtgebiete" sozusagen.

tho.

12. Juni 2014 10:34

Seitdem Neofolk und dessen Hauptprotagonisten als pöhser Nazi-Kram seitens des WGT weitestgehend verbannt wurden, ist diese Veranstaltung für mich aber ohnehin gestorben.

Dann muss ich in den letzten Jahren wohl auf einem anderen WGT gewesen sein...

Neofolk / Neoklassik gehört nach wie vor zum festen Bestandteil des WGT. Im letzten Jahr spielten beispielsweise Camerata Mediolanense, in diesem Jahr u. a. Andrew King (mit einer WK-I-Performance), Der Blaue Reiter, Joy of Life, Sieben oder Sonne Hagal. Und wenn's allein darum geht, dass es "umstritten" sein soll, bietet sich ein Besuch beim Metal-Abend an. Im letzten Jahr traten Negura Bunget aus Rumänien auf, und diesmal nicht nur die in Ellen Kositzas Text erwähnte norwegische BM-Legende Satyricon (für mich der Höhepunkt des diesjährigen WGT), sondern auch Varg, die es ja gerade mal so geschafft haben, sich aus der "Nazi-Ecke" zu mogeln.

ene

12. Juni 2014 11:18

Also mir persönlich sagt das nichts. Aber: "BRD-mäßig", usw. kann ich solche Maskeraden nun auch nicht finden.

Ich sagte "Maskeraden". Und diese sind wohl so alt wie die Menschheit (Siehe Höhlenmalereien). Der Wunsch, in eine andere Rolle zu schlüpfen, "die Bürger zu erschrecken", eine temporäre Gegenwelt zu schaffen usw. läßt sich in jeder Epoche finden. Die Substanz bleibt, die Formen sind jeweils andere.

Menschheitserbe!

In einigen Gegenden Bayerns ist es in einer bestimmten Jahreszeit üblich, daß junge Männer Felle anlegen und Hörner (!) tragen und so ausstaffiert mit klirrenden Ketten in der Hand um die Häuser ziehen nach Einbruch der Dunkelheit. Wer sich dann noch vor das Haus wagt, wird gejagt und verprügelt. ("Regionales Brauchtum"!).

eulenfurz

12. Juni 2014 11:21

Eine Freakshow gelangweilter Vielzuvieler, ein Kostümfest entwurzelter Städter, die Inszenierung von Grotesken und insgesamt eine Massenveranstaltung, wie es ihrer - als "Festivals" deklariert - zuhauf gibt für die in miefigen Betonschluchten kasernierten und zu beliebigen Jobs verdammten Mensch_x_innen. Ein lausiges Konsumangebot gegen ein paar erjobbte Euro. Ablenkend und Emotionen freisetzend, blutleer und aufgesetzt, also passend zur herrschenden "Zivilisation".

Aber man soll das Gute darin sehen: Je mehr solcher Menschen auf Festivalgeländen (und demnächst auch beim public viewing) zusammengepfercht herumgrölen, um so freier atmen die von verirrten Zombies und biersel'gem Pöbel verlassenen Straßen und Plätze, Seen und Parks.

Martin

12. Juni 2014 11:57

@tho.

Danke für den Hinweis - das Programm hätte ich wohl vor dieser Bemerkung durchlesen sollen, aber die Zeiten, wo ein D. Pearce am Lagerfeuer mit der Klampfe aufgespielt hat oder "von Thronstahl" getrommelt haben, Flecktarn nichts besonderes war, sind vorbei und das war eben die Stimmung, aus der ich diese Bemerkung gemacht habe.

@eulenfurz

Je mehr solcher Menschen auf Festivalgeländen (und demnächst auch beim public viewing) zusammengepfercht herumgrölen,

Sie waren wohl noch nie auf so einer Veranstaltung? Wenn irgendwo nicht herumgegrölt wird und wenn es Veranstaltungen gibt, bei der es keine offensichtlichen Alkoholleichen als Ergebnis zu präsentieren gibt (obwohl das wahrlich keine abstinente Szene ist), dann in diesem Milieu (gut, dass es bei Konzerten durchaus konträr zur Musik auch mal "Rock ´n Roll" Stimmung gibt, entkräftet die grundsätzliche Friedlichkeit der "Szene" nicht). Außerdem verteilt sich das Ganze über die Großstadt Leipzig, von zusammengepfercht kann man da, bis auf wenige Punkte, kaum sprechen.

ene

12. Juni 2014 17:24

solche Menschen

Eulenfurz, sind immer "die anderen"! Über "den biersel'genPöbel" würden Alt-68-Bekannte von mir in den nämlichen Worten sprechen. Und sich auch für "was Besseres" halten.
Das gibt zu denken!

