Alexander Dugin – Der postmoderne Antimoderne (2)

Nun aber zum Spiegel-Interview mit Alexander Dugin, das stellenweise in der Tat etwas seltsam ausgefallen ist.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Dug­ins etwas vor­ei­lig pas­siv-aggres­si­ve Resis­tenz hat eine leich­te Komik an sich. Er scheint gera­de­zu dar­auf zu lau­ern, in die Schub­la­de “west­li­cher Kate­go­rien” gesteckt zu wer­den, eher der Inter­view­er auch nur den Mund auf­ge­macht hat. Vor allem aber wer­den die Apo­rien und Wider­sprü­che der radi­ka­len “Universalismus”-Kritik ziem­lich deutlich.Dugin greift die Ideo­lo­gie der “One World” an, indem er bestrei­tet, daß es uni­ver­sel­le Wer­te über­haupt gebe.

Das führt dazu, daß er den Begriff des “Ras­sis­mus”, wie er im Wes­ten ver­stan­den wird, um 180° dreht und als Waf­fe gegen den Urhe­ber wen­det. Wäh­rend im Wes­ten als “Ras­sist” gilt, wer etwa Gleich­heit, “Fort­schritt”, “Tole­ranz” und “Men­schen­rech­te” ablehnt oder kri­ti­siert, ist für Dugin der­je­ni­ge ein “Ras­sist”, der die­se “Wer­te” ande­ren Kul­tu­ren auf­zwin­gen will. Und weil er davon aus­geht, daß die­ser “Uni­ver­sa­lis­mus” kenn­zeich­nend, ja bestim­mend für die west­li­che Kul­tur und das west­li­che Den­ken ist, ist – “jeder West­ler ein Ras­sist”. Jeder!

Dugin: War­ten Sie, das ist ein erns­tes The­ma. Gibt es eine Zivi­li­sa­ti­on oder meh­re­re? Gibt es Wer­te, die für die gesam­te Mensch­heit cha­rak­te­ris­tisch sind?

SPIEGEL: Es gibt ver­schie­de­ne Zivi­li­sa­tio­nen und Kul­tu­ren, aber auch Wer­te, die allen gemein­sam sein sollten.

Dugin: Also doch nur eine uni­ver­sa­le Zivi­li­sa­ti­on? Das sehe ich anders, und hier ist auch unser Dis­sens. Ich beru­fe mich auf Kul­tur­theo­re­ti­ker wie Oswald Speng­ler, Arnold Toyn­bee und Niko­lai Danilewski.

SPIEGEL: Dani­lew­si­ki war einer der füh­ren­den Pan­sla­wis­ten des 19. Jahrhunderts.

Dugin: Unter­schied­li­che Gesell­schaf­ten haben unter­schied­li­che Wer­te. Es gibt kei­ne uni­ver­sel­len Wer­te. Die, die dafür gehal­ten wer­den, sind eine Pro­jek­ti­on west­li­cher Wer­te. Die west­li­che Zivi­li­sa­ti­on ist eine ras­sis­ti­sche, eth­no­zen­tri­sche Zivi­li­sa­ti­on. Jeder West­ler ist ein Ras­sist – kein bio­lo­gi­scher, wie Hit­ler, aber kul­tu­rell. Des­we­gen denkt er, es gebe nur eine Zivi­li­sa­ti­on – oder Bar­ba­rei. Und die­se Zivi­li­sa­ti­on beru­he auf Demo­kra­tie, Fort­schritt, Men­schen­rech­te, freie Markt­wirt­schaft und indi­vi­du­el­le Iden­ti­tät. Die Bar­ba­rei aber negie­re dies alles, aus irgend­wel­chen reli­giö­sen Grün­den. So den­ken die West­ler, des­we­gen sind sie kul­tu­rel­le Rassisten.

SPIEGEL: Das ist absurd.

Dugin: Noch­mals: Es gibt nicht die eine Zivi­li­sa­ti­on, son­dern vie­le, unter­schied­li­che For­men von Zivi­li­sa­ti­on. Es gibt zwei Mög­lich­kei­ten: Ent­we­der Sie respek­tie­ren, dass ich eine ande­re Spra­che spre­che, und dass wir jetzt ver­su­chen, mög­lichst vie­le gemein­sa­me Begrif­fe zu fin­den. Oder aber Sie glau­ben, dass Sie im Besitz der abso­lu­ten Wahr­heit sind – was auch heißt, dass wir Rus­sen ein­fach nicht wis­sen, was Men­schen­rech­te, Libe­ra­lis­mus, Frei­heit sind, und dass Sie sich im Recht füh­len, die Men­schen­rech­te in Afri­ka, Russ­land und Chi­na zu verteidigen.

SPIEGEL: Ande­rer­seits hört man aus Russ­land , die öst­li­che Zivi­li­sa­ti­on sei der west­li­chen über­le­gen und Euro­pa tief in Deka­denz versunken.

Dugin: Habe ich nie gesagt. Ich bin nur der Mei­nung, dass die Zivi­li­sa­tio­nen des Wes­tens und des Ostens ganz unter­schied­lich sind. Die öst­li­che ist inso­fern über­le­gen, weil sie sich gegen den Ras­sis­mus der west­li­chen wehrt. Der West­ler kommt her und sagt: Fort­schritt, Tech­no­lo­gie und Sicher­heit sind auch Eure unab­ding­ba­ren natür­li­chen Rechte.

SPIEGEL: Das bezwei­feln Sie?

Dugin: Sie nicht? Euro­pa weiß offen­bar alles, es redet mit ande­ren wie mit Idioten.

(…)
SPIEGEL: Was wer­fen Sie dem deka­den­ten Wes­ten vor?

Dugin: Dass er uns sei­ne Kri­te­ri­en auf­zwin­gen will. Bei Ihnen gibt es Gay-Para­den – okay, dann mar­schiert. Dass es bei uns kei­ne gibt, hal­tet Ihr für eine Ver­let­zung der Men­schen­rech­te. Und wir sagen dar­auf­hin: Haut ab! Oder Ihr wollt dem Islam erklä­ren, was Femi­nis­mus ist und wer Femen sind und war­um Frau­en mit Män­nern gleich­zu­stel­len sind. Das ist Kolo­ni­sa­ti­on. Ich bin ein ortho­do­xer Christ, Sie nicht. Ich akzep­tie­re Sie, aber Sie mich nicht.

Die Stär­ke die­ser Argu­men­ta­ti­on liegt auf der Hand: sie hält den Kreuz­rit­tern der “west­li­chen Wer­te” einen Spie­gel vor und ent­larvt sie völ­lig zu Recht als Macht- und Herr­schafts­an­sprü­che. Man kann das an dem lau­fen­den kal­ten Pro­pa­gan­da­krieg gegen Ruß­land (etwa wegen man­geln­der Homo­rech­te bzw. ‑anbe­tung) gut studieren.

Was an ihr schief gewi­ckelt ist, ist eben­so klar: Dugin wird schwer­lich behaup­ten kön­nen, daß (aus­ge­rech­net) die rus­si­sche Zivi­li­sa­ti­on (oder irgend eine ande­re) mehr oder weni­ger “eth­no­zen­trisch” war und ist, als die “euro­päi­sche”. Wobei hier die Poin­te frei­lich ist, daß para­do­xer­wei­se gera­de der uni­ver­sel­le oder uni­ver­sa­lis­ti­sche Anspruch in Wirk­lich­keit ein kaschier­ter oder unbe­wuß­ter “eth­no­zen­tri­scher” (also nomi­na­lis­ti­scher)  Zug sei. (Was neben­bei gesagt, so das zuträ­fe, einer radi­kal anti-uni­ver­sa­lis­ti­schen iden­ti­tä­ren Theo­rie erheb­li­che Pro­ble­me auf­wer­fen wür­de. Denn wenn die Nei­gung zum “Uni­ver­sa­lis­mus” einer unse­rer jahr­hun­der­te­lang kon­stan­ten Wesen­zü­ge ist…)

Es gibt aber inso­fern kein Ent­rin­nen aus dem “Ras­sis­mus” , als sich jeder Kul­tur­kreis, der etwas auf sich hält und sein So-Sein ver­tei­digt, in irgend­ei­ner Wei­se für höher­wer­tig als ande­re hält. Nie­mand, der eine “Mis­si­on” zu haben meint, wie Dugin es selbst aus­drückt, denkt im Ernst, daß alle ande­ren genau­so recht hät­ten oder soviel wert sei­en wie er. Sol­che Artig­kei­ten sind schnell über Bord gewor­fen. Ein hoher Grad an nar­ziß­ti­schem Bewußt­sein über die eige­ne Rol­le im Kos­mos ist gera­de­zu das Kenn­zei­chen jeder Hoch­kul­tur. Ein kon­se­quen­ter “Eth­no­plu­ra­lis­mus”, der jedes “Anders­sein” glei­cher­ma­ßen respek­tiert und kei­ne Wer­tun­gen abgibt, ist eine anthro­po­lo­gi­sche Unmög­lich­keit – es sei denn, man wol­le den Men­schen zu einem Schre­ber­gar­ten­we­sen redu­zie­ren und domestizieren.

Und so ist auch Dug­ins Argu­men­ta­ti­on zwei­schnei­dig: einer­seits sagt er: “jedem das Sei­ne” – dem Wes­ten etwa sei­nen Libe­ra­lis­mus und sei­ne Men­schen­rech­te, ihm und sei­nes­glei­chen das ewi­ge, ortho­do­xe Russ­land, ande­rer­seits läßt er kei­nen Zwei­fel dar­an, daß er die Wer­te, um die der Wes­ten kreist, selbst­ver­ständ­lich für ver­ächt­lich, gif­tig, töd­lich deka­dent hält. Er “akzep­tiert” sie nur inso­fern, als er dem west­li­chen Inter­view­er sagt: macht bei euch zuhau­se, was ihr wollt, aber laßt uns in Frie­den damit, rich­tet euch zugrun­de, wenn ihr glaubt, das tun zu müssen.

Aber so er denn tat­säch­lich “ortho­do­xer Christ” ist, kann Dugin die “west­li­che Deka­denz” nicht “akzep­tie­ren”: denn die Ortho­do­xie lehrt ein­deu­tig, daß es bestimm­te mora­li­sche Wahr­hei­ten gibt, die über­all gel­ten. Das bedeu­tet nicht zwangs­läu­fig, daß dar­aus Kreuz­zü­ge und der Zwang zur Bekeh­rung fol­gen: aber ein ver­pflich­ten­des und ver­bind­li­ches Urteil ist unumgänglich.

Aber auch der Begriff “Ras­sis­mus”, wie ihn Dugin hier ver­wen­det, hat nur inner­halb eines west­li­chen Wer­te- und Gedan­ken­sys­tems einen Sinn – denn wohl­ge­merkt han­delt es sich hier um ein links­ra­di­ka­les Kon­strukt, einen Kampf­be­griff, des­sen Bedeu­tung gum­mi­ar­tig gehand­habt wird. Er wirft ihn ver­mut­lich vor allem als Pro­vo­ka­ti­on in die Dis­kus­si­on, als pole­mi­sche Spit­ze, wohl wis­send, daß man einen West­ler mit kei­nem Begriff mehr ver­let­zen und in die Knie zwin­gen kann als mit diesem.

Damit hängt eng zusam­men, daß Dugin hier auf einen “Dis­kurs” zurück­greift, der offen­bar vor allem auf die fran­zö­si­sche “Nou­vel­le Droi­te” der Sieb­zi­ger- und Acht­zi­ger-Jah­re zurück­geht, die sich als Haupt­feind den “Uni­ver­sa­lis­mus” erko­ren hat­te, dage­gen den Vor­rang des “Beson­de­ren” beton­te (sie nann­te das “Nomi­na­lis­mus”), und, im Gegen­satz zur heu­ti­gen Lin­ken, den “Ras­sis­mus” allein auf die chau­vi­nis­ti­sche Abwer­tung des Anders­seins beschrän­ken woll­te. Das “Recht auf Dif­fe­renz”, das die ND pro­pa­gier­te, bedeu­tet aber in letz­ter Kon­se­quenz auch das Recht dar­auf, ande­re aus der eige­nen Gemein­schaft aus­zu­gren­zen und aus­zu­schlie­ßen. Und eben das gilt heu­te als “Ras­sis­mus”, wodurch natür­lich auch Dugin ein “Ras­sist” ist, was ihm ohne Zwei­fel bewußt sein muß.

Die Fra­ge ist, ob die­ser Dis­kurs, eben­so wie der “Rassismus”-Diskurs, über­haupt nur in nicht-west­li­chen Gesell­schaf­ten einen Sinn ergibt. Spricht Dugin in Ruß­land auf die­sel­be Wei­se? Ein Mann wie er beherrscht zwei­fel­los die “Mimi­kry” der poli­ti­schen Rhe­to­rik, und weiß wie man mit einem West­ler spre­chen muß, um sich ver­ständ­lich zu machen – oder auch, um ihn aus der Bahn zu werfen.

Es ver­dankt sich ver­mut­lich die­ser Rhe­to­rik, wenn Dugin nun absur­der­wei­se den west­li­chen Uni­ver­sa­lis­mus mit “Eth­no­zen­tris­mus” gleich­setzt. Auch hier ver­strickt er sich in heil­lo­se Wider­sprü­che, die zum Teil in Ver­leum­dun­gen über­ge­hen, und ihn auch ein wenig als Dem­ago­gen erschei­nen lassen:

Dugin: Im Wes­ten ste­hen die Men­schen­rech­te über denen des Kol­lek­tivs, in der isla­mi­schen Welt steht die Reli­gi­on höher als das Recht des Ein­zel­nen, in Russ­land sind es die Rech­te der Gemein­schaft, kol­lek­ti­ve Rech­te. Bei allem Post­mo­der­nis­mus, bei aller Tole­ranz: Sie im Wes­ten kom­men nicht mit dem Pro­blem des Ande­ren zurecht. Für Sie ist das Ande­re immer etwas Nega­ti­ves – oder das­sel­be wie Sie. Sie fin­den ein­fach nicht den Schlüs­sel zum phi­lo­so­phi­schen Pro­blem des Ande­ren (sagt es auf Deutsch).

Sie ver­su­chen uns zu beleh­ren, wie die­ses Pro­blem zu lösen ist, ohne dass Sie es selbst gelöst haben. Das war schon immer so: in der Kolo­ni­al­zeit, in der Zeit der gro­ßen geo­gra­fi­schen Ent­de­ckun­gen, in der Epo­che des euro­päi­schen Natio­na­lis­mus, der Zeit des West­fä­li­schen Frie­dens, in der Epo­che der eng­li­schen Kolo­ni­al­er­obe­run­gen, unter Hit­ler und in der Zeit des Libe­ra­lis­mus. Der Eth­no­zen­tris­mus der west­eu­ro­päi­schen Gesell­schaft ist eine Konstante.

In der Tat ist es eher so, daß der uni­ver­sa­lis­ti­sche Libe­ra­lis­mus einer der größ­ten Fein­de des “Eth­no­zen­tris­mus” ist, ja der Völ­ker und ihrer Iden­ti­tät und Selbst­be­stim­mung an sich. Das betrifft aber auch jene Völ­ker, die ihn her­vor­ge­bracht haben. Daß sich damit nicht nur ein euro­päi­scher Herr­schafts­an­spruch mas­kiert, zeigt sich deut­lich an der natio­na­len, eth­ni­schen, kul­tu­rel­len Selbst­zer­set­zung der euro­päi­schen Völ­ker auf ihrem eige­nen Ter­ri­to­ri­um. Den west­li­chen Uni­ver­sa­lis­mus mit “Ras­sis­mus” und “Eth­no­zen­tris­mus” zu iden­ti­fi­zie­ren, ist also nicht sehr schlüssig.

Frei­lich kann man in ihm mit eini­gem Recht eine moder­ne, post­ko­lo­nia­le Ver­si­on des “White Man’s Bur­den” frei nach Rudyard Kipling sehen, ein Art,  jedes “nicht-demo­kra­ti­sche” Volk als klei­ne ver­kapp­te Ame­ri­ka­ner zu betrach­ten, die alle “befreit” oder “zivi­li­siert” wer­den wol­len. Aber dies bedeu­tet heu­te, die radi­ka­le Auf­lö­sung aller eth­ni­schen und tra­di­tio­nel­len Bin­dun­gen vor­an­zu­trei­ben, und zwar überall.

In Wirk­lich­keit ist sich Dugin natür­lich dar­über im Kla­ren, daß der von ihm kri­ti­sier­te Libe­ra­lis­mus zwar aus dem Geis­te des Wes­tens her­vor­ge­gan­gen ist, aber nicht sei­ne eigent­li­che Essenz aus­macht, son­dern die­se viel­mehr aufzehrt:

Dugin: Ich lie­be die Wur­zeln deut­scher Kul­tur. Aber es gibt sie nicht mehr. Das heu­ti­ge Deutsch­land ist eine Art Gegen-Deutschland.

SPIEGEL: Wirk­lich?

Dugin: Sie lesen Ihre eige­nen Autoren nicht mehr, Sie ver­ste­hen sie nicht mehr, und Sie dis­ku­tie­ren nicht mehr über sie. Ich bin oft in Deutsch­land, aber wenn ich mir anschaue, was bei Ihnen in den Rega­len der Buch­hand­lun­gen steht, dann hat die deut­sche Kul­tur kei­ne Zukunft mehr. Sie leben in einer degra­die­ren­den Zivi­li­sa­ti­on. Wo ist der gro­ße deut­sche Geist geblie­ben? Wo die Höhen der fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phie? Wo die Tie­fe der ita­lie­ni­schen Kunst? Was wir heu­te sehen, ruft Ekel her­vor. Ich lie­be Euro­pa sehr, ich schät­ze sei­ne kul­tu­rel­le Tra­di­ti­on. Aber es gibt sie nicht mehr.

