Wir haben ein Faible für alte, aussterbende Rassen und Sorten. Nur: nicht ohne Grund haben sich andere durchgesetzt. Ich habe zwei alte Neger, zwei Schlesier und zwei Rumänen unter meinen handelsüblichen – selbstgezogenen – Tomaten stehen, und trotz bester Pflege machen sich die alten Sorten schlechter als die anderen. War nie anders im Gemüseanbau, bei uns. Die Alten sind anfälliger und schwächer. Ich probiere es dennoch jedes Jahr neu, rein aus Sympathie.
Und noch zwei Notizen aus unserem Möchtegern-Selbstversorgungsbetrieb:
Erstens: In Sachen Milchversorgung sind wir seit einigen Wochen autark. Seit Putje, Tochter unserer Rusalka, angemolken ist, fließt das weiße Gold in Strömen. Macht etwas mehr als vier Liter beste Milch pro Tag. Es muß keine Joghurt, kein Käse und keine Sahne mehr zugekauft werden; drei Familienmitglieder (mich selbst schüttelt’s) sind von Tee auf Ziegenmolke umgestiegen. Aus der Ukraine, genauer: von der Krim haben wir eine Zentrifuge erworben; nun gibt’s auch Butter reichlich, die Kinder streichen sie fingerdick aufs Brot und verzichten zur Zeit auf jeden anderen Belag. Sehr schön!
Und dennoch: Es mußte ja unbedingt eine „alte“, heute rare Rasse sein, also Thüringer Waldziegen. Ich weiß schon, warum die so selten sind – weil es extrem komplizierte Tiere sind. Stehen in einem Wald aus Brennesseln, würden aber keine anrühren. Stehen unter dem Pflaumenbaum, würden sich aber nie dazu herablassen, Fallobst zu essen. So rupft die Hausfrau dann Schubkarren voll Brennesseln und sammelt das Fallobst in saubere Eimer. Dann geht’s. Dasselbe mit Gras. Sie rupfen es nicht, sie wollen es gemäht/gesenst dargereicht bekommen. Zwei feine Damen. Ich kenne auch weniger heikle Ziegen. Durchschnittsrassen halt.
Zweitens: Vermutlich kennt man weithin das „Arme-Leute-Gemüse“ Puffbohne, auch Ackerbohne genannt. Wir kannten es bis vor wenigen Monaten nicht und haben nun eine extrem ergiebige Ernte. Es ist spontan zum Lieblingsessen avanciert. Das war nicht leicht. In den im Netz aufgefundenen Rezepten hieß es, man müsse die dicke Bohne erst aus der Schote und dann einzeln von dem sie umgebenden Häutchen entfernen. Vermutlich heißt es deshalb Arme-Leute-Essen; weil nur arbeitslose Menschen Zeit haben, sich diese Mühe zu machen.
Ich fand die monströs großen Schoten mit einem dichten seidenen Pelz höchst ansehnlich, das Häutchen sowieso und habe alles gekocht. Ein kulinarischer Traum! Das Aroma, das Bißgefühl! Ungeklärte Frage, selbst nach Konsultation diverser Netzeinträge und zahlreicher Bücher: Sind die Dinger roh giftig? Die Ziegen wollten die schon älteren Schoten nicht, als ich sie ihnen im sauberen Eimer darreichte. Aus der Hand – edelste Versorgungsstufe – fraßen sie sie sehr gern. Noch leben sie.
1. Juli 2014
Die Journalistin Verena Mayer ist völlig unverdächtig. Sie hat mal eine (sympathisierende) Elfriede-Jelinek-Biographie geschrieben, sie pflegt sich auch in ihren Artikeln völlig in den Konsens einzufügen.
Am Wochenende schrieb Frau Mayer in der Süddeutschen über die von „Flüchtlingen und Sympathisanten“ besetzte Schule in Berlin-Kreuzberg, Titel: “Kreuzberger Mächte”. Sie sagt nicht, daß das hier Stattfindende das Allerletzte sei. Daß man Angst bekommen muß. Sie schreibt auch nicht, daß hier das Heerlager der Heiligen (Jean Raspail) gestrandet sei. Keine Wertung, reine Beschreibung der Szenerie.