Ach, ihr seid alle so typisch! Jemand aus Wien hat das gesagt, Herr Lichtmesz wird's vielleicht wissen (Altenberg?).
Ich würde es so ausdrücken: Sich für etwas Besonderes zu halten, heißt noch lange nicht - etwas Besonderes zu sein.

(Übrigens meide ich alle "events" und gehe gerne bei diesen Gelegenheiten über verlassene Plätze...)

eulenfurz

12. Juni 2014 23:35

@ene
Es wäre schon leicht und schön, in der Masse zu schwelgen, allerdings sind die derzeitigen Angebote allesamt derart niederträchtig, daß man sich schämen müßte, an diesen zu partizipieren.

Aber ich muß zugeben, auch schon an Massenveranstaltungen teilgenommen zu haben, etwa an Demonstrationen, die zu einem Regimewechsel führten, oder an Fluthilfen. Freilich erscheinen mir diese Veranstaltungen weitaus ernsthafter, wahrhaftiger und tiefschürfender, als der gegen Euro dargebotene Unterhaltungsquark.

Aber nichts für ungut und jedem Tierchen sein Pläsierchen!

Michael Schlenger

13. Juni 2014 00:03

Zunächst Dank an Frau Kositza, die sich nicht zu schade ist, sich zu ihren Jugendsünden(?) zu bekennen. Es bleibt die Frage, was uns der kurze Kameraschwenk auf die Gothic-Szene offenbart.

Zunächst lernt man aus den Reaktionen einiges über die Teilnehmer an der Diskussion selbst. So erstaunt es mich, dass man als sich Konservativer, der eher eine breit informierende Tageszeitung liest als sich auf primitive Unterhaltungssendungen im Fernsehen zu beschränken, von dem unter Zeitgeist- und Stilaspekten immer wieder gern präsentierten Leipziger Szenetreffen noch nichts gehört hat.

EK: Pardon,die Passage hinkt zweifach: Man kann kaum "nichts gehört" haben von etwas, das man "immer wieder gern präsentiert" bekommt, oder?

Aber man lernt ja als Kosmopolit stets gern dazu, nicht wahr? Etwa, dass etliche im Alltag funktionieren Müssende und funktionell Gekleidete wenigstens in ihrer Freizeit das Bedürfnis nach einer ausdrucksstarken, womöglich doppelbödigen Erscheinung verspüren.

Sicher läuft das oft auf irgendwelche wild kombinierten Versatzstücke hinaus und eine persönliche Identifikation mit den Kulturen und Klassen, denen diese entnommen sind, dürfte bei der schwäbischen Hausfrau mit Korsett und Fächer kaum gegeben sein. Doch sollte man das Bedürfnis als solches nicht zu gering schätzen. Denn es zeugt von einer noch lebendigen Kraft, die auf Eigenständigkeit, Abgrenzung und vielleicht so etwas wie persönliche Würde abzielt – etwas, das früher Trachten und der Sonntagsstaat ermöglichten. Den Gothic-Freunden mag das zugegebenermaßen nicht immer gelingen, ja mitunter wird genau das Gegenteil erreicht, dann ist man in der Tat vom Christopher Street Day nicht weit entfernt.

Ich verstehe aber nicht, was per se an dem Bestreben falsch oder lächerlich sein soll, der ach so praktischen Mao-Uniform unserer Tage zumindest zeitweise zu entkommen, die aus Jack-Wolfskin-Plastikjäckchen (im Winter) und ¾ langer Clownshose nebst Aufdruckhemdchen (im Sommer) besteht. Hand aufs Herz: Wer der hier versammelten landsmannschaftlich Denkenden und konsumkritischen Traditionalisten ist während der hinter uns liegenden heißen Tage „korrekt“ mit langer Hose und Oberhemd unterwegs gewesen? Dazu braucht’s einiges an Disziplin, Verstand in punkto Materialien und ruhiges Blut – und siehe da, es geht, schon fällt man seiner Umwelt nicht mehr durch anstößige Erscheinung zur Last.