Und den­noch ver­steigt er sich nur ein paar Atem­zü­ge spä­ter in Ver­zer­run­gen, die schon fast wie die Atta­cken unse­rer haus­ei­ge­nen Lin­ken und “Kul­tur­mar­xis­ten” klingen:

Dugin: Edmund Huss­erl schrieb über die „euro­päi­sche Mensch­heit“ (sagt es auf Deutsch). Wer so spricht, schafft selbst die Basis für den Eth­no­zen­tris­mus, weil für ihn das „Euro­päi­sche“ und das „Mensch­li­che“ ein und das­sel­be sind. Euro­pa als Schick­sal der Mensch­heit. Da muss man sich nicht über die Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger wundern.

Das ist gera­de­zu ver­rückt, bei­na­he bös­ar­tig. Egal aus wel­chem Kon­text das Zitat Huss­erls geris­sen ist: Eine For­mu­lie­rung wie “euro­päi­sche Mensch­heit” besagt ja viel­mehr, daß ein spe­zi­fi­scher Teil der Mensch­heit ange­spro­chen ist. Im nächs­ten Absatz schlägt Dugin wie­der ein paar sei­ner cha­rak­te­ris­ti­schen Haken:

Ich lie­be Edmund Huss­erl, er ist mein Lieb­lings-Phi­lo­soph, ein Huma­nist. Aber auch ein Ras­sist. Alle euro­päi­schen Phi­lo­so­phen sind Ras­sis­ten. Nein, halt, es gab Aus­nah­men – den Eth­no­lo­gen Leo Fro­be­ni­us bei­spiels­wei­se und genau genom­men auch den Kul­tur­phi­lo­so­phen Johann Gott­fried Herder.

Her­der natür­lich, der Begrün­der des “Eth­no­plu­ra­lis­mus”!

Nun lie­ße sich der Spieß gegen Dugin leicht umdre­hen. Wenn die “Men­schen­rech­te” west­lich-impe­ria­lis­ti­sche Inter­es­sen ver­fol­gen, dann dient sei­ne Theo­rie womög­lich vor allem dazu, einen rus­si­schen Impe­ria­lis­mus zu recht­fer­ti­gen. Wie auch immer die “vier­te poli­ti­sche Theo­rie” aus­se­hen wird: natür­lich wird Ruß­land ihr Trä­ger sein, natür­lich wird sie aus der rus­si­schen See­le gebo­ren werden.

Die­sen Ein­druck hat­te auch Thors­ten Hinz:

Das „Dasein“, das er meint, kommt in der Gestalt von Müt­ter­chen Ruß­land daher. Dugin hat Mack­in­ders „Herzland“-Theorie, Haus­ho­fers Geo­po­li­tik und Schmitts Über­le­gun­gen zur Raum­ord­nung rezi­piert und for­dert als Alter­na­ti­ve zur ame­ri­ka­ni­sier­ten „One World“ eine Viel­heit aus Groß­räu­men. Der wich­tigs­te kon­ti­nen­ta­le Groß­raum wäre Eura­si­en, das sich haupt­säch­lich auf Ruß­land und Kon­ti­nen­tal­eu­ro­pa, also Frank­reich und Deutsch­land, stützt.

Der Inter­view­er ver­weist Dugin immer wie­der zurecht auf die anti­west­li­chen rus­si­schen Natio­na­lis­ten des 19. Jahr­hun­derts, die (wie etwa Dos­to­jew­skij) eine pro­non­cier­te mes­sia­nisch-mys­ti­sche Sen­dung des rus­si­schen Vol­kes pos­tu­liert haben. Um die­se Tat­sa­che win­det sich Dugin wie ein Aal her­um, und zieht sich auf den Begriff der “Ortho­do­xie” zurück.

SPIEGEL: Der Phi­lo­soph Iwan Kire­jew­ski, schrieb im 19. Jahr­hun­dert: Alles, was einer voll­stän­di­gen Ent­fal­tung der Ortho­do­xie ent­ge­gen­steht, behin­dert auch die Ent­fal­tung des rus­si­schen Vol­kes sowie des­sen Wohl­erge­hen; es ver­letzt die See­le Russ­lands, es zer­stört sei­ne mora­li­sche, gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Gesund­heit. Wür­den Sie das heu­te noch unterschreiben?

Dugin: Ja.

SPIEGEL: Führt das nicht gera­de­wegs zur Into­le­ranz gegen­über ande­ren Ideen – zu jener Into­le­ranz, die Sie dem Wes­ten vorwerfen?

Dugin: Nein. Der ortho­do­xe Geist ist nicht exklu­siv. Im Unter­schied zum Katho­li­zis­mus hat die Ortho­do­xie eine gewis­se Flexibilität.

Da wäre Carl Schmitt aber, sie­he “Römi­scher Katho­li­zis­mus und poli­ti­sche Form”, gänz­lich ande­rer Mei­nung gewesen!

Dugin: Wir Rus­sen sind kei­ne Natio­na­lis­ten, wir waren nie eine Nati­on. Wenn wir von den „Uns­ri­gen“ spre­chen, dann ist das nicht eth­nisch gemeint. Auch der Tsche­tsche­ne gehört zu uns oder der Usbeke.

Was nun wirk­lich eine glat­te Lüge ist. Vor allem der Tsche­tsche­ne oder Usbe­ke wür­de hier hef­tig widersprechen.

Wir haben den tür­ki­schen oder mon­go­li­schen Völ­kern gesagt: Ihr seid jetzt Teil der ortho­do­xen Kul­tur, aber wir wer­den euch nicht ver­fol­gen. Ihr wer­det eure Moscheen haben, ihr wer­det beten kön­nen. Wenn wir von einem ortho­do­xen Volks­geist spre­chen, heißt das nicht, dass wir ande­ren Kul­tu­ren den Krieg erklären.

Wie gesagt: unterm Strich klingt das alles eher nach einem rus­sisch-impe­ria­lis­ti­schen “cant”, und Ruß­land wird Schwie­rig­kei­ten haben, ihn gegen­über den Völ­kern, über die es die Hege­mo­ni­al­macht bean­sprucht, glaub­haft zu ver­tre­ten. Schon gegen­über der Ruß­land so ver­wand­ten und nahe­ste­hen­den Ukrai­ne scheint dies zum Schei­tern ver­ur­teilt zu sein. Dug­ins Kri­tik des ame­ri­ka­ni­schen Impe­ria­lis­mus und west­li­chen Libe­ra­lis­mus ist bestechend; was er die­sen Mäch­ten ideo­lo­gisch ent­ge­gen­zu­set­zen hat, wirkt aber weit­ge­hend “gebas­telt” und konstruiert.

Selbst sei­ne Behaup­tung, ein gläu­bi­ger ortho­do­xer Christ zu sein, wirkt eher wie eine dezi­sio­nis­ti­sche Mas­ke und Pose. Charles Péguys For­mel für den Moder­nen: “Wir glau­ben nicht, was wir glau­ben”, son­dern wir glau­ben es nur, weil wir glau­ben, daß es uns gut tut, dürf­te auch hier anwend­bar sein. Ich den­ke nicht, daß man fehl geht, Dugin jede nur denk­ba­re mac­chia­vel­lis­ti­sche Ger­ris­sen­heit zuzu­trau­en. In die­ser Hin­sicht ist er ver­mut­lich abso­lut skrupellos.

SPIEGEL: Sie sagen: „Es gibt kei­ne Kri­ti­ker des Putin­schen Kur­ses mehr. Und wenn es sie gibt, dann sind das psy­chisch Kran­ke, und man muss sie ärzt­li­cher Über­wa­chung über­ge­ben. Putin ist alles, Putin ist uner­setz­bar.“ Ist das wirk­lich von Ihnen?

Dugin: Ja.

SPIEGEL: Psy­chisch krank?

Dugin: Die­je­ni­gen, die Putin angrei­fen, grei­fen die Mehr­heit an. Das ist psy­chisch anor­mal, ein Abwei­chen von der Norm. Muss man Norm­ab­wei­chun­gen dul­den? Man muss. Muss man Anor­ma­li­tät zur Norm machen? Nein. Des­we­gen sind Leu­te, die Putin nicht unter­stüt­zen, psy­chisch nicht nor­mal. Aber psy­chisch Kran­ke haben ein Recht auf Hei­lung, auf Unterstützung.

Wer so spricht, hat sich jeder intel­lek­tu­el­len und geis­ti­gen Red­lich­keit bege­ben. Er ist nur mehr ein Dem­ago­ge und Pro­pa­gan­dist der Macht. Allein, wie hier mit Begrif­fen wie “Mehr­heit” und “Norm” han­tiert wird, ist schlicht­weg nie­der­träch­tig. Und die Metho­de, mit Dis­si­den­ten psych­ia­trisch fer­tig zu wer­den, hat er sich wohl aus der Sta­lin-Zeit abgeschaut.

Ohne Zwei­fel hat Hinz auch hier rich­tig gese­hen, wenn er in Dugin ein Kind der Post­mo­der­ne sieht, das als Tra­di­tio­na­list und Anti­mo­der­ner posiert (wenn es nötig ist):

Der Leser fühlt sich in einen Dos­to­jew­ski-Roman ver­setzt, und es däm­mert ihm, daß die „vier­te poli­ti­sche Pra­xis“ bloß ein wei­te­rer Wech­sel­balg der Post­mo­der­ne ist. Anschei­nend hat Dugin das selbst gespürt, wes­halb er am Schluß kon­ven­tio­nel­le „Kern­prin­zi­pi­en“ – sozia­le Gerech­tig­keit, natio­na­le Sou­ve­rä­ni­tät und tra­di­tio­nel­le Wer­te – und eine poli­ti­sche Quer­front aus Rech­ten, Lin­ken, Kon­ser­va­ti­ven und Anhän­gern tra­di­tio­nel­ler Reli­gio­nen empfiehlt.

So gese­hen gehört Dugin gewiß zu jener post­mo­der­nen Rech­ten, die ver­sucht, sich selbst am Zopf aus dem Sumpf zu zie­hen und durch gestei­ger­te, dia­lek­ti­sche Gedan­ken­ope­ra­tio­nen auf­zu­he­ben, um eine Art ideo­lo­gi­schen Quan­ten­sprung aus der Moder­ne hin­aus zu zün­den. Wenn Dugin sagt, daß Putin “eine gespal­te­ne Per­sön­lich­keit” sei, dann gilt das umso mehr für ihn selbst.

Nach­voll­zieh­bar bleibt frei­lich die “Infek­ti­ons­angst”, die Dugin offen­sicht­lich treibt, und die durch­aus berech­tigt ist. Bei allem Gedöns ist letzt­lich auch er in der Defen­si­ve. Ost­eu­ro­pa und Ruß­land sind schon jetzt alles ande­re als unbe­leckt von dem Vaku­um, das den Wes­ten zu ver­schlin­gen droht.

Dugin: Ich lie­be Euro­pa, des­we­gen flößt mir das jet­zi­ge Euro­pa einen sol­chen Schre­cken ein. Ich sehe, dass es stirbt. Es ist nicht so wie Russ­land, bei uns gibt es auf jede Her­aus­for­de­rung eine ande­re Ant­wort. Bei Ihnen ver­schwin­det die Viel­falt. Doch nicht genug damit, dass die Euro­pä­er Euro­pa ver­lie­ren. Sie wol­len auch, dass die Rus­sen Russ­land auf­ge­ben. Sucht Euer Euro­pa oder ver­liert es ganz – das ist Eure Sache. Aber lasst uns in Ruhe.

Die August-Aus­ga­be der Sezes­si­on wird übri­gens ein aus­führ­li­ches Autoren­por­trait Alex­an­der Dug­ins aus der Feder von Micha­el Paul­witz bringen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (85)

Martin

23. Juli 2014 07:52

Er ist nur mehr ein Demagoge und Propagandist der Macht.

Ich glaube, dies ist eine gute Zusammenfassung dessen, was man zu Dugin sagen kann. Alleine dieser Kunstgriff einer Aufspaltens in "westlich" und "östlich" ist sehr bezeichnend.

Die russische Kultur ist nur eine Spielart der weißen Kultur gewesen und jetzt ein West-Ost Thema daraus zu machen, ist reiner Agitprop um dem System Putin, bei dem es letztlich auch nur um die Sicherung von Einnahmequellen geht, in irgendeiner Weise höhere Weihen zukommen zu lassen. Wer sich Russland heute anschaut, der kann auch keinerlei große, substantielle Eigenständigkeit zum Westen erkennen, man fährt in den Schichten mit Geld auf die gleiche Luxus-Nummer ab, wie hier auch, nur deutlich greller und geschmackloser und die ohne Geld jagen der Kohle ebenfalls nur hinterher, auch fast gesteigerter als hier, so man denn nicht zu Väterchen Wodka zum Trost greift.

Russland leidet genauso unter dem Problem des Untergangs des weißen Mannes, wie der Rest von Europa nebst seinen Ablegern USA etc.

Zum Thema "weißer Mann" und zur Entspannung empfehle ich die Geschichte "Der unvermeidliche weiße Mann" von Jack London.

Julius

23. Juli 2014 10:43

Wieder einmal kann ich nur sagen: Vielen Dank für diesen Artikel. Für mich ist völlig unbegreiflich, was beispielsweise die "Identitären" an Dugin finden. Völlig abgesehen von der – erst jüngst vertretenen - Meinung, Rußland sollte Westeuropa „erobern“ (ich wollte zuerst gar nicht glauben, daß er das wirklich gesagt hat, aber man findet entsprechende Youtube-Videos, in denen er das lang und breit erklärt und nicht nur geistig-ideologisch meint) ist sein fürchterliches Buch „Die Vierte Politische Theorie“ kaum lesbar. Ich habe mir mindestens auf jeder zweiten Seite innerlich an den Kopf gegriffen. Haben seine "Fans" das wirklich gelesen und verstanden? Wie Thorsten Hinz völlig zutreffend schreibt

eine krude Mischung aus Apokalyptik, Eschatologie, Dezisionismus und Anarchismus. Der Leser fühlt sich in einen Dostojewski-Roman versetzt, und es dämmert ihm, daß die „vierte politische Praxis“ bloß ein weiterer Wechselbalg der Postmoderne ist.

Es fällt mir schwer, ihn ernst zu nehmen, um es freundlich zu formulieren. Sein Denken ist zwar stellenweise originell, aber tief geprägt von der materialistischen Weltsicht des Marxismus-Leninismus, aus deren Schule er offenbar kommt. Deswegen scheint es teilweise an grundlegenden Kenntnissen der europäischen Geistesgeschichte zu fehlen.

Trotz ihrer Länge ist auch diese Kritik äußerst lesenswert:

https://democratia-mortui.blogspot.co.uk/2014/04/race-ethnos-and-fourth-political-theory.html

Stevanovic

23. Juli 2014 11:18

Dugin ist eine Matrjoschka. Von der russischen Seele und Mystik besoffen ist man fasziniert, wie die einzelnen, scheinbar unterschiedlichen Schichten ineinander passen, wie unterschiedliche Ansätze irgendwie ineinander greifen. Konservative Revolution und christliche Orthodoxie, Ethnopluralismus und russisches Imperium, Eigenheiten und Zentralismus, usw. Nüchtern betrachtet ist er einfach hohl.

Nordlaender

23. Juli 2014 11:26

Was für eine Verwirrung, erzeugt durch den Kampfbegriff des "Rassismus"!

Eigentlich - also das Eigene betreffend - gibt es vieles, für das ein Begriff fehlt. Heimat ist dort, wo man sich nicht erklärt. Schnell wird jedoch ein Begriff geformt, wenn etwas vom Selbstverständlichen abweicht.

Rassismus, das Phänomen, daß man sich um sich selber und die Seinigen im Zweifelsfall größere Sorgen bereitet als um Fremde, ist solche eine natürliche Selbstverständlichkeit. Neben jeder natürlichen Verhaltensweise gibt es auch Entartungen, z.B. Freßsucht statt normalem Stillen des Hungers.

Im Alten Testament hieß Rassismus noch Nächstenliebe, darunter verstand man das Gebot, seinen Bruder gleich Stammesgenossen nicht zu bestehlen, zu versklaven, zu betrügen.

Ob Altruismus (Fernstenliebe statt Gruppenegoismus) überhaupt möglich ist, sei mal dahingestellt. Gerade der gute Mensch, der ethisch Besserverdienende, kann eine Menge Statusvorteile erringen.

Jedenfalls ist es bigott, Entartungsformen des Rassismus scheinheilig zu geißeln, während pathologischer Altruismus verschont bleibt.

Rumpelstilzchen

23. Juli 2014 12:02

Ex oriente lux,
Ex occidente luxus

Stanislaw Jerzy Lec ( 1909-1966)

1. Ob das Licht aus dem Osten kommt, sei dahingestellt. Das dekadente Leben reicher Russen (siehe google) ist auch nicht ohne. Ob diese Dekadenz einem weltweit gültigen menschlichen Existential ( Hang zum Luxus/Haben) geschuldet ist, oder lediglich Ausdruck des russischen Nationalcharakters ( also ethnische Besonderheit) wäre zu diskutieren.
Anhand folgenden Zitats unbekannter Herkunft:

"Ich habe mal einen reichen Russen gefragt, was er beruflich macht, er antwortete: Ich mach Geld! Seitdem habe ich nie wieder einen Russen gefragt, womit er sein Geld verdient."