Reicht aber völlig aus. Die publizistische Elite ist nicht blind. Man kann’s ja nicht übersehen. „Dauerparty“ junger Mütter mit sauteuren Kinderwägen an der einen und Bierflasche in der anderen Hand, Luxuskinderschuhhandlungen, die wegen „Polizeiallergie“ geschlossen haben und dazu die Protagonisten der Party, die sogenannten refugees: „Am Freitagnachmittag treten drei Bewohner vor die Schule. Junge Männer mit Baseball-Kappen, sie sprechen englisch. Sie sagen, daß sie ein Recht hätten hier zu sein.“
2. Juli 2014
Seit Jahren warten wir auf diesen Tag, der anscheinend nie kommt: Den Tag, an dem keines unserer Kinder einen Lehrer hat, der „gerade auf Kur“ ist. Eine logische Rechnung bei sechs Schulkindern: Versicherte haben alle vier Jahre Anspruch auf eine Kur, die heute Reha heißt. Und Zipperlein haben wir doch alle. Wer wäre schon ganz ohne Hautausschläge, Kopfschmerzen oder Rückenbeschwerden, den ganzen Psychobereich hinzugenommen?
Sicherlich bekomme ich nichts mit von all den Lehrern, die ihre Rehas (teils) in die Ferien legen. Sicher ist es so, daß just zwischen Pfingst- und Sommer- oder zwischen Oster- und Pfingstferien oder exakt zwischen Sommer- und Herbstferien die gewünschten Kurplätze frei sind. Witzig auch, daß die meisten Leberfleckoperationen und sonstigen planbaren Maßnahmen immer in den ferienfreien Raum fallen. Die haben ja auch nur zwölf Wochen frei pro Jahr.
Und man kennt ja überdies den Streß dieser Berufsgruppe: Der Lehrer hat keinesfalls ab eins oder ab halb drei frei! Nein, er sitzt fast täglich (meist auch in den raren Ferien) in Konferenzen, bei Elterngesprächen oder über Klassenarbeiten, wenn er nicht ausführlich seine nächsten Stunden vorbereitet. Das rechtfertigt seinen ansehnlichen Verdienst. Keine Frage, das Lehrerdasein ist anstrengend und erschöpfend, „heutzutage“. Beamte haben es ja an sich schwer, daher wohl auch die 45% mehr Fehltage im Vergleich zur restlichen arbeitenden Bevölkerung.
Gerade beamtete Lehrer (hier im sog. Osten sind allerdings nicht so viele Lehrer beamtet) haben es so schwer, daß anderthalbtausend von ihnen (zu großen Teilen bei voller Lohnfortzahlung) dienstunfähig sind. Tendenz stark steigend. Na, dann lieber erst mal zur Kur. (Eine Bekannte, ebenfalls Lehrerin, kurte in den vergangenen Sommerferien, also: zwei Wochen in den Ferien, eine in der Schulzeit. Ich: „Bist du eigentlich noch normal? Ich dachte, Lehrerkuren gibt es gar nicht in den Ferien?“ Sie: „Ja. Halt mich für blöd. Das ist der Unterschied zwischen Waldorf und Staatsschule. Bei uns sind es meistens irgendwie Idealisten.“)
3. Juli 2014
Glaubt mir keiner, klingt ausgedacht: Bei Rossmann haben sie immer noch Katzenstreu mit Babypuderduft als „Aktionsangebot“. Grad als ich dran vorbeigehe, nimmt eine den schweren Beutel und hebt ihn in ihren Wagen. Eine Frau kurz vor der sechzig, womöglich eine rechtschaffene Kleingärtnerin, Typ dieser Stadt / dieses Kreises / dieses Lands: Bäuerisches Gesicht, praktische Kurzhaarfrisur, Jeans und ärmellose Bluse, nichts Revolutionäres im Habitus. Ich vermute: Halbtagsstelle bei der AOK oder so, Kleinwagen, geregeltes Leben.
An der Kasse ist ihr Oberarm vor meiner Nase, es riecht nach zuverlässigem, wenngleich kostengünstigem Deo. Logisch, sie versteht sich auf hygienische Gerüche. Und dann dies: Da prangt eine wirklich gewaltige Tätowierung, ein Schäferhundgesicht, darunter ein klassisch-konservativer, also hübsch kalligraphisch gearbeiteter Schriftzug: Rex. Rex ist der King. Schlecht riechen müssen auch die Kätzlein dennoch nicht. Es ist für alle gesorgt, wie gut!
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Sie sagen, daß sie ein Recht hätten hier zu sein
man könnte sagen - auch wenn etwas gewagt - Karlshorst hat keine rechtliche Wirkung, da Dönitz geisteskrank war. Somit unzurechnungsfähig.