Kleidung hat ja von jeher sehr viel mit Selbstbewusstsein, aber auch mit Rücksichtnahme zu tun. Und da ist es mir entschieden lieber, in der Leipziger Fußgängerzone bei 32 Grad im Schatten einem schrill geschminkten Paar mit Reifrock und Rüschenhemd zu begegnen, als – lassen wir das besser.

So sehr die diversen Retro-Szenen – die „gotische“ ist beileibe nicht die einzige - etwas von Karneval für geplagte Reihenhausinsassen und vom Büroalltag Zermürbte haben mag, so sehr stellt sich die Frage, was die hiesige konservative Szene diesen Landsleuten Besseres zu bieten hat. Was ist deutscher Stil, was deutsche Kleidung, Ausdruck und Umgangsform? Sicher nicht angloamerikanische Lässigkeit und Gleichgültigkeit, sicher nicht T-Shirt, Baseballkappe und Bluejeans, sicher nicht das aufdringliche Gehabe von Rockern, Rappern und Rastafaris. Ich mach’s mir da einfach, ignoriere den Zeitgeist, kleide mich klassisch und bemühe mich um Höflichkeit und möglichst unverdorbenes Hochdeutsch. Mein Musikverständnis endet allerdings leider mit den vier letzten Liedern von Strauss, Jüngeres dient mir lediglich als Ablenkung beim Schuheputzen und Pistolenreinigen (ein Scherz). In musikalischer Hinsicht verstehe auch ich nicht das Treiben der Gothisten und Folkloristen…

Was empfehlen aber als Gegenmittel zu zeitgenössischen Entartungen die Hohepriester des Deutschtums, die - wenn irgendwo - doch hier versammelt sein müssen? Wäre „Deutschsein – eine Frage von Abkunft, Bildung und Stil“ nicht einen Kaplakenband wert?

Ratlose Grüße
Michael Schlenger

Bootsmann

13. Juni 2014 10:26

Wäre „Deutschsein – eine Frage von Abkunft, Bildung und Stil“ nicht einen Kaplakenband wert?

Nun, solange hier rote Wollsocken- und Lederhosenromantik gegen bedruckte T-Shirts (ich nehme mal den gebräuchlichen Begriff), Jeans oder eben schwarze Szenekleidung ins Feld geführt werden, brauchen wir über Stil nicht reden. Ist eh nicht das »deutscheste« Thema. Wars noch nie. Genausowenig ist es ziemlich albern, sich hier neunmalklug über subkulturelle Nischen und Ausdrucksformen auszulassen, zumal sicher ein Teil der Schreibenden hier ziemlich gut darüber informiert sein müßte, welche Funktion und Bedeutung Subkulturen ganz allgemein haben. Ich kenne jedenfalls keinen, der sich in den letzten 30 Jahren mit Wagner und Strauss politisiert oder auch nur irgendein Bewußtsein entwickelt hätte, mit gewissen Subkulturen (Stil, Kunst, Literatur, Musik, Gewalt) hingegen eine ganze Menge. Leseempfehlung hierzu: Wer gegen uns? von Di Tullio!

Aber nichts für ungut, wenn das heute auch mit Klassik, Trachten und VW-Jahreswagen gelingt, ists auch okay.

Nordlaender

13. Juni 2014 10:27

@ Michael Schlenger

"der ach so praktischen Mao-Uniform unserer Tage zumindest zeitweise zu entkommen, die aus Jack-Wolfskin-Plastikjäckchen (im Winter)"

Na, na! Nun habe ich aus geschmacklichen Gründen ja noch nie solche Hans-Wolfshaut-Garderobe getragen, aber man sollte schon aufpassen, daß wegen solcher Lästereien Stephen Schwarzman nicht noch im Armenhaus endet.