2. Die Kritik der Russen am dekadenten Westen ist auch Nationalgut und kommt in verschiedenen Ausprägungen vor. Auch Alexander Solschenizyn war von der Dekadenz des Westens angewidert. Insbesondere vom Schweigen der linken Entspannungsoptimisten zu den kommunistischen Verbrechen.
Da muss man Dugin widersprechen. Die westliche Linke vertritt überhaupt keine universell geltenden Werte. Die kann sie nämlich gar nicht begründen. Die Linke hat die Menschenrechte auch nie der Sowjetunion aufgezwungen.
Sie hat die Menschen hinter dem sog. eisernen Vorhang ganz einfach ignoriert. Sozusagen die ethnischen Besonderheiten toleriert und akzeptiert.

3. Statt zu kritisieren, dass die Deutschen ihre Philosophen nicht lesen, könnte Dugin die russischen Philosophen dem Westen nahebringen.
Etwa die Idee der "Vergöttlichung des Menschen" ( Theosis) von Wladimir Solowjew. Die er der Idee Nietzsches vom "Übermenschen" entgegenstellt. Da kommt wirklich Licht aus dem Osten.

KW

23. Juli 2014 12:12

Dugin will dieselbe One World wie Obama, nur unter der Fuchtel von Rußland, ob dann mit orthodoxen oder liberalen Nuancen, kann uns egal sein. Sowohl Rußland als auch die VSA waren und sind Riesenreiche und Vielvölkerstaaten. Mitteleuropa hatte eine andere Geschichte und Kultur. Zurecht beklagt er aber den Selbstmord und die Dekadenz Mitteleuropas.
Wenn wir uns in Europa auf uns selbst besinnen, wie ich es einmal von der EU erhofft hatte, haben wir auch wieder eine Zukunft. Wir sind weder als Anhängsel an Rußland noch als Appendix der VSA etwas wert.

Ein Fremder aus Elea

23. Juli 2014 12:30

Das ist geradezu verrückt, beinahe bösartig. Egal aus welchem Kontext das Zitat Husserls gerissen ist: Eine Formulierung wie „europäische Menschheit“ besagt ja vielmehr, daß ein spezifischer Teil der Menschheit angesprochen ist.

Nein, es ist nicht egal, aus welchem Kontext das stammt. Ich habe Husserl nicht gelesen, aber selbstverständlich gäbe es durchaus Kontexte, aus welchen heraus Dugin es zutreffend charakterisiert hätte.

M.L.: Dugin bezieht sich ja nicht auf irgendeinen Kontext, sondern auf den Ausdruck selbst. Und der sagt eindeutig nicht, was Dugin sagt, daß er sagt. Mit etwas Fantasie kann man sich meinetwegen einen entsprechenden Kontext dazudenken, dazu müßte man sich aber schon sehr anstrengen...

Aus zwei aneinander gereihten Worten kann man nichts herauslesen. Weder in die eine, noch in die andere Richtung.

Die Sache, um welche es hier geht, ist dabei gar nicht schwer zu verstehen. Universelle Rechte beruhen auf einem universellen Menschenbild. Das aber wurde nicht universell erdacht, sondern innerhalb einer speziellen Kultur.

Ist doch nicht kompliziert.

Was den Begriff "Rassismus" angeht, sowas nannte man früher zu Recht "Chauvinismus". Selbstverständlich ist jeder Westler ein Chauvinist. Und was für einer... Der Witz diesbezüglich ist, daß gerade in Deutschland die Ansicht vorherrscht, Chauvinismus sei eine Frage der Umgangsformen, während Chauvinismus selbstverständlich auf Werturteilen beruht. Und diese Werturteile bemerkt man im Umgang mit anderen, gleich wieviel diese auf ihre Umgangsformen achten.

Die Amerikaner sind da nicht so verklemmt, da kommt es natürlicher zum Vorschein. Ich war in einem Bistro in Tartu, zwei amerikanische Gaststudenten nutzten die Gelegenheit, um der Bedienung vorzuschlagen, was sie an ihrem Bistro ändern könnten, damit es besser liefe.

Das war nicht unkomisch. "Der Kunde wünscht sich dies, der Kunde wünscht sich das." - "Nein, der Kunde hier wünscht sich nichts von alledem."

Wobei, der letzte Grad der Komik ist, daß die Vorstellungen, welche von Westlern propagiert werden, nicht ihre eigenen sind, sondern Klischees, welche sie aufgesogen haben. Das alles ist nicht zuletzt eine Frage der Ruhe. Die Menschen im Westen kennen keine Ruhe. Und so ist die gesellschaftliche Unrast stets bei ihnen und in ihnen.

Was Rückzugsräume angeht ist Osteuropa selbstverständlich grundlegend anders. Das heißt dann im chauvinistischen Westen: "Die leben noch so wie vor 200 Jahren."

Aber die Menschen von vor 200 Jahren würden sich in so manchem Punkt sehr über die Menschen von heute wundern, um es einmal ganz vorsichtig auszudrücken.

Das bedeutet nicht zwangsläufig, daß daraus Kreuzzüge und der Zwang zur Bekehrung folgen: aber ein verpflichtendes und verbindliches Urteil ist unumgänglich.

Ja, aber sagen wir das so grundsätzlich, wie es gesagt gehört. Es gibt Urteile, welche mein Verhältnis zu anderen festlegen. Und innerhalb dieser Urteile gibt es eine winzig kleine Teilmenge von Urteilen, welche sich mit der Frage der Kriegsführung beschäftigen.

Oder jedenfalls sollte es so sein.

Ich glaube im übrigen nicht, daß Dugin Ethnozentrismus sonderlich interessiert. Er nimmt ihn als selbstverständlich hin. Stören tut ihn nur, daß der Westen seinen eigenen Ethnozentrismus nicht sieht.

Wer so spricht, hat sich jeder intellektuellen und geistigen Redlichkeit begeben.

Kommt drauf an, wie man's liest. Dugin wurde von der Universität entfernt, offenbar hat er schlechte Laune. Das ist alles auch etwas zynisch. Ich meine, wer wird denn wo kaltgestellt, weil er nicht der Norm entspricht?

Es ist so. Nicht? Stellt sich nur die Frage, wer das Recht hat, die Norm aufzustellen. Die Mehrheit oder die Minderheiten.

Was nun wirklich eine glatte Lüge ist. Vor allem der Tschetschene oder Usbeke würde hier heftig widersprechen.

Hmm, da habe ich auch gestutzt. Aber er meint natürlich: "Wir Russen sind so gnädig die trotz allem zu uns zu zählen und leben zu lassen." Ein Angebot, welches auch zu unterschiedlichen Graden angenommen wird.

Imperial ist dafür nicht ganz das richtige Wort, denn diese Völker leben ja zum Teil mitten in russischem Gebiet, etwa die Tartaren um Ufa. Imperial suggeriert aufgeräumtere Verhältnisse.

Was allerdings den Grund angeht, aus welchem Dugin von der Universität entfernt wurde, daß er gefordert hat, Rußland solle in die Ostukraine einmarschieren, da denke ich, ist er auf dem Holzweg.

Letztlich käme Rußland mit einem solchen Schritt halbwegs durch, die öffentliche Meinung im Westen wäre gespalten, aber diese Spaltung würde selbstverständlich ausgenutzt werden, um aus einem offen pazifistischen Europa ein offen bellizistisches zu machen.

Es ist besser, nicht an der Mobilisierung des Westens aktiv mitzuwirken. Sollte es das nationale Sicherheitsinteresse Rußlands verlangen, wäre es klüger, die Ukraine gleich ganz zu besetzen. Aber solange Rußland unter dieser Schwelle bleiben kann, sollte es das tun. Die Zeit arbeitet für Rußland.

Der Westen ist natürlich bissig, aber letztlich wird er an der Abschaffung seiner eigenen Standards zu Grunde gehen. Er tut ja auch nichts, um Probleme zu vermeiden, sondern prescht überall vor, sich neue Lasten aufbürdend. Die Angst vor der Maschine ist verständlich, aber anstatt die Mehrzahl der Menschen ihr zu überlassen, muß man überall das Menschliche stärken, dann wird sie überwunden werden.

rundertischdgf

23. Juli 2014 14:30

Dazu haben wir zwei einfache Beispiele, der normale Deutsche, wir nennen ihn Lila-Deutschen, der sich in Ami-Kultur in der Lüneburger Heide versucht und die Esten auf ihrem großen Sängerfest in Tallinn. Was macht die Identität der Deutschen im Vergleich zu dem kleinen Volk der Esten aus?

https://rundertischdgf.wordpress.com/2014/07/23/lila-deutsche-in-der-heide-und-esten-in-tallinn/

t.gygax

23. Juli 2014 17:48

Der Mann beweist eine erstaunliche Standfestigkeit gegenüber dem SPIEGEL-Reporter. So etwas trauen sich nur ganz wenige, schon das macht ihn interessant. Seine Bewunderung der deutschen Kultur und Philosophie - die es heute nicht mehr gibt, da liegt der Mann total richtig - findet sich bei vielen gebildeten Russen. Eine Deutschlehrerin in einer russischen Millionenstadt hat mir begeistert geschrieben, wie sie ihren Schülern das Denken Friedrich von Schillers anhand seiner Balladen vermittelt. Auch das ist Rußland - es gibt dort eine Wertschätzung deutscher Kultur, die es bei uns "im eigenen Lande" (...) längst nicht mehr gibt.

Inselbauer

23. Juli 2014 19:57

Wer einem solchen Dreckblatt wie dem Spiegel ein Interview gibt, der ist selber schuld. Ich versuche mir gerade vorzustellen, welcher Schrott z.B. bei einem Interview mit Dostojevski herausgekommen wäre. Ekelhaft, und er hätte es wissen müssen.

M.L.: Huh?

Inselbauer

23. Juli 2014 20:39

Es ärgert mich maßlos, dass er sich von diesem Gesindel hineinlegen hat lassen. Da nützen alle Referate nichts.

M.L.: Ich verstehe kein Wort. Warum und inwiefern "hineinlegen"?

affe

23. Juli 2014 21:39

Interessanter Artikel. Folgende Punkte fallen mir dazu ein:

1. Vieles von Dugin konkreten Ansichten, egal ob geopolitischer oder ideologischer Natur, muss man aufgrund ihrer Abgehobenheit nicht ernst nehmen. Der wesentliche Pkt. ist m.E. die Universalismuskritik als Waffe gegen die liberalistische Hegemonie.

2. Das Hantieren mit dem Rassismusbegriff und seine Aggresivität gegenüber dem Interview sehe ich (wie sie) als Provokationsstrategie und nicht als echte Meinung von Dugin.

3. Sehr bedenkenswert ist Ihre Kritik am EP. Die Grenzen zwischen EP und EZ sind wohl fließend.

4. Auch interessant Ihre Kritik an der 4.PT als traditionale Variante der Postmoderne

Letztlich wird Dugin aber im identitären Lager nicht mehr so ernstgenommen wie noch vor einem Jahr, da er sich mit erstaunlicher Regelmäßigkeit zu grotesken Äußerungen hinreißen lässt (Ukraine, Gender, Rassismus etc.).

Strikeback

23. Juli 2014 22:00

Dugin ist für ein Imperium, in dem z.B. Nichtweiße und der Islam integriert sind.

Irgendwie ist das der gleiche Unsinn wie die Multikulturelle Gesellschaft oder der Ethnopluralismus.

Wer das Heterogene dem Homogenen unterordnet, wird nichts Dauerhaftes schaffen. Irgendwer setzt sich doch durch und majorisiert den Rest. Für die Weißen ist das der Untergang, wenn auch langfristig.

eulenfurz

23. Juli 2014 22:20

Andere Interviews von Dugin sind weitaus sachlicher. Entweder hat er schlechte Laune, nutzt das Stilmittel der Provokation oder wurde vom Speigel fehlzitiert. Die Zielrichtung ist durchaus nachvollziehbar, und möglicherweise versucht er die westliche Rhetorik zu spiegeln - die Klassifizierung von Gegnern als an Phobien leidende (Geistes-)gestörte hat dort durchaus Tradition. Vielleicht macht er's ungeschickt, vielleicht ist die Übersetzung aber auch schlecht, daß die Spitzen nicht deutlich werden, wer weiß.

Russia doesn´t have an imperialist agenda. Moscow respects sovereignty and wouldn´t interfere in the domestic politics of any other country. And it is an honest and good politics. … We shouldn´t forget that Russia doesn´t have any hegemonial interests in Europe, but the Americans have. Frankly speaking, the European Union is not a genuine European entity – it is an imperialist transatlantic project. It doesn´t serve the interests of the Europeans but the interests of the Washington administration. The “European Union” is in reality anti-European.

[Hier]

Inselbauer

24. Juli 2014 03:00

Herr Lichtmesz, Sie beschreiben doch selbst, wie ungünstig sich der Mann in diesem Interview präsentiert, dass er als Demagoge erscheint, seine Widersprüche offenbar werden, dass er in eine unlockere Position gerät durch ein Lauern auf Schubladisierung usw. Das kommt doch nicht von ungefähr, alle geistigen Menschen, die sich vom Spiegel interviewen lassen enden so.

M.L.: Das hat Dugin nun wirklich alles selbst zu verantworten, dem (doch eher zurückhaltenden) Fragesteller kann man das nicht vorwerfen. Als der Spiegel seinerzeit zu Ahmadinedschad ging, und diesen mit ungleich dümmeren und inquisitorischeren Fragen bedrängte, hat dieser sich so exzellent geschlagen, daß die Spiegel-Crew ziemlich läppisch dastand. Diese problematischen und fragwürdigen Seiten von Dugin finden sich indes auch anderswo.

le_trouver

24. Juli 2014 04:45

Dugin will die bequeme feudale Tyrannei, wo der Untertan Maul hält und dem Obermann keine Probleme macht.

Das war immer so. Und gut ist es - für den Obermann.

le_trouver

24. Juli 2014 04:57

Heimat ist dort, wo man sich nicht erklärt

Bravo, werter Nordländer!

areopagitos

24. Juli 2014 06:33

Natürlich ist Dugin macchiavellistisch! (Ein Exentriker obendrein.) Hier geht es um sein Volk, an das er, dem altrussischen Geist gemäß, glaubt! Er hat die Verwestlichung als die absolut ekeleregende Krankheit der langsamen Verwesung kennengelernt. Aus geopolitischer Sicht bleibt ihm nichts anderes übrig als fest hinter einem moskowiter Kurs zu sitzen. Das mag so manchen Rattenschwanz hinterherziehen, aber offenbar ist alles besser, als das was mit uns geschehen ist.

Und Dugin hat -auf seine russischen Art- Recht.

Was Dugin als Philosophen angeht: Wir Identitären sind ja nicht doof. Von Evola bis Mohler ist jeder neue Intellektuelle der Rechten natürlich nicht der neue Heiland. Im Gegenteil - differenzierte Rezeption ist immer oberste Devise. Intellektuelle sind nunmal verkopft...

Waldgänger aus Schwaben

24. Juli 2014 07:34

Dugins Kritik des amerikanischen Imperialismus und westlichen Liberalismus ist bestechend; was er diesen Mächten ideologisch entgegenzusetzen hat, wirkt aber weitgehend „gebastelt“ und konstruiert.

Für mich ein Schlüsselsatz. Gilt dies nicht für alle Kulturkritiker, rechts oder links. Entweder esoterisch-verschwurbelt oder dumm und lebensfremd erscheint jede Utopie, die das Heutige ablösen soll. Jeder Versuch eine solche Utopie mit Gewalt umzusetzen bringt unendliches Leid über die Menschen.

Vielleicht leben wir in einer Zeit der Zersetzung und alle Straßen münden in schwarze Verwesung.

Wenn es so ist, dann hoffe ich, dass es wenigstens guten Humus gibt.

Ganz ausschliessen, dass dieser Dugin die Spitze eines neuen Pflänzleins ist, welches die schwarze Erde durchbricht, kann ich nicht. Dass er uns "Westlern" unverständlich, verschwurbelt, albern, widersprüchlich vorkommt, ist ein notwendiges aber kein hinreichendes Kriterium dafür.

bazille

24. Juli 2014 10:20

Dugin ist ein russischer Nationalist. Daher verstehe ich die Begeisterung ,gerade aus dem identitären Lager, für Ihn nicht.
Ich verstehe die Ressentiments gegenüber dem Liberalismus, ich kann das Unbehagen mit der derzeitigen Lage verstehen, aber warum sollte Russland ein besserer Hegemon sein als die VSA.
Ausserdem ist seine 4 Politische Theorie, gelinde gesagt, mühsam. Es erinnert mich an den Mythos des 20 . Jahrhunderts. Beide sind nicht lesbar.

Stevanovic

24. Juli 2014 10:34

Dugins Russlandbild ist so real, wie Walt Disney das amerikanische Leben abbildet. Wenn einer Russland ruiniert hat, dann die Russen selbst. Sein Geheule, das sei der böse Westen, kann ich mir nicht mehr anhören. Im Grunde ist er der Ideologe der kollektiven russischen Verantwortungslosigkeit, denn das steckt hinter Dugins Rechten des Kollektivs. Kuba ist seit 50Jahren unter US-Embargo und hat ein funktionierendes Gesundheitssystem. Schon in der UdSSR ging ohne Kaffee, Schinken oder Wodka überhaupt nichts. In den 90ern wurden daraus Devisen. Darüber legt er einen mystischen Nebelschleier und lässt die Geschichte der russischen Unzulänglichkeit mit Jelzin anfangen. Wer glaubt ihm denn so was? Und der Unterschied zwischen Deutschen und Russen soll sein, dass die Russen Schiller lesen? Ja, genau so erlebe ich sie auf der Straße und im Urlaub. Sie sind nicht schlechter und nicht besser. Nur mit Dugins Russen haben die nichts zu tun.

Nicht alles, was esoterisch-verschwurbelt oder dumm und lebensfremd erscheint, ist deswegen eine Utopie. Russlands Probleme haben nicht mit dem freien Verkauf von Snickers angefangen, das kann er in Omsk erzählen.

