Ich hielt es (unbesehen) für ein gutes Buch. Es war auf Kinderbuchbestenlisten. Steinhöfel wurde mehrfach ausgezeichnet. Das will nicht viel heißen. Über das Problem, gute Kinderbücher zu finden, habe ich schon ein paar mal geschrieben. Die besseren Bücher stehen auf dem Grabbeltisch der ausgemusterten Ware, klar.
Ich sah den Sohn nun mit einem Karl-May-Buch im Garten vor der Torwand liegen. Den Band hat er schon zweimal durch. Ich wies ihn darauf hin, daß wir morgen zur Leihbücherei führen und ich den Steinhöfel gern abgeben würde. „Nee, der war nichts für mich.“ – „Wieso?“ – „Na, hat mir nicht so gefallen.“ – „Ah. Sag mal, warum nicht. Interessiert mich wirklich.“ – „Du hast doch gesagt, Gregs Tagebuch findest du blöd und die Rick-Geschichten auch. Na, und Oscar, Rico war eigentlich derselbe Ton.“- „Hm. Ja, wie denn?“ – „Immer total ironisch. Also: so hämisch. So bös auf eine Art. Wenn du unbedingt willst, lese ich das aber zuende.“
Nee, wollte ich nicht unbedingt. Ich hab mal reingeschaut ins Buch. Mein Sohn hat keinen schlechten Geschmack. Hab gleich eine Szene gefunden, wo die Mama vor dem Spiegel ihre „Hängemöpse“ betrachtet und prophezeit, daß es bald „neue“ gebe, immerhin seien die sogenannten Möpse ihr „Betriebskapital.“ Supersuperwitzig, hot stuff! Das brauchen die Kids, was sonst!
24. Juni 2014
Erzähle einem Freund von meinen Erfahrungen mit den modischen Kinderbüchern. Er: „Echt, die dürfen bei euch nicht Rick lesen, nicht Greg, nicht Oscar? Ist ja hart. Das ist doch eigentlich ganz cooles Zeug. Also: ziemlich witzig.“ – „Hm, witzig. Joah, teils. Cool – bestimmt. Sich über Eltern und andere Autoritäten lustig machen, klar ist das witzig. Und cool. Die Art Witz müssen unsere Kinder schon – wenn – dann selbst entwickeln. Aber nicht so als Lesefastfood inhalieren. Nee, da haben wir irgendwie andere Erziehungsziele.“
„Also: Ihr verbietet den Kindern diese Bücher richtig?“ – „Nö. Aber kaufen wir nicht. Aber wenn die so was ausleihen wollen sag ich: Das ist neunmalkluger Quatsch. Nimm mal was anderes. Was Schönes.“ – „Und dann legen die das weg?“ – „Na klar.“ – „Auch die Großen?“ –„Nee, ab dreizehn, vierzehn brauchen die in dieser Hinsicht keine Tips mehr.“ – „Und wenn die Jüngeren das heimlich lesen?“ – „Machen sie nicht.“ – „Und wenn doch?“ – „Dann haben sie ein schlechtes Gewissen.“ – „Heißt was genau?“ – „Heißt: sie lesen es und wissen, die Mutter findets schlecht. Und die Mutter hat ihre Gründe. Dann liegt die Lektüre im Magen wie ein hastig gegessener Cheeseburger. Dann verzichten sie von selbst auf den Folgeband.“ – “Aha. Wenn du meinst…” – “Ja, mein ich.”- “Uns so klappt das immer, auch jenseits von Literatur?” – “Nö.”
26. Juni 2014
Die Tochter hat entschieden, die Schullektüre („Coming 2 get u“) nicht zu kaufen. Sie lesen als „Literatur“ in der Schule nur Zeug mit ähnlichen Titeln & Inhalten, die – frei spintisiert – auf Cindy, fünfzehn, ausgegrenzt, Crystal kann mich mal oder Mobbing ist auch keine Lösung lauten. Die Tochter ist in einem Alter, nämlich 13, in dem sie wissen muß, was sie tut. Das Buch wird also nicht gekauft, zwei Wochen lang nicht. Dann naht die Klassenarbeit: Wir sollen den schmalen Schmöker lieber doch kaufen. Tun wir. Sie bleibt unzufrieden: Was für ein Käs! Was für eine Zeitverschwendung! Hätt ich doch nur nicht-!