"Jack Wolfskin Ausrüstung für Draussen GmbH & Co. KGaA ist ein Unternehmen der US-amerikanischen Private Equity-Gesellschaft Blackstone"
(wikipedia)

"So erhielt Stephen A. Schwarzman im Jahre 2006 398,3 Millionen Dollar[9], im Jahr 2007 350 Millionen [10], und für 2008 waren es sogar 702 Millionen Dollar."
(wikipedia)

https://de.wikipedia.org/wiki/Blackstone_Group

schwarzgekleidet

13. Juni 2014 21:40

Mir ging es in meinen ''schwarzen Jahren'' nur um die Musik.
Die Szene ist tot und prostituiert sich für stinknormale Öffentlicheit und Voyeure. Das hätte man damals nicht gedacht. So bleiben mir für immer unerreichbare Casetten aus den neunzigern. Wer die Nächte nicht miterlebt hat, kann nicht mitreden:
The sun risis every morning,
but why are we so sure
I'm looking out of the window.....
Anscheinend geht es heute den Showkostümierten überhaupt nicht mehr um Musik und Lebensweise...

Nordlaender

13. Juni 2014 22:53

@ Bootsmann

"Nun, solange hier rote Wollsocken- und Lederhosenromantik gegen bedruckte T-Shirts (ich nehme mal den gebräuchlichen Begriff), Jeans ..."

Sind das etwa diese gerade in Mode kommenden unsäglichen Nietenhosen? Ein Trend, besonders beliebt bei alten Leuten und dort noch mehr von unter der Damenwelt begrüßt als von den Herren? Ich meine, daß diese Unsitte aus den VSA zu uns herübergeschwappt ist und der Autor des Buches "Manieren" (Prinz Asfa-Wossen Asserat) diesbezüglich das Prädikat "scheußlich" verwendet hatte.

Mode hin, Mode her: Ein Symbol für die totale Unterwerfung unter die Macht unserer Besatzer.

Nils Wegner

14. Juni 2014 12:20

Haha, ja... Sich mit leidenschaftlichen Debatten um so eine Nebensächlichkeit wie Klamottage überhaupt aufzuhalten, hat natürlich rein gar nichts mit der importierten Wohlstandsgesellschaft zu tun. Es gibt ja auch sonst keine drängenden Fragen in dieser lauen Lebensbrühe.

Wer "Stil" maßgeblich über Kleidung und sonstige Späße definiert, die alle mit entsprechender Barschaft zu erwerben sind, sollte seine Begrifflichkeiten überprüfen. Vielleicht auch noch mehr.

Mohlers "Faschistischen Stil" zu lesen, könnte ein erster Schritt sein. Oder das entsprechende Sezession-Themenheft. Auf der Akademie wurde seinerzeit schwer genug um eine Definition gerungen.

Frankstein

14. Juni 2014 17:24

„War bißchen kraß, oder?“, frage ich meine Tochter. „War bißchen albern“, meint sie."
„Bißchen albern aber auch das“, meine ich und denke an Strauß als Komponist der Elektra. „Nö“, sagt die Tochter, „höchst subtil.“
Die ganze Spannbreite des menschlichen (tierischen?) Verhaltens.
Bei indigenen Völkern war und ist Gesichts- und Körperbemalung und Ausstaffierung Status-Symbol. Und oft auch nur Schutz vor Freßfeinden. In der Botanik sind abschreckende Farben, Muster und Gerüche Teil der Mimikry. Weniger Ausdruck von Wehr- und Verteidungsbereitschaft und schon garnicht von Angriffslust. Gefährlich für das Umfeld ist das Löwenweibchen, nicht das Löwenmaul. Sehr -neu-deutsch - ist die Verwechselung von albern mit subtil. Körperbemalung, provozierendes Qutfit locken Gegner, die ihre Männlichkeit beweisen müssen. Ringe, Ketten und Glitzer locken die Besitzlosen. Neu-deutsch ist der Schein, seht her, was ich für ein toller Hecht bin. Tatsächlich verbirgt sich häufig dahinter die Sardine.
Löwenmäulchen on Road, das ist sehr neu-deutsch.

Michael Schlenger

15. Juni 2014 01:07

Guten Tag, Herr Wegner,

Sie persönlich mögen ja Kleidung - vielleicht generell die äußere Erscheinung des Bürgers oder Volksangehörigen - als nebensächlich ansehen.

Haben Sie aber einmal darüber nachgedacht, warum das in den letzten 7500 Jahren seit der Sesshaftwerdung der Menschen in sicherlich allen Weltregionen anders war? Sie wissen schon, dass bis vor gar nicht so lange Zeit - sagen wir: bis zum zweiten Weltkrieg - Kleidung klarster Ausdruck von ethnischer, regionaler, klassenspezifischer oder von mir aus ersponnener Gruppenzugehörigkeit war.