Russia doesn´t have an imperialist agenda. Moscow respects sovereignty and wouldn´t interfere in the domestic politics of any other country. And it is an honest and good politics. …

Njet agresor...ich lach mich krank!

Christian Bode

24. Juli 2014 10:37

Mit Erlaub, ich verstehe nicht, trotz aller treffsicheren 'West-Kritik" - die eher eine Kritik der Moderne ist, zwei Dinge die zusammenhängen, aber nicht eins sind - wie ein orthodoxer Christ dem Universalismus Widersacher sein will, vielleicht muss man dazu Russe sein, ich weiß es nicht.

Man korrigiere mich bei Unwissenheit, aber die abrahamitischen Religionen mit ihrem Monotheismus und der damit verbundenen Missionierung (zumindest auf Seiten der Christen und Muslimen) sind Begründer des Universalismus. Daher muss eben auch jede christliche Kritik am Universalismus scheitern, denn es kann höchstens einen falschen Universalismus geben.

Die Universalismus-Kritik liegt letztlich immer zwischen Individuum und Kollektiv, welches ausgeweitet auch irgendwann die Weltgemeinschaft meint. Dabei ist dann zu fragen, wie viel Kultur ist gut, wie viele Sprachen sind gut, wie viel Freiheit des Individuums ist gut. Die Nation hat auch Kultur überwinden müssen, um sich zu bilden und um sich zu halten.

In der Welt geht es um Selbstbehauptung und die ist nur mit Macht aufrechtzuerhalten, bzw. abzusichern und auszubauen. Daher ist die Region immer schwächer als die Nation, oder die Nationenvereinigung. Der Staat kann innere 'kulturelle Kinetik' nur im Grade seiner Stärke dulden.

Abschließend zur Universalismus-Kritik: Im Großen und Ganzen gibt es eine Entwicklung und die ist nicht irrelevant und auch nicht aufzuhalten, mag es auch kleine Schwankungen und 'Rückfälle' geben. Atomisierung der Gemeinschaft bei gleichzeitiger staatlicher Machtentfaltung (territorial und exekutiv) und das alles unter der explosionsartigen Ausdehnung des technisch Möglichen. Alle Kultur entstand durch etwas Neues und durch den Drang danach und deswegen ist es irreführend Kultur und Technik generell zu trennen. Wir schaffen das Neue, aber das Neue beherrscht und verändert uns. Sei es der Buchdruck, das Kondom, oder die Virtualität. Was das mit Universalismus-Kritik zu tun hat? Alles. Die Technik ist universell. Ob ein Bildschirm lateinische Buchstaben oder Kanji anzeigt, ist Gewöhnung.

Ich bin gerne der 'Rückfall' dieser Entwicklung, aber ich merke auch, dass mir ein Chinese sozial näher sein kann, als ein Nachbar im Mehrfamilienhaus. Auch das ist Wahrheit.

Gruß,
#c

Stevanovic

24. Juli 2014 10:51

Panslawismus ist ein Programm zur Homogenisierung (vulgo: Russifizierung) der slawischen Völker. Fällt niemanden auf, dass, außer den bereits russifizierten, kein Slawe auf diesen Zug aufspringt?

Wind

24. Juli 2014 11:32

Sowohl Lichtmesz als auch Hinz, erwähnen die Mystik und Unklarheit dessen was Dugin der westlichen Welt entgegensetzt. Beide benennen aber nicht den naheliegenden Grund dafür.

Es sollte doch die Parallele von Marx und Dugin hinsichtlich ihrer unklaren, nicht eindeutigen und bewusst offengelassenen Utopie offensichtlich sein.

Weder Marx noch Dugin zeichnen ein konkret fassbares Bild ihrer Utopie. Damit machen sie sich unangreifbar und unnahbar. Es zeigt jedoch auch, dass von beiden Utopien nicht viel zu halten ist. Der Kommunismus hält sich daher schon so lange, weil er nicht fest beschrieben ist. Scheitert ein Versuch, befindet man sich schon halb im Anlauf zum nächsten.
Dieser Hoffnung gibt sich auch Dugin hin. Eine ewige unkonkrete Utopie.

Wenigstens gibt sich Dugin, im Gegensatz zu Marx noch die Mühe, die realen Missstände, die er kritisiert, zu benennen.

Dugin ist für Konservative kein Vorbild.
Der Konservative ist Realist. Er neigt zum Konkreten. Für ihn ist Theorie nur ein Mittel um sich die Wirklichkeit zu erschließen. Der marxistisch sozialisierte sieht die Theorie als Weg zur Utopie und stochert im politischen Nebel des Unabwägbaren.

Ein Fremder aus Elea

24. Juli 2014 11:35

Julius,

war nicht schwer, die nämliche Äußerung bei YouTube zu finden.

Mir scheint der Mann durchaus Verstand und Humor zu besitzen. Aber als Lösungsvorschlag, so will er die Eroberung Westeuropas ja verstanden wissen, taugt sie nur partiell.

Im Grunde sagt er doch: Ich habe mit vielen in Westeuropa gesprochen. Die sind alle Defätisten. Am meisten Tamtam machen noch offen prorussische Leute wie Elsässer.

Das Problem mit dem Ansatz ist aber, daß unsere Eliten ja nicht unsere Eliten sind, sondern lediglich unsere Animateure. Und die können von heute auf morgen ausgetauscht werden.

Man muß da doch die Gesamtlage weltweit bedenken. Alle Zeichen stehen auf großangelegte und ziemlich schockierende Aktionen. Da wäre es wirklich selten dumm, auf Lethargie als beherrschende Stimmung zu setzen und einen offen zynischen Kurs zu fahren.

Denn es ist natürlich ein zynischer Kurs. Russischer Schutz bekäme den Geschützten nicht besser als muslimischer Schutz den Christen.

Offenbar meint Dugin, so gut er kann provozieren zu müssen, um was zu bewegen. Durchaus verständlich. Aber die Dinge werden sich schon bewegen, ganz ohne solches Zutun.

Was Dugin wahrscheinlich nicht sieht: Der Westen kann nur geben, was er hat. Und er hat nur, was sich im Laufe seiner spezifischen geschichtlichen Bedingungen entwickelt hat.

Daß das auf Dauer niemand außerhalb des Westens haben will, ist sicher, und die EU verhält sich entsprechend, immer neue Pläne hervorspeiend, weil sie weiß, daß sie nichts hat, was sich auf Dauer bewähren würde.

Wir schicken unsere Leute nach Syrien, um zu morden, die Russen ihre in die Ukraine. Wenn so getanzt wird, bitte. Die Wenigsten wollen das, und wer immer diesen Kurs fährt, er muß Druck ausüben. Nur Geduld, es wird schon wieder. Natürlich hat die Gegenseite auch einen Plan, nämlich den neokonservativen Kurs salonfähig zu machen. Aber wenn Rußland nicht als Bedrohung wahrgenommen wird?

So soll sich alles zusammenfügen.

1. Gesellschaftliche Dekadenz.
2. Gleichgültigkeit der Religion gegenüber.
3. Russisches "Blut lecken" an unserer militärischen Schwäche.
4. Entfernung potentieller christlicher ziviler Opfer im Nahen Osten.

Wenn das alles durchgeht, heißt die Antwort G.W.Bush und Armageddon.

Aber wir alle können daran mitwirken, daß es nicht dazu kommt, und dazu genügt es schon, einzelne dieser Punkte außer Kraft zu setzen.

"The writing is on the wall."

Rumpelstilzchen

24. Juli 2014 11:42

Über das etwas verquere Spiegelinterview, sollte der auf Seite 2 verlinkte Beitrag ( wie Dugin es selbst ausdrückt) "
Satans Streitmacht greift an " nicht untergehen. Er wäre m. E. einen eigenen Beitrag wert.
Hier wirkt Dugin viel klarer und bietet eine hervorragende Diskussionsgrundlage im Hinblick gerade auch auf Deutsche Identität.

1. was macht die russische Identität aus ? Wer sind wir:nur ein weit abseits liegendes Land ? Oder haben wir eine Mission ?

2. Dugin spricht von einer christl. Orthodoxen Identität, dem orthodoxen Christentum auch und gerade auch als kultureller Achse der historischen Identität,

3. ja, sogar von einem Christl. Orthodoxen Staat !

Entsprechend kann man fragen:

1. Was macht die deutsche Identität aus ? Wer sind wir ? Die, die wir nicht weit abseits liegen, sondern mittendrin ?

Zu 2/3
Staat und orthodoxe Kirche waren in Russland immer stark, ja unauflösbar miteinander verbunden. Die orthodoxe Kirche hat keine Reformation erlebt, ist bis heute nicht selbstkritisch und aufgeklärt.
Trotz anfänglicher Religionsverfolgung kooperierte Stalin hervorragend mit der orthodoxen Kirche. Er benötigte deren patriotische Tradition. Er machte sie dem Kampf gegen den äußeren Feind dienstbar.
Diese enge Verbindung von Staat und Kirche besteht auch nach dem Zusammenbruch der SU weiter.
Dagegen etwa wurde die ukrainisch katholische Kirchen von Stalin brutal verfolgt. Diese Kirche gerät auch heute wieder unter Druck.

https://www.kath.net/news/45353

Wo hört der Westen auf ?

Ganz interessant finde ich auch die Bemerkung von Dugin, dass die von der Orthodoxie geprägte Identität auch für die Muslime von Bedeutung sei. Denn werden sie zu Bürgern eines Staates, der keine Geschichte hat, dann sind sie auch keine vollwertigen Bürger.
Auch hier wäre ein Vergleich mit dem Westen interessant.
Was passiert mit Muslimen in Westeuropa, wenn sie zu Bürgern eines Staates werden, der für sie keine erkennbare Geschichte ( Kultur/ Werte) hat. ??
Und: Welche Werte vermögen Europa zu tragen ?

Corax

24. Juli 2014 13:06

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Martin Lichtmesz

24. Juli 2014 14:27

@ Stevanovic

Dugin behauptet ja, schwer volksverbunden zu sein:

SPIEGEL: Das Verhältnis Europas zu Amerika ist kompliziert geworden, auch der Um- gang mit Russland ist unklar. Sie sprechen vom Kampf der beiden Europas gegeneinander – des atlantischen und des kontinentalen Europa. Sie sind viel in Europa unterwegs. Wer sind Ihre Gesprächspartner?

Dugin: Das europäische Volk. Die Eliten spiegeln nicht die Meinung der Mehrheit wider. Das europäische Establishment versteht mich nicht, will die Russen nicht verstehen. Bei einfachen Leuten finde ich Gehör.

SPIEGEL: Und bei welchen Ihrer Philosophen-Kollegen?

Dugin: Dort ist es genau dasselbe. Bernard-Henri Levi kritisiert mein Buch „Die vierte politische Theorie“, hat es aber offenbar nicht mal gelesen. Jeder europäische Philosoph, der zum Establishment gehört, ist Teil des Systems. Mit diesem Teil der Elite gibt es nichts zu bereden. Auch ein Gespräch mit Habermas würde ins Nichts führen. Aber das sind wenige. Ich rede mit Taxifahrern, bayerischen Bauern, rumänischen Studenten, französischen Zimmermädchen.

Ich glaube ihm allerdings auch kein Wort.

Dazu kommt, daß Rußland ja bereits durch den Sowjetkommunismus weitgehend ausgehöhlt und geseelenmordet wurde, und das ist auf dem eigenen Mist gewachsen, trotz der radikalisierenden Beteiligung des "kleinen Volkes" in der Frühzeit. In dieses Vakuum dringt nun der westliche Konsum, eine ganz logische Entwicklung. Die orthodoxe Kirche hat auch nicht diese beherrschende, identitätsstiftende Stellung für die Mehrheit der Russen, die ein im wesentlichen vom Glauben abgefallenes Volk bleiben, da übertreibt er stark.

Ich habe den Eindruck, daß er eine Art Reichstheologie sucht.

Einstweilen steht dem Westen vor allem eine riesige Wirtschafts- und Militärmacht gegenüber, die in wenigen Jahren Europa überrollen könnte wie eine Sandburg. Die westlichen Schwuchtelarmeen würden im Nullkommanix weggefegt werden...

Rumpelstilzchen

24. Juli 2014 15:09

Ich habe den Eindruck, daß er eine Art Reichstheologie sucht.

Ja, das sieht so aus. Wie er die Moslems christianisieren ( besser orthodoxieren ) will, bleibt ein Geheimnis.
Nach dem Verlust der ehemaligen islamischen Sowjetrepubliken soll nun Westeuropa erobert werden ?

https://www.ahlu-sunnah.com/threads/20559-Islamische-V%C3%B6lker-in-der-ehemaligen-Sowjetrepublik

ene

24. Juli 2014 15:46

Sehr viel weniger allerdings als jene "riesige Wirtschafts- und Militärmacht, die in wenigen Jahren Europa überrollen könnte" (aus welchem Grunde denn? Einfach so?) , fürchte ich allerdings einen viel wahrscheinlicheren Krieg auf europäischen Boden, bei dem es um Ressourcen bzw. den Zugang zu diesen Resourcen geht.

Die Profiteure eines solchen Krieges säßen anderswo, jedenfalls nicht in Europa. - Wozu übrigens Rußland nach meinem Verständnis gehört.

Stevanovic

24. Juli 2014 16:52

Ich habe den Eindruck, daß er eine Art Reichstheologie sucht.

Sie lesen Dugin schon richtig:

Das ist Kolonisation. Ich bin ein orthodoxer Christ, Sie nicht. Ich akzeptiere Sie, aber Sie mich nicht.

Nun, wenn das die christliche Orthodoxie wäre, dann wären Kyrill und Method in Griechenland geblieben, die Slawen hätten keine eigene Schrift bekommen und das orthodoxe Russland hätte es nie gegeben. Natürlich ist Mission ein Kernbestandteil der Orthodoxie, ihre Lehre IST universal und gilt für jeden (auch wenn das nicht jeder glauben mag). Tja, außer sie verstehen Orthodoxie eben nicht als Glaube, sondern als Ersatzbezeichnung für eine nationale Identität. Dann machen auch Aussagen zu den Muslimen einen Sinn, denn um die Kirche Christi geht es ja nicht wirklich, somit ist unter dem Dach der Orthodoxie Platz für alle. Wenn wir noch ein paar Runden Karussell fahren, können wir von einer orthodoxen Zivilisation sprechen, zu der auch Usbeken, Tschetschenen und die indigenen Völker Sibiriens gehören (die heute, im Gegensatz zu den Indianern Nordamerikas, keine Spielkasinos, dafür auch keine eigene Sprache, aber viele Plattenbauten haben) . Schlagen wir ein Geschichtsbuch auf, sehen wir, dass diese „orthodoxe Zivilisation“ so ziemlich Deckungsgleich mit dem russischem Imperium ist, diese Völker nicht durch die frohe Botschaft der Orthodoxie bekehrt, sondern durch die Kanonen des Zaren unterworfen wurden. Das delegitimiert oder legitimiert das russische Imperium nicht mehr als andere, es ist aber, was es nun mal ist, ein Imperium. Nun möchte Dugin eine Legitimation, jenseits des offensichtlichen Rechts des Stärkeren.

Stevanovic

24. Juli 2014 16:59

Dazu kommt, daß Rußland ja bereits durch den Sowjetkommunismus weitgehend ausgehöhlt und geseelenmordet wurde.

Das hat einen Nihilismus hinterlassen, dessen schönstes Beispiel eben Dugin selbst ist. Allen Ostblock-Nihilisten ist eines gemeinsam: der Wunsch nach einem Grund, die Sehnsucht, dass es jenseits des Brutalen noch etwas gäbe. Ist nicht schlimm, muss man aber wissen. Die Begriffe, mit denen Dugin jongliert, bedeuten ihm nichts. Er hat keine Ahnung, was die russische Seele, die Orthodoxie oder kollektive Rechte sein sollen. Der 4.Weg ist eine Reichtheologie, die nach dem Zarentum und dem Kommunismus nun als dritte Begründung des russischen Imperiums dienen soll. Es kann ja nicht sein, dass uns alle nur die Gewalt verbindet. Wegen der historischen Versatzstücke wirkt sie noch synthetischer, als es der Kommunismus je war. Postmodern eben. Also irgendwie auch Wurst. Der Untergang des Altrussischen hat nicht mit der UdSSR begonnen, ihre Wurzel liegt in der Gier des Zaren nach den Schätzen Sibiriens, zur gleichen Zeit, als in Europa die Aufklärung zuschlug. Aber das führt jetzt zu weit.

Ist ja alles nicht dramatisch – nur mir diese materialistischen Nihilisten als Träger etwas authentischen zu verkaufen und den 4.Weg als eine wirkliche Idee, da dreht sich mir das postmoderne Karussell dann doch etwas zu schnell.

Die Chuzpe, auch noch Deutschland als von sich entfremdeter darzustellen, als es Russland heute von sich selbst ist, ja das macht ihm so schnell keiner nach.

Stevanovic

24. Juli 2014 17:13

Ja, das sieht so aus. Wie er die Moslems christianisieren ( besser orthodoxieren ) will, bleibt ein Geheimnis.

Eben, will er nicht. Er benutzt jeden Begriff, nur um es nicht Russifizieren zu nennen. Orthodox klingt nach Weihrauch, Russifizieren klingt nach Bajonett. So wurde aus Raider auch Twix. Eigentlich putzig.

Martin Lichtmesz

24. Juli 2014 17:29

Tja, außer sie verstehen Orthodoxie eben nicht als Glaube, sondern als Ersatzbezeichnung für eine nationale Identität.