Es gibt Deutschunterricht und Deutschunterricht. Die nächstältere Tochter hat gerade „Literatur der Goethezeit“. Anberaumt ist ein Picknick. Im Regen leider. Lustig ist es trotzdem. Alle sollen sich verkleiden und ein Kurzreferat zur Person halten, die sie darstellen. Neben Schiller und Wieland sind auch Klopstock und Edgar Allan Poe zugegen, zudem der wenig bekannte Daniel Triller und der literarische Kapellmeister Johannes Kreisler aus den Lebensansichten des Katers Murr. So geht literarische Pädagogik.
27. Juni 2014
Die erste, älteste Tochter hat ihr Abitur! Und zwar so, daß man sagen darf: besser geht´s nicht. Wir sind mächtig stolz. Wie hat sie uns überrundet! Und wir waren immerhin neunzehn damals, sie („G 8“) ist erst siebzehn. Zum freudigen Anlaß krame ich meine Abi-Zeitschrift heraus. Meine Güte, es ist mein halbes Leben her! Wunder: wie bin ich jung geblieben! Oder, bescheidener: ich hab wenig dazu gelernt.
Ich finde ein eigentümliches, ironisches Gedicht, das „Bekenntnis einer Entarteten“ titelt („ja – auch ich bin gegen groß und klein…“) und einen kulturkritischen Aufsatz aus meiner Feder, der im Titel ein denkwürdiges Zitat meines (ungeliebten) Geschichtslehrers führt: „Umerziehung hat es nie gegeben“. (Es geht um Anglizismen.)
Dann gibt es über mich (wie über alle Mitschülerinnen) ein Porträt. Ich weiß noch, wie es war: Ich war eher unbeliebt. Ich behaupte: halb zu Unrecht. Ich hab niemandem etwas getan. Nur dumme Argumente wurden von mir gekontert, laut und ungefragt. In unserem Jahrgang aus neunzig Schülerinnen gab es eine mit Antifa-Aufnäher auf dem Rucksack. Ich mochte sie. Simone war nicht bieder wie die anderen. Wir hatten keinen engen Kontakt, ich traf sie oft abends in den Lokalitäten an, die ich auch besuchte. Ich quatschte sie immer an.
Simone war spröde und oft schlechtgelaunt. Ich hatte ja meinen Ruf längst weg. Als Redakteurin unserer Abizeitschrift hat sie sich dann sympathisch für meine Hartnäckigkeit revanchiert. Sie erzählte mir, zu meiner Person seien weitgehend dumme Kommentare eingereicht worden. Sie habe das alles ein bißchen begradigt.
Nun standen da zwar die Einschätzungen „rechtsradikal“, „ständige Provokation“, „knallharte Kommentare“, „tanzt aus der Reihe“, aber gerechterweise abgemildert durch die linke Simone: „Sie legt ihre rechte Meinung offen dar, ist aber nicht so engstirnig, daß man mit ihr nicht darüber diskutieren könnte“, “immer bereit für kurze politische Runden, Konzert‑, Film- oder Buchbesprechungen” und: „Auch wenn ihr viele das Gegenteil unterstellen, hat sie weitaus weniger Vorurteile gegen ihre Mitmenschen als manch andere.“
Schönes Gefühl: mir treu geblieben zu sein.
28. Juni 2014
Altes Thema: daß die Leute ihre Haus‑, Heim- und Streicheltiere als Kinderersatz sich halten. Der Terrier bekommt im Winter ein Decklein aus handgepflückter, ökozertifizierter Baumwolle umgetan, Kätzchen Emma kriegt allergenfreies Putenfilet mit Knusperkruste, das Pony wird aus dem Vegan-Shop ernährt und hat Termine beim Psychotherapeuten, weil es ein Trauma hat wegen der Maulwürfe auf der Koppel. Was ich heute bei der Drogerie Rossmann im Angebot sah, toppt alles: Katzenstreu „mit Babypuderduft“.
Rautenklausner
"Was ich heute bei der Drogerie Rossmann im Angebot sah, toppt alles: Katzenstreu „mit Babypuderduft“.
- Immerhin besser als Babypuder mit Katzenstreuaroma.