Falls Sie schon einmal ein kulturhistorisches Museum irgendwo auf diesem Planeten besucht haben, das sich lokalen Sitten und Gebräuchen widmet, dann wissen Sie selbstverständlich, dass eine solche Kleidung für jedermann erschwinglich war. Im Zweifelsfall hat man sie selbst hergestellt oder dafür gespart, so wichtig war unseren Vorfahren das. Und selbst in den 1950er Jahren gab es hierzulande auch unter der Arbeiterschaft noch den Sonntagsstaat, wenn man zeitgenössischen Fotografien glauben darf.

Wer nun im 21. Jahrhundert der Auffasssung ist, Kleidung werde überschätzt und sei ein bloß modisches Wohlstandsphänomen, der ist entweder selbst ein fleckige Cordhosen tragender Alt-68er, weiß würdevolle und bezahlbare Kleidung nicht von den Brioni-Anzügen eines ehemaligen Bundeskanzlers zu unterscheiden oder hat schlicht nicht verstanden, dass Menschen sich schon immer nicht nur über verkopfte Traktate austauschen, sondern auch über Äußerlichkeiten: Kleidung, Schmuck, gesundes Aussehen, Körperhaltung. Ich habe mir sagen lassen, dass sogar Haartrachten, Körperbemalungen und Hautfarben von einigen rückständigen Mitmenschen beachtet werden.

Sie mögen ja über diesen Dingen stehen und ein schlichtes wallendes Gewand tragen - es ist in allen Lebenslagen zweifellos das Praktischste - doch leider ist selbst dieses eine Botschaft an die Mitmenschen, wie das unter den angestrengt-deutschen Verächtern der Wohlstandsgesellschaft vor hundert Jahren auch bereits der Fall war.

Übrigens: Was genau haben Sie eigentlich gegen eine Wohlstandsgesellschaft? Wenn ich mir die europäischen Hochkulturen der letzten 3.000 Jahre betrachte, habe ich nicht den Eindruck, dass diesen ihr materieller Wohlstand bei der Produktion immaterieller Werte oder in Kunst und Wissenschaft im Weg stand.

Ich meine, dass hier ein wenig am Ziel vorbeigeschossen wird. Der Konservative muss m.E. kein Verächter des Schönen und Wertigen sein. Er mag nur keine voreilige Neuerung oder Verschwendung der Kräfte in billigen Idealen, ihm liegt das Gewachsene, das Ernsthafte, das Eigene am Herzen. Die schnellebige Mode und das hastig Abgekupferte sind ihm zurecht verdächtig, aber schließt das den gelungenen und würdevollen Auftritt unter Seinesgleichen aus?

Heilsam ist in diesen Dingen stets das Studium der Heroen des Bürgertums des 18. und 19. Jahrhunderts. Die konnten wie Wieland, Beethoven, Goethe oder Nietzsche alles gleichzeitig sein: Neuerer und Bewahrer, Provokateure und Reaktionäre - dabei ist von keinem überliefert, dass sie nicht in irgendeiner Form eitel gewesen wären. Dass Kleidung und ganz allgemein äußere Erscheinung eines Menschen unerheblich seien, hätten sie als exotischen Gedanken empfunden.

Wem das alles zu entlegen erscheint, mag sich mit einem sturmerprobten Ästheten wie meinetwegen Ernst Jünger abarbeiten, der aus gutem Grund mit einem gemütlichen Salon-Konservativen wie Mohler irgendwann über Kreuz lag. Der war ihm nämlich - so kurios das bei einem Schweizer klingt - irgendwann zu angestrengt deutsch.

Michael Schlenger

neocromagnon

16. Juni 2014 03:25

Ich wäre gespannt auf den Altersdurchschnitt der Festivalbesucher, würde aber wetten, daß er deutlich jenseits der dreißig liegt

Hat es seit Ende der 90er nochmal eine große Innovation in Richtung Jugendkultur, Musik, Film, Kunst gegeben? Oder ist mir das nur entgangen? Ergrautes Publikum und ergraute Künstler schwelgen in "jugendlicher" Pop- oder Protestkultur (revival xy), streng umweltfreundlich, und bringen ihre eigenen Kinder mit.
Es hat sich etwas grundlegend verändert.
Ich stelle mal die These auf, daß die demographische Katastrophe dahinter steckt.
Den 68ern fehlten die Väter, weil die gefallen oder in Gefangenschaft waren, die Babyoomer waren eine riesige Generation, selbstbewußt, haben alles dominiert, alleine durch ihre Masse, junge Menschen überall.
Und seit dem? Laut Sarrazin schwindet seit den 70ern jede neue Generation um 1/3. Alle 25 Jahre 1/3 weniger neue Kinder, die dann selber wieder weniger Kinder bekommen. Das sollte Spuren hinterlassen. Auch in Geist, Wahrnehmung, Bewßtsein, Kreativität, oder?

Thomas Wawerka

16. Juni 2014 10:36

@ necromagnon:

Glaub ich nicht. "Kultur" wird immer nur von Wenigen gemacht. Dass es keine Innovationen gibt liegt meines Erachtens schlicht und einfach daran, dass es keine Kultur mehr gibt. Was soll man denn heutzutage erneuern, wenn nichts da ist? Da bleibt ja bloß die Retrowelle und das "mashup". Ihre tiefsten Wurzeln hat Kultur in der Religion und in der Sprache. Noch Fragen?

Ich behaupte übrigens auch gegen alle Alt- und Neurechten, dass die Ausländer keineswegs ein Problem sind. Das Problem ist unsere kulturelle Impotenz. Schauen Sie sich China an: Es besteht seit tausenden von Jahren und hat noch jeden Mongolensturm überstanden. "Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, umarme ihn." Inkulturation!

Ich muss auch immer feixen, wenn etwa Herr Kubitschek wieder über die "deutsche Sache" schwadroniert ... was soll das sein? Jeder gute Deutsche und ganz besonders Nietzsche wusste, dass es immer um Europa als Ganzes geht. Die "deutsche Sache" ist wilhelminischer Provinzialismus; Nationalismus ist eine Sünde wider den Heiligen Geist. Es geht um Europa, um das Imperium sacrum, um die translatio Imperii, um die "Europa als Idee", und zwar als kulturelle Idee.
Amerika ist keine Kultur, sondern ein Geschäftsmodell. War schon immer so, schon vor den USA. Kolumbus hat die Amerika nicht "entdeckt" (das war sie schon lange und durch verschiedene Akteure vorher), sondern dem Handel erschlossen. Der Beginn der Globalisierung. Der Beginn einer wahrhaft "neuen Welt", für alle, auch fürs alte Europa.

Ohne eine kulturelle Idee von Europa wird Europa zum bloßen Standort im Geschäftsmodell der Globalisierung. Noch einmal: das Imperium sacrum! DAS ist Europa. Um Deutschland geht es daneben schon auch, freilich, um die Selbstbestimmung über unser Gemeinwesen, über die von uns erwirtschafteten Güter usw.

Die Diskussion um Stil und Kostümerie offenbart in aller Deutlichkeit, dass wir im kulturellen Vakuum leben. Man möchte mit aller Verzweiflung an etwas festhalten, das kulturelle Identität stiftet, und sei's auch nur das Alleräußerste.

Ob Europa überlebt, ist eine Frage des Christentums. Ums Christentum selbst mache ich mir keine Sorgen. Das war schon immer ökumenisch: weltweit. Dann wird sich das Zentrum eben verlagern, beispielsweise nach China, wo es stark im Wachstum begriffen ist. Was Europa für sein Überleben als Kultur braucht, wäre eine Art neuer (oder auch alter) christlich-ritterlicher Stand. Bewahrer des Glaubens, Verteidiger der Werte. Männer, die nicht "originell" sein wollen oder ein "Profil" benötigen, sondern die dem Unbedingten ergeben sind.

Man hat die Wahl: Entweder man ist ein Kosak, ein Anarchist, ein romantischer Springinsfeld & Tunichtgut wie Raskolnikow, oder man ist miles, einem kategorischen Imperativ unterworfen. Beides hat Würde. Dazwischen kann man nur bourgeois sein.

Frankstein

16. Juni 2014 15:11

Thomas Wawerka, ist das jetzt schon Snobismus, oder noch Satire? Ist das jetzt 3. Semester Soziologie oder 1.Semester Geographie ? Oder will Thomas gegen den Stachel löcken?
Europa IST Deutschland , ohne Deutschland ist Europa NICHTS. Allenfalls eine Ansammlung nahöstlicher Legate. Kultur ist nicht Religion oder/und Sprache. Kultur nennt sich die derzeit höchste Stufe der sozialen Evolution, die auch Religion und Sprache umfasst. Kultur ist eine Summe von Einzigartigkeiten, die in diesem Gemenge nur einmal, in einer Zeit und in einer Region festzustellen ist. Oder eben nicht. Wenn Deutschland verschwindet- wenn die deutsche Kultur verschwindet-, wird es andere Kulturen geben, aber keine einzigartigen.
Was ist deutsche Kultur, oder " deutsche Sache " ? Die zweite Begrifflichkeit ist eine Unverschämtheit, eine Sache ist geringwertig und keines besonderen Schutzes würdig.
Wem man deutsche Kultur erklären muss, besitzt sie nicht, oder hat sie sich noch nicht erworben. Die Geringschätzigkeit, die aus Thomas Worten klingt, läßt Neid vermuten. Neid gegenüber demjenigen, der Kultur besitzt. Neid des Trabbifahrers gegenüber dem Porsche-Besitzer. In vergangenen Zeiten besaßen deutsche Völker, von den Dorern über die Philister bis zu den Galatern, von den Alemannen über die Vandalen bis zu den Burgunden ganz Europa und den halben Orient. Heute besitzen wir als ihre Erben nur noch unsere Kultur und die sollen wir gegen eine kulturelle Idee von Europa eintauschen ? Gegen eine römische, semitische, levantinische oder muslimische Idee ? Wir haben sie alle bereits einmal oder mehrmals domestiziert, wie der Zoowärter die Lemuren. Und jetzt sollen wir die Lemuren-Idee übernehmen ? Manche Vorschläge passen unter eine geschlossene Tür, so platt sind sie.

Henry

16. Juni 2014 19:58

Ich kann tho. nur recht geben. Gerade die Neofolk-Sparte ist beim WGT ein erfreulicher Lichtblick innerhalb der schwarzen Szene. Neben dem "schwarzen Mainstream" gilt zumindest für mich die Neofolk-Szene als Subkultur in der Subkultur.

Ob es sich nun um eine "sehr deutsche" Erscheinung handelt, darüber lässt sich streiten. Wie erwähnt ursprünglich aus England importiert, wie eigentlich jede Subkultur, erfolgreich adaptiert und auch kommerzialisiert. Wen kümmert es? Dem Eingeweihten eröffnen sich seine Nischen.
Danke für den Bericht Frau K.

Zur Sommersonnenwende trifft man sich übrigens vor dem Knauthainer Schloss bei Leipzig:

https://atelierabraxas.wordpress.com/2014/04/22/live-am-lagerfeuer-2/

Thomas Wawerka

16. Juni 2014 20:41

Frankstein, ich würde sagen, es ist Snobismus.

rautenklause

17. Juni 2014 11:24

@ Michael Schlenger et al.

In der Truppe gibt es den schönen Spruch. "Wer nix kann kann Anzug"

Michael Schlenger

17. Juni 2014 21:30

Herr(?) Rautenklaus,

ich weiß nun nicht, in welcher Truppe Sie diesen Spruch aufgeschnappt haben - vielleicht bei der Hundertschaft aus abenteuerlich anmutenden Bart- und Sonnenbrillenträgern, die man uns als "unsere starke Truppe am Hindukusch" präsentiert hat?

Jedenfalls kann ich mich nur erinnern, dass in unserem PzGrenBtl zu Zeiten des Kalten Krieges seitens der Unteroffiziere und Offiziere geradezu fanatischer Wert auf korrekten Anzug, Haltung und Disziplin gelegt wurde.

Gleichzeitig hieß es bei uns Grenadieren: Wer nix wird, wird Wirt oder geht zum Bund. Sie sehen: so unterschiedlich können Erfahrungen "in der Truppe" sein.

Nichts für ungut: Mein Plädoyer für einen bewussten Umgang mit Kleidung zielt weder auf das provinzielle Ideal des Dorfbürgermeisters, Versicherungsvertreters und Sparkassenangestellten ab noch auf die hochpreisigen Verkleidungen einst als Klassenkämpfer angetretener grün-rot lackierter Politiker.

Ich wundere mich nur ein wenig, dass es unter vorgeblich Konservativen etliche zu geben scheint, die die Bedeutung der äußeren Erscheinung bei der Positionsbestimmung gegenüber anderen nicht einsehen wollen.

Gruß
M. Schlenger

rautenklause

17. Juni 2014 23:24

RautenklausE, Herr Schlenger, Rautenklause ... Ernst Jünger - Marmorklippen - "ihr alle kennt die wilde Schwermut uswusw" ... capice?

Den Anzugsatz gab man schon in den Achtzigern bei Fallschirmjägers (also dort, wo die Grenis gerne hingekommen wären) und ein SanOffz auf dem EK in Altenstadt lobte eine Kiste guten Roten aus für denjenigen, der ihm ein Bild einer Kampfeinheit an der Ostfront mit mindestens 4 Soldaten bringen würde, von denen 2 identische Uniformen trügen ... haben wir dann doch nicht gefunden ...

Egal: "Stil haben" auf Einstecktücher zu reduzieren war schon immer ein gewagtes Unterfangen und manch Schuhputzfetischist hatte am Turm sein Damaskuserlebnis - konnte sich aber immerhin damit rausreden, daß er weder Bart noch Sonnenbrille trägt ... abgelöst wurde er aber dennoch. Und Disziplin ist nach meinem bescheidenen Kenntnisstand kein in der 37/10 abgehandelter Punkt.

Frankstein

18. Juni 2014 08:10

Es scheint doch umstritten, was Deutschsein ausmacht. Eigentlich verwunderlich, war doch meine Generation so deutsch wie alle anderen zuvor. Arbeitsam, strebsam, wißbegierig, aufgeschlossen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Hat einer der Zweifler schon einmal vom Wirtschaftswunder gehört, von Trümmerfrauen gelesen oder von alleinerziehenden Müttern ? Das ist keine Erfindung der Neuzeit, sowenig wie die Kinderarmut. Ist das deutsch ? Nein natürlich nicht, aber der Kampf um die Befreiung schon.
Ist Armin deutsch, der sein Kriegshandwerk in der römischen Legion verfeinerte, um es gegen diese anzuwenden ? Von der UDSSR lernen, heißt siegen lernen ? Ist Lernen deutsch?
Ist Peter Henlein deutsch, der die Bestimmung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sichtbar zugänglich machte, obwohl doch der Deutsche Wanderer zwischen den Zeiten ist? Wie sonst können Erfahrungen, Geschehnisse gefestigt und für die Zukunftsplanung genutzt werden ?
Ist Johannes Gutenberg deutsch, der Geheimwissen in gedruckter, lesbarer Form unter das Volk streute und die Obrigkeit um ihren Vorteil brachte ? Dies war die Sternstunde der Volksbildung.
Waren die fränkischen Erfinder der Armbrust deutsch, die den gepanzerten Ritteradel zu Fall brachten und dem Bürger (!) Waffengleichheit brachten? Dies war die Sternstunde der Volksdemokratie.
War Luther deutsch, der die Vormachtstellung der römisch-katholischen Amtskirche brach, obwohl er selber davon profitierte ? Tue Gutes, auch als Egoist? Dies war die Befreiung aus der Bigotterie.
Sie alle haben Meilensteine in der Menschheitsgeschichte gesetzt, sie alle waren Deutsche , lebten und wirkten in Deutschland und ermöglichten die soziale Evolution. Wir bekommen ein wenig Ahnung, was Deutschsein bedeutet. Um es weiter zu ergründen, müßten wir weit in die Vergangenheit zurück, in der es keine Historiker, Psychologen und Soziologen gab. Keine Naseweise, keine Politiker, keine Akademiker und noch weniger Seminaristen. Sondern Menschen, die täglich hart um ihr Überleben kämpfen mussten; also Menschen, wie Du und ich. Die sich gleichzeitig auch noch um ihre Alten sorgten und ihren Kindern die Zukunft erträglich machten. Das alles und noch viel mehr macht Deutschsein aus. Deutsche Sache, Deutschtum, Deutschtümmelei sind verächtliche Begriffe, die ein Deutscher nie benutzen würde. Sie entstammen dem Jargon der Nascher, Hascher und Bauernfänger, zerstören die Selbstwahrnehmung und das Selbstvertrauen. Oder steht uns ein gesundes Selbstbewußtsein nicht zu ?

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