Genau darauf scheint es mir hinauszulaufen, wenn Dugin von "Orthodoxie" redet...

affe

24. Juli 2014 17:33

"Einstweilen steht dem Westen vor allem eine riesige Wirtschafts- und Militärmacht gegenüber, die in wenigen Jahren Europa überrollen könnte wie eine Sandburg. Die westlichen Schwuchtelarmeen würden im Nullkommanix weggefegt werden…"

?

Beziehen Sie das jetzt auf Russland? Und ist das Ihre Meinung oder die von Dugin? Ich verstehe es leider nicht ganz.

M.L.: Na sicher meine ich Rußland. Meine Meinung...

Stevanovic

24. Juli 2014 17:47

Der 4.Weg ein Gedankenexperiment, angelehnt an westliche Gedanken und Kategorien des Westens. Denn das ist, wie stets bei Russen, der Sparringspartner:

Dugins etwas voreilig passiv-aggressive Resistenz hat eine leichte Komik an sich.

Examenssituation. Vielleicht nicht direkt im Interview, aber wenn der 4.Weg nicht das Schicksal des DDR-Lipsi teilen soll, muss der Westen ihn ernst nehmen. Dann klappt es auch mit den Russen. Nur deswegen spricht Dugin mit dem Spiegel, obwohl er eigentlich das normale Volk bevorzugt (da schimmert noch der Kommunist durch). Dugin ist komisch.

Was Dugin interessant machen könnte, ist die folgende Überlegung: Was kommt nach dem totalem Nihilismus? Wenn schon alles egal war, wie gibt man den Dingen eine Bedeutung? Wie heilt man verwüstete Seelen? Daran bastelt Dugin, aber ein einfacher Etikettenschwindel kann es nicht sein.

Stevanovic

24. Juli 2014 18:13

Ein Vordenker Dugins ist der Serbe Vojislav Seselj (zurzeit in Haft in Den Haag). Der stand auch vor dem Problem, dass der Kommunismus das Serbentum zu einer Karikatur gemacht hat. Gestern überzeugte atheistische Kommunisten und stolze Jugoslawen, heute orthodoxe Serben. Fühlte sich irgendwie an wie gestern, nur noch korrupter. Also versuchte er die Leere mit einer mystifizierten Orthodoxie zu füllen. Serben sind Serben, weil sie Orthodox sind. Was dazu führte, dass jeder kahlrasierte Schläger drei Finger im Namen der Trinität hob, denn die ist serbisch. Deswegen bekreuzigen sich Serben/Orthodoxe mit drei und nicht mit zwei Fingern. Das unterscheidet einen Serben von den Katholiken. Kein Witz, es war so. Nun ist die Metro der größte Einzelhändler Belgrads, Lady Gaga war ein riesen Hit, die Kirchen sind schon wieder leer, Prostitution an jeder Ecke und Seselj bezeichnet die Verknüpfung von (toter) Orthodoxie und Serbentum als seinen größten Fehler. Mag jemand auf Dugin wetten?

Nils Wegner

24. Juli 2014 19:01

Die "4PT" als Identitätskrücke... Na, ich weiß ja nicht. Eigentlich taugt das Buch (zumindest in der stellenweise grotesken deutschen Übersetzung) eigentlich nur als geraffter, wenngleich bündiger Überblick über die philosophische Genese des (post)modernen Liberalismus.

Wo es dann mit den Überlegungen zur "4PT" an sich losgeht, wird es aber absurd und lächerlich. Im übrigen auch unnötig, da Dugin ja kein Grundsatzpapier niederschreibt, sondern lediglich mögliche zukünftige Entwicklungen skizziert.

Ein eher enttäuschendes Buch. Daß Dugin nun durch die westlichen Medien gepeitscht wird, ist tatsächlich eine Art Rasputin-Artefakt.

affe

24. Juli 2014 19:37

@ Herrn Lichtmesz

Danke, aber verstehen tue ich es immer noch nicht:

Russland ist doch als Wirtschaftsmacht kein Vergleich zur EU bzw. dem Westen als solches.

Militärisch kann ich das nicht einschätzen, aber als Laie stellt sich mir das so dar, dass Russland gegen die NATO chancenlos wäre, Schwuchtelarmeen hin oder her; die russische Armee leidet doch sehr unter mangelnden Mitteln und desolater Moral.

Zudem sehe ich überhaupt keine Intention Russlands irgendwie aggresiv zu expandieren - grade hat man erst den Verlust der Ukraine hingenommen.

Atomwaffen und ihre Verunmöglichung großer zwischenstaatlicher Kriege tun ihr Übriges.

Inwiefern halten sich also Russland für eine Bedrohung Europas?

M.L.: Gar nicht, Rußland ist einfach ein riesiger fetter Fleck auf der Landkarte, der dem "Westen" so oder so macht- und geopolitisch gegenübersteht, ob mit oder ohne Dugin'sche Reichstheologie.

Der demograph

24. Juli 2014 20:18

In meinen Augsbe macht es keinen Sinn von Rassismus zu reden ohne die entscheidenden Fakten und Ideologischen Versatzstuecke zu nennen die mit diesem Begruff zusammenhaengen.
Fakten wie:
a) das gegenueber dem gesamten Rest der Welt atemberaubende Bevoelkerungswachstum in Subsharaafrika b) die Tatsache dass es tatsaehlich So etwas wie Rassen bei Menschen gibt (dazu kann man nur das Buch von Nicholas Wade und ansonsten die hbd blogosphere empfehlen).
Kurz bei Rassismus geht es um Rasse.
Hier liegt also der Fehler von Dugin. Kritik am herrschenden Rassismus/Rasse/Antirassismus Konzept muss tiefer gehen und kann zugleich nuechterner ablaufen, naemlich wissenschaftsorientiert.
Wenn man den Rassismusbegriff auf Kultur ausweitet und dann umkehrt in dem man die Vielfalt lobt geht man dem großen Irrtum schon auf den Leim, und akzeptiert stillschweigend die falsche Annahme: Rasse wuerde in einem biologischen Sinne nicht existieren.
Nateurlich das ist nicht seine Baustelle, und muss auch nicht seine sein, aber dann sollte man auch nicht von Rassismus reden.

Der demograph

24. Juli 2014 20:20

At affe:
Seit es atomwaffen und interkontinentalraketen gibt ist die staerke eine armee doch egal. Klar, 99 prozent aller russischen raketen koennten vom himmel geholt werden, aber es reicht ja eine die new york dann doch erwischt

Zadok Allen

24. Juli 2014 20:30

(Was nebenbei gesagt, so das zuträfe, einer radikal anti-universalistischen identitären Theorie erhebliche Probleme aufwerfen würde. Denn wenn die Neigung zum „Universalismus“ einer unserer jahrhundertelang konstanten Wesenzüge ist…)

Sie haben hier den Finger in die Wunde gelegt, werter Herr Lichtmesz. Das Abendland verdankt seinen welthistorischen Rang der bis um 1900 lebendigen produktiven Spannung von Universalismus und Partikularismus.

Der Universalismus wurzelte bereits (philosophisch) im griechischen und (politisch-ideologisch) im römischen Geistesleben und bezog seine Haupttriebkraft natürlich aus dem Christentum.

Das Partikularismus bezog seine Lebenskraft aus der, wenn man so will, heidnischen Grundierung der europäischen Völker. Das waren die großen, produktiven Gegensätze: viele Stämme und Völker - ein christlicher Glaube. Zwei (drei) christliche Konfessionen - eine Geisteskultur, eine lingua franca. Später dann: viele Ideologien, viele Staaten - eine abendländische Kultursphäre.

Es gibt aus dem Dilemma, das auch (!) aus dem Absterben der produktiven Spannung und dem delirierenden Freidrehen des Universalismus sich ergeben hat, für Menschenmacht keinen Ausweg. Der Untergang der bedeutendsten Hochkultur der Weltgeschichte muß sich nun auf die erschreckendste Weise vollziehen. Corruptio optimi pessima, wie schon der Hl. Augustinus sehr treffend gesagt hat.

Im übrigen hat m.E. kaum etwas Europa in den vergangenen Jahrhunderten so sehr geschadet wie die künstliche, lächerliche Trennung seines westlichen von seinem östlichen Teil. Die orthodoxe Tradition gehört integral zum Erbe Europas, Rußland ist nie ein außereuropäischer Staat gewesen, und wenn es sich selbst so verstanden hat, dann zu seinem allergrößten Schaden.

(Ebenso tragisch-unvermeidlich übrigens dies, denn infolge seiner imperialen Expansion nach Osten und Süden konnte sich Rußland mit gewissem Recht als das kontinentale Gegenstück zum angelsächsischen Seereich empfinden.)

Zudem hat wohl auch unser Volk, das in seiner Mittellage für die Vermittlerrolle prädestiniert war, versagt, weil es sich zu vieler Feinde zu erwehren hatte. Doch sind das inzwischen nurmehr akademische Fragen.

Martin

24. Juli 2014 20:54

Ich finde es beruhigend, dass in dieser Diskussion kein Putin-Abfeiern und "Russland als messianisches Reich zur Erlösung von der EU/USA" stattfindet.

Eben Sezession und nicht pi oder ähnliches ...

Raskolnikow

24. Juli 2014 21:04

Dugin hin,
Dugin her,

wir, und das beweist dieser Kommentarstrang zum tausendsten Male sind elende Schwuchteln. Wir haben nichts in der Hand, sind völlig zerstritten, Hansi Kraus hat uns die Baseballmütze aufgesetzt ("SugarSugarBaby"), wir tanzen in Kostümen und wollen den Feind wegbassen, wollen Ritterkreuze für Schulhofspossen, wir haben keine Ahnung von gar nichts, lesen Blödsinn, hauen uns Zitate des Jura-Professors von San Casciano um die Ohren und halten Vorträge über den Einfluss der Spätantike auf Ernst Jüngers Bohnenbeet. Wir sind 100% gewaltfrei, nicht rassistisch und schmollen, wenn uns einer "Nazi" nennt. Hin und wieder produzieren wir identitäre Vlogs, in denen wir Lehrstunden über Würstel halten...

Verdammt nochmal wir sind allesamt impotente Vollpfosten, die lustig zuschauen, wie ihre Kultur zerstört wird! Wir haben den amerikanischen Verderbern und ihren europäischen Teufelsagenten nichts entgegenzusetzen. Nichts, nichts! Nichts außer dummem Geschwalle und geblähtem Getue. (Ich schreibe "Wir", denn auch ich bin ein Meister des Geblähten.)

Ein Punkt sollte aber Gegenstand Eurer Kontemplation sein: Es giebt nur noch einen ernstzunehmenden weißen Gegner der zerstörerischen Brut - Russland! Fällt Russland in die Hände der Menschenrechtler, Demokraten und Aktivisten, wird irgendwann jede "Identität" weißer Menschen unmöglich. Dann giebt es nur mehr den "einen Menschen".

Somit ist es in der Tat eine schicksalsschwere Rolle die dieses Land spielt, auch wenn das unserer geliebten deutschen Großmannssucht etwas widerstrebt. Wer sehen kann, der sehe! Wer nicht sehen kann oder will (KW, strikeback und Consorten), wer meint, es sei egal, ob "VSA" oder Rus, der soll bleiben, wo die Hamburger wachsen!

An das "deutsche Volk" und sein Aufwachen glauben ja wohl nur noch JF-Kommentatoren, mit solchem Kikifax sollten wir uns nicht die Zeit vertreiben ...

Der Bereitstellungsraum für die Schlacht liegt im Osten. Das wusste schon der gute, der beste aller Gescheiterten, Emil Cioran. Einer, dem die Heimat lange vor uns geraubt wurde. Er schließt eine seiner "Notizen" mit dem Satz: "Alles Russische ist mir nah."

Dugin sieht cool aus!

Sezessionistisch-orthodox,

R.

Nachträge zum Merken:

a) Es braucht keiner was sagen; was ich schrieb, ist die Wahrheit!
b) Und wer Hamburger frisst, ist schwul!

Martin

24. Juli 2014 21:58

Jetzt ist es doch passiert - und ausgerechnet der geschätzte R. sieht in Russland die letzte Bastion.

Wie sehr dies auch nur Wunschdenken und realitätsferne Utopie ist, zeigen insbesondere die realistische Beiträge von Stevanovic.

Werter Raskolnikov,
hätten Sie doch nur einmal die Gelegenheit, mit den Business-Meni geschäftlich zu tun zu haben, dann würden Sie wissen, das einzige, was UNS noch hilft ist, dass wir uns wie Münchhausen-Selig am eigenen Schopf aus dem Sumpfe ziehen. Uns hilft niemand - und die Russen schon gar nicht, da können die Russen über Schwuchteln herziehen, wie sie wollen, die Russen sind die wahren Pussies ...

Joseph von Sternberg

24. Juli 2014 22:07

Dugin hat mich mal sehr interessiert: als ich vor 10 Jahren durch Evola und Weininger begeistert wurde habe ich auch Sedgwick Against the modern world gelesen. Die Biographie Dugins war wirklich faszinierend. Wie er in der Leninbibliothek Cavalcare la tigre entdeckte, dann anfing italienisch und französisch zu lernen um Guenon und Evola zu lesen. Wahnsinn!!

Dann die Entfernung aus dem Studium ... sein Leben als Straßenkehrer - mit gefälschtem Bibliotheksausweis dann nach Feierabend wieder in die LeninBib. Sein Spezi Gajdar, der in die stereotype Psychiatrie kam. Das ist ein Leben, daß zum Mythos werden kann. Ganz wie bei seinen Vorbildern, die er in der Bibliothek entdeckt hatte... (Übrigens glaube ich, daß sein Christentum dasselbe ist wie Guenons Islam oder Ficinos Katholizismus)

Andererseits liegt darin akzidentiell schon die Unintellektuallität seiner "Philosophie": ich glaube es geht hier mehr um die Pflege eines Habitus - so wie die Beatniks in den 40ern - die Punker in den 70ern: die haben keinen Philosophen - bestenfalls irre Stifterfiguren - meinetwegen Kultgründer wie Leary, Crowley, etc. - unter philosophischen Gesichtspunkten immer eine Beleidigung der Intelligenz.

Ich wäre aufgeschlossen mehr von ihm zu lesen. Als dann die 4. Theorie kam, las ich die Rezensionen auf CounterCurrents etc. und war enttäuscht – ein dünnes Bändchen voller blauem Dunst – mit einem hochtrabenden Titel versehen. Ich wäre bereit zu glauben, daß der Verlag ungeschickt hantiert hat. Aber was ich sonst noch gelesen habe, auch das Ochsenreiter-Interview bei Altright (wurde das eigentlich von compact auch rausgebracht?) schafft eine ungute Ahnung.

Der Rauschebart scheint dabei auch mehr Schein als Sein zu sein. In Deutschland rennen ja unsere Philosophen-Sykophanten heute gerne mit Franz-Liszt-Frisur rum (Precht, Welzer – mit Abstrichen Sloterdijk). Auch darin wäre er nur das feindliche Spiegelbild des Westens... möglicherweise ein Philosophendarsteller vom Schlage BHLs (Jude mit Mendelssohn-Bartholdy-Frisur).

p.s. Leute die polyglott sind müssen keine großen Denker sein – im Gegenteil: warum sollte Gott, der schon so großzügig war, noch mehr Talente verschenken...

p.p.s. Was komisch war – war auch dieses verschwurbelte Geopolitik-Interview von Ochsenreiter – mit Land und Meer à la Schmitt. Wenn ich so was lese denke ich nur an Occams Rasiermesser – oder an Borat: "Although Kazhakstan glorious country – it has a problem: social, economic and ..." Nein das sag ich jetzt nicht :-)!!!

p.p.p.s. In der Anglosphäre war man ziemlich böse auf ihn wegen der Ukraine – Ramzpaul sagte glaube ich, das Dugin eigentlich nichts andres ist als ein Russischer NeoCon... Hat was für sich...

Monika

24. Juli 2014 22:48

Gott kann alles, außer den Menschen zwingen, ihn zu lieben

Aus : das Gebet der Ostkirche, Paul Evdokimov

Lieber Rakolnikow,
Auch wenn keiner was sagen braucht :
auch mir "ist fast alles Russische nah".
Wir haben den amerikanischen Verderbern und ihren europäischen Teufelsagenten nichts entgegenzusetzen ? Nun ja, vielleicht ein paar Importhelden:
https://www.blauenarzisse.de/index.php/gesichtet/item/4755-land-der-weicheier
Die sind dann aber nicht ganz weiß. Außerdem gibt es noch weise Frauen !
Es gibt auch Russen, die noch viel cooler ( Amislang !) aussehen als Dugin. Dessen Bart scheint mir ungepflegt. Dagegen Anton Tschechow ! Ein Frauenversteher. Kein Hirnhund.nein Bild von einem Mann.

Ach ja, zur deutschen Großmannssucht:
vielleicht sind wir Europäer gar nicht amerikanisiert, sondern die Amerikaner europäisiert.
Und so ganz blödsinnig ist die Diskussion nicht. Stevanovic hat eine sehr aufschlußreiche Geschichtslektion erteilt. Ihm sei Dank.

Strikeback

24. Juli 2014 22:51

@ Raskolnikow

Russland ist eine multikulturelle Gesellschaft, in der die rechte Opposition entweder vernichtet oder unterdrückt ist.
Putin ist ein imperialer Herrscher, dem die Weißen egal sind.
Alles andere ist Illusion.
Lesen Sie dazu die Artikel bei Counter Currents Publishing und Occidental Oberserver.
Trotzdem stimme ich Ihnen zu, daß Russlands Politik immer noch besser als die der USA ist.

CCCED

24. Juli 2014 23:53

Sie, Herr Lichtmesz,

schreiben aus einem besetzten Gelände. Wir Deutschen sollten Achtung und Respekt vor Russland haben, es ist vielleicht das letzte souveräne Land in Europa. Jetzt wird zum Sturm auf die russische Bastion geblasen.
Wir Deutschen sollten uns nicht gegen Russland wenden, das ist uns nie gut bekommen. Falls der aktuelle Konflikt eskaliert, werden wir nicht nur Zuschauer sein.
Wir sind Teil des USA/NATO Imperiums, unsere Souveränität wird von diesem Imperium ausgeübt. Schauen Sie sich die Standortkarten der USA/NATO Stützpunkte in Europa und in Deutschland an, dann bleiben keine Fragen offen.
Dugin stellt uns schonungslos diese schmerzhafte Tatsache vor Augen. Tut Ihnen das weh? Sie haben zu viel mit ihm gemeinsam um in diesen Zeiten eine Lanze gegen ihn zu führen!

M.L.: Pardon, aber ich habe keine Freude, an diesem Zwang, dauernd und überall Partei ergreifen zu müssen, und dann noch nach Vorgabe der Parteidisziplin mit Kritik oder Analyse hinter dem Berg zu halten. Ich habe mich weder "gegen" noch "für" Rußland ausgesprochen; ich wüßte auch gar nicht, wie ich das tun soll. Rußland ist erstmal eine Tatsache, Punkt. Was die Sympathiewerte betrifft, so bin ich bisher fast immer auf Seite Putins gewesen, egal ob es nun die Pussys, die Ukraine, oder den Woarmen Krieg betrifft... Und Dugin habe ich ja hoffentlich auch differenziert genug gewürdigt. Dank Leuten wie ihm macht es weiterhin Spaß in den Gefilden der Rechtsintellektuellen. Und: ich hoffe wie unser Kommentator Raskolnikow durchaus auf eine katechontische Rolle Russlands...

Philipp

25. Juli 2014 00:46

Ich selbst kann diese Angelegenheit nur ungenügend beurteilen, aber auch hier hält jemand Dugins Orthodoxie für nicht echt:

https://ef-magazin.de/2014/06/10/5414-russland-krieg-gegen-den-liberalismus-teil-1

Heinrich Brück

25. Juli 2014 00:56

Cioran:

- Wenn man keine Eroberungen mehr macht, willigt man ein,
erobert zu werden.

- Die Kunst, die Liebe, die Religion, der Krieg - wir wissen zuviel
darüber, um noch daran zu glauben; und so viele Jahrhunderte
haben sich daran verbraucht. Die Epoche der Vollendung und
der Fülle ist vorüber ...

- Wer will noch kämpfen? Der Held ist veraltet ...

- Da wir unsere Gescheitheit nicht gegen Muskelkraft verteidigen
können, werden wir immer weniger zu irgendwelchen Zwecken
brauchbar sein: der erste beste wird uns in Fesseln legen.

(Syllogismen der Bitterkeit, 1952).

Nur Mut, die Geschichte geht weiter. Dugin ist eine imponierende
Erscheinung, der das Ende der Geschichte nicht akzeptieren kann.

Ein Fremder aus Elea

25. Juli 2014 00:58

affe,

sehe ich auch so wie Sie. Zu Zeiten des Ersten Weltkriegs war die Furcht der deutschen Militärs ja noch begründet, von wegen was passiert, wenn die modernisieren.

Aber wenn man statt Deutschland die EU in die Waagschale wirft, sieht es schon anders aus. Rußland kann vielleicht 200 Millionen Menschen ernähren, deutlich mehr als Deutschland, deutlich weniger als die EU.

Belsøe

25. Juli 2014 01:41

Ach ja Herr Dugin, das russische Recht des Kollektivs. Das ist natürlich unbedingt zu respektieren, solange es nur darum geht, zu fünft irgendeinen harmlosen Schwulen halb tot zu prügeln oder dem aufsässigen Bürger Rechtssicherheiten vorzuenthalten. Wenn hingegen Macht und Mafiagewalt das Kollektiv um milliardenschwere Staatsbetriebe bringen, wenn besoffene Marodeure die Leichen ups! umgebrachter Niederländer plündern, wenn ein gewonnener Krieg mit Massenschändungen gefeiert wird - ja dann, dann zuckt die russische Seele quasizigan grinsend mit den Schultern. Und dass sie dies zu tun vermag, gerade WÄHREND sie einen Band Schiller in der Hand hält, sagt mir dass ich mir hier kein Vorbild zu nehmen habe. Dies Land ist uns in Sachen Verfasstheit und Institutionen meilenweit hinterher, und redet sich diesen Umstand schön indem sie ihn, um bei Dugin zu bleiben, auf "Ihr habt aber Gaypride, mimimimimi" zu reduzieren versucht. Lächerlich!

Wenn man Putin eines zugute halten will, dann dass er versucht so etwas wie eine relativ zivilgesellschaftliche Mittelschicht zu fördern. Und dass er dies mit realistischen Erwartungen und Zeitrahmen tut.

Bis auf weiteres aber ist die russische Gesellschaft vor allem eines: unglaublich abgefuckt.

Ein Fremder aus Elea

25. Juli 2014 09:58

Stevanovic,

1. Sie irren, wenn Sie den Panslawismus für eine russische Erfindung halten. Er wurde in Österreich-Ungarn als Antwort auf den Pangermanismus geboren. Die beiden Komponisten Wagner und Smetana verdeutlichen das exemplarisch.

Nichts hätte auch dümmer sein können, als wenn die russische Aristokratie, welche ungefähr zur Hälfte deutsch war, die Bedeutung des Slawentums hervorgehoben hätte. Schon 1812 im Krieg gegen Napoléon hatte der Zar seine Not damit, daß er den Oberbefehl über die russische Armee einem alten und feigen Adligen überlassen mußte, nur weil er der einzige greifbare gewichtige waschechte Russe war, während er Leute, welche tatsächlich was geleistet hatten, wie zum Beispiel die Einnahme von Minsk während Napoléons Rückzug, auch noch öffentlich zur Schnecke machte.

Es ging beim Panslawismus nicht um Russifizierung, sondern darum, Druck auf Rußland auszuüben, um den "Brüdervölkern" zu nationaler Freiheit zu verhelfen, wie es dann ja auch geschehen ist.

2. Sie irren wieder, wenn Sie meinen, daß das Bekreuzigen mit drei Fingern etwas ist, was die Katholiken und Orthodoxen heute von einander unterscheidet. Das ist nämlich ein Thema, welches schon Dostojewski aufgriff, im Idioten. Die ALTGLÄUBIGEN, welche vor dem Zar über den Peipussee nach Estland geflohen sind, übrigens, haben sich deshalb mit der orthodoxen Kirche zerstritten, weil sie sich weiterhin mit drei Fingern bekreuzigen wollten. Diese Ereignisse liegen aber mehr als 150 Jahre zurück.

3. Im übrigen geht es nicht Dugin, sondern der orthodoxen Kirche darum, etwas zu finden, was verwüstete Seelen heilt. Dugin geht es im wesentlichen um zwei Dinge. Erstens seinen Job als Geopolitiker zu tun und zweitens vernetzend zu wirken. Nihilistisch ist Dugin gewiß nicht, und der Wunsch nach einem Sinn in der Sinnlosigkeit ist, würde ich sagen, spezifisch katholisch, war es sogar schon vorher, wenn Sie antike römische Autoren lesen. Er ist eine direkte Folge des Vorhandenseins von ausgereiften Institutionen. Denn wo Institutionen nicht ausgereift sind, da gibt es ja einen ganz offensichtlichen Sinn im Leben, nämlich die Institutionen zu verbessern. Und genau von diesem Sinn ist Dugin ergriffen...

Stevanovic

25. Juli 2014 12:23

@Ein Fremder aus Elea

Der Fluch des schnellen Tippens hat mich eingeholt. Leider muss ich das aus Zeitgründen wiederholen.

Zu 1) Sie haben ohne Zweifel Recht.

Das war der Panslawismus. Dass er heute tot ist, ist den Erfahrungen der slawischen Völker mit der roten Armee und ihrer Version der slawischen Hochkultur zu verdanken. Es ist kein Zufall und es ist keine westliche Verschwörung, dass kein slawisches Volk (außer ein paar Serben, die weit genug weg sind) über diese Idee auch nur nachdenkt. Wenn alle lieber zu den USA gehören, sagt das mehr über die Zustände in Russland, als über die USA aus. Der Panslawismus ist gescheitert, das kann ich mir auch nicht schön saufen (habe es versucht), Korruption und Verrat der kleinen Slawen liegt auch nicht vor – Russland hatte seine Chance. Heute sind die kleinen Slawen erbitterte Gegner der Russen und das hat gute Gründe. Der Panslawismus ist tot.

Zu 2) Auch da haben Sie Recht, nur um die ging es mir nicht

Mir ging es um die Wiederbelebung der Orthodoxie in Serbien, Dugins Ideen wurden da zum Teil von Seselj schon durchgespielt. Die orthodoxen Serben bekreuzigen sich mit drei Fingern. Wenn sie googeln, finden sie viele Bilder kahlrasierter Anabolika-Stiere mit drei gereckten Fingern. Das ist auch schon alles, was diese Leute über Orthodoxie wissen. Dass es etwas mit der Trinität zu tun hat, haben manche schon gehört. Dass auch die Orthodoxie viele Facetten hat, ist denen vollkommen unbekannt. Von dem Frühling der Orthodoxie ist Schwulenklatschen übriggeblieben. Das ist mir zu dünn, um von einer Identität zu sprechen. Nicht viel anders sieht es in Russland aus. Die Aussage: „Ich als Orthodoxer…“ ist eine hohle Phrase, zumindest als Breitensport.

Zu 3) Teils/Teils

Erstens seinen Job als Geopolitiker zu tun und zweitens vernetzend zu wirken.
Ja, keine Frage.

Nihilistisch ist Dugin gewiß nicht

Da muss ich Ihnen wiedersprechen. Natürlich berichte ich gerade live aus dem Kaffeesatz.
Sie unterschätzen, was der Kommunismus angerichtet hat. Während es in der DDR ja immer noch die BRD als alternatives Gedächtnis gab (lassen Sie uns dieses Thema nicht eröffnen), gab es in Russland nur eine Version der Geschichte. Das wäre an sich ja nicht schlimm, nur diese Version wechselte innerhalb einer Generation mehrmals fundamental und Fehler beim Wechsel waren tödlich. Dies konnten sie mental nur durchstehen, wenn sie wirklich jede rebellische Regung ihres Geistes unterdrückten und das ging nur damit, dass sie die Inhalte alle relativierten, vulgo: eh alles relativ, glaub an das, was in der Situation hilft.
Dazu passen Dugins Sprünge und auch sein Faible für Okkultismus. Auch sein Zugang zur Orthodoxie ist ja sehr am Ergebnis orientiert, um es milde auszudrücken. Er ist Nihilist, aber er will keiner sein.

Ef, verlinkt von Philipp:
Obwohl er nie ein Kreuz trägt, stilisiert sich der Kreationist Dugin selber als streng gläubig in der russisch-orthodoxen Tradition. Er bewundert die Frömmigkeit der russisch-orthodoxen Gemeinde und ihrer Anhänger.

Er bewundert, er fühlt es aber nicht. Wie jemand, der fasziniert ist von der Stimmung im Stadion, der aber nicht begreift, was auf dem Feld passiert. Wie gesagt: live aus dem Kaffeesatz.

und der Wunsch nach einem Sinn in der Sinnlosigkeit ist, würde ich sagen, spezifisch katholisch, war es sogar schon vorher, wenn Sie antike römische Autoren lesen.

Vielleicht im Ergebniss gleich, ist Dugins Nihilismus eine Folge des Kommunismus, genauer des Stalinismus. Es ist kein Nihilismus der Langeweile, es ist ein Nihilismus, ohne den man nicht überleben konnte. Wenn Dissidenten davon sprachen, dass der Stalinismus die Seelen mordete – nun, so sehen die lebenden Toten dann aus. Das ist was anderes als Weltschmerz.

Uj, viel zu viel.

Stevanovic

25. Juli 2014 12:58

@Belsøe

und redet sich diesen Umstand schön indem sie ihn, um bei Dugin zu bleiben, auf „Ihr habt aber Gaypride, mimimimimi“ zu reduzieren versucht.

...so kann man das zusammenfassen, ja.

Raskolnikow

25. Juli 2014 13:37

Natürlich,

sind das alles lächerliche Donquichotterien und gestern ist mir wahrscheinlich die abendliche Runengymnastik etwas zu Kopfe gestiegen. Meine Zirbeldrüse brachte den halbleeren Hirnkasten zum Überkochen und dann "ist es doch passiert – und ausgerechnet der geschätzte R. sieht in Russland die letzte Bastion." Verzeiht mir mein furibundes Gekritzel! Ich bin Eurer Gunst niemals würdig gewesen und werde ab jetzt still das Schiffstagebuch führen ...

... nur einmal die Gelegenheit, mit den Business-Meni geschäftlich zu tun zu haben, dann würden Sie wissen ...

Würde ich das Zutunhaben mit deutschen Konservativen (Bisnesmen-Substitut) als alleiniges Beurteilungskriterium für den Zustand Deutschlands heranziehen, würde ich mein Kapital in Flugscheiben anlegen und mich für die Eroberung des Mondes rüsten ...

Auch wenn Ihnen mein unnützes Geschwätz beschwerlich ist, kann ich Sie doch nicht vom Mitdenken entsetzen, egal wieviele "realistische Beiträge" Sie gelesen haben. Und die amerikanisierteste, hedonistischste und abgefuckteste Gesellschaft, die meine weitgereiste Oma je besucht hat, war die Hipstercity Teheran. Und nu´?

Wie sehr dies ... realitätsferne Utopie ist, zeigen insbesondere die realistische Beiträge von Stevanovic. ...Lesen Sie dazu die Artikel bei Counter Currents Publishing und Occidental Oberserver.

Ich bewundere Eure Belesenheit aufrichtig! Wart Ihr mal in Machatschkala oder Grosny? Oder in Astana und dann zurück nach St. Petersburg ? Ihr werdet verschiedene Welten, verschiedene Kulturen vorfinden! Multikulturelle Gesellschaft, na und? Wenn die Grenze meines Reiches nun mal verschiedene Kulturen umfässt ... Man kann wenigstens (noch) verschiedene Kulturen erkennen, im Gegensatz zu den westlichen Melting Pots. Potzblitz!

Danach fahrt Ihr durch Europa und Zentralamerika. Ihr werdet nur Vororte von Neu York oder Los Angeles vorfinden.

Wer den Unterschied zwischen einem Hegemon, der ab und an Waffengewalt gebraucht, Aufmüpfige unterdrückt und Widerständler ins Gefängnis wirft und einem, der die totale Vernichtung aller Lebensgrundlagen betreibt (Familie, Religion, Kunst, Ernährung, Bekleidung, Sprache, usw...), nicht erkennt, der ist ein Depp! Mehr wollte mein Beitrag nicht sagen.

Ob nun Dugin, Putin, die Kirche, die Neo-Slawophilen oder sonstwer irgendwelche Diskurse bestimmt, bleibt letztlich weniger wichtig, als das Bestehenbleiben eines russischen Batzens. Wie verbeult der auch immer sein mag.

Russland ist kein Paradies und die Russen sind keine Heiligen, aber wer aus völlig verfehlter Selbsteinschätzung (Ich bleibe bei meiner gestrigen!) den Nutzen eines dicklichen aber starken Ostens nicht sieht, der soll halt weiter auf Reichsflugscheiben, geheimnisvolle Selbstheilungsprozesse beim deutschen Bürger oder (noch irrer) die AfD hoffen ... Und immer schön Runengymnastik exerzieren, vielleicht kommt ja der Polsprung und alles wird wiligut!

Trotz allem gnadenerheischend,

R.

Ein Fremder aus Elea

25. Juli 2014 14:52

Stevanovic,

das Thema Nihilismus ist interessant. Ich würde gerne auch noch etwas bei ihm verweilen.

Ich denke, die direkt vom Stalinismus Betroffenen haben oft im Alkohol Zuflucht genommen. Viele haben die Schnauze gehalten. Und der Haß auf jene, welche es nicht getan haben, dürfte auch weit verbreitet gewesen sein.

Aber das war's dann auch. Die Sache ist ja nicht erblich. Spätestens in den 80ern hat die Sowjetunion doch nichts anderes mehr versucht, als die westlichen Verhältnisse sozialistisch nachzubilden, in Mode, Musik, Freizeitverhalten, schließlich auch in Ansätzen wirtschaftlich.

Das war natürlich weiterhin dirigistisch, aber so leicht kriegt man den Menschen auch nicht kaputt.

Hier zum Beispiel, gleich nebenan, hat einer noch zu sowjetischen Zeiten in Eigeninitiative eine Skilanglaufstrecke in den Wald gerodet und Hütten gebaut.

Pathologisieren Sie Dugin also nicht über die Maßen. So alt ist er auch nicht, daß er die Säuberungen nach dem Krieg gegen die Weißen miterlebt hätte (Doktor Schiwago).

Er glaubt an etwas, das sieht man ihm an, er muß sich nicht erst, wie Nietzsche es vorschlägt, dazu bringen, etwas zu glauben.

Das ist doch ganz normal. Ich glaube auch an etwas. Man wird so geboren, und dann später lernt man die bereits um einen herum existierende Religion kennen, und dann kommt es zu diesem teils auch etwas unangenehmen Prozeß der Annäherung an sie.

Ich bin ein Christ, fein. Ich hatte damit so meine Probleme zur Zeit der Konfirmation, von wegen: "Wer sagt, er sei Gottes Sohn, gehört an's Kreuz geschlagen! Das ist Blasphemie!"

Ich bin sozusagen von Natur aus jüdisch oder islamisch. Nun ja, dann fand ich allerdings folgenden Konfirmationsspruch, und damit habe ich meinen Frieden gemacht:

"Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes."

Also letztlich alles eine Definitionsfrage...

Und das ist es wirklich. Ich meine, Sie haben als Junge nicht wirklich eine faire Chance, Sie stehen da gegen Jahrtausende religiöses Denken. Auch unter der Annahme, daß dessen Resultate alle stimmen würden, könnten Sie sie kaum in dem Alter verstehen, geschweige denn ihnen zustimmen.

Nun gut, Dugin bewundert orthodoxe Priester, aber er ist keiner. Na und?

Da gibt es noch ziemlich viel dazwischen, zwischen Nihilist und Priester.

Ich sehe das eher als Beweis dafür, daß er an etwas glaubt, denn wenn er an nichts glauben würde, dürfte es ihm viel leichter fallen, sich praktisch näher an der orthodoxen Kirche zu positionieren.

Anathema bedeutet ursprünglich ja nur, seinen eigenen Weg zu gehen.

Hmm... nun ja. Denke ich, daß Jesus Lazarus auferweckt hat?

Ich denke, ich weiß, was es heißt.

Aber der Westler an sich ist metapherblind. So blind, daß er Zeitreisende aus dem Mittelalter sagen läßt: "Ich habe stählerne Rösser gesehen, die sich schnell auf geraden Bahnen bewegt haben."

Ein Metallurge also... und einen Audi hat er also nicht gesehen. Aber wirklich, das Publikum wüßte nicht, wovon die Rede ist, wenn er: "Ich habe seltsam flache Rösser gesehen, die mit ungeheurer Geschwindigkeit über den Boden krochen." gesagt hätte.

Rennschnecken wahrscheinlich aus der unendlichen Geschichte.

Selbst in der Mathematik, wo abstrakte Strukturen ja Thema sind, sind die Bezeichnungen nie metaphorisch. Eine Gruppe könnte metaphorisch Zweig genannt werden, oder weniger abstrakt Horizont.

Sieht einer die metaphorische Ähnlichkeit zwischen Zweig und Horizont?

Also daß aus einem Zweig immer wieder ein Zweig hervorgeht, ebenso wie bei einem Horizont, wie die Operation der Gruppe auf sich selbst immer wieder in dieselbe Operationssituation zurückführt?

Ne, das ist unserem Denken völlig fremd.

Aber das griechische Denken war voll davon.

Das ist nicht schön. Dahinter steht der Glaube, man könne alle Fakten kennen und alle Weisheit auf Papier bringen und selbst den Einfältigsten mit der richtigen Anleitung zum vollkommenen Experten machen.

Schauderlich.

F.H.

25. Juli 2014 14:54

Es gibt diese Idee von Russland wie wir diese Idee von Deutschland haben. Es entspricht nicht der Wirklichkeit, und hat es auch nie, aber es sind schöne Ideen und Dugin will sie wiederbeleben und das können deutsche Nationalisten natürlich gut verstehen. Ansonsten will er einem verpletten, dass wir uns Russland anhängen müssen, aber da hat er sich mal geschnitten. Die Russen sind wahnsinnige Chauvinisten und er ist ein Selbstdarsteller und Wichtigtuer. Ich glaube, er sollte es mal als Uhrenmodel versuchen.

M.L.: Um nicht zu sagen, "verplettenbergern"...

Trouver

25. Juli 2014 16:31

Militärisch kann ich das nicht einschätzen, aber als Laie stellt sich mir das so dar, dass Russland gegen die NATO chancenlos wäre, Schwuchtelarmeen hin oder her; die russische Armee leidet doch sehr unter mangelnden Mitteln und desolater Moral.

werter Affe, ob Scwuchtelarmee, oder desolate Moral - im Ernstfall wird nicht Ursula-von-der-Leyen Kindergartentruppe kämpfen, sondern US- und Polenarmee, die mitnichten Problem haben, jemanden wegzubassen, da für diese 1945 etwas anderes bedeutet, als für die Ursula v.d.L.

Polen hat die Internationalsozialisten militärisch besiegt - 1920. Kaum jemand erinnert sich daran.

BRD würde ihr übliches tun - die Lagerarbeit.

Monika

25. Juli 2014 16:40

In Gontscharows bedeutendstem Roman wird der lethargische Typ durch den Titelhelden Ilja Iljitsch Oblomow verkörpert. Durch die materielle Sicherheit seines Standes in die Lage versetzt, seine Introvertiertheit und Untätigkeit zu pflegen, findet Oblomow keinen Ausweg aus der erstickenden Ruhe, Trägheit und Schläfrigkeit, welche die Darstellung seines Lebens leitmotivisch durchziehen. Er verliert sich in den Traum eines geborgenen, sicheren, von aller Verantwortung freien Lebens, in dem der Mittagsschlaf Zentrum und Schwerpunkt der täglichen Verrichtungen ist. Pläne, das väterliche Gut Oblomowka zu pflegen, werden von einem auf den nächsten Tag verschoben, weshalb es mehr und mehr in Verfall gerät.

Lieber Raskolnikow,
Die Gnade sei gewährt. Ich verstehe, dass Sie die Russen lieben.
Nur eine wirklich ganz ernst gemeinte Frage:

Wie kann man einer verfehlten Selbsteinschätzung entgehen, wenn man keinen Außenblick einnehmen kann ? Und nicht in der materiellen Lage ist, seine Introvertiertheit und Untätigkeit zu pflegen ? So wie Oblomov.

Und bitte - lassen Sie uns ab uns an an Ihrem Schiffstagebuch teilhaben !

Eine gute Reise, wohin immer Sie auch abtauchen.

affe

25. Juli 2014 16:41

Raskolnikow, Sie tun dem identitären Vlogger schweres Unrecht mit Ihrer Tirade.

Der Mann ist 100mal mehr wert als jeder Kommentarspaltenkrieger hier, Sie als der König derselben eingeschlossen.

Bemühen Sie sich einer gewissen Bescheidenheit.

M.L.: Keep calm and eat Schokobananen, take Stock aus dem Arsch & tune in to the Raskolnikow-Wavelength...

Martin

25. Juli 2014 16:54

Werter R.,

bitte nicht einschnappen, aber

der die totale Vernichtung aller Lebensgrundlagen betreibt (Familie, Religion, Kunst, Ernährung, Bekleidung, Sprache, usw…),

findet in Russland genauso statt, wie im "Westen" (man schaue nur - als klitzekleines Beispiel - auf die exorbitanten Abtreibungsraten in diesem Land oder die Dekadenz seiner Eliten).

Ansonsten finde ich, was F.H. soeben geschrieben hat

Es gibt diese Idee von Russland wie wir diese Idee von Deutschland haben. Es entspricht nicht der Wirklichkeit, und hat es auch nie, aber es sind schöne Ideen ... .

sehr treffend. Das man die Idee, des tiefen, guten Russlands schon rein ästhetisch schöner findet, als die in einem verschrumpelten Auszugsmehlbrötchen befindliche Bulette, wie einem die One-World heutzutage besonders gerne entgegenkommt, ist unbestreitbar (interessanterweise geistert gerade durch die Meldungen, dass Russland einen Mc.D. Boykott plant). Aber man vergesse doch bitte nicht, dass es auch eine Idee der USA gab, dass es Leute wie Thoreau etc. gab, dass die USA genauso ihre tiefen, schönen Seiten hatte, die sich in Kunst und Literatur zeigen etc. - und von daher bleibe ich dabei, die Krise des "weißen Mannes" ist omnipräsent, auch und gerade in Russland, auch wenn ein Putin den einen oder anderen Kontrapunkt hierzu setzen will, der aber nur oberflächlich und schal gerät, da es am Ende dann doch nur ganz schnöde um die in Dollar (!) abgerechneten Rohstoff- und Energieträgererlöse geht ... (deswegen wird es auch nie einen echten Krieg geben - alle sind viel zu sehr miteinander wirtschaftlich verbandelt).

Strikeback

25. Juli 2014 21:20

Eines möchte ich noch einmal klarstellen: Vieles in der gegenwärtigen russischen Politik, z.b. der Außenpolitik finde ich gut. Ich bin auch ein erklärter Freund des Russischen Volkes und Herr Dugin ist bestimmt ein ehrenwerter und intelligenter Mann.

Dennoch: Wir Deutschen sollten unsere eigenen Interessen vertreten und keine faulen Kompromisse schließen. Da, wo Dugin irrt, muß man es sagen. Das bedeutet noch lange nicht, daß er damit auf die Feindseite gestellt wird.

Für mich ist die Erhaltung unserer europiden Art (ich weiß, eine mäßige Umschreibung des Unsagbaren!) oberstes Ziel. Dazu zählen nun auch einmal die europäischen Amerikaner. Ein Multikultistaat imperialer Prägung ist überall abzulehnen.

Aliquid

25. Juli 2014 21:33

@Martin

Was ihr Glaube an den Fortbestand des Dollar
als 'reserve currency' betrifft, empfehle ich Ihnen
dringend, ihren, vorsichtig ausgedrückt, etwas unzureichenden
Informationsstand mit den gegenwärtigen Entwicklungen
(Stichword 'BRICS') abzugleichen.
siehe hierzu insbesondere 'zerohedge'
der auch auf alle Originalquellen verweist.

Was denn Abschuss der MH17 betrifft:
Es gibt mittlerweile erste Photos die zeigen, daß
sich auf der linken Cockpitseite Löcher befinden,
auf denen das Metall nach außen gedrückt wurde.
(da hat die faz in der Hitze des Propagandagefechts
wohl die 'falschen' Bilder gezeigt. (lol))
Wobei aber auch in der 'atimes' mittlerweile auf
diesen Umstand verwiesen würde.

Das würde bedeuten, daß die MH17 von einer
Luft-zu-Luft Rakete oder gar von einer
Bordkanone getroffen wurde...

Rumpelstilzchen

26. Juli 2014 07:54

Na, da liest die FAZ wohl mit:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/russland-will-mcdonald-s-burger-verbieten-13065217.html

Wo gibt es Mac Donald eigentlich nicht und warum ?

Dazu vielleicht mal ein eigenes Fass öffnen.

Auch die Chinesen werden immer fetter und kränker. Auch sie lieben ES.

Mir gibt es immer wieder einen Stich, wenn ich im geheimen Deutschland oder Frankreich diese Embleme sehe. Ähnlich, wie an einem katholischen Wallfahrtsort eine Verschleierte zu sehen.
Oder ein Windrad im schönsten Wiesengrunde.
Oder eine Kondom-Werbung dee Aids-Stiftung.

Gehen da eigentlich auch Muslime rein ?

Rumpelstilzchen

26. Juli 2014 08:06

P.S.
Andererseits wird Amerika aldisiert. Und die Albrechts waren gut katholische Deutsche vom alten Schlag.
Könnte Aldi nicht auch nach Russland expandieren ? Mit einem russischen Konzept. Einer Edel Wodka Abteilung oder so ?

https://www.welt.de/wirtschaft/article2646154/In-den-USA-ist-Aldi-schon-Luxus-geworden.html

Rumpelstilzchen

26. Juli 2014 08:17

Und auch "Die Welt" macht den Russen zum Thema:
Tragisch:
https://www.welt.de/politik/article130581206/Betrunkener-Russe-ueberfaehrt-US-Friedensradler.html

Nordlaender

26. Juli 2014 09:16

@ Strikeback

"Für mich ist die Erhaltung unserer europiden Art (ich weiß, eine mäßige Umschreibung des Unsagbaren!) oberstes Ziel."

Tja, das ist biologisch eindeutig verkehrt, haben wir es doch bei der Species mit dem schlechthinnigen homo sapiens sapiens zu tun. Aber vielleicht strategisch besehen ein ganz gescheiter semantischer Kniff, um von den Häschern des minitrue (Wahrheitsministerium) noch einmal in Ruhe gelassen zu werden. Denn im Falle von Subspeciezismus ist mit denen nicht zu spaßen.

Europäische Aufklärung? Schnee von vorvorgestern. Genügte es zu Urgroßmutters Zeiten, das nackte Bein züchtig mit dem Tuche zu verhüllen, läßt man heute von Biologie und Evolutionslehre lieber gänzlich seine Finger.

Martin Lichtmesz

26. Juli 2014 09:55

Die FAZ im Juni über Dugin:

Alexander Dugin, promovierter Philosoph und Politikwissenschaftler, ist Professor an der soziologischen Fakultät der Moskauer Staatsuniversität, offizieller Berater des Duma-Vorsitzenden Sergej Naryschkin und gilt als Putins geheimer Favorit. Im Gegensatz zum Präsidenten liebt Dugin das spirituelle Abenteuer. Mit Hilfe seiner imponierenden Bildung und Eloquenz drehte er die verschiedensten esoterischen Schrauben, um die Geschichte aufzumischen. In seinem bewegten Leben war Dugin Mitglied der nationalpatriotischen Front „Pamjat“ und eines okkulten „schwarzen SS-Ordens“, er gründete die Partei der Nationalbolschewiken, war Verschwörungstheorielehrer beim Generalstab, propagierte diverse Religionen. Vor allem aber holte er das „Eurasiertum“ russischer Emigranten, die im Pariser und Berliner Exil Stalin zum „roten Zaren“ umdeuteten, aus der literaturwissenschaftlichen Mottenkiste und wertete es auf zu einer vermeintlich zukunftsfähigen russischen Reichslehre.

Jetzt ist Alexander Geljewitsch eine Kultfigur und wägt seine Worte. Faschistisch und totalitär sei in Wirklichkeit der westliche Liberalismus, belehrt er mich zur Begrüßung, offenbar zornig, dass die meisten Europäer das nicht begreifen. Die Todsünde des Westens sei, dass er die eigenen Werte, Demokratie und Menschenrechte, Individualismus und Marktwirtschaft, für universal halte und anderen aufdränge, erklärt der blasse Denker mit dem Patriarchenbart. Das sei rassistisch. Ich komme nicht mit. Etwas dreht sich mir im Kopf.

Dugin hilft mir: Menschliche Rassen seien kulturelle Kategorien. Annahmen, wonach genetische Faktoren sie bestimmten, seien widerlegt. So wird die Menschenrechtsdeklaration rassenspezifisch. Er habe übrigens gar nichts gegen bärtige Frauen in Österreich, merkt er jovial an. Die Genderlehre habe darin recht, dass das Geschlecht nicht biologisch determiniert sei. Doch statt durch den Willen des Individuums wie im Westen entscheide in Eurasien die Gesellschaft über jemandes Geschlecht. Als Beispiel erinnert er an den historischen Brauch, Sklaven zum Zeichen ihrer Nichtmännlichkeit Röcke anzuziehen.

Freilich wird Dugin sogar in Russland niemals populär sein. Das will er auch gar nicht. Als konservativer Revolutionär verachtet er die Masse. Dugin ist ein Papierarchitekt, wie man die sowjetrussischen Baukünstler ohne Bauaufträge nannte, aber der eines mächtigen Staates. Er begeistert sich für den elitären Terrororden der „Opritschniki“ Iwans des Schrecklichen. Er unterscheidet die Korruption von „Compradores“, die ihre Vermögen außer Landes bringen, von der entschieden unschädlicheren „patriotischen“ Beamtenkorruption. Jetzt, da sein Land in der Sackgasse steckt, wittert er seine große Chance.

Es erscheint paradox: Dugin, der die Hybris für seinen größten Fehler hält, ist dabei kein Individualist, kein Egozentriker, für den das Krisenbewusstsein zur Grundausstattung gehört, wie Joseph Brodsky über den Schriftsteller Andrej Platonow bemerkte. Im Gegenteil, die Philosophie Dugins bezieht ihre Autorität daraus, dass er sich zur Stimme anonym-massenhafter Prozesse zu machen und ihrer unpersönlich-kollektiven Logik zu folgen scheint. Wie bei jenem Internetauftritt unlängst, als Dugin, der selbst ukrainische Wurzeln hat, erklärte, alle Ukrainer müssten Vertreter der „Kiewer Junta“ „töten, töten, töten - ich sage das als Professor!“

Martin Lichtmesz

26. Juli 2014 10:20

Lesenswert auch dies aus der FAZ: Svetlana Alexijewitsch - Putins neues Rußland.

Wer nicht jubelt, ist ein Volksfeind. Gehört zur fünften Kolonne, zu den Finsterlingen vom State Departement. Das stalinistische Vokabular ist vollständig wiederhergestellt: Verräter, Abtrünnige, Helfershelfer der Faschisten. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Stalinisten jetzt orthodox sind. In Kaluga tötete während eines Betriebsfestes ein Bankangestellter einen Kollegen. Die beiden stritten über die Ukraine.

Am verhasstesten sind jetzt die Liberalen. Die Liberalen sind schuld an den verfluchten neunziger Jahren, am Verlust des Imperiums. Das Volk verlangt, die Wohnungen der Liberalen zu konfiszieren, sie einzusperren, zu erschießen. Das von Gott erwählte Volk! Das Fernsehen führt die Feinde vor. Etwa den bekannten Rockmusiker Andrej Makarewitsch, dem alle Auszeichnungen und sein Orden für Verdienste ums Vaterland aberkannt werden sollen. Der Historiker Andrej Subow sollte aus der Diplomatenhochschule gejagt werden (zum Glück wurde die Entscheidung rückgängig gemacht). Sie haben das Vaterland angeschwärzt. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.

Schon erklingen Aufrufe, keine amerikanischen Waren mehr zu kaufen. Auf den Straßen von Ufa wird eine Obama-Puppe verbrannt, als Antwort auf die Sanktionen. Ich habe mit Dutzenden Leuten gesprochen. Niemand hat Angst vor Sanktionen, niemand fürchtet den „Eisernen Vorhang“. Sie erinnern sich, dass man zu Sowjetzeiten auch in der Isolation lebte. Na und? Dafür hat das Leben jetzt einen Sinn: Den Brüdern zu helfen, das ist wichtiger als Wurst im Kühlschrank.

Man hat das Gefühl, das Land befinde sich im Kriegszustand. Alle wünschen sich neue Siege: „Und was ist mit Alaska?“ Man hat Angst, den Fernseher einzuschalten. Im Fernsehen wird gedroht, Amerika in Nuklearstaub zu verwandeln, und die Möglichkeit erwogen, ganz Europa zu besetzen.

(...)

Die Sprache der Gewalt durchtränkt das ganze Leben. Morgens schaltet man den Computer an und liest immer das Gleiche: Die Russen kommen, die Russen haben sich erhoben. Überall, wo Gewalt wieder ein Ideal ist, findet sich auch ein Karadzic, der die Leute davon überzeugt, dass man mit der Maschinenpistole Gutes tun kann.

Die roten Fahnen sind wieder da, der „rote“ Mensch ist wieder da. Alles erweist sich als quicklebendig. Fünfzehn Jahre hat Putin daran gearbeitet. Tag für Tag reanimierte das Fernsehen die sowjetischen Ideen. Und wir dachten, sie wären tot.

Russland erwies sich als nicht aufnahmefähig für die westlichen Werte, für das westliche Christentum. In den Kirchen wird gepredigt: „Man drängt uns wieder ein fremdes Entwicklungsmodell auf, bei dem wir unsere Spiritualität verlieren.“ Ich fragte einen mir bekannten Priester, was denn unsere Spiritualität ausmache. „Alle Homosexuellen in eine Stadt deportieren und dort erschießen!“, lautete die Antwort. Und dass alle Russen sich in einem obrigkeitlichen Staatskörper zusammenschließen sollten. Wir seien jetzt stark und könnten unsere Leute auch im Baltikum oder in Tadschikistan beschützen.

Ein Fremder aus Elea

26. Juli 2014 12:19

Naja, Herr Lichtmesz,

es ist ja schön und gut, daß die FAZ solche Kommentare zu Putins Rußland bringt, aber wenn Sie dort versuchen würden, einen Kommentar unterzubringen, welcher einfach nur festhalten würde, daß erstmals wieder seit der Legion Condor Deutsche aus ideologischen Gründen auf eigene Faust versuchen, einen Bürgerkrieg in einem fremden Land zu entscheiden, sähen Ihre Chancen wahrscheinlich schlecht aus.

Martin

26. Juli 2014 13:51

@Fremder aus Elea:

..., daß erstmals wieder seit der Legion Condor Deutsche aus ideologischen Gründen auf eigene Faust versuchen, einen Bürgerkrieg in einem fremden Land zu entscheiden

Hab ich irgendwas verpasst? Wo stehen "Deutsche" an welcher Front? Nebenbei bemerkt: "Auf eigene Faust" hat Deutschland im spanischen Bürgerkrieg gleich gar nichts entschieden.

@Aliquid
Ich glaube bestimmt nicht an den Dollar. Ich wollte in meinem Beitrag nur zum Ausdruck bringen, worauf die russ. "Eliten" bis hin zu Putin abfahren - und das ist nach wie vor der US-Dollar ...

Und zum Thema:

Dieser Dugin wird mir im übrigen immer unsympathischer - soll er doch nach Donezk gehen und die dortigen Truppen verstärken, dieser Schreibtisch- Schwadroneur ... aber all dieses Geschwurbel, bei dem immer die gleichen Schlagworte fallen (Evola, Integral, Universal, Nominal, USA und Individualismus ist böse, so wie "vier Beine gut und zwei Beine schlecht" etc., etc.), kann ich einfach nicht mehr Ernst nehmen - Diese Art von Gebetbüchern haben wir in Deutschland, und damit meine ich insbesondere auch das Nachkriegsdeutschland, doch zu Genüge von oben nach unten ohne Erfolg durch gebetet - alles Varianten und Ausdrücke des Nichts (diesen Satz habe ich selbstredend von einem anderen geklaut ;) ). Alles hilflose Versuche eines ganz evident gottlosen Menschen - Und sollte er tatsächlich seine Intellektuellen-Show Ernst meinen und dann auch noch tatsächlich mit dieser auch nur einen Jota Einfluss in Russland haben, dann gute Nacht, Russland. Aber vermutlich ist Putin dann doch viel zu sehr abgekochter Realist und lässt halt so einen Trommler in den Vorhöfen sein Liedchen singen, so lange es nicht schadet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Dugin ernsthaften Zugang zu den Entscheidungsträgern in Russland hat. Man darf auf das Selbstmarketing solcher Leute auch nicht zu sehr herein fallen.

Demo Goge

26. Juli 2014 15:19

Im Hinz Artikel heißt es:

. . . Dugin [wird] noch deutlicher: Da Europa nicht in der Lage sei, sich vor seiner Selbstzerstörung und gegen die islamische Invasion zu wehren, sei es das beste, wenn Rußland es als Protektorat unter seinen militärischen Schutz stellte . . .

Was nicht nur Dugin nicht, sondern auch viele Konservative nicht verstanden haben ist: 'Europa' will sich überhaupt nicht gegen eine 'islamische Invasion' wehren, im Gegenteil, die Islamisierung ist die - mittlerweile offene - EUropäische Politik.

Auch wenn es vielen nicht gefallen mag, EUrabien ist der bewußt gewählte machtpolitische dritte Weg zwischen USA und Rußland.

Ein Fremder aus Elea

26. Juli 2014 15:40

Martin,

Sie haben da in der Tat einiges verpaßt, insbesondere worauf ich mit der nämlichen Bemerkung abzielte.

Wenn Sie die Legion Condor damals in Spanien interviewt hätten - vielleicht wurde das auch getan - hätten sie Ihnen gesagt, daß sie auf eigene Faust da sind, denn zu dem Zeitpunkt hatte Berlin noch bestritten, daß die Legion Condor dort im offiziellen Auftrag war.

Die von mir vorgebrachte Behauptung ließe sich also durchaus durch passende Aussagen, Zeitdokumente, stützen.

Ja, aber an dieser Stelle beende ich meinen Erklärbärenauftritt.

Trouver

26. Juli 2014 15:53

Aber vermutlich ist Putin dann doch viel zu sehr abgekochter Realist

werter Martin, Putin ist Opportunist.

Und seine ach so eigene Tochter Maria lebt in NATO-Holland mit unorthodoxem Jorrit Faassen.

Raskolnikow

26. Juli 2014 17:19

Martin!

bitte nicht einschnappen, aber ... die totale Vernichtung aller Lebensgrundlagen ... findet in Russland genauso statt, wie im „Westen“ (man schaue nur – als klitzekleines Beispiel – auf die exorbitanten Abtreibungsraten in diesem Land oder die Dekadenz seiner Eliten).

Ist das Ihr Ernst? Weltweit wird die Familie durch Geringschätzung des Ehesakraments, Abtreibung, lose Sexualgepflogenheiten oder Suff ruiniert. Das ist alles beklagenswert und ich habe explizit Russland nicht als gelobtes Ausnahmeland bezeichnet.

In den Einflussgebieten der Menschenrechtler aber ist Familie alles und nichts, Mann und Frau sind veraltete Konzepte, Homosexuelle dürfen Kinder adoptieren, der Vater-/Mutter-Begriff soll getilgt werden und in der Schule gibt es Gender-Koffer. Es ist mir unbegreiflich, wie man den qualitativen Unterschied nicht erkennen kann ... Und ich habe auch keine Lust, auf diesem Niveau zu verbleiben. Versteh´n Sie´s oder eben nicht.

Liebe Monika!

Wie kann man einer verfehlten Selbsteinschätzung entgehen, wenn man keinen Außenblick einnehmen kann ?

Natürlich gehen Selbstbetrachtungen immer fehl. Aber der Grad der Verzerrung variiert schon gewaltig.

Sehen Sie, der identitäre Videoblogautor (Der übrigens wie ein Mann aussieht, der ein schnippisches Wort vertragen kann und nicht wie eine Heulsuse, die auf die ungebetene Fürsprache irgendwelcher Affen angewiesen ist.) könnte von mir zu einem Würstelwettessen herausgefordert werden, vielleicht auf einem meiner Wienbesuche als Wiedergutmachung für die Wurstschande des Juli ´14. Es bestünde doch eine realistische Chance, dass meine Fresscapacitäten denen jenes sportlichen jungen Mannes überlegen sind.

Bin ich nun aber ein Vierhundertpfundfettsack, der weder einen Klimmzug noch einen 100-Meter-Sprint vollbringen könnte, wäre meine Herausforderung zu einem 15-Kilometer-Hindernislauf an den Identitären doch grober Unfug ... Ich läge wohl deutlicher daneben, als bei der Würstchensache.

Der deutsche Widerstand taugt m.E. nurmehr zum Wettessen und Vorträgeanhören, was schon eine ganze Menge ist, aber doch eine große Fresse gegenüber Völkern, die versuchen dem westlichen Imperium zu widerstehen, nicht rechtfertigt.

Der Mann ist 100mal mehr wert als jeder Kommentarspaltenkrieger hier ... Bemühen Sie sich einer gewissen Bescheidenheit.

Vielleicht sollten Sie in Betracht ziehen, dass die Kommentarspaltenkrieger nicht nur Kommentare schreiben. Vielleicht, verbirgt sich ein Handwerker, ein Lehrer, eine Ärztin, ein Soldat oder eine Mutter hinter den verschiedenen Kommentarschreibern ... Ein Mensch erschöpft sich in der Regel nicht in dem, was wir von ihm wahrnehmen!

In meinem speciellen Falle haben Sie natürlich recht! Ich würde sogar sagen, der Mann ist 300 mal mehr wert als ich. Ich arbeite übrigens auf eine vollkommene Nutzlosigkeit hin, die Euphorie der Langeweile.

Und abschließend zu Dugin, da einige hier einen Einfluss auf Putin sehen oder befürchten. Zwei bekannte und auch für unsereins interessante Männer werden von Putin gelesen und geschätzt: Nikolai Berdjajew ("Philosophie der Freiheit", "Philosophie der Ungleichheit") und vor allem Ivan Iljin ("Das verschollene Herz", fantastisch!, "Gift, Geist und Wesen d. Bolschewismus" u.a., leider nicht alles auf deutsch erhältlich). Diese beiden Philosophen schließen Dugin aus!

Ich hab mich wieder verloren ....

R.

Langer

26. Juli 2014 18:26

Dugins Inkohaerenz spiegelt seine philosophische Impotenz wider. Er ist (typisch Russe, moechte manche meinen ;) ) trunken vor Macht: Er glaubt, seine von wilden Affekten kontrollierte Jugend agiere (im Gegensatz zu Europas Unsicherheit) im Zeichen der Kraft. Aber stark sind sie nicht! Ihre Affenhaftigkeit ist nur der Ausdruck von Hilflosigkeit, von Orientierungslosigkeit, von narzisstischer Selbstverschwendung, die so viele "Nein!" kennt, aber keine "Ja.".

Schiller lesen?! Schiller wuerde sich denen um die Ohren schlagen!

Ein Fremder aus Elea

26. Juli 2014 21:30

Demo Goge.

Hmm, das I Ching sagt zu Eurabien: See über Wasser, Unterdrückung, mit altem Yang in der 2. und 5. Zeile.

Also: Success. Perseverance.

The great man brings about good fortune.

No blame.
When one has something to say,
It is not believed.

Und dann noch: One is oppressed while at meat and drink.

The man with the scarlet knee bands is just coming.
It furthers one to offer sacrifice.

To set forth brings misfortune.

No blame.

und: His nose and feet are cut off.
Oppression at the hands of the man with the purple knee bands.
Joy comes softly.
It furthers one to make offerings and libations.

Fragt sich jetzt nur, wer die purpurnen Kniebänder anhat, wahrscheinlich ja Brüssel. Aber wie auch immer, ein guter Orakelspruch ist das eher nicht.

Monika

27. Juli 2014 08:41

Und abschließend zu Dugin, da einige hier einen Einfluss auf Putin sehen oder befürchten. Zwei bekannte und auch für unsereins interessante Männer werden von Putin gelesen und geschätzt: Nikolai Berdjajew („Philosophie der Freiheit“, „Philosophie der Ungleichheit“) und vor allem Ivan Iljin („Das verschollene Herz“, fantastisch!, „Gift, Geist und Wesen d. Bolschewismus“ u.a., leider nicht alles auf deutsch erhältlich). Diese beiden Philosophen schließen Dugin aus!

Auch wenn Putin Berdjajev liest, so gehört er ( Putin) nicht zur Intelligenzija. Und Berdjajew wäre heute für ihn auch ein Volksfeind.
( siehe: Wahrheit und Lüge des Kommunismus). Putin ist lediglich ein Apparatschik. Egal wie oft er sich bekreuzigt.

Berdjajew schließt in der Tat Dugin aus ( das neue Mittelalter).
Und ist der westlichste und klarste nichtkommunistische Denker Russlands. Er ist bis heute der wichtigste intellektuelle Gegenspieler zum Kommunismus in all dessen Ausprägungen.
Er verbindet das kollektive und individuelle des "Menschen" in überzeugender Weise.
Zeit, ihn zu lesen.
Ach ja, vieien Dank für die teils chaotische Diskussion. Sie verweist auf
großes Thema: Die postmoderne Antimoderne.

Monika

27. Juli 2014 09:34

Auch ein ganz inspirierender Beitrag von Kerstin Holm, ein Außenblick.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ein-blick-aus-russland-auf-das-deutsche-biedermeier-13064651.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Martin

27. Juli 2014 11:29

Raskolnikow,

der qualitative Unterschied ist in ihrem Kopf und gerade das ist ja auch ein Grund, warum ihre Beiträge so lesenswert sind. Realiter gibt es, außer kleinen Nuancen, die politisch von interessierten Kreisen ab und an hochgespielt werden, kaum welche, daher auch die Verwendung des Wortes "genauso" in meinem Beitrag.

Russland hat den Westen nach 90 dermaßen aufgesogen, dass er nun natürlich manchem wieder aus den Ohren - und einigen aus dem Halse - kommt, dass ist klar. Aber: Wenn sich bspw. kritische Leute aus den USA ihre Bild über Deutschland nur aus dem Lesen von deutscher Literatur bis 45 und entsprechenden, heutigen Internetseiten, wie dieser hier oder auch einiger anderer, bilden würden, würden sie Deutschland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Epizentrum des Widerstands gegen die Globalisierung bezeichnen, worüber wir natürlich noch nicht einmal mehr lächeln könnten. Mit diesem Beispiel will Ihnen mitnichten unterstellen, dass Sie ihr Russland-Bild aus Internetseiten gebildet haben (ihre Quellen legen Sie ja immer wieder dar). Das Beispiel soll eben auch nur ein Beispiel sein. Weiter oben wurde von der "Idee" von Russland geschrieben. Dem kann ich mich nur anschließen.

Ich hatte zu oft Kontakt mit diesen Nachwende-Russen und außer Pathos ist da nur heiße Luft und grenzenlose, rücksichtslose, über Leichen gehende Gier nach Kohle - evtl. werde ich aber auch noch meinen Saulus-Paulus Moment haben.

Matt Anon

27. Juli 2014 16:10

Welch eine tolle und interessante Diskussion! Und danke für die Rezeption von Alexander Dugin, Martin. Ich denke, er kommt in den Kommentaren viel zu schlecht weg, aber jedem das Seine. Natürlich ist Putin ein Apparatschik und ein gnadenloser Machtmensch, der sich nicht um hohe Ideale und "orthodoxen Nationalismus" kümmern wird. Er ist ein Ex-KGB-Agent und ein Schachspieler. Von Rußland, von Putin, von Dugin Hilfe oder Unterstützung zu erwarten, sich mit ihnen auf realpolitischer Ebene zu verbünden, wäre historisch blind und für Europa fatal! Doch zweifellos gehört Putin zu den klügsten politischen Führern auf der derzeitigen politischen Weltbühne. Die Deutschen - die Europäer mit England und Frankreich - sollten ein eigenes Machtzentrum bilden und je nach Lage zwischen den USA und Rußland navigieren, je nachdem was zu unserem Vorteil ist. Die Deutschen sollten sich militärisch aufrüsten und sich viel mehr in Konflikte und Kriege einmischen und ihre eigene Macht ausbauen. Der Pastor-Präsident Gauck hat ja die Marschrichtung vorgegeben. So viel zur Realpolitik, die immer häßlich und unidealistisch sein wird.

Zu Dugin: Ich finde sein Leben, seine Person und seine philosophischen Vorstöße (unabhängig davon ob ich mit ihm übereinstimme) sind durchaus faszinierend und beachtenswert. Seine politische Einflußnahme wird ihre sub­al­terne Wirkung entfalten, durchaus auch in Gramscis Sinn. Allerdings glaube ich, dass der Idealist (Dugin) dem Opprtunisten (Putin) immer unterlegen sein wird, zumindest was die ganz konkrete, sozial-politische Wirkung auf die realgesellschaftlichen Verhältnisse angeht. Somit wird es sich so verhalten, dass Putin natürlich Dugin für Stimmungsmache und als indirekte Unterstützung seiner Politik benutzt, und nicht, dass Putin direkt von Dugin beeinflusst wird. (Wahrscheinlicher ist eher, dass Putin ihn ins Gefängnis werfen würde, in dem Moment, wo er ihm gefährlich werden könnte.)

Wie dem auch sei, ich finde Dugins Idee und die von ihm verwendete Heidegger'sche Kategorie des Daseins um einiges profunder und philosophischer als es von Hinz oder anderen gesehen wird. Wer in Deutschland könnte auf der rechtsintellektuellen Bühne dem intellektuellen Kaliber von Dugin das Wasser reichen??

Martin Lichtmesz

28. Juli 2014 20:20

Badeschluß! Спасибо an alle